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83/01 Natur- und UmweltschutzNorm
B-VG Art139 Abs1 Z3Leitsatz
Zurückweisung des Individualantrags eines Taxiunternehmers auf Aufhebung einer Bestimmung der Stmk LuftreinhalteV 2011 betreffend Partikelemissionsgrenzwerte für Taxis infolge Zumutbarkeit der Beantragung einer AusnahmegenehmigungSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag und Vorverfahren
1. Mit seinem (Individual-)Antrag begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge,
"1. gemäß Artikel 139 Abs3 B-VG i.V.m. §59 Abs2 VfGG den §4 Abs1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Steiermark vom 17. Jänner 2012, mit der Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen von Luftschadstoffen nach dem Immissionsschutzgesetz Luft angeordnet wurden (Stmk[.] Luftreinhalteverordnung 2011)[,] kundgemacht im Amtsblatt des Landes Steiermark Nr 2/2012[,] als gesetzeswidrig aufheben; sowie
2. gemäß §§27 und 61 a VfGG erkennen, der Landeshauptmann von Steiermark ist schuldig[,] die dem Antragsteller durch das verfassungsgerichtliche Verfahren entstandenen Kosten im gesetzlichen Ausmaß zu Handen der bevollmächtigten Vertreter binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."
Der Antragsteller führt zunächst aus, dass er ein Taxiunternehmen am Standort Graz betreibe. Er besetze eine Nische, weil der Fuhrpark seines Unternehmens aus Oldtimertaxis bestehe. Diese seien Dieselfahrzeuge, welche den Emissionsgrenzwert von 0,18 g/km überschreiten würden, weshalb sie der "Abgasklasse EURO 0" angehörten. Zu seiner Antragslegitimation bringt der Antragsteller Folgendes vor:
Aus §4 Abs1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Steiermark vom 17. Jänner 2012, mit der Maßnahmen zur Verringerung der Emission von Luftschadstoffen nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft angeordnet werden (Stmk. Luftreinhalteverordnung 2011), LGBl 2/2012, folge, dass dieselbetriebenen Taxifahrzeugen, die den maximalen Partikelemissionsgrenzwert von 0,18 g/km überschreiten würden, in Ausübung ihres Gewerbes das Befahren des Stadtgebietes von Graz sowie das Halten bzw. Parken in diesem ab 1. März 2012 nicht gestattet sei. Der Antragsteller könne daher sein Gewerbe mit den Oldtimertaxis nicht ausüben, weshalb §4 Abs1 leg.cit. ihn aktuell in seiner Rechtsposition verletze.
Des Weiteren sei §4 Abs1 Stmk. Luftreinhalteverordnung 2011 für den Antragsteller ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden. Zur Erlangung eines Bescheides müsste der Antragsteller durch Inbetriebnahme seiner Oldtimertaxiflotte im Stadtgebiet von Graz gemäß §30 Abs1 Z4 des Bundesgesetzes zum Schutz vor Immissionen durch Luftschadstoffe, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen, das Berggesetz 1975, das Abfallwirtschaftsgesetz und das Ozongesetz geändert werden (Immissionsschutzgesetz - Luft, IG-L), BGBl I 115/1997 idF BGBl I 77/2010, iVm der Stmk. Luftreinhalteverordnung 2011 ein Verwaltungsstrafverfahren provozieren, was nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes jedoch kein zumutbarer Weg zur Geltendmachung seiner Normbedenken sei. Zudem sei es dem Antragsteller nach den gesetzlichen Bestimmungen verwehrt, eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen.
