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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1297;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde des GH in H, Deutschland, vertreten durch Dr. Ernst Stolz, Dr. Sepp Manhart und Dr. Meinrad Einsle, Rechtsanwälte in Bregenz, Römerstraße 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 18. Oktober 1999, Zlen. I-0489/99/E4, I-0493/99/E4, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Einspruches in Angelegenheit Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 und Zurückweisung dieses Einspruches, zu Recht erkannt:
Spruch
Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 27. Mai 1999 wies die Bezirkshauptmannschaft Bregenz den vom Beschwerdeführer erhobenen Einspruch gegen zwei Strafverfügungen dieser Behörde vom 5. August 1998, mit welchen der Beschwerdeführer Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 für schuldig erkannt worden war, gemäß § 49 Abs. 1 VStG als verspätet zurück.
Mit Bescheid vom 11. August 1999 lehnte die Bezirkshauptmannschaft Bregenz einen Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung dieses Einspruches gemäß § 71 Abs. 1 AVG ab.
Den gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 18. Oktober 1999 gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe keine Folge, dass der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 11. August 1999 dahin abgeändert wurde, dass es im Spruch dieses Bescheides statt "abgelehnt" "zurückgewiesen" zu lauten habe (Spruchpunkt 1.); dies mit der Begründung, folgend dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe den Einspruch rechtzeitig zur Post gegeben, habe er keine Frist versäumt. Die Abweisung der Berufung gegen die Zurückweisung des Einspruches als verspätet (Spruchpunkt 2.) begründete die belangte Behörde damit, dass die Gefahr des Verlustes eines Anbringens den Einschreiter treffe; der im Wege der Stadt Herne (Deutschland) übermittelte Einspruch sei weit außerhalb der Einbringungsfrist eingelangt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Nach Abs. 2 dieses Paragrafen muss der Antrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
Der Beschwerdeführer hat seinen mit der Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz vom 27. Mai 1999 verbundenen Wiedereinsetzungsantrag vom 8. Juni 1999 wie folgt begründet: "Mit Schreiben vom 02.09.1999 wurde gegen die Strafverfügungen X-21896-1998 und X-21870-1998 form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Nunmehr beruft sich die Bezirkshauptmannschaft Bregenz darauf, das Einspruchschreiben sei ihr nicht zugegangen." In der Berufungsergänzung vom 15. Juni 1999 hat er zu diesem Antrag insbesondere noch ergänzend ausgeführt: "Die Begründung der Verwaltungsbehörde für diese Zurückweisung beschränkt sich tatsächlich auf den lapidaren Satz, dass 'kein Widerspruchschreiben bei der Behörde eingelangt sei'." und: "Nur weil dieses Einspruchschreiben vom 02.09.1998 aus ungeklärten Gründen bei der Verwaltungsbehörde angeblich nicht eingelangt ist, musste überhaupt die Wiedereinsetzung beantragt werden und ist es daher rechtlich unzulässig und widerspricht auch allen Gesetzen der Logik, wenn die Verwaltungsbehörde den Umstand, der überhaupt die Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrages durch die Vertreter des Beschuldigten notwendig machte, gleichzeitig als Grund für die Ablehnung der Wiedereinsetzung heranzuziehen versucht."
Der Beschwerdeführer hat somit zwar weder in seinem mit der Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 27. Mai 1999 verbundenen Wiedereinsetzungsantrag noch in seiner Berufungsergänzung ausdrückliche Angaben über die Rechtzeitigkeit des Antrages im Sinne des § 71 Abs. 2 AVG, also darüber, wann das Hindernis, welches die Fristversäumung nach sich gezogen hat, weggefallen ist, gemacht. Aus dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag vom 8. Juni 1999 ist aber klar (vgl. "nunmehr") entnehmbar, dass er erstmals durch die - laut einem Vermerk der Behörde am 1. Juni 1999 (nach Angabe des Beschwerdeführers am 2. Juni 1999) erfolgte - Zustellung des seinen mit Schreiben vom 12. Mai 1999 vorgelegten Einspruch zurückweisenden Bescheides vom 27. Mai 1999, in dem die Behörde erster Instanz begründend ausführte, es sei "kein Widerspruchsschreiben bei der Behörde eingelangt", davon Kenntnis erlangt hat, dass sein ursprünglich bereits am 2. September 1998 erhobener Einspruch gegen die angeführten Strafverfügungen nicht bei der Behörde erster Instanz eingelangt war. Damit hat der Beschwerdeführer - entgegen der Ansicht der belangten Behörde in der Gegenschrift - in ausreichender Weise (und im Einklang mit der Aktenlage) Angaben zur Rechtzeitigkeit seines Wiedereinsetzungsantrages gemacht, und erweisen sich sowohl der am 11. Juni 1999 Behörde erster Instanz eingelangte Wiedereinsetzungsantrag als auch die am 15. Juni 1999 dort eingelangte Ergänzung der Berufungsschrift, in der auch Ausführungen zum Wiedereinsetzungsantrag gemacht werden, jedenfalls als innerhalb der Frist des § 71 Abs. 2 AVG eingebracht.
