Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde des 1966 geborenen
R in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. November 1997, Zl. 119.153/2-III/11/97, betreffend 1.) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist,
2.)
Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides und
3.)
Zurückweisung einer Berufung, jeweils in einer Angelegenheit des Aufenthaltsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Spruchpunkte II und III des angefochtenen Bescheides werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am 8. November 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einen als "Verlängerungsantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als derzeitigen Wohnsitz gab der Beschwerdeführer eine Adresse im 12. Wiener Gemeindebezirk an.
Im Verwaltungsakt (OZ. 63) erliegt ein gefertigter Bescheidentwurf vom 5. April 1995, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 5 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen wird. In der Zustellverfügung ist als Adressat der Beschwerdeführer, als Adresse die im Antrag angegebene Adresse im
12. Wiener Gemeindebezirk angeführt. Im Verwaltungsakt erliegt weiters (OZ. 64) ein Rückschein, aus dem hervorgeht, dass am 14. oder 18. April 1995 (das genaue Datum ist nicht erkennbar) eine Hinterlegung beim Zustellpostamt 1120 Wien stattgefunden hat. Die linke obere Ecke des Rückscheines ist abgerissen, weshalb nicht erkennbar ist, ob und gegebenenfalls welche Angaben das Zustellorgan hinsichtlich des Zeitpunktes des Zustellversuches bzw. eines allfälligen Einwurfes einer Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach gemacht hat.
Aus einem Aktenvermerk (OZ. 62) beim Magistrat der Stadt Wien ergibt sich, dass die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers am 30. Oktober 1995 Akteneinsicht nahm und eine Kopie des Bescheidentwurfs anfertigte.
Mit am 31. Oktober 1995 zur Post gegebenem Schreiben stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete diesen damit, an der in seinem Antrag angegebenen Adresse im 12. Wiener Gemeindebezirk habe er zunächst sowohl seinen Wohnsitz als auch seinen Geschäftssitz gehabt. Anfang März 1995 habe er seinen Wohnsitz in den 2. Wiener Gemeindebezirk verlegt, ohne dies der Behörde mitgeteilt zu haben. Seinen Geschäftssitz im 12. Wiener Gemeindebezirk habe er jedoch beibehalten. Das laut Rückschein am 14. April oder 18. April 1995 durch Hinterlegung zugestellte Schriftstück sei ihm nie zugekommen, er habe auch niemals eine Hinterlegungsanzeige in seinem Postkasten vorgefunden. Zwar habe er es verabsäumt, der Behörde seine neue Adresse bekannt zu geben, doch sei ihm als Ausländer die nicht allgemein bekannte Vorschrift des Zustellgesetzes nicht geläufig gewesen. Diese Unkenntnis bzw. Unterlassung sei ihm sicherlich nicht als schweres Verschulden anzulasten. Nichtsdestotrotz habe er regelmäßig von der Adresse im 12. Wiener Gemeindebezirk die Post abgeholt und sie dort sorgfältig durchgesehen. Eine Hinterlegungsanzeige sei ihm dabei nicht aufgefallen. Es sei möglich, dass eine solche in die Werbesendungen gerutscht sei und er sie irrtümlich weggeworfen habe. Ein solches Missgeschick sei ihm noch niemals unterlaufen. Ebenso sei es möglich, dass der Mitbewohner des Antragstellers, der ebenfalls über einen Postkastenschlüssel verfüge, die Hinterlegungsanzeige irrtümlich weggeworfen habe oder aber vergessen habe, sie dem Beschwerdeführer auszuhändigen. Er sei demnach durch ein für ihn unabwendbares und unvorhergesehenes Ereignis an der rechtzeitigen Erhebung der Berufung gehindert gewesen. Unter einem holte der Beschwerdeführer die Berufung nach.
Der Wiedereinsetzungsantrag wurde vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 8. März 1996 gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe im Wesentlichen vorgebracht, dass der Bescheid der Behörde erster Instanz nicht bzw. unzulässig zugestellt worden sei und somit ein Zustellmangel vorliege. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei jedoch bei Rechtswidrigkeit eines Zustellvorganges die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht der zum Ziel führende Rechtsbehelf, weil mangels des Beginnes des Laufes der Berufungsfrist auch keine Frist versäumt werden könne.
