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50/01 GewerbeordnungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Gleichheitswidrigkeit der auf die Vermeidung einer Gesundheitsgefährdung von Nachbarn beschränkten, unzumutbare Belästigungen nicht berücksichtigenden Möglichkeit der Vorschreibung nachträglicher Auflagen für genehmigungsfreie GastgärtenRechtssatz
Zulässigkeit des Antrags des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung der Wortfolge "zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen" in §76a Abs8 GewO 1994 idF BGBl I 66/2010.
Dem Vorbringen der im Verfahren vor dem VwGH mitbeteiligten Partei, die einen Gastgartenbetrieb führt, wonach die Aufhebung der angefochtenen Wortfolge den Inhalt des §76a Abs8 GewO 1994 vollkommen verändern würde, kann nicht gefolgt werden. Durch die Aufhebung würde nur eine Einschränkung im Tatbestand des §76a Abs8 GewO 1994 beseitigt; die Möglichkeit, auch im Verfahren nach §76a GewO 1994 nachträglich Auflagen festzuschreiben, bliebe bestehen.
Nach §76a Abs8 GewO 1994 idF BGBl I 66/2010 können zwar nachträgliche Auflagen iSd §79 und §79a GewO 1994 zur Vermeidung der Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, nicht aber Auflagen zur Vermeidung von unzumutbaren Belästigungen vorgeschrieben werden, während für sonstige Betriebsanlagen keine solche Beschränkung besteht. Diese Ungleichbehandlung ist ebenso wenig zu rechtfertigen wie die mit dem Erk VfSlg 19584/2011 beseitigte Privilegierung in §76a Abs1 Z4 GewO 1994 aF von Gastgärten gegenüber sonstigen Betriebsanlagen.
Insbesondere rechtfertigt das Erfordernis, dass der Betrieb im Einklang mit den gesetzlichen Voraussetzungen des §76a Abs1 GewO 1994 erfolgen muss, nicht, dass die Möglichkeit der Vorschreibung nachträglicher Auflagen (auch) zur Vermeidung von unzumutbaren Belästigungen ausgeschlossen wird. Eine Rechtfertigung besteht auch nicht in der in Abs8 vorgesehenen Möglichkeit der Einschränkung der Betriebszeit.
Nicht nur atypische Härtefälle betroffen (vgl VfSlg 19031/2010).
Diesem Ergebnis kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der Vergleichsmaßstab hier nicht die einer Genehmigungspflicht unterliegenden Betriebsanlagen, sondern jene Betriebsanlagen seien, die keiner Genehmigung bedürften. Für genehmigungsfreie Anlagen ist eine Regelung wie jene des §79 GewO 1994 entbehrlich; sofern sich die Situation einer Betriebsanlage, die ursprünglich gemäß §74 Abs2 GewO 1994 genehmigungsfrei war, insoweit ändert, dass etwa Interessen der Nachbarn nunmehr betroffen sind, müsste diese Betriebsanlage einem Genehmigungsverfahren unterworfen werden. Die ex lege bestehende Ausnahme von der Genehmigungspflicht ist in einem solchen Fall nur als vorübergehende anzusehen, die mit der Erfüllung der Kriterien für die Genehmigungspflicht beendet ist.
Die Regelung des §76a Abs8 GewO 1994 verstößt daher gegen den Gleichheitsgrundsatz. Zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit reicht es aus, die Wortfolge "zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen" in §76a Abs8 GewO 1994 aufzuheben.
Schlagworte
Gewerberecht, Gastgewerbe, Gastgärten, VfGH / PrüfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:G94.2013Zuletzt aktualisiert am
30.07.2015