2. Der Landeshauptmann der Steiermark erstattete eine Äußerung, in der er den im Antrag dargelegten Bedenken entgegentritt und beantragt, den (Individual-)Antrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu diesen als unbegründet abzuweisen. Zur Frage der Prozessvoraussetzungen führt der Landeshauptmann der Steiermark im Wesentlichen wie folgt aus:
Es sei davon auszugehen, dass das sich aus §4 Abs1 Stmk. Luftreinhalteverordnung 2011 ergebende Fahrverbot in die gewerberechtliche Befugnis, ein Taxiunternehmen zu betreiben, nicht eingreife. Es sei zwar nicht zu verkennen, dass das an Taxiunternehmen gerichtete sektorale Fahrverbot für Fahrzeuge mit bestimmten Emissionsklassen den Antragsteller möglicherweise härter treffe als andere Taxiunternehmer. Es liege jedoch in der Sphäre des Antragstellers, die sich aus dem Fahrverbot ergebenden faktischen Beschränkungen zu beseitigen.
Darüber hinaus stehe dem Antragsteller ein zumutbarer Weg zur Verfügung, seine Normbedenken nach einem Verwaltungsverfahren an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Nach §14 Abs2 Z3 IG-L seien zeitliche und räumliche Beschränkungen nicht auf Fahrzeuge anzuwenden, für deren Benützung im Sanierungsgebiet ein im Einzelfall zu prüfendes überwiegendes öffentliches Interesse bestehe und die entsprechend einer Verordnung nach §14 Abs4 gekennzeichnet seien. Ob ein überwiegendes öffentliches Interesse iSd §14 Abs2 Z3 leg.cit. vorliege, sei gemäß §14 Abs3 leg.cit. auf Antrag des Zulassungsbesitzers von der Bezirksverwaltungsbehörde zu prüfen. Liege ein solches Interesse vor, sei das Kraftfahrzeug zu kennzeichnen. Stelle die Verwaltungsbehörde hingegen fest, dass kein solches Interesse bestehe, sei die Ablehnung des Antrags mit Bescheid auszusprechen.
II. Rechtslage
1. Die für den vorliegenden Fall maßgebliche Bestimmung des IG-L, BGBl I 115/1997 idF BGBl I 77/2010, lautet wie folgt:
"Maßnahmen für Kraftfahrzeuge
§14. (1) Für Kraftfahrzeuge im Sinne des §2 Abs1 Z1 KFG1967, BGBl Nr 267, oder für bestimmte Gruppen von Kraftfahrzeugen können Geschwindigkeitsbeschränkungen und zeitliche und räumliche Beschränkungen des Verkehrs angeordnet werden. […] Als zeitliche und räumliche Beschränkungen gelten insbesondere dauernde oder vorübergehende
1. Verbote für bestimmte Kraftfahrzeugklassen sowie Kraftfahrzeuge mit bestimmten Abgasklassen,
2. Verbote für Kraftfahrzeuge mit bestimmten Ladungen,
3. Fahrverbote für bestimmte Tage oder bestimmte Tageszeiten,
4. Anordnungen für den ruhenden Verkehr.
[…]
(2) Zeitliche und räumliche Beschränkungen sind nicht anzuwenden auf
1.-2. […],
3. Fahrzeuge, für deren Benützung im Sanierungsgebiet ein im Einzelfall zu prüfendes überwiegendes öffentliches Interesse besteht und die entspre- chend einer Verordnung nach Abs4 gekennzeichnet sind, sofern nicht in einer Verordnung gemäß §10 für Straßenbenützung der betreffenden Art nach Abwägung der Interessen die Erteilung von Ausnahmegenehmigun- gen für bestimmte Gruppen von Kraftfahrzeugen wegen ihres wesentlichen Emissionsbeitrages ausgeschlossen wird,
4.-8. […]
(2a) […]