In der dagegen erhobenen Berufung hielt der Beschwerdeführer der Begründung der Behörde erster Instanz entgegen, ein mögliches Verschulden "der Post" sei jedenfalls nicht nachweisbar, die Zustellung durch Hinterlegung sei nach dem Zustellgesetz "offensichtlich ordnungsgemäß". Es liege demnach nur ein Wiedereinsetzungsgrund vor, wenn der Antragsteller dennoch von der Hinterlegung nichts gewusst habe. Für den Fall, dass die Berufungsbehörde befinde, dass der angefochtene Bescheid inhaltlich richtig sei und tatsächlich kein Wiedereinsetzungsgrund vorliege, sondern vielmehr ein Zustellmangel, werde der Antrag gestellt, den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. April 1995 neuerlich zuzustellen.
Mit Schreiben vom 11. Juli 1996 forderte der Bundesminister für Inneres das Postamt 1120 Wien auf, das "zuständige Zustellorgan" in Bezug auf die vorgehaltenen Umstände (nicht ordnungsgemäße Hinterlegung bzw. Verständigung) niederschriftlich einzuvernehmen und "anher" zu berichten. Das Postamt 1120 teilte daraufhin mit Schreiben vom 17. Juli 1996 mit, dass der Zusteller sich seit dem 1. September 1995 im dauernden Ruhestand befinde.
Ohne weitere Ermittlungen zu pflegen, wies der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 25. November 1997 die Berufung des Beschwerdeführers gegen den seinen Wiedereinsetzungsantrag abweisenden Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. März 1996 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 71 Abs. 1 AVG ab (Spruchpunkt I). Unter einem wurde der Antrag auf neuerliche Zustellung des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 5. April 1995 gemäß § 6 Abs. 1 des Zustellgesetzes abgewiesen (Spruchpunkt II) und die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. April 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen (Spruchpunkt III).
Zur Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages (Spruchpunkt I) führte der Bundesminister für Inneres begründend aus, der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. April 1995 sei nach einem erfolglosen Zustellversuch an der angegebenen Zustelladresse beim Postamt 1120 Wien am 14. April 1995 hinterlegt worden. Die Abholfrist habe am 15. April 1995 zu laufen begonnen. Erhebungen bei der Zustellabteilung des Postamtes hätten ergeben, dass sich der damalige Zustellbeamte bereits seit 1. September 1995 im dauernden Ruhestand befinde und daher eine Einvernahme zum gegenwärtigen Zeitpunkt "nicht mehr möglich" sei. Fest stehe jedoch laut Poststempel, dass eine Zustellung an die Adresse im 12. Wiener Gemeindebezirk "ordnungsgemäß erfolgt" sei. Es stehe weiters fest, dass der Beschwerdeführer der Behörde seine neue Adresse im
2. Wiener Gemeindebezirk während des Verwaltungsverfahrens nicht bekannt gegeben habe. Seine Behauptung, dass er den "genannten Bescheid" auch niemals an der Adresse seiner "Firma" postamtlich zugestellt bzw. hinterlegt erhalten hätte, sei "nach Überprüfung des vorliegenden Rückscheines und der darin enthaltenen Hinterlegungsanzeige in Ihrem Hausbrieffach als nicht ausreichend glaubhaft erachtet" worden, zumal "keine vom Gesetz her zu widerlegen geeignet erscheinenden Beweise dafür angeführt werden konnten, um die Rechtswirksamkeit der Zustellung des gegenständlichen Bescheides in Frage zu stellen". Auch schließe der Beschwerdeführer selbst nicht aus, dass er an der Adresse im
12. Wiener Gemeindebezirk eine Hinterlegungsanzeige übersehen haben könnte. Bei einem Postrückschein im Sinne des § 22 des Zustellgesetzes handle es sich um eine öffentliche Urkunde, die nach § 47 AVG in Verbindung mit § 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich habe. Auf Grund der durchgeführten Erhebungen sei davon ausgegangen worden, dass der genannte Bescheid ordnungsgemäß zugestellt und mit dem Vermerk "nicht behoben zurück" vom Postamt 1120 an die Magistratsabteilung 62 retourniert worden sei. Dies sei laut Aktenlage von der Berufungsbehörde ebenfalls zweifelsfrei feststellbar. Die Berufungsbehörde stelle daher fest, dass die Zustellung rechtswirksam erfolgt sei. Ergänzend werde bemerkt, dass der Beschwerdeführer auch sonst keine Beweise angeführt habe, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung der ordnungsgemäßen Zustellung zu widerlegen geeignet erscheinen. Zur Abweisung des Antrages auf Zustellung des Bescheides (Spruchpunkt II) führte der Bundesminister für Inneres begründend aus, gemäß § 6 Abs. 1 des Zustellgesetzes sei bei mehrmaliger gültiger Zustellung die erste Zustellung maßgebend. Entsprechend dem im Akt erliegenden Rückschein sei "gegenständlichen Bescheid durch Hinterlegung beim Postfach zugestellt, wobei die Verständigung - wie bereits zu I ausgeführt - in das Hausbrieffach eingelegt wurde". Die Zurückweisung der Berufung (Spruchpunkt III) begründete der Bundesminister für Inneres damit, dass die Zustellung rechtswirksam am 18. April 1995 erfolgt sei und die Berufung erst am 31. Oktober 1995 und daher verspätet eingebracht worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1. Zur Zurückweisung der Berufung als verspätet (Spruchpunkt III)
Die maßgeblichen Bestimmungen des Zustellgesetzes lauten (auszugsweise):
"§ 4. Abgabestelle im Sinne dieses Bundesgesetzes ist der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort.
