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E6J;Norm
31997R0515 Amtshilfe Zoll / Agrarregelung Art6 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2010/16/0104Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma, die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Beschwerden des BG in C, vertreten durch die Burghofer Rechtsanwalts GmbH in 1060 Wien, Köstlergasse 1/30, gegen die Bescheide des unabhängigen Finanzsenates (Zollsenat 3)
1. vom 8. April 2010, Zl. ZRV/0201-Z3K/06, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (hg. Zl. 2010/16/0103), und 2. vom 19. März 2010, Zl. ZRV/0202- Z3K/06, betreffend Zurückweisung einer Berufung (hg. Zl. 2010/16/0104), zu Recht erkannt:
Spruch
Der zur hg. Zl. 2010/16/0104 angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Die Beschwerde gegen den zur hg. Zl. 2010/16/0103 angefochtenen Bescheid wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 15. September 2005 schrieb das Zollamt I dem in Italien wohnhaften Beschwerdeführer Eingangsabgaben in Höhe von EUR 8,939.881,03 zur Entrichtung vor, weil dieser Schmuckwaren im Wert von EUR 44.352.067,47 vorschriftswidrig in das Zollgebiet der EU verbracht habe. Dieser Abgabenbescheid wurde dem Beschwerdeführer am 26. September 2005 auf dem Postweg an seinen italienischen Wohnsitz übermittelt.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 2005 beantragte der Beschwerdeführer die "neuerliche Zustellung" des Abgabenbescheides, in eventu die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist und erhob gleichzeitig Berufung. Er führte aus, die Übermittlung der Abgabenvorschreibung habe gegen italienisches Zustellrecht verstoßen. Dieses sehe keine Zustellung von "Behördenpost" durch die staatliche Post, sondern nur durch private Zusteller unter Beisein von Zeugen vor. Zum Wiedereinsetzungsantrag führte der Beschwerdeführer aus, der Abgabenbescheid sei nur in der ihm nicht verständlichen deutschen Sprache abgefasst gewesen. Innerhalb der Rechtsmittelfrist sei eine Übersetzung nicht möglich gewesen. Er sei daher davon ausgegangen, dass die Zustellung an ihn auch deswegen nicht rechtswirksam erfolgt wäre. Der Beschwerdeführer habe erst am 13. Dezember 2005 von der Bedeutung des Abgabenbescheides erfahren.
In seinem Schriftsatz vom 20. Februar 2006 teilte der Beschwerdeführer ergänzend mit, das unvorhersehbare Ereignis sei darin zu erblicken, dass er als der deutschen Sprache nicht mächtiger Italiener nicht habe damit rechnen können, ein so wichtiges Schriftstück nur in deutscher Sprache zugestellt zu bekommen. Er sei nicht in der Lage gewesen, die Rechtswirkungen des Bescheides zu beurteilen. Er lebe in einer Kleinstadt in der Region L. Es sei sehr schwierig gewesen, jemanden zu finden, der der deutschen Sprache mächtig sei. Erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist habe er eine ungefähre Übersetzung erhalten. Da habe er realisiert, dass das Zollamt I von ihm EUR 8,939.881,03 fordere. Daraufhin habe er sich zu einem Anwalt in C begeben. Da er selbst im Verfahren niemals vernommen worden sei, habe er auch nicht mit der Ausstellung eines solchen Bescheides rechnen können. Ein grobes Verschulden an der Fristversäumung treffe ihn daher nicht.
Mit Bescheid vom 14. März 2006 wies das Zollamt I den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab und führte dabei aus, dem Beschwerdeführer sei auffallend sorgloses Handeln vorzuwerfen, weil gerade der Umstand der Zustellung eines Schriftstückes in deutscher Sprache einen sorgsam handelnden Geschäftsmann dazu veranlasst hätte, dieses unter Ausnutzung der gebotenen Mittel rechtzeitig übersetzen zu lassen. Da im Ermittlungsverfahren in den Wohnräumlichkeiten des Beschwerdeführers eine Hausdurchsuchung durch italienische Zollfahndungs- und Polizeibeamte stattgefunden habe, habe der Beschwerdeführer mit einem solchen Bescheid rechnen können.
