RS Vfgh 2014/6/23 G87/2013 ua

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Veröffentlicht am 23.06.2014
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82/03 Ärzte, sonstiges Sanitätspersonal

Norm

B-VG Art19, Art20 Abs1, Art120a ff
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
ÄrzteG 1998 §27 Abs10, §117b Abs1 Z18, §125 Abs4

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des ÄrzteG 1998 über die Zuständigkeit des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer zur Eintragung von Personen in die Ärzteliste im Rahmen des eigenen Wirkungsbereiches aufgrund Überschreitung der Grenzen zulässiger Selbstverwaltung

Rechtssatz

Aufhebung des §27 Abs10 und der Wortfolge "Eintragung in die Ärzteliste und" in §117b Abs1 Z18 ÄrzteG 1998, jeweils idF BGBl I 144/2009; Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Wortfolge "10 und" in §125 Abs4 zweiter Satz ÄrzteG 1998 idF BGBl I 144/2009.

Zulässigkeit des Antrags des VwGH auf Feststellung, dass die Wortfolge "10 und" in §125 Abs4 zweiter Satz ÄrzteG1998 idF BGBl I 144/2009 verfassungswidrig war. Denkmögliche Auffassung, dass der VfGH jene Fassung des Gesetzes anzuwenden hat, die zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung in Kraft stand. Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung der Wortfolge "Abs10 und" in §125 Abs4 zweiter Satz ÄrzteG1998 idF BGBl I 144/2009, da Abs4 zweiter Satz par cit mit Art2 Z6 der Novelle BGBl I 80/2012 zur Gänze neu gefasst wurde.

Zulässigkeit der Anträge der übrigen vom VwGH angefochtenen und von diesem denkmöglich anzuwendenden Bestimmungen.

Auch sind die Anträge nicht zu eng gefasst, da die der Österreichischen Ärztekammer in Zusammenarbeit mit den Ärztekammern in den Bundesländern verbleibende Zuständigkeit gemäß §27 Abs1 ÄrzteG 1998, die Ärzteliste zu führen, als bloß administrative Aufgabe zu verstehen ist und überhaupt erst zum Tragen käme, wenn das Verfahren gerade nicht mit einer Versagung der Eintragung in die Ärzteliste endet. Insoferne sind die die Führung der Ärzteliste betreffenden Bestimmungen vom VwGH in seinen Verfahren auch nicht denkmöglich anzuwenden.

Den in der Rechtsprechung des VfGH entwickelten - auch nach Inkrafttreten der Art120a ff B-VG mit der Novelle BGBl I 2/2008 weiterhin maßgeblichen - verfassungsrechtlichen Vorgaben (betr die Grenzen zulässiger Selbstverwaltung) werden die Regelungen des Verfahrens über die Eintragung in die Ärzteliste nicht gerecht.

Gemäß §27 Abs10 ÄrzteG 1998 kommt dem Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer die Befugnis zu, im Rahmen des eigenen Wirkungsbereiches (vgl. §117b Abs1 Z18 leg.cit.), somit weisungsungebunden, als erste und letzte Instanz (§125 Abs4 leg.cit.) über die Versagung der Eintragung in die Ärzteliste bescheidmäßig abzusprechen. Zwar berührt dieses Eintragungsverfahren unzweifelhaft die Interessen der Österreichischen Ärztekammer, doch sind nicht minder die Interessen der Eintragungswerber selbst sowie öffentliche Interessen, die nicht nur im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der Österreichischen Ärztekammer gelegen sind, betroffen. Für die Eintragungswerber ist das Eintragungsverfahren nicht mit bloß wirtschaftlichen Reflexwirkungen verbunden, sondern gestaltet das Ergebnis des Verfahrens, die Eintragung bzw. deren Versagung, unmittelbar deren Rechtssphäre. Jene, über deren Rechtssphäre entschieden wird - im Fall der Versagung der Eintragung durch Bescheid des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer -, sind zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht Mitglieder einer Ärztekammer in den Bundesländern. Sie sind somit nicht Mitglieder des im Selbstverwaltungskörper zusammengeschlossenen Personenkreises.

Durch die auch im öffentlichen Interesse, nicht nur im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der Österreichischen Ärztekammer, liegende Entscheidung des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer, die Eintragung in die Ärzteliste zu versagen, entscheidet er im Ergebnis über die Mitgliedschaft des Eintragungswerbers zu einer Ärztekammer in den Bundesländern.

Die Zuständigkeit eines Selbstverwaltungskörpers in einer solchen Angelegenheit darf daher nicht dem eigenen Wirkungsbereich zugeordnet werden. Insoweit liegt also eine nicht zulässige Ausnahme von dem verfassungsrechtlich gebotenen Wirkungszusammenhang mit den obersten Organen der Vollziehung (Art19 iVm 20 Abs1 B-VG) vor.

Entscheidungstexte

  • G87/2013 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 23.06.2014 G87/2013 ua

Schlagworte

Ärzte, Ärztekammer, Selbstverwaltung, Behördenzuständigkeit, VfGH / Präjudizialität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:G87.2013

Zuletzt aktualisiert am

30.07.2015
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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