...
§ 17. (1) Kann die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt ... zu hinterlegen.
(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
(3) Die hinterlegte Sendung ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. ...
(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 oder im § 21 Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.
...
§ 22. (1) Die Zustellung ist vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden.
..."
Zunächst ist klarzustellen, dass die Behörde erster Instanz dem Beschwerdeführer auch nach der behaupteten Verlegung seines Wohnsitzes unter Beibehaltung der Adresse im 12. Wiener Gemeindebezirk als Geschäftssitz an dieser Adresse wirksam hätte zustellen können. Wäre im vorliegenden Fall eine Zustellung durch Hinterlegung erfolgt und hätte der Beginn der Abholfrist zwischen dem 14. und dem 18. April 1995 begonnen (das genaue Datum ist, wie bereits erwähnt, dem im Akt erliegenden Rückschein nicht zu entnehmen, im vorliegenden Fall aber nicht von Bedeutung), so wäre die unbestritten erst am 31. Oktober 1995 eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers jedenfalls verspätet gewesen, weshalb die Berufung von der belangten Behörde zu Recht zurückgewiesen worden wäre.
Die belangte Behörde bezieht sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides mehrfach auf eine ordnungsgemäße Zustellung durch Hinterlegung und stellt ausdrücklich fest, dass die Verständigung über die erfolgte Hinterlegung in das Hausbrieffach des Beschwerdeführers eingelegt worden sei. Diese Feststellung der belangten Behörde ist für den Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund der vorgelegten Verwaltungsakten nicht nachvollziehbar. Da auf dem Rückschein, wie bereits erwähnt, der linke obere Teil fehlt, ist keine diesbezügliche Angabe des Zustellorgans erkennbar. Damit fehlt es an einer Beurkundung über die Verständigung des Beschwerdeführers von der erfolgten Hinterlegung des Schriftstücks. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde macht der solcherart unvollständige Rückschein keinen vollen Beweis im Sinne des § 47 AVG in Verbindung mit § 292 ZPO. Die im angefochtenen Bescheid enthaltene Feststellung über das Einlegen der Verständigung in das Hausbrieffach des Beschwerdeführers setzte demnach Erhebungen der Behörde über den Zustellvorgang voraus. Solche Erhebungen hat die belangte Behörde zwar eingeleitet, nach der Auskunft des Zustellpostamtes, der Zusteller befinde sich mittlerweile im dauernden Ruhestand, jedoch von einer Einvernahme des Zustellers abgesehen. Mangels näherer diesbezüglicher Ermittlungen - der dauernde Ruhestand des Zustellers konnte für sich allein kein Hindernis darstellen - entzieht sich die erwähnte Feststellung der belangten Behörde, deren Erkenntnisquellen im angefochtenen Bescheid auch nicht angeführt werden, einer Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof.