(3) Ob ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne des Abs2 Z3 oder ob die Kriterien des Abs2 Z4 vorliegen, ist auf Antrag des Zulassungsbesitzers von der Bezirksverwaltungsbehörde zu prüfen. Zuständig ist jene Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Sprengel die erstmalige Einfahrt in das Sanierungsgebiet erfolgt. Wird die erstmalige Fahrt innerhalb des Sanierungsgebietes angetreten, so ist jene Bezirksverwaltungsbehörde zuständig, in deren Sprengel die Fahrt angetreten wird oder sich der Hauptwohnsitz oder die Niederlassung des Zulassungsbesitzers befindet. Der Antragsteller gemäß Abs2 Z3 hat glaubhaft zu machen, dass die Fahrt weder durch organisatorische Maßnahmen noch durch die Wahl eines anderen Verkehrsmittels vermieden werden kann. Bei Vorliegen dieser Bedingungen ist das Kraftfahrzeug gegen Ersatz der Gestehungskosten gemäß Abs4 zu kennzeichnen. Die Ausnahme ist von der Behörde befristet, für Fahrzeuge gemäß Abs2 Z3 höchstens für 36 Monate ab Erteilung der Ausnahme zu gewähren. Für Fahrzeuge gemäß Abs2 Z4 ist die Ausnahme für Fahrzeuge der Euroklasse 0 bis 36 Monate nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes und für Fahrzeuge der Euroklasse 1 und höher für jeweils 36 Monate ab Erteilung der Ausnahme zu gewähren. Wenn das Vorliegen eines Interesses nur für einen bestimmten Teil des Sanierungsgebietes nachgewiesen wird, so ist die Ausnahmegenehmigung auf diesen Teil des Sanierungsgebietes zu beschränken. Stellt die Verwaltungsbehörde fest, dass kein solches Interesse besteht oder die Kriterien des Abs2 Z4 nicht erfüllt werden, so ist die Ablehnung des Antrags mit Bescheid auszusprechen.
(4) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat mit Verordnung nähere Bestimmungen über die Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen im Sinne des Abs2 Z3 und 4 festzusetzen, wobei insbesondere die Beschaffenheit und das Aussehen der Kennzeichnung sowie deren Anbringung am Fahrzeug zu regeln sind.
(5)-(8) […]"
2. Die Stmk. Luftreinhalteverordnung 2011, LGBl 2/2012, lautet auszugsweise wie folgt (der angefochtene Absatz ist hervorgehoben):
"Auf Grund der §§10, 13, 14 und 16 des Immissionsschutzgesetzes-Luft (IG-L), BGBl I Nr 115/1997, zuletzt in der Fassung BGBl I Nr 77/2010, wird – soweit Verkehrsbeschränkungen auf Autobahnen oder Schnellstraßen getroffen werden, im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie – verordnet:
[…]
§4
Mindestemissionsstandards für Taxis
(1) Dieselbetriebenen Taxifahrzeugen, die den maximalen Partikelemissionsgrenzwert von 0,18 g/km überschreiten, ist in Ausübung ihres Gewerbes das Befahren des Stadtgebietes von Graz sowie das Halten und Parken in diesem ab 1. März 2012 nicht gestattet.
(2) Dieselbetriebenen Taxifahrzeugen, die den maximalen Partikelemissionsgrenzwert von 0,025 g/km überschreiten, ist in Ausübung ihres Gewerbes das Befahren des Stadtgebietes von Graz sowie das Halten und Parken in diesem ab 1. Jänner 2013 nicht gestattet.
(3) Die Einhaltung der maximalen Partikelemissionsgrenzwerte gemäß Abs1 und 2 werden durch Plaketten dokumentiert, die vom Landeshauptmann nach Prüfung der Daten zur Verfügung gestellt werden. Die Plaketten, die das amtliche Kennzeichen sowie eine fortlaufende Nummerierung enthalten, sind an der rechten Seite der vorderen Windschutzscheibe des Fahrzeuges gut sichtbar anzubringen."
Die Stmk. Luftreinhalteverordnung 2011 wurde bis dato dreimal geändert (LGBl 36/2012, 91/2012 und 110/2013); der mit dem vorliegenden Antrag angefochtene §4 Abs1 war von diesen Änderungen nicht betroffen.
III. Erwägungen
Der Antrag ist unzulässig.
1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).