Mit Bescheid vom 15. März 2006 wies das Zollamt I die Berufung gegen die Abgabenvorschreibung als nicht fristgerecht eingebracht zurück und führte dabei aus, die "Zustellung" des bekämpften Bescheides sei am 26. September 2005 "mittels eingeschriebenen Briefes gegen internationalen Rückschein" erfolgt. Die Berufungsfrist habe am 27. September 2005 zu laufen begonnen und am 27. Oktober 2005 geendet. Die am 22. Dezember 2005 zur Post gegebene Berufung vom selben Tag sei daher verspätet.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diese beiden Bescheide jeweils Berufung.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 22. Mai 2006 wies das Zollamt I die Berufung gegen den Bescheid vom 14. März 2006 (Wiedereinsetzungsverfahren) als unbegründet ab und führte im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft darlegen können, durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert gewesen zu ein, die Berufungsfrist einzuhalten.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 23. Mai 2006 wies das Zollamt I die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid vom 15. März 2006 als unbegründet ab und führte im Wesentlichen aus, die Zustellung des Abgabenbescheides sei nach Art. 137 des Weltpostvertrages, somit auf einer bestehenden internationalen Vereinbarung iSd § 11 Zustellgesetz erfolgt. Dadurch sei von einer wirksamen Zustellung auszugehen.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diese Bescheide jeweils eine (Administrativ-)Beschwerde.
Mit dem erstangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde im Verfahren auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet ab. Sie führte im Wesentlichen aus, die Zustellung des dem Wiedereinsetzungsverfahren zu Grunde liegenden Abgabenbescheides sei am 26. September 2005 am Postwege erfolgt. Der Beschwerdeführer habe die Übernahme der eingeschrieben aufgegebenen Postsendung eigenhändig bestätigt. Die Verletzung der in § 11 Abs. 1 Zustellgesetz vorgesehene Zustellung nach der Verordnung (EG) Nr. 515/97 des Rates vom 13. März 1997 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit dieser Behörden mit der Kommission im Hinblick auf die ordnungsgemäße Anwendung der Zoll- und Agrarregelung sei evident. Durch die tatsächliche Übernahme des Bescheides sei die Zustellung aber als bewirkt und der Zustellmangel als geheilt zu betrachten.
Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinen Entscheidungen klar zum Ausdruck gebracht, dass mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache keinen Wiedereinsetzungsgrund bildeten. Der Beschwerdeführer habe ein Schriftstück mit österreichischen Hoheitszeichen und mit auffällig ausgewiesenen sehr hohen Abgabenbeträgen eigenhändig übernommen. Auch dem auffällig gestalteten Briefkopf sei unzweifelhaft zu entnehmen, dass es sich hierbei um ein behördliches Schriftstück handle. Darüber hinaus sei in dieser Entscheidung der Beschwerdeführer als Adressat und eine Reihe von auch in Italien unmittelbar gültigen Rechtsnormen des "Europäischen Zollrechts" auch für eine der deutschen Sprache unkundige Person zweifelsfrei zu entnehmen gewesen. Im Hinblick auf die zwar schon länger zurückliegenden, aber in der Beschwerdesache durchgeführten Hausuntersuchungen durch italienische Zoll- und Polizeibeamte in den Wohnräumlichkeiten des Beschwerdeführers, bei der auch Waren sichergestellt worden seien, sei von einer Kenntnis des Beschwerdeführers hinsichtlich des vom Zollamt I geführten Verfahrens auszugehen. Der Beschwerdeführer hätte unter Beachtung der einem Kaufmann zumutbaren Sorgfalt mit weiteren Maßnahmen des Zollamtes I rechnen müssen. Jedenfalls hätte der Zustellvorgang der Briefsendung mit einem Zustellnachweis für das Zollamt I den Beschwerdeführer veranlassen müssen, mit Rechtsfolgen, wie dem Beginn des Laufes einer Rechtsmittelfrist, zu rechnen. Es sei ihm demnach nicht gelungen, glaubhaft darzulegen, durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis und ohne auffallend sorglos gehandelt zu haben, an der Versäumung der Berufungsfrist gehindert gewesen zu sein.
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde gegen die Zurückweisung der Berufung als unbegründet ab und führte aus, gemäß § 11 Abs. 1 Zustellgesetz seien Zustellungen im Ausland primär nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen vorzunehmen (erster Tatbestand). Wenn solche nicht bestünden, seien Zustellungen nach den Rechtsvorschriften jenes Staates, in dem zugestellt werden sollte, vorzunehmen (zweiter Tatbestand). Wenn weder internationale Vereinbarungen noch nationale Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, bestünden, hätten Zustellungen nach der internationalen Übung zu erfolgen (dritter Tatbestand).
Wenn das Zollamt I unter Bezugnahme auf Art. 137 Weltpostvertrag eine Zustellung des Abgabenbescheides auf Grundlage einer internationalen Vereinbarung i.S.d. § 11 Abs. 1 Zustellgesetz erblicke, übersehe es, dass die Satzung des Weltpostvereines die Rechtsgrundlage für den Auslandspostdienst und damit den Postdienst zwischen den derzeit 191 Mitgliedsländern dieser Organisation bilde. Der Weltpostvertrag alleine bilde keine ausreichende Grundlage i.S.d. ersten Tatbestandes des § 11 Abs. 1 Zustellgesetz. Jedoch lasse die internationale Übung die Zustellung abgabenbehördlicher Schriftstücke auf dem Postweg im Ausland grundsätzlich zu. Insbesondere könne in internationalen Vereinbarungen auf die direkte Postzustellung und die Vorschriften des Weltpostvertrages Bezug genommen werden. Die Zustellung des Abgabenbescheides vom 15. September 2005 sei somit nicht auf der Grundlage einer internationalen Vereinbarung (erster Tatbestand), sondern nach der internationalen Übung (dritter Tatbestand), welche von Italien grundsätzlich geduldet werde, erfolgt. Dem im Akt einliegenden Rückschein sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer die Sendung mit dem Abgabenbescheid am 26. September 2005 in Empfang genommen habe.
Das Zollamt I hätte zunächst prüfen müssen, ob Gemeinschaftsrechtsakte oder Staatsverträge bestünden, die nähere Regelungen über die Zustellung bzw. Bekanntgabe von zollrechtlichen Entscheidungen österreichischer Behörden in Italien träfen. Nach Art. 12 des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über gegenseitige Amtshilfe zur Verhinderung, Ermittlung und Verfolgung von Zollzuwiderhandlungen (BGBl. Nr. 708/1995) stelle auf Ersuchen der Zollverwaltung des einen Staates die Zollverwaltung des anderen Staates entsprechend den in diesem Gebiet geltenden Rechtsvorschriften Schriftstücke betreffend die Anwendung der Zollvorschriften den Empfängern zu. Dieses Abkommen sei gemäß seinem Art. 18 Abs. 2 mit 1. November 1995 in Kraft getreten.
Darüber hinaus bestünden Zustellvorschriften nach der unmittelbar anwendbaren Verordnung (EG) Nr. 515/97 des Rates vom 13. März 1997 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit dieser Behörden mit der Kommission im Hinblick auf die ordnungsgemäße Anwendung der Zoll- und Agrarregelung. Gemäß Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 515/97 gebe die ersuchte Behörde auf Antrag der ersuchenden Behörde dem Empfänger unter Beachtung der Bestimmungen des Mitgliedstaates, in dem sie ihren Sitz habe, alle die Anwendung der Zoll- und Agrarregelung betreffenden Verwaltungsakte oder sonstigen Entscheidungen der Verwaltungsbehörden bekannt oder lasse sie ihm bekannt geben. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung werde den Anträgen auf Bekanntgabe, in denen der Gegenstand der bekannt zu gebenden Verwaltungsakte oder sonstigen Entscheidungen genannt werde, eine Übersetzung in der Amtssprache bzw. eine der Amtssprachen des Mitgliedstaates, in dem die ersuchte Behörde ihren Sitz habe, beigefügt; der ersuchten Behörde stehe es jedoch frei, auf die Vorlage einer Übersetzung zu verzichten.
