TE Vwgh Erkenntnis 2000/10/2 96/19/2260

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Veröffentlicht am 02.10.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde der 1992 geborenen K M (nach der Aktenlage: M) S, vertreten durch Dr., Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Juni 1996, Zl. 107.636/8-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 28. Jänner 1994 (Einlangen beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung) im Wege des österreichischen Generalkonsulates Krakau die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, wobei als Aufenthaltszweck Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft mit ihrer namentlich angeführten Tochter B. W. angegeben wurde. In der Rubrik "Besonders zu berücksichtigende Gründe für die Familienzusammenführung" wurde angeführt: "Aufenthalt mit der Tochter". Als gesicherte Unterkunft in Österreich wurde eine näher bezeichnete Anschrift in L. angegeben, die Gesamtnutzfläche dieser Unterkunft mit 85,1 m2 und die Anzahl der diese Unterkunft (in der Folge) mitbewohnenden Personen mit drei volljährigen und einer minderjährigen Person. In der Rubrik "In Österreich verfügbare eigene Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf die Dauer des Aufenthalts" findet sich der Vermerk "Einkommen der Tochter, siehe Beilage". Dem Antrag war u.a. eine Verpflichtungserklärung der Tochter der Beschwerdeführerin (nach der Aktenlage: einer österreichischen Staatsbürgerin) vom 14. Dezember 1993, Lohnzettel über das von ihr im Jahr 1993 bezogene Einkommen sowie eine Aufstellung über die im September 1993 ausbezahlten Bezüge (in Höhe von S 26.201,41 inkl. Sonderzahlung). Weiters war der Mietvertrag zwischen der Tochter der Beschwerdeführerin und deren Vermieter betreffend die im Antrag angeführte Unterkunft beigelegt.

Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden namens des Landeshauptmannes von Oberösterreich wies mit Bescheid vom 22. Juni 1994 diesen Antrag gemäß §§ 3 und 5 Abs. 1 AufG ab. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.

Der Bundesminister für Inneres wies diese Berufung mit Bescheid vom 24. November 1994 gemäß § 9 Abs. 3 AufG ab.

Mit Erkenntnis vom 20. März 1996, Zl. 95/21/0307, hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

Mit Schreiben vom 20. Mai 1996 forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin auf, binnen zwei Wochen unter anderem eine Kopie des Mietvertrages für die Unterkunft der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet vorzulegen und den Nachweis zu erbringen, dass ihr Lebensunterhalt im Bundesgebiet gesichert sei. Bei fruchtlosem Verstreichen der genannten Frist werde das Verfahren auf Grund der "derzeitigen Aktenlage" fortgeführt werden.

Mit Schriftsatz vom 24. Mai 1996 gab der Vertreter der Beschwerdeführerin bekannt, dass er es ablehne, die geforderten Urkunden (erneut) vorzulegen, weil diese Urkunden alle bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegt worden seien. Die belangte Behörde behaupte selbst nicht, dass sich an dem von der erstinstanzlichen Behörde festgestellten Sachverhalt etwas geändert hätte, was eine weitere Ermittlungstätigkeit der belangten Behörde erfordert hätte, sodass sie von ihrer Androhung Gebrauch machen und das Verfahren auf Grund der derzeitigen Aktenlage fortführen sollte. Dabei wäre allerdings auf die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshof Bedacht zu nehmen, dass bei Nichtvorliegen des Ausschließungsgrundes gemäß § 5 Abs. 1 AufG auch für Eltern von österreichischen Staatsbürgern ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung im Regelfall dann bestehe, wenn ihnen von diesen Unterhalt gewährt werde. Wie bereits in der Berufung ausgeführt, sei die Beschwerdeführerin von der Unterstützung ihrer Tochter wirtschaftlich abhängig und werde ihr von dieser auch Unterhalt gewährt. Die Tochter der Beschwerdeführerin sei für den Fall, dass dies von ihr gefordert werden sollte, bereit, eine diesbezügliche Erklärung abzugeben. Gerade eine solche Erklärung werde aber von der belangten Behörde nicht begehrt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. Juni 1996 wies der Bundesminister für Inneres diese Berufung gemäß § 5 Abs. 1 sowie § 6 Abs. 1 AufG ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, sie habe im Hinblick auf den langen Zeitraum zwischen Beantragung der Aufenthaltsbewilligung (20. Jänner 1994) und Einlangen des Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnisses (7. Mai 1996) ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, um nunmehr die materiellen Voraussetzungen, die zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung erforderlich seien, zu überprüfen. Diesbezüglich habe die belangte Behörde besonderen Wert auf die Bestimