TE Vfgh Erkenntnis 2014/6/13 V39/2014

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Veröffentlicht am 13.06.2014
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Index

L3715 Anliegerbeitrag, Kanalabgabe

Norm

B-VG Art18 Abs2
Sbg InteressentenbeiträgeG §10a, §11
Sbg G vom 04.09.1899, LGBl 22/1899, betr die Entrichtung einer Gebühr für die Herstellung der öffentlichen Hauptkanäle §1
Beschluss der Gemeindevertretung der Stadtgemeinde Bischofshofen vom 15.12.2009 betr Steuern, Abgaben und Gebühren ab 01.01.2010

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit von Bestimmungen einer Interessentenbeitragsordnung der Stadtgemeinde Bischofshofen betreffend einen Vorauszahlungsbetrag auf den Interessentenbeitrag wegen Fehlens der Zustimmmung der Gemeindevertretung bzw des Gemeindeausschusses zu jedem einzelnen Projekt

Spruch

I. Der Punkt "25.) 2/851/850 Kanalanschlußgebühren:" der Verordnung "Steuern, Abgaben und Gebühren ab 01. Jänner 2010", Beschluss der Gemeindevertretung der Stadtgemeinde Bischofshofen vom 15. Dezember 2009, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 16. Dezember 2009 bis 2. Jänner 2010, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die Salzburger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Salzburger Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl B1019/2012 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid schrieb der Stadtrat der Stadtgemeinde Bischofshofen der Beschwerdeführerin als Eigentümerin einer näher bezeichneten Liegenschaft anlässlich des auf diesem Grundstück durchgeführten Neubaues einer Tankstelle mit Waschanlage und Werbeeinrichtungen unter Anrechnung der einem Vorauszahlungsbescheid aus dem Jahr 1983 zugrunde gelegenen Bewertungspunkte eine Vorauszahlung auf den Interessentenbeitrag nach dem Gesetz vom 20. Juni 1962 über die Leistung von Interessentenbeiträgen für die Herstellung gemeindeeigener Abwasseranlagen in Gemeinden des Landes Salzburg mit Ausnahme der Landeshauptstadt Salzburg (Salzburger Interessentenbeiträgegesetz – in der Folge: Sbg. InteressentenbeiträgeG), LGBl 161 idF LGBl 118/2009, iHv € 72.204,- vor. Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der Salzburger Landesregierung abgewiesen.

2. Bei der Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des Punktes "25.) 2/851/850 Kanalanschlußgebühren:" der Verordnung "Steuern, Abgaben und Gebühren ab 01. Jänner 2010", Beschluss der Gemeindevertretung der Stadtgemeinde Bischofshofen vom 15. Dezember 2009, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 16. Dezember 2009 bis 2. Jänner 2010, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 11. März 2014 beschlossen, diese Verordnungsbestimmung von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.

3. Der Verfassungsgerichtshof fasste seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt zusammen:

"[…] Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen den in Prüfung gezogenen Punkt 25.) das Bedenken, dass er ohne das Vorliegen aller in §11 Sbg. InteressentenbeiträgeG genannten Voraussetzungen von der Gemeindevertretung beschlossen worden sein dürfte:

[…] Zunächst scheint den von der Stadtgemeinde Bischofshofen vorgelegten Unterlagen – abgesehen von der Erwähnung eines zustimmenden Gemeindevertretungsbeschlusses aus dem Jahr 1994 im Hinblick auf einen Kostenvoranschlag für das Projekt 'Bauabschnitt BA 04' in der Gegenschrift – nicht die Zustimmung der Gemeindevertretung zu jedem einzelnen nach den in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschriften bewilligten und mit einem Kostenvoranschlag belegten Projekt (vgl. §11 Abs1 leg.cit., der am 1. Dezember 1962 in Kraft getreten ist) oder ein Gemeindeausschussbeschluss samt Genehmigung desselben durch den Landesausschuss (vgl. §1 des zitierten Landesgesetzes aus dem Jahr 1899, das mit Ablauf des 30. November 1962 außer Kraft getreten ist) entnehmbar zu sein.

[…] Außerdem dürften nach den vorgelegten Unterlagen der Beschlussfassung in der Gemeindevertretung alle Herstellungskosten von (zumindest großteils) in der Vergangenheit verwirklichten Bauvorhaben und nicht die bisherigen, im laufenden und im nächstfolgenden Jahr zu erwartenden Baukosten (vgl. §11 Abs3 leg.cit.) von einem bzw. mehreren noch nicht fertiggestellten bzw. nach §3 Abs1 leg.cit. abgerechneten Projekt(en) zugrunde gelegt worden sein. Damit scheint sich aus den dem Verfassungsgerichtshof zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht zu ergeben, inwieweit sich der in Prüfung gezogene Punkt des Gemeindevertretungsbeschlusses ausschließlich auf eine bzw. mehrere Anlage(n) bezieht, in die 'nach dem Projekt Abwässer unmittelbar oder mittelbar' vom Grundstück der Beschwerdeführerin eingeleitet werden sollen (vgl. §11 Abs2 leg.cit.)."