2. Der Antragsteller ist zwar mit seinem Vorbringen im Recht, wonach die Begehung einer Verwaltungsübertretung zur Provozierung eines Strafverfahrens, um solcherart Gelegenheit zu bekommen, ein amtswegiges Normprüfungsverfahren zu initiieren, unzumutbar ist (vgl. zB VfSlg 11.726/1988), dem Antragsteller steht jedoch ein anderer – zumutbarer – Weg zur Darlegung seiner Bedenken zur Verfügung.
Die Stmk. Luftreinhalteverordnung 2011 stützt sich ausdrücklich auf die "§§10, 13, 14 und 16" des IG-L und ordnet Maßnahmen iSd §10 leg.cit. an. Mit dem angefochtenen §4 Abs1 Stmk. Luftreinhalteverordnung 2011, nach dem dieselbetriebenen Taxifahrzeugen, die den maximalen Partikelemissionsgrenzwert von 0,18 g/km überschreiten, in Ausübung ihres Gewerbes das Befahren des Stadtgebietes von Graz sowie das Halten und Parken in diesem ab 1. März 2012 nicht gestattet ist, werden – gestützt auf §14 Abs1 IG-L – zeitliche und räumliche Beschränkungen des Verkehrs angeordnet. §14 Abs2 Z3 leg.cit. sieht hievon eine Ausnahme für Fahrzeuge vor, "für deren Benützung im Sanierungsgebiet ein im Einzelfall zu prüfendes überwiegendes öffentliches Interesse besteht und die entsprechend einer Verordnung nach Abs4 gekennzeichnet sind, sofern nicht in einer Verordnung gemäß §10 für Straßenbenützung der betreffenden Art nach Abwägung der Interessen die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen für bestimmte Gruppen von Kraftfahrzeugen wegen ihres wesentlichen Emissionsbeitrages ausgeschlossen wird". Ob ein solches überwiegendes öffentliches Interesse iSd §14 Abs2 Z3 leg.cit. vorliegt, ist gemäß §14 Abs3 leg.cit. "auf Antrag des Zulassungsbesitzers von der Bezirksverwaltungsbehörde zu prüfen. […] Stellt die Verwaltungsbehörde fest, dass kein solches Interesse besteht, […] ist die Ablehnung des Antrags mit Bescheid auszusprechen".
Nach einem solchen Antrag hätte die o.a. Behörde daher entweder gemäß §14 Abs3 IG-L festzustellen, dass im Fall des Antragstellers ein überwiegendes öffentliches Interesse iSd §14 Abs2 Z3 leg.cit. vorliege, womit die durch die angefochtene Verordnungsbestimmung angeordneten zeitlichen und räumlichen Beschränkungen für den Antragsteller gar nicht anzuwenden wären, oder aber ein solcher Antrag wäre gemäß §14 Abs3 letzter Satz leg.cit. abzulehnen, wobei dies "mit Bescheid" zu erfolgen hätte. Dem Antragsteller steht im letztgenannten Fall – entgegen seinem Vorbringen, wonach es ihm nach den gesetzlichen Bestimmungen verwehrt sei, eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen – nach Ausschöpfung des administrativen Instanzenzuges die Möglichkeit offen, gemäß Art144 B-VG Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu erheben und darin seine Bedenken hinsichtlich der Stmk. Luftreinhalteverordnung 2011 vorzutragen (vgl. VfSlg 16.885/2003 und die darin zitierte Judikatur).
Den in der Äußerung des Landeshauptmannes der Steiermark getätigten Ausführungen zum Vorliegen eines zumutbaren Weges ist daher beizupflichten; dass dieser Weg nicht zumutbar (gewesen) wäre, wurde weder vom Antragsteller hinreichend dargetan, noch hegt der Verfassungsgerichtshof diesbezüglich Zweifel.
IV. Ergebnis
1. Der Antrag ist daher bereits aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass zu prüfen ist, ob seiner meritorischen Erledigung noch weitere Prozesshindernisse entgegenstehen.
2. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Umweltschutz, Taxis, VerkehrsbeschränkungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:V37.2012Zuletzt aktualisiert am
06.08.2014