Der angefochtene Bescheid war demnach, soweit er die Berufung des Beschwerdeführers wegen Verspätung als unzulässig zurückweist, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
2. Zur Abweisung des Antrages auf "neuerliche Zustellung" des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 5. April 1995 (Spruchpunkt II)
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 6 des Zustellgesetzes kein Recht auf neuerliche Zustellung eines Bescheides nach bereits erfolgter Zustellung desselben (vgl. den hg. Beschluss vom 20. Dezember 1991, Zl. 91/04/0280). Diese Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann freilich nur zum Tragen kommen, wenn eine wirksame Zustellung eines Bescheides bereits erfolgt ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist jedoch eine bloße Kenntnisnahme vom Inhalt eines Bescheides durch Akteneinsicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1984, Slg. Nr. 11487/A, sowie den hg. Beschluss vom 19. Jänner 1995, Zl. 93/09/0410) oder durch Anfertigung einer Fotokopie (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1992, Zl. 92/05/0067) einem tatsächlichen Zukommen nach § 7 des Zustellgesetzes bei Mängeln der Zustellung nicht gleichzusetzen. Wie sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt, erlangte der Beschwerdeführer vom Inhalt des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 5. April 1995 erst im Zuge einer Akteneinsicht (verbunden mit der Anfertigung einer Bescheidkopie) Kenntnis. Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob ein selbstständiger Antrag auf Zustellung des Bescheides zulässig war, weil durch den in Rede stehenden Abspruch in Verbindung mit der diesbezüglichen Begründung insofern eine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers in Frage kommt, als damit in rechtskraftfähiger Weise zum Ausdruck gebracht wurde, dass eine neuerliche Zustellung des Bescheides nicht zu erfolgen habe, weil dies bereits rechtswirksam geschehen sei. Da die Feststellungen im angefochtenen Bescheid über die Wirksamkeit der Zustellung durch Hinterlegung, wie oben unter Punkt 1. dargelegt, nicht nachvollziehbar sind, war auch Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
3. Zur Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages (Spruchpunkt I)
Dem Beschwerdeführer ist zunächst einzuräumen, dass die Unkenntnis von der Zustellung eines Bescheides einen Wiedereinsetzungsgrund bilden kann, sofern die Unkenntnis nicht auf einem Verschulden beruht, welches den Grad minderen Versehens überschreitet (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1997, Zl. 97/08/0022). Dennoch ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 71 AVG, dass der Wiedereinsetzungsantrag ein Vorbringen über seine Rechtzeitigkeit zu enthalten hat und dass anzugeben ist, aus welchem Grund der Antragsteller den Tatbestand des § 71 Abs. 1 AVG als erfüllt ansieht. Dabei trifft den Antragsteller die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund bereits im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen, was aber als Grundlage ein entsprechendes behauptungsmäßiges Antragsvorbringen voraussetzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Dezember 1998, Zlen. 96/19/3315, 3316, 3674 und 3675).
Der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers enthält jedoch kein detailliertes sachverhaltsbezogenes Vorbringen dazu, was er nach Verlegung seiner Wohnadresse in den 2. Wiener Gemeindebezirk üblicherweise unternahm um sicherzustellen, dass er - soweit möglich - von ihm betreffenden Schriftstücken oder Hinterlegungsanzeigen an seinem (als Abgabestelle in Frage kommenden) Geschäftssitz rechtzeitig Kenntnis erlangen konnte. Insbesondere fehlen nähere Angaben dazu, wie oft eine Entleerung der Hausbriefanlage erfolgte und welche Vorkehrungen der Beschwerdeführer für den Fall der Entleerung der Hausbriefanlage durch den von ihm erwähnten Mitbewohner traf, damit ihm durch das Dazwischentreten einer dritten Person tunlichst kein für ihn bestimmtes Schriftstück entginge. Im Hinblick auf das Fehlen derartiger Ausführungen ist es dem Beschwerdeführer, der einräumt, die Hinterlegungsanzeige könnte von seinem Mitbewohner mit Werbematerial vermischt worden sein oder von diesem gar nicht vorgelegt worden sein, nicht gelungen darzutun, dass ihn an der Versäumung der Berufungsfrist kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden träfe (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1999, Zlen. 97/19/0217 bis 0219, 0231 bis 0239, sowie vom 4. Februar 2000, Zl. 97/19/1484).
Die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages durch die belangte Behörde erfolgte daher, wenngleich diese in der Begründung des angefochtenen Bescheides, wie der Beschwerdeführer richtig ausführt, eine rechtlich fundierte Auseinandersetzung mit den Wiedereinsetzungsgründen unterlassen hat, im Ergebnis zu Recht.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4. Zum Ausspruch über den Aufwandersatz
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 49 ff, insbesondere § 50, VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 2. Oktober 2000
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998190198.X00Im RIS seit
21.12.2000