4. Die Salzburger Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:

"[…]

Zu den Herstellungskosten gemeindeeigener Abwasseranlagen haben Interessenten Beiträge zu leisten, wobei gemäß §1 Abs2 IBeiträgeG zu den Herstellungskosten neben den Kosten für die Herstellung selbst ua auch jene für die Erweiterung oder technische Verbesserung der Anlage zählen. Zur Vorschreibung einer Vorauszahlung gemäß §11 Abs1 IBeiträgeG hat für eine Anlage ein bewilligtes und mit einem Kostenvoranschlag belegtes Projekt vorzuliegen und diesem Projekt muss die Gemeindevertretung zugestimmt haben. Den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur Stammfassung des Gesetzes LGBl Nr 161/1962 (29 BlgLT 3. Sess 4. Wahlperiode) zu §11 Abs1 IBeiträgeG ist zu entnehmen, dass ['m]it Rücksicht darauf, da[ss] sich der Bau gemeindeeigener Kanalisationsanlagen erfahrungsgemäß auf längere Zeit erstreckt, [jedoch] die Gemeinde […] nach Maßgabe des Baufortschritts die Finanzierung des Projekts sicherstellen mu[ss], […] in diese[n] Bestimmung[en] die Entrichtung von Vorauszahlungen auf den zu entrichtenden Beitrag (Anmerkung zur Klarstellung: gemäß §4) vorgesehen (wird). Die Gemeinde soll berechtigt sein, solche Vorauszahlungen vom Zeitpunkt des Baubeginn[e]s der Kanalisationsanlage zu erheben (Abs1).'

Mit der Novellierung des §11 Abs3 IBeiträgeG durch das Gesetz LGBl Nr 55/1988 wurde klargestellt, in welchem Ausmaß Vorauszahlungen erhoben werden dürfen, nämlich nur soweit, als sie zur Deckung der bisherigen sowie der im laufenden und im nächstfolgenden Jahr zu erwartenden Baukosten erforderlich sind (Abs3 zweiter Satz). (Siehe dazu auch die Erläuterungen der Regierungsvorlage Nr 105 BlgLT 4. Sess 9. GP.) Eine ursprünglich im §1 Abs1 beabsichtigte Klarstellung, dass die gemeindeeigene Abwasseranlage samt allen ihren späteren Erweiterungen eine Einheit darstellt (Gesetzentwurf: 'um alle Zweifel auszuschließen') wurde in die Gesetzesvorlage nicht aufgenommen.

Nach Mitteilung der für die Aufsicht zuständigen Abteilung 7 des Amtes der Salzburger Landesregierung werden die Abwasseranlagen einer Gemeinde, bei denen die Errichtung im Gang und noch nicht abgeschlossen ist, als ein einheitliches Projekt behandelt, sodass für die Berechnung der Vorschreibung des Interessentenbeitrags sowie der Vorschreibung der Vorauszahlung dieselben Baukosten herangezogen werden können. Würde man die Vorschreibung je nach Teilprojekt ('Baulos') unterschiedlich durchführen, würde[n] innerhalb einer Gemeinde auf Grund differierender Berechnungszahlen je unterschiedlichem Teilprojekt auch die Interessentenbeiträge unterschiedlich berechnet werden.

Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens treten gerade auf dem Planungssektor immer wieder Entwicklungen auf, die als solche entweder gar nicht vorhersehbar waren oder aber zumindest nicht vorhergesehen wurden, sodass Vorauszahlungen auch für Erweiterungen eingehoben werden können, obwohl möglicherweise ein anderer Teil des Projekts noch gar nicht abgerechnet worden ist, weil das Projekt als Gesamtes zu betrachten ist.

Den Bedenken des Verfassungsgerichtshofs kann somit entgegnet werden, dass bei einer Gesamtbetrachtung der gemeindeeigenen Abwasseranlage die projektweise Vorschreibung von Vorauszahlungen je nach Baufortschritt nicht notwendig ist. Dies würde vielmehr zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung im Sinn des Art7 B-VG bei den Interessenten führen, weil die Berechnungszahlen bei mehreren Bauabschnitten je Abschnitt unterschiedlich sind. Da Vorauszahlungen gemäß §11 Abs3 IBeiträgeG auch zur Deckung der bisherigen Baukosten möglich sind, können sich diese bei einem über Jahre dauernden Projekt auch auf fertiggestellte Bauabschnitte beziehen und werden für alle Interessenten gleich herangezogen.

Wenn dargelegt wird, es ergebe sich aus der geltenden Rechtslage, dass sich eine Vorauszahlung nicht auf ein Projekt beziehen könne, bei welchem bereits eine Abschlussrechnung vorliege, so ist dem grundsätzlich zuzustimmen. Durchaus möglich ist jedoch, dass sich diese Abrechnung nur auf einen Teil des Gesamtprojekts bezieht.

Bei der Erstellung des bereits erwähnten Novellierungsentwurfs vom 9. April 1987 wurde auch diskutiert, im §11 Abs1 IBeiträgeG eine Regelung aufzunehmen, nach welcher im Fall der Erhebung einer Vorauszahlung für ein Projekt weitere Vorauszahlungen für eine darüber hinausgehende Erweiterung der Abwasseranlage erst nach Abrechnung des ursprünglichen Projekts erhoben werden dürften. Dieser Vorschlag wurde jedoch nicht in §11 Abs1 IBeiträgeG aufgenommen, weil er verhindert, auf Entwicklungen, die sich auf Grund der im Planungssektor immer wieder auftretenden Unvorhersehbarkeiten ergeben können, rasch zu reagieren. […] Ein im Sinn dieses Vorschlages gelegener Wille des Gesetzgebers kann §11 Abs1 IBeiträgeG nicht unterstellt werden.

Eine weitergehende Äußerung zum konkreten Beschluss der Gemeindevertretung Bischofshofen vom 15. Dezember 20[09] [']Pkt 25.) 2/851/850 Kanalanschlussgebühren: Steuern, Abgaben und Gebühren ab 01. Jänner 2010' kann mangels Vorliegens von Unterlagen nicht erfolgen."