Ein Hinweis auf eine mögliche unmittelbare Postzustellung, wie dies beispielsweise bilaterale Rechtshilfeabkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland vorsähen, sei den vorgenannten für Italien gültigen Rechtsnormen nicht zu entnehmen.
In Anbetracht der strengen Reihenfolge des § 11 Abs. 1 Zustellgesetz werde daher die Nichtbeachtung der für Zustellungen in Italien maßgeblichen internationalen Normen bereits einen die Unwirksamkeit der Zustellung bewirkenden Mangel bilden. Der Verwaltungsgerichtshof gehe aber davon aus, dass für die Frage der Heilung von Mängeln einer im Ausland erfolgten Zustellung § 7 Zustellgesetz maßgeblich sei, es sei denn, aus einem internationalen Abkommen ergebe sich ausdrücklich oder von seiner Zwecksetzung her Gegenteiliges.
Da weder den bilateralen Zollrechtshilfeabkommen zwischen Österreich und Italien noch der Ratsverordnung vom 13. März 1997 betreffend Zollrechtshilfe und dem übrigen im Zollbereich geltenden Gemeinschaftsrecht anders lautende Regelungen über die Heilung von Zustellmängeln zu entnehmen seien, sei von der Anwendbarkeit der Heilungsbestimmung des § 7 Abs. 1 Zustellgesetz im Zusammenhang mit der Zustellung abgabenrechtlicher Entscheidungen österreichischer Zollbehörden in Italien auszugehen.
Der diesem Verfahren zu Grunde liegende Abgabenbescheid sei dem Beschwerdeführer am 26. September 2005 zugekommen. Die Übernahme des Schriftstückes mit 26. September 2005 sei vom Beschwerdeführer auch außer Streit gestellt worden. Der aufgezeigte Zustellmangel sei daher als geheilt zu betrachten.
Zur Frage des Übersetzungserfordernisses bzw. zur Frage der Beigabe einer Übersetzung in eine dem Beschwerdeführer verständliche Sprache sei darauf hinzuweisen, dass Streitigkeiten über Abgaben nach der herrschenden Auffassung nicht als Verfahren über civil rights zu qualifizieren seien. Verpflichtungen und Ansprüche abgabenrechtlicher Natur seien damit nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 MRK zu subsumieren, sodass sich dessen Verfahrensgarantien nicht auf Abgabenverfahren erstreckten.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, in welchen der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Der Beschwerdeführer erachtet sich - immerhin erkennbar - durch die angefochtenen Bescheide in seinem Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und in seinem Recht auf Zurückweisung der Berufung als unzulässig (und nicht als verspätet) verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete Gegenschriften, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der beiden Beschwerden zur gemeinsamen Entscheidung erwogen:
Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
Nach Artikel 12 des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die gegenseitige Amtshilfe zur Verhinderung, Ermittlung und Verfolgung von Zollzuwiderhandlungen (in der Folge: Amtshilfe-Abkommen), BGBl. Nr. 708/1995, stellt auf Ersuchen der Zollverwaltung des einen Staates die Zollverwaltung des anderen Staates entsprechend den in diesem Gebiet geltenden Rechtsvorschriften Schriftstücke betreffend die Anwendung der Zollvorschriften den Empfängern zu.
Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 515/97 des Rates vom 13. März 1997 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit dieser Behörden mit der Kommission im Hinblick auf die ordnungsgemäße Anwendung der Zoll- und der Agrarregelung, ABl. (EG) Nr. L 082 vom 22. März 1997 (in der Folge: Verordnung (EG) Nr. 515/97), lautet:
"Artikel 6
(1) Auf Antrag der ersuchenden Behörde gibt die ersuchte Behörde dem Empfänger unter Beachtung der Bestimmungen des Mitgliedstaats, in dem sie ihren Sitz hat, alle die Anwendung der Zoll- und der Agrarregelung betreffenden Verwaltungsakte oder sonstigen Entscheidungen der Verwaltungsbehörden bekannt oder läßt sie ihm bekanntgeben.
(2) Den Anträgen auf Bekanntgabe, in denen der Gegenstand der bekanntzugebenden Verwaltungsakte oder sonstigen Entscheidungen genannt wird, wird eine Übersetzung in die Amtssprache bzw. eine der Amtssprachen des Mitgliedstaats, in dem die ersuchte Behörde ihren Sitz hat, beigefügt; der ersuchten Behörde steht es jedoch frei, auf die Vorlage einer Übersetzung zu verzichten."
Der Beschwerdeführer rügt, die Zustellung der Abgabenvorschreibung sei weder durch italienische Behörden erfolgt noch sei ihm eine italienischsprachige Übersetzung zugekommen. Daraus ergebe sich, dass die Abgabenvorschreibung ihm gegenüber nicht rechtswirksam ergangen sei.
Damit ist der Beschwerdeführer im Recht. Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 515/97 sieht vor, dass die Zustellung im Wege der Behörde des ersuchten Mitgliedstaats unter Beachtung seiner Bestimmungen zu erfolgen hat. Den diesbezüglichen Anträgen an die Behörden des ersuchten Mitgliedstaates ist nach Abs. 2 leg. cit. eine Übersetzung in die Amtssprache (eine der Amtssprachen) des Mitgliedstaates, in der die ersuchte Behörde ihren Sitz hat, beizufügen. Damit soll zweifellos aus Gründen des Rechtsschutzes der Empfänger der Sendung in die Lage versetzt werden, vom Inhalt dieser Sendung ohne weitere Hindernisse Kenntnis zu erlangen. Dieser Deutung steht auch nicht der Umstand entgegen, dass es der ersuchten Behörde frei steht, zu Lasten des Empfängers auf diese Übersetzung zu verzichten.
Zum selben Ergebnis gelangt man, wenn das Amtshilfe-Abkommen herangezogen wird, weil nach dessen Art. 12 die Zollverwaltung des ersuchten Staates entsprechend den in diesem Gebiet geltenden Rechtsvorschriften Schriftstücke betreffend die Anwendung der Zollvorschriften den Empfängern zustellt. Die dort genannten Vorschriften umfassen auch die direkt anwendbare Verordnung (EG) Nr. 515/97, die im Beschwerdefall die Beifügung einer italienischsprachigen Übersetzung vorsieht. Die Heilung, auf die sich die belangte Behörde stützt, hätte erfordert, dass dem Empfänger das Dokument - im Beschwerdefall die Abgabenvorschreibung samt Übersetzung - zugekommen wäre.
Dementsprechend liegt im Beschwerdefall kein wirksamer Bescheid des Zollamtes Wien vor.
Dadurch dass das Zollamt die Berufung als verspätet zurückgewiesen hat anstatt die Berufung als unzulässig - weil gegen einen Nichtbescheid gerichtet -, hat es seinen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet. Da die belangte Behörde im Instanzenzug diesen Bescheid bestätigt hat, hat sie ihren zweitangefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weswegen er nach § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Da somit die Abgabenvorschreibung des Zollamtes vom 15. September 2005 nicht wirksam geworden ist, kommt eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen diese Abgabenvorschreibung gar nicht in Betracht, weshalb der Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen gewesen wäre. Dadurch dass die belangte Behörde im Instanzenzug den Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen statt zurückgewiesen hat, wurde der Beschwerdeführer aber im geltend gemachten Recht nicht verletzt.
Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 26. Juni 2014
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2010160103.X00Im RIS seit
07.08.2014Zuletzt aktualisiert am
20.11.2014