Der Beschwerdeführer hat die Frist zur Erhebung der Einsprüche gegen die gegen ihn erlassenen Strafverfügungen versäumt, weil der von ihm gegen beide Strafverfügungen in einem Schreiben abgefasste - offenbar nicht eingeschrieben - zur Post gegebene Einspruch nicht bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangt ist. Diesen Umstand hat der Beschwerdeführer offensichtlich nicht miteinberechnet; sein Eintritt konnte im Hinblick auf die Zuverlässigkeit des Postverkehrs zwischen der BRD und Österreich auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden. Im Sinne der von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Grundsätze (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1999, Zl. 99/03/0078, mit weiteren Nachweisen) liegt daher ein unvorhergesehenes Ereignis vor. Dass der Beschwerdeführer den Einspruch nicht "eingeschrieben" zur Post gegeben hat, kann ihm nicht als ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden angerechnet werden, weil er auch ohne diese besondere Form der Postaufgabe im Postverkehr zwischen der BRD und Österreich mit dem Einlangen des Einspruches bei der erstinstanzlichen Behörde rechnen konnte (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1999, Zl. 99/03/0078). Das Vorbringen des Beschwerdeführers war daher - zutreffendenfalls - geeignet, einen Wiedereinsetzungsgrund zu bilden.
Da die belangte Behörde dies nicht erkannt und den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid insoweit mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG zu dessen Aufhebung führen musste. Dies im Zusammenhang mit der aus der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides zu Spruchpunkt 2., woraus sich ergibt, dass die belangte Behörde die oben dargestellte Rechtslage und insbesondere auch den Inhalt des Wiedereinsetzungsantrages verkannt hat. Gerade damit wollte der Beschwerdeführer nämlich die Rechtsfolgen, wie sie Gegenstand des Spruchpunktes 2. sind (vgl. die nachstehenden Ausführungen), beseitigen.
Unwidersprochen wurden die beiden Strafverfügungen der Bezirkshauptmannschaft Bregenz dem Beschwerdeführer am 28. August 1998 zugestellt. Der dagegen erhobene Einspruch wurde dieser Behörde erst mit Schreiben des Kassen- und Steueramtes der Stadt H vom 20. April 1999 (bei der Behörde am 23. April 1999 eingelangt) - also erst lange nach Ablauf der mit der Zustellung der Strafverfügungen in Lauf gesetzten zweiwöchigen Einspruchsfrist - übermittelt. Demzufolge kann der belangten Behörde aber zunächst nicht entgegengetreten werden, wenn sie mit dem angefochtenen Bescheid die Zurückweisung des verspätet eingebrachten Einspruches im Instanzenweg bestätigt hat. Der Umstand, dass der Behauptung des Beschwerdeführers zufolge ein Einspruch fristgerecht zur Post gegeben worden sei, vermag für sich allein daran nichts zu ändern, weil die Gefahr des Verlustes einer zur Post gegebenen Eingabe der Absender zu tragen hat und eine Eingabe nur dann als eingebracht gilt, wenn sie der Behörde tatsächlich zugekommen ist (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S 166 zitierte Judikatur). Die Zurückweisung des Einspruches erweist sich auch trotz der Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages nicht als rechtswidrig, weil wenn in der Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung auch ein Wiedereinsetzungsantrag enthalten ist, über diesen gesondert zu entscheiden ist. Im Fall der Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt der Zurückweisungsbescheid gemäß § 72 Abs. 1 AVG von Gesetzes wegen außer Kraft. Abgesehen von den Fällen, in denen dem Wiedereinsetzungsantrag aufschiebende Wirkung zuerkannt worden ist, besteht kein Grund dafür, mit der Zurückweisung eines verspäteten Rechtsmittels zuzuwarten, wenn über einen Wiedereinsetzungsantrag noch nicht bejahend entschieden worden ist (vgl. zur diesbezüglich ständigen Rechtsprechung seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Oktober 1986, Slg. 12.275 A, die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S 1612 zitierte Judikatur).
Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Einspruches gegen die Strafverfügungen richtete, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 29. September 2000
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999020356.X00Im RIS seit
21.12.2000