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. §§1 – 6 und 10 – 12 Sbg. InteressentenbeiträgeG lauten:

"Allgemeine Bestimmungen

§1

(1) Zu den Herstellungskosten gemeindeeigener Abwasseranlagen - im folgenden kurz Anlagen bezeichnet - haben in Gemeinden des Landes Salzburg mit Ausnahme der Landeshauptstadt Salzburg die Interessenten nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes Beiträge zu leisten.

(2) Herstellungskosten sind jene Kosten, die der Gemeinde für die Herstellung, Erweiterung oder technische Verbesserung der Anlage sowie für die Wiedererrichtung nicht mehr funktionsfähiger größerer Teile der Anlage erwachsen, einschließlich den Beträgen, die sich aus der Aufwertung der Vorauszahlungen gemäß §5 Abs2 ergeben.

(3) Interessenten sind die Eigentümer von Grundstücken, von denen Abwässer unmittelbar oder mittelbar in die Anlage eingeleitet werden und zwar gleichgültig, ob der Anschluß an die Anlage im Zuge ihrer Herstellung oder zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Im Falle eines Baurechtes gelten die Berechtigten als Interessenten.

(4) Der durch Beiträge zu deckende Teil der Herstellungskosten darf nicht mehr als die Hälfte dieser Kosten ausmachen. Dies gilt nicht in bezug auf die Ergänzungsbeiträge gemäß §10 und die gemäß §10a Abs1 letzter Halbsatz zu bestimmenden Mindestbeiträge.

(5) Der Beitrag wird durch das Verhältnis bestimmt, in dem wertmäßig das Ausmaß der vom Grundstück herrührenden Inanspruchnahme der Anlage zur projektierten Gesamtinanspruchnahme der Anlage steht.

(6) Hat eine Gemeinde zu den Herstellungskosten einer Abwasseranlage anteilig beizutragen, so finden auf diesen Kostenanteil die Vorschriften dieses Gesetzes über Herstellungskosten für gemeindeeigene Abwasseranlagen Anwendung. Solche Anlagen sind insoweit gemeindeeigenen Abwasseranlagen gleichzuhalten.

(7) Der Beitrag wird von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich als Gemeindeabgabe (§8 Abs5 F-VG 1948) erhoben. Die Behörden haben die Bundesabgabenordnung (BAO) in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

Bewertung der Inanspruchnahme der Anlage

§2

(1) Die Bewertung des Ausmaßes der Inanspruchnahme der Anlage ist in Bewertungspunkten auszudrücken.

(2) Punkteeinheit ist jene Inanspruchnahme der Anlage, die von der Ableitung ausschließlich häuslicher Abwässer einer Person herrührt.

(3) Bei Wohnräumen sind unabhängig von der Anzahl der Bewohner 20 m2 Wohnungs-Nutzfläche im Sinne der abgabenrechtlichen Bewertungsvorschriften einer Punkteeinheit gleichzusetzen.

(4) In welchem Verhältnis zur Punkteeinheit die Inanspruchnahme der Anlage durch die Ableitung von Niederschlagswässern sowie von Abwässern aus gewerblichen oder anderen Betrieben oder sonstigen Einrichtungen und Anstalten mit besonderem Abwasseranfall steht, hat die Landesregierung unter Zugrundelegung der jeweiligen fachlichen Erkenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiete der Abwasserbeseitigung für die einzelnen gebräuchlich in Betracht kommenden Abwasserbeseitigungs- und Entwässerungsarten durch Verordnung festzustellen.

Genehmigung der Herstellungskosten

§3

(1) Die Herstellungskosten der Anlage sind längstens innerhalb von zwei Jahren nach Fertigstellung derselben abzurechnen. Der Bürgermeister hat die Abschlußrechnung über die Herstellungskosten durch zwei Wochen zur öffentlichen Einsicht aufzulegen. Die Auflegung ist ortsüblich kundzumachen. Innerhalb der Auflagefrist kann jeder Interessent gegen die Abschlußrechnung beim Gemeindeamt schriftlich Einwendungen erheben.

(2) Nach Ablauf der Auflagefrist ist die Abschlußrechnung vom Bürgermeister der Gemeindevertretung zur Genehmigung vorzulegen, die bei der diesbezüglichen Beratung die vorgebrachten Einwendungen zu prüfen hat.

Beitrag

§4

(1) Der Beitrag ist in jenem Ausmaß zu leisten, das sich durch die Vervielfachung der den Interessenten treffenden Anzahl der Bewertungspunkte (§2) mit der Berechnungszahl und einer allfälligen Steigerung nach Abs4 bestimmt.

(2) Berechnungszahl ist jene Zahl, die sich aus der Teilung des auf der Grundlage der genehmigten Abschlußrechnung (§3) nach §1 Abs4 bestimmten Teiles der Herstellungskosten durch jene Anzahl der Bewertungspunkte ergibt, die der projektierten Gesamtinanspruchnahme der Anlage entspricht.

(3) Insoweit ein Interessent zu den Herstellungskosten einer im §1 Abs6 angeführten Abwasseranlage ebenfalls anteilig beizutragen hat, ist er von der Beitragsleistung an die Gemeinde befreit.

(4) Gemäß Abs3 ungedeckte Beitragsteile sind so lange weiter aufzuteilen, bis der volle durch Beiträge zu deckende Teil des Herstellungskostenanteils der Gemeinde erreicht ist. Hiebei findet Abs2 sinngemäß mit der Maßgabe Anwendung, daß vom jeweils ungedeckten Rest die Gemeinde die Hälfte zu tragen hat.

