TE Vwgh Erkenntnis 2014/6/27 2012/02/0208

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Veröffentlicht am 27.06.2014
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger, den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des S in S, vertreten durch die

rechtsanwälte.tusch.flatz.dejaco.kasseroler.gmbh in 6800 Feldkirch, Mühletorplatz 12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 30. Juli 2012, Zlen. UVS-1-394/E7-2012, UVS-1-395/E7-2012, UVS- 1-396/E7-2012, betreffend Übertretungen der StVO, des FSG und des KFG (weitere Parteien: Vorarlberger Landesregierung und Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird insoweit, als damit der durch den angefochtenen Bescheid geänderte Spruchpunkt 3. des erstinstanzlichen Bescheides bekämpft wird, als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 203,53 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Ein Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe es am 30. Dezember 2011 um 23:38 Uhr an einer näher bezeichneten Örtlichkeit unterlassen, den Führerschein (Spruchpunkt 1.) sowie den Zulassungsschein (Spruchpunkt 2.) trotz Verlangens eines Organs der Straßenaufsicht zur Überprüfung auszuhändigen, und sich nach Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, nachdem er ein näher bezeichnetes Fahrzeug an einem konkret bestimmten Ort gelenkt habe (Spruchpunkt 3).

Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 37 Abs. 1 iVm Abs. 2a FSG (hinsichtlich Spruchpunkt 1. des erstinstanzlichen Bescheides), § 102 Abs. 5 lit. b KFG (hinsichtlich Spruchpunkt 2. des erstinstanzlichen Bescheides) sowie § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 (hinsichtlich Spruchpunkt 3. des erstinstanzlichen Bescheides) begangen, weshalb über ihn Geldstrafen - zu den Spruchpunkten 1. und 2. in der Höhe von jeweils EUR 30,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils 15 Stunden) sowie zu Spruchpunkt 3. in der Höhe von EUR 1.800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 336 Stunden) - verhängt wurden.

In der Begründung gab die belangte Behörde den wesentlichen Inhalt des Straferkenntnisses der BH B. vom 27. März 2012, der Berufung des Beschwerdeführers gegen dieses Straferkenntnis sowie die Angaben der in der mündlichen Verhandlung am 25. Mai 2012 vor der belangten Behörde einvernommenen Personen wieder und stellte als Sachverhalt fest, der Beschwerdeführer habe zur Tatzeit das näher bezeichnete Fahrzeug auf der B-Straße bergwärts zu seinem Wohnhaus gelenkt, sei dann an einer näher angegebenen Stelle nach links in die Zufahrt seines Wohnhauses eingebogen und habe dort das Fahrzeug abgestellt. Nachdem er aus dem Fahrzeug ausgestiegen und in Richtung des Hauseinganges gegangen sei, sei er von einem der beiden Polizeibeamten, die ihr Dienstfahrzeug auf der Höhe der Zufahrt angehalten hatten, zweimal hintereinander aufgefordert worden, Führerschein und Zulassungsschein vorzuweisen. Diesen Aufforderungen habe der Beschwerdeführer mit der Begründung, dass es sich dort um Privatgrund handle, ebenso wenig Folge geleistet wie der darauf folgenden Aufforderung zur Durchführung eines Alkotests; stattdessen sei er bis zur Hauseingangstüre und dann mit seiner Lebensgefährtin V, der Beifahrerin im Fahrzeug, ins Haus gegangen. Davor habe er den Hinweis des Polizeibeamten, dass es als Verweigerung gelte, wenn er nicht bleibe, mit dem Vermerk quittiert, dass ihm dies egal wäre.

In der Folge legte die belangte Behörde dar, warum sie die im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben der in der mündlichen Verhandlung vom 25. Mai 2012 als Zeugen einvernommenen Polizeibeamten zur Position des Fahrzeuges des Beschwerdeführers, zu den Sichtverhältnissen vom Dienstfahrzeug aus sowie ihre einhellige Aussage, dass sie einwandfrei hätten erkennen können, dass der Beschwerdeführer auf der Fahrerseite aus dem Fahrzeug ausgestiegen sei, für glaubwürdig erachtete. Den Behauptungen des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin, wonach nicht der Beschwerdeführer, sondern die Lebensgefährtin gefahren sei, folgte die belangte Behörde nicht, weil es gegen die Glaubwürdigkeit der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers sowie des Beschwerdeführers selbst spreche, dass keiner der beiden während der gesamten Amtshandlung jemals gesagt habe, dass V und nicht der Beschwerdeführer das Fahrzeug unmittelbar vor der Amtshandlung gelenkt hätte. Diese Angabe sei erst im Verwaltungsstrafverfahren nachgetragen worden und damit von Grund auf unglaubwürdig, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sowohl V als auch der Beschwerdeführer während der Amtshandlung durchaus energisch mit den Anzeigenlegern kommuniziert hätten. Die vom Beschwerdeführer ferner behauptete und den Polizeibeamten unter Vorlage von am Tatort gemachten Fotos in Abrede gestellte Sichtbehinderung durch Schneehaufen habe nicht bestanden; die Polizeibeamten hätten jedenfalls unstrittig uneingeschränkte Sicht auf die Fahrerseite des Fahrzeuges gehabt.

Die belangte Behörde sah es somit als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer unmittelbar vor der Amtshandlung das Fahrzeug gelenkt habe.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass es sich vorliegend um keinen Übergangsfall nach dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

Zu Spruchpunkt I:

Gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960 idF BGBl. I Nr. 52/2005 sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen,

1. die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, oder

2. bei denen der Verdacht besteht, dass ihr Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht,

auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

Gemäß § 99 Abs. 1 lit. b leg. cit. begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen, "wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht."