(5) Für Interessenten, die nach Wiedererrichtung von nicht mehr funktionsfähigen größeren Teilen einer Anlage an diese anschließen, ist für die Bestimmung des Beitrages zu den Herstellungskosten der bisherigen Anlage eine eigene Berechnungszahl ohne die Kosten für die Herstellung der nicht mehr funktionsfähigen Teile der Anlage zu ermitteln. Dies kann, wenn die ursprünglichen Kosten für diese Teile nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand feststellbar sind, unter Zugrundelegung von Durchschnittssätzen geschehen, die aus den seinerzeitigen Kosten für die Errichtung der Anlage zu berechnen sind.

Beitragsvorschreibung

§5

(1) Der Beitrag ist dem Interessenten vom Bürgermeister mit Bescheid vorzuschreiben.

(2) Bei der Anrechnung von Vorauszahlungen (§11) sind diese um 4 v.H. jährlich aufzuwerten, wobei das Halbjahr, in dem die Vorauszahlung geleistet worden ist, außer Betracht zu bleiben hat.

Beitragsentrichtung

§6

(1) Der Beitrag wird nach Maßgabe der Vorschreibung (§5) fällig.

(2) Auf Ansuchen des Zahlungsschuldners kann der Zeitpunkt der Entrichtung des Beitrages hinausgeschoben (gestundet) oder die Entrichtung in Raten bewilligt werden, wenn die sofortige oder volle Zahlung für den Schuldner mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringung des Beitrages durch den Zahlungsaufschub nicht gefährdet wird. Die Zahlungserleichterung kann von Bedingungen, insbesondere der Leistung einer Verzinsung der aushaftenden Zahlungsschuld in der Höhe von jährlich bis zu 4 v.H., abhängig gemacht werden. Im Falle der nachträglichen Herabsetzung der Vorschreibung des Beitrages durch Berichtigung, im Rechtsmittelverfahren oder auf Grund eines Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes sind die Stundungszinsen, die auf den Minderungsbetrag entfallen, abzuschreiben. Eine bewilligte Zahlungserleichterung kann widerrufen werden, wenn die Voraussetzungen der Bewilligung nachträglich weggefallen sind oder sich als nicht gegeben erwiesen haben; hiebei ist eine Nachfrist von wenigstens 8 Werktagen zu setzen.

(3) Wird der Beitrag nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit eingezahlt, so sind von de[n] rückständigen Beträgen Verzugszinsen in der Höhe von jährlich 4 v.H. zu entrichten. Diese Verzugszinsen sind dem Zahlungsschuldner mit der Mahnung (§7 Abs3) vorzuschreiben. Sie werden am achten Tage nach der Zustellung der Mahnung fällig. Für Verzugszeiträume bis zu zwei Wochen dürfen Verzugszinsen nicht vorgeschrieben werden. Zeiträume von mehr als zwei Wochen gelten für die Berechnung der Verzugszinsen als ganzer Monat.

Ergänzungsbeitrag

§10

Erhöht sich bei einem Interessenten nach der Vorschreibung des Beitrages (§4, §6) die Anzahl der Bewertungspunkte infolge einer durch bauliche oder betriebliche Änderungen bedingten Vergrößerung des Ausmaßes der vom Grundstück herrührenden Inanspruchnahme der Anlage, so hat der Interessent einen Ergänzungsbeitrag zu leisten. Für die Ermittlung des Ausmaßes des Ergänzungsbeitrages sowie für seine Erhebung gelten die §§4 bis 9 sinngemäß.

Nachträgliche Erweiterungen und Verbesserungen;

Wiedererrichtungen

§10a

(1) Bei einer nach Abrechnung der Anlage erfolgenden Erweiterung derselben haben nur die im Bereich der Erweiterung neu erfaßten Interessenten Beiträge zu leisten. Bei der Ermittlung der Berechnungszahl (§4 Abs2) ist die Summe aus dem seinerzeit nach §1 Abs4 bestimmten Teil der Herstellungskosten der bisherigen Anlage und dem für die Erweiterungsanlage bestimmten Teil der Herstellungskosten durch die Anzahl der Bewertungspunkte zu teilen, die der projektierten Gesamtinanspruchnahme der erweiterten Anlage entspricht; der Bestimmung des Beitrages (§4 Abs1) ist jedoch mindestens die bisherige Berechnungszahl zugrunde zu legen.

(2) Die Kosten für technische Verbesserungen und für die Wiedererrichtung nicht mehr funktionsfähiger größerer Teile der Anlage sind wie Herstellungskosten einer neuen Anlage zu behandeln, wozu alle Interessenten beizutragen haben. Als technische Verbesserung gilt insbesondere die Herstellung von Anlagen, zu deren Kosten die Gemeinde anteilig beizutragen hat (§1 Abs6).

Vorauszahlung

§11

(1) Liegt für eine Anlage ein nach den in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschriften bewilligtes und mit einem Kostenvoranschlag belegtes Projekt vor und wurde diesem von der Gemeindevertretung zugestimmt, so ist die Gemeinde berechtigt, auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung vom Zeitpunkt des Baubeginnes der Anlage an Vorauszahlungen auf den nach §4 zu leistenden Beitrag zu erheben.

(2) Zur Leistung einer Vorauszahlung sind die Eigentümer (Berechtigten aus einem Baurecht) von Grundstücken verpflichtet, von denen nach dem Projekt Abwässer unmittelbar oder mittelbar in die Anlage eingeleitet werden sollen, soferne

a) das Grundstück bebaut ist oder

b) sich auf dem Grundstück ein Gebäude in Bau befindet.

(3) Die Vorauszahlung ist einheitlich in einem Hundertsatz, jedoch nicht mehr als mit 80 v.H. jenes Betrages zu erheben, der unter Zugrundelegung des Projektes der Anlage sowie des Umfanges und Zweckes des bestehenden oder in Bau befindlichen Gebäudes gemäß §4 als Beitrag zu entrichten wäre. In diesem Rahmen dürfen Vorauszahlungen nur in dem Ausmaß erhoben werden, als dies zur Deckung der bisherigen sowie der im laufenden und im nächstfolgenden Jahr zu erwartenden Baukosten erforderlich ist.

(4) Ändern sich nach Leistung der Vorauszahlung die Verhältnisse derart, daß voraussichtlich die Beitragspflicht (§1) nicht mehr entstehen wird, so ist die Vorauszahlung mit 4 v.H. verzinst auf Antrag innerhalb einer Frist von zwei Wochen zurückzuzahlen.

(5) Für die Erhebung der Vorauszahlung gelten die §§5 bis 9 sinngemäß.

Schlußbestimmungen

§12

(1) Dieses Gesetz tritt, soweit sich aus Abs6 nichts anderes ergibt, mit Beginn des vierten der Kundmachung folgenden Monats in Kraft.

(2) Gleichzeitig verlieren das Gesetz vom 4. September 1899, LGBl Nr 22, womit die Entrichtung einer Gebühr für die Herstellung öffentlicher Hauptkanäle geregelt wird, und die Verordnung LGBl Nr 24/1899 für den Geltungsbereich der Salzburger Landbauordnung ihre Wirksamkeit.

(3) Durchführungsverordnungen zu diesem Gesetz können bereits vom Tage der Kundmachung des Gesetzes an erlassen werden; sie treten frühestens gleichzeitig mit dem Gesetz in Kraft. Die Durchführungsverordnung zu §2 Abs4 ist bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zu erlassen.

(4) Im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängige Verfahren auf Grund der im Abs2 angeführten Rechtsvorschriften sind nach diesen Rechtsvorschriften zu Ende zu führen.

(5) Vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, jedoch nicht auf der Grundlage der im Abs2 angeführten Rechtsvorschriften von den Interessenten erbrachte Geldleistungen zu den Herstellungskosten einer Anlage gelten als Vorauszahlungen auf die unter Zugrundelegung der Bestimmungen dieses Gesetzes zu leistenden Beiträge.

(6) [Anm.: entfallen auf Grund LGBl 48/1978]

(7) Die gemeinderechtliche Aufsicht in den Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei schließt auch die Aufsicht über die Gemeinden bei Vollziehung dieses Gesetzes ein."

2. §1 des Gesetzes "vom 4. September 1899, giltig für das Herzogthum Salzburg, mit Ausnahme der Landeshauptstadt Salzburg, womit die Entrichtung einer Gebühr für die Herstellung der öffentlichen Hauptkanäle geregelt wird", LGBl 22, lautete:

"§. 1.

Für die Herstellung von errichteten und künftighin zu errichtenden öffentlichen Hauptkanälen kann in Ausführung der Bestimmungen der §§. 71 und 72 der Bauordnung vom 7. Juli 1879, L.-G.-Bl. Nr 15, von jeder Gemeinde auf Grund eines, der Genehmigung des Landesausschusses unterliegenden Gemeindeausschußbeschlusses eine Gebür eingehoben werden."

3. §79 Abs1 und 2 Salzburger Gemeindeordnung 1994, LGBl 107 idF LGBl 120/2006, lautet:

"Allgemein verbindliche Verwaltungsakte

§79

(1) Anordnungen der Organe der Gemeinde, die die Allgemeinheit oder einen nur nach Gattungsmerkmalen bestimmten Personenkreis betreffen, insbesondere auch die Ermächtigung von Ausschüssen gemäß §33 Abs2 oder die Übertragung von Angelegenheiten auf den Bürgermeister gemäß §40 Abs3, bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der ortsüblichen Kundmachung. Die Kundmachungsfrist beträgt zwei Wochen. Die Rechtswirksamkeit solcher Anordnungen beginnt, sofern in ihnen nichts anderes bestimmt wird, frühestens mit dem Tag nach Ablauf der Kundmachungsfrist; eine Rückwirkung solcher Anordnungen ist nur soweit zulässig, als dies durch Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist.

(2) Anordnungen (Verordnungen), deren Umfang oder Art als ortsübliche Kundmachung den Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde nicht zuläßt, können im Gemeindeamt zur öffentlichen Einsicht während der Amtsstunden innerhalb der Kundmachungsfrist aufgelegt werden. Die Auflegung ist nach Abs1 kundzumachen.