Der Beschwerdeführer bringt erneut vor, dass nicht er, sondern seine Lebensgefährtin V das Fahrzeug unmittelbar vor der Amtshandlung gelenkt habe und führt zahlreiche Argumente an, warum es den Anzeigenlegern nicht möglich gewesen sein könne, zu erkennen, wer hinter dem Steuer gesessen bzw. wer auf der Fahrerseite aus dem Fahrzeug ausgestiegen sei.

Nach der Rechtsprechung bedeutet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten stand hält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2012, Zl. 2012/02/0127, mwN).

Die belangte Behörde konnte sich im Rahmen der nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung betreffend den konkreten Geschehensablauf bzw. die genaue Position des Fahrzeuges des Beschwerdeführers auf die im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben der in der mündlichen Verhandlung am 25. Mai 2012 vernommenen Anzeigenleger stützen, die zuerst die Zeugin V auf der Beifahrerseite und dann den Beschwerdeführer auf der Fahrerseite aussteigen sahen.

Weiters hielt die belangte Behörde nachvollziehbar fest, dass es gegen die Glaubwürdigkeit der Lebensgefährtin V des Beschwerdeführers sowie des Beschwerdeführers selbst spreche, dass keiner der beiden während der gesamten Amtshandlung trotz heftigen Diskurses gesagt habe, dass V und nicht der Beschwerdeführer das Fahrzeug unmittelbar vor der Amtshandlung gelenkt hätte. Auch diese Beweiswürdigung begegnet im Hinblick auf ihre Schlüssigkeit keinen Bedenken, sodass die weitwendigen Beschwerdeausführungen zu den angeblichen Sichtverhältnissen bei der Einfahrt und zu den sonstigen Verfahrensmängeln ins Leere gehen.

In der Beschwerde wird ferner eingewendet, die Unterlassung der Durchführung des vom Beschwerdeführer beantragten Ortsaugenscheins sowie der Einholung eines KFZ-technischen Sachverständigengutachtens stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Allerdings ergibt sich schon aus der Beschwerde, dass die zum Tatzeitpunkt gegebene konkrete Situation nicht mehr nachgestellt werden kann, womit im vorliegenden Fall weder ein Ortsaugenschein noch ein entsprechendes Sachverständigengutachten eine Ergänzung des Beweisverfahrens darstellen könnten.

Die Beschwerde vermag daher aufgrund der nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung keinen wesentlichen Verfahrensmangel aufzuzeigen.

Auf die von der Beschwerde gerügte fehlende konkrete Wahrnehmung der Alkoholisierung oder eines diesbezüglichen Verdachtes kommt es im vorliegenden Fall nicht an, weil hier der Beschwerdeführer unmittelbar nach dem Lenken als auf der Fahrerseite aussteigend von den Polizisten wahrgenommen wurde.

Von einem "Lenken" (oder den anderen dort angeführten Tätigkeiten) im Sinne des ersten Satzes des § 5 Abs. 2 StVO kann dann gesprochen werden, wenn die Aufforderung zur Ablegung der Atemluftprobe im Zuge einer Amtshandlung erfolgt, die "unmittelbar" an das Lenken (bzw. an die anderen angeführten Tätigkeiten) anschließt. Dieser zeitliche Zusammenhang erhellt daraus, dass der Gesetzgeber in Hinsicht auf diese Tätigkeiten auf die "Gegenwart" abgestellt hat. Erfolgt die Aufforderung zur Ablegung der Atemluftprobe im unmittelbaren Anschluss an das Lenken, so ist diesfalls der Alkomattest auch ohne Vorliegen von Symptomen möglich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. April 2004, Zl. 2004/02/0043).

Da sich somit die Beschwerde insoweit, als sie sich gegen den durch den angefochtenen Bescheid zur sprachlich verbesserten Darstellung des Tatorts abgeänderten Spruchpunkt 3. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wendet, als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht (gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014) mit Rücksicht auf das Verhältnis der Übertretungen zueinander (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. April 2013, Zl. 2009/02/0176) auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Zu Spruchpunkt II:

Gemäß § 33a VwGG idF BGBl. I Nr. 51/2012 kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Bescheid von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird, in Verwaltungsstrafsachen jedoch nur dann, wenn eine Geldstrafe von höchstens EUR 1.500,-- verhängt wurde.

Die belangte Behörde ist hinsichtlich der mit dem angefochtenen Bescheid - mit der Maßgabe von Verbesserungen sprachlicher Natur - bestätigten erstinstanzlichen Spruchpunkte 1. und 2. nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Die entsprechenden Übertretungen hängen von der Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers ab. Dass die belangte Behörde diese zu Recht annehmen durfte, wurde bereits unter Spruchpunkt I. dargelegt.

In der vorliegenden Beschwerde werden dazu auch keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des § 33a VwGG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Der erkennende Senat hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde in diesem Umfang abzulehnen.

Gemäß § 58 Abs. 1 VwGG hat - da die §§ 47 bis 56 leg. cit. für den Fall der Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde gemäß §§ 33a leg. cit. nicht anderes bestimmten - jede Partei den ihr im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erwachsenden Aufwand selbst zu tragen. Ein Zuspruch von Aufwandersatz findet daher - ungeachtet des entsprechenden Antrages der belangten Behörde - nicht statt.

Wien, am 27. Juni 2014

Schlagworte

Alkotest VerweigerungAlkotest Zeitpunkt Ort

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2012020208.X00

Im RIS seit

01.08.2014

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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