[…]"

4. §§1 – 4 der Verordnung der Salzburger Landesregierung vom 13. Dezember 1977, mit der die Inanspruchnahme einer gemeindeeigenen Abwasseranlage durch die Ableitung von Niederschlagswässern und von Abwässern aus bestimmten Betrieben, Einrichtungen und Anstalten im Verhältnis zur gesetzlichen Einheit der Inanspruchnahme bewertet wird (Salzburger Bewertungspunkteverordnung – in der Folge: Sbg. BewertungspunkteVO), LGBl 2/1978, lauten:

"§1

(1) Einer Punkteeinheit (§2 Abs2 des Gesetzes) entsprechen unter Zugrundelegung eines Erfahrungsdurchschnittes:

a) bei der Ableitung von Niederschlagswässern (Flächenentwässerung)
…………………………………..…………………………………………………….100 m2: Abflußbeiwert

b) bei Verwaltungs- und Geschäftshäusern u. ä. mit besonderem Abwasseranfall
infolge des Aufenthaltes von Menschen……………………………50 m2 Raumnutzfläche

c) bei Schulen……………………………………………..9 Personen (Schüler, Lehrer und dgl.)

d) bei Gast- und Schankgewerbebetrieben

1. ohne Fremdenbeherbergung………………………..3 Sitzplätze in gedeckten Räumen

………………………………………………………………………………………….10 Sitzplätze im Freien

2. mit Fremdenbeherbergung, aber ohne

Gastwirtschaftsbetrieb……………………………………………………………1,1 Fremdenbetten

3. mit Fremdenbeherbergung und

Gastwirtschaftsbetrieb…………………………………….3 Sitzplätze in gedeckten Räumen

………………………………………………………………………………………….10 Sitzplätze im Freien

……………………………………………………………………………………………….1,1 Fremdenbetten

ausgenommen jeweils Sitzplätze in Veranstaltungssälen gemäß litf

e) bei Privatzimmervermietung…….1,1 Fremdenbetten, mindestens jedoch 20 m2

f) bei Veranstaltungssälen (ausschließlich für Veranstaltungen)………..20 Sitzplätze

g) bei Campinglätzen……………………………………………………………………3 Campinggäste

h) bei Betrieben ohne Betriebsabwasseranfall, bei denen nicht ein

sonstiger Ansatz nach §§1 bis 3 zur Anwendung kommt……………….5 Beschäftigte.

(2) Die im Abs1 litd Z1 und 3 angeführten Ansätze entsprechen jeder für sich einer Punkteeinheit.

(3) Wenn Abs1 lite zur Anwendung kommt, sind die der Privatzimmervermietung gewidmeten Räume bei der Anwendung des §2 Abs3 des Gesetzes nicht zu berücksichtigen.

(4) Bei nicht von Abs1 und auch nicht von den §§2, 3 und 4 zweiter Satz erfaßten Betrieben mit Betriebsabwasseranfall hat die Bewertung nach Abs1 lith und für die Betriebsabwässer zusätzlich nach §4 erster Satz zu erfolgen. Ist eine getrennte Messung nicht möglich, so ist die höhere Punktezahl anzunehmen, die sich aus dem Ergebnis der Messung nach §4 erster Satz oder aus der Anwendung des Abs1 lith ergibt.

§2

Es entsprechen bei einer im Erfahrungsdurchschnitt anzunehmenden Betriebskapazität je im Betrieb beschäftigter Person an Punkteeinheiten:

bei Fleischhauereien ohne Schlachtung…………………………………………………………….15

bei Wäschereien und Kleiderreinigungen………………………………………………………….40

bei chemischen Reinigungen……………………………………………………………………………….4

bei Färbereien…………………………………………………………………………………………………..80

bei Stoffdruckereien………………………………………………………………………………………….40

bei Spinnereien und Tuchfabriken……………………………………………………………………0,5

bei Lackwerken…………………………………………………………………………………………………20

bei Eisenbeizereien…………………………………………………………………………………………..10

bei Metallbeizereien…………………………………………………………………………………………15

bei Leichtmetallbeizereien………………………………………………………………………………..10

bei Bleichereien………………………………………………………………………………………………..50

bei Glasschleifereien……………………………………………………………………………………….400

§3

(1) Es entsprechen bei einer im Erfahrungsdurchschnitt anzunehmenden täglichen Verarbeitungskapazität an Punkteeinheiten:

bei Fleischhauereien mit Schlachtung je Stück Großvieh…………………………………..80

je Stück Kleinvieh…………………………………………………………………………………….………..25

bei Molkereien je 100 kg Milch……………………………………………………………………………3

bei Molkereien mit Butterverarbeitung zusätzlich je 100 kg Butter…………………100

bei Molkereien mit Käseverarbeitung zusätzlich je 100 kg Käse………………………100

bei Molkereien mit Molkenablauf zusätzlich je 100 kg Käse……………………………300

bei Malzfabriken je 100 kg Getreide………………………………………………………………….10

bei Gerbereien je 100 kg Haut…………………………………………………………………………500

bei Leimfabriken je 100 kg Leim………………………………………………………………………100

bei Wollwäschereien je 100 kg Wolle………………………………………………………………300

bei Holzschleifereien je 100 kg Holz………………………………………………………………….30

bei Pappenfabriken je 100 kg Pappe……………………………………………………………….100

bei Seifenfabriken je 100 kg Seife……………………………………………………………………100

bei Kartoffelbrennereien je 100 kg Kartoffeln…………………………………………………150

bei Zellstoff und Holzschliff je 100 kg Ware……………………………………………………….20

(2) Bei Fleischhauereien mit Schlachtung gemäß Abs1 erhöht sich die Punktezahl entsprechend §4, wenn ausnahmsweise auch Stechblut, Fettabfälle, Haare, Knochen, Klauen, Panseninhalt, Gedärme und sonstige Grobteile in die Abwasseranlage eingebracht werden.

§4

Im übrigen entspricht bei gewerblichen oder anderen Betrieben und sonstigen Einrichtungen und Anstalten einer Punkteeinheit die Ableitung jener Menge Abwasser, die einen biologischen Sauerstoffbedarf (BSB5) von 60 g je Tag aufweist, jedenfalls aber die Ableitung von 150 l Abwasser je Tag. Dasselbe gilt für Betriebe gemäß den §§2 und 3, welche ihre Abwässer vorreinigen oder im Kreislauf führen."

5. Der Punkt "25.) 2/851/850 Kanalanschlußgebühren:" der Verordnung "Steuern, Abgaben und Gebühren ab 01. Jänner 2010", Beschluss der Gemeindevertretung der Stadtgemeinde Bischofshofen vom 15. Dezember 2009, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 16. Dezember 2009 bis 2. Jänner 2010, lautet (die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung ist hervorgehoben):

"STEUERN, ABGABEN UND GEBÜHREN AB 01. Jänner 2010

[…]

25.) 2/851/850 Kanalanschlußgebühren:  Netto                                               inkl. 10 % MWST

Nach Bewertungspunkten gem. §2 LGB[l]. Nr 161/62 und 2/78.

Vorauszahlungsbetrag im Sinne §11 Interessen[ten]beiträge[-]

gesetz LGBlNr 161/62

i.d.g.F. - je Bewertungspunkt --> 80 %

gem. §11 (3) von nettoEUR 625,00  € 500,00                                              550,00"

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens

Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität des in Prüfung gezogenen Punktes zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Verordnungsprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnten im Verordnungsprüfungsverfahren nicht zerstreut werden.

2.1.1. Die Salzburger Landesregierung bringt in ihrer Äußerung zusammengefasst vor, dass Abwasseranlagen einer Gemeinde, bei denen die Errichtung im Gang und noch nicht abgeschlossen sei, als ein einheitliches Projekt behandelt würden, sodass für die Berechnung der Vorschreibung des Interessentenbeitrages sowie der Vorschreibung der Vorauszahlung dieselben Baukosten herangezogen werden könnten. Mit der Novellierung des §11 Abs3 Sbg. InteressentenbeiträgeG durch das Gesetz LGBl 55/1988 sei klargestellt worden, in welchem Ausmaß Vorauszahlungen erhoben werden dürften, nämlich nur soweit, als sie zur Deckung der bisherigen sowie der im laufenden und im nächstfolgenden Jahr zu erwartenden Baukosten erforderlich seien (ErlRV 105 BlgLT 9. GP, 4. Sess.). Anhand der historischen Entwicklung bei der Erstellung eines Novellierungsentwurfes im Jahr 1987 wird auch argumentiert, §11 Abs3 leg.cit. könne nicht so ausgelegt werden, dass im Fall der Erhebung einer Vorauszahlung für ein Projekt weitere Vorauszahlungen für eine darüber hinausgehende Erweiterung der Abwasseranlage erst nach Abrechnung des ursprünglichen Projektes erhoben werden dürften.

Eine je nach Teilprojekt ("Baulos") unterschiedliche Vorschreibung würde innerhalb einer Gemeinde auf Grund differierender Berechnungszahlen bei jedem Teilprojekt auch eine unterschiedliche Berechnung der Interessentenbeiträge zur Folge haben. Bei einer Gesamtbetrachtung der gemeindeeigenen Abwasseranlage sei die projektweise Vorschreibung von Vorauszahlungen je nach Baufortschritt nicht notwendig. Diese würde vielmehr zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung iSd Art7 B-VG bei den Interessenten führen, weil die Berechnungszahlen bei mehreren Bauabschnitten je Abschnitt unterschiedlich seien.

Da Vorauszahlungen gemäß §11 Abs3 Sbg. InteressentenbeiträgeG auch zur Deckung der bisherigen Baukosten möglich seien, könnten sich diese bei einem über Jahre dauernden Projekt auch auf fertiggestellte Bauabschnitte beziehen und würden für alle Interessenten gleich herangezogen. Außerdem sei es durchaus möglich, dass sich eine Abschlussrechnung nur auf einen Teil des Gesamtprojektes beziehe.

2.1.2. Eine Wortinterpretation des seit der Stammfassung des Sbg. InteressentenbeiträgeG, LGBl 161/1962, unverändert gebliebenen §11 Abs1 leg.cit. führt zum Ergebnis, dass die Äußerung der Salzburger Landesregierung im Widerspruch zu der im Prüfungsbeschluss auszugsweise wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 24.10.2012, 2011/17/0255) steht, nach der vom Vorliegen eines einheitlichen Projektes iSd §11 Abs1 Sbg. InteressentenbeiträgeG nur ausgegangen werden kann, wenn bereits zu Beginn der Arbeiten die später ausgeführten Baumaßnahmen vom Projekt erfasst gewesen sind und ein Gemeindevertretungsbeschluss, welcher auch die der vorliegenden Vorschreibung zugrunde liegenden Arbeiten in ihrer Art und im ungefähren Ausmaß umfasst hat, vorhanden gewesen ist. Voraussetzung für die Einhebung der Vorauszahlung gemäß §11 Abs1 Sbg. InteressentenbeiträgeG ist, dass ein entsprechend konkretisiertes Projekt vorliegt und überdies ein Beschluss der Gemeindevertretung darüber vorhanden ist. Spätere Erweiterungen oder Sanierungen einer Anlage sind rechtlich nicht zu deren (erstmaliger) Errichtung zu zählen und stellen sich als eigenes (neues) Projekt dar, welches gemäß §10a leg.cit. zur Vorschreibung von Interessentenbeiträgen führen kann. Vorschreibungen für die seinerzeit geplante und im Wesentlichen auch errichtete Anlage können nur in dem Umfang erfolgen, in dem die Anlage nach den Planunterlagen konzipiert war (nur auf diese Anlage erstreckt sich der seinerzeitige Beschluss der Gemeindevertretung). Bei der Vorschreibung der Vorauszahlungen nach §11 leg.cit. ist wie bei der Berechnung des Interessentenbeitrages darauf zu achten, dass nur die für das jeweilige Projekt auflaufenden Kosten für die Berechnung herangezogen werden können.

In diesem Zusammenhang ist im Hinblick auf die Ausführungen der Salzburger Landesregierung zur behaupteten sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Interessenten auf §10a Abs1 Sbg. InteressentenbeiträgeG hinzuweisen, nach dem für den Fall einer nachträglichen Erweiterung der Anlage – im Gegensatz zu den Fällen der technischen Verbesserung und der Wiedererrichtung (vgl. §10a Abs2 leg.cit.) – nur die im Bereich der Erweiterung neu erfassten Interessenten Beiträge zu leisten haben. Damit wird dem dem genannten Gesetz erkennbar zugrunde gelegten (vgl. §1 Abs5, §2 und §10 leg.cit. sowie die Sbg. BewertungspunkteVO) und aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Grundsatz der Kostenverteilung nach dem Ausmaß der Inanspruchnahme der Anlage auch für diesen Fall Rechnung getragen.

Die Salzburger Landesregierung führt weiters nicht aus, dass es für die ab dem Jahr 1979 geplanten und verwirklichten Bauvorhaben für die Anlage des Reinhalteverbandes Salzach-Pongau sowie für die ab dem Jahr 1955 errichteten Bauabschnitte für die Kanalisation Bischofshofen jeweils Beschlüsse der Gemeindevertretung der Stadtgemeinde Bischofshofen bzw. Gemeindeausschussbeschlüsse samt Genehmigung derselben durch den Landesausschuss gibt, die sich auf Projekte beziehen, die nach den oben dargestellten Kriterien als je eine Einheit zu beurteilen sind.

Aus der Äußerung der Salzburger Landesregierung ergibt sich auch nicht, ob für die in Rede stehenden (Teile von) Anlagen eine Abschlussrechnung iSd §3 Sbg. InteressentenbeiträgeG vorliegt. Zum Argument, dass sich eine Abschlussrechnung auch nur auf einen Teil des Gesamtprojektes beziehen kann, ist festzuhalten, dass die Genehmigung einer solchen gemäß §3 leg.cit. – wie der Gerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss bereits dargetan hat – zur Folge hat, dass für das betreffende Projekt nur noch Interessentenbeiträge iSd §4 leg.cit., nicht aber Vorauszahlungen auf diese gemäß §11 leg.cit., vorgeschrieben werden können.

2.2.1. Schließlich führt die Salzburger Landesregierung aus, dass eine weitergehende Äußerung zu dem in Prüfung gezogenen Beschluss der Gemeindevertretung der Stadtgemeinde Bischofshofen "mangels Vorliegen von Unterlagen" nicht erfolgen könne.

2.2.2. Auch mit diesem Teil der Äußerung vermag die Salzburger Landesregierung das weitere Bedenken des Verfassungsgerichtshofes nicht zu widerlegen, der in seinem Prüfungsbeschluss – abgesehen von der Erwähnung eines zustimmenden Gemeindevertretungsbeschlusses aus dem Jahr 1994 im Hinblick auf einen Kostenvoranschlag für das Projekt "Bauabschnitt BA 04" in der Gegenschrift – das Fehlen der Zustimmung der Gemeindevertretung zu jedem einzelnen nach den in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschriften bewilligten und mit einem Kostenvoranschlag belegten Projekt (vgl. §11 Abs1 Sbg. InteressentenbeiträgeG, der am 1. Dezember 1962 in Kraft getreten ist) oder eines Gemeindeausschussbeschlusses samt Genehmigung desselben durch den Landesausschuss (vgl. §1 des zitierten Landesgesetzes aus dem Jahr 1899, das mit Ablauf des 30. November 1962 außer Kraft getreten ist) in den von der Stadtgemeinde Bischofshofen vorgelegten Unterlagen moniert hat.

IV. Ergebnis

1. Der Punkt "25.) 2/851/850 Kanalanschlußgebühren:" der Verordnung "Steuern, Abgaben und Gebühren ab 01. Jänner 2010", Beschluss der Gemeindevertretung der Stadtgemeinde Bischofshofen vom 15. Dezember 2009, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 16. Dezember 2009 bis 2. Jänner 2010, verstößt daher gegen §11 Sbg. InteressentenbeiträgeG.

Da die als gesetzwidrig erkannte Bestimmung ungeachtet des Punktes "24.) 2/851/850 Kanalanschlußgebühren:" der Verordnung "Steuern, Abgaben und Gebühren ab 01. Jänner 2014", Beschluss der Gemeindevertretung der Stadtgemeinde Bischofshofen vom 10. Dezember 2013, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 11. bis 27. Dezember 2013, mit einem auf die Vergangenheit beschränkten zeitlichen Anwendungsbereich weiterhin in Geltung steht, ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (siehe zB VfSlg 19.343/2011 mwN) mit Aufhebung nach Abs3 des Art139 B-VG und nicht mit einem Ausspruch nach Abs4 dieser Verfassungsbestimmung vorzugehen.

2. Die Verpflichtung der Salzburger Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 liti Sbg. VerlautbarungsG.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Interessentenbeiträge, Gebühr, Kanalisation Abgaben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:V39.2014

Zuletzt aktualisiert am

30.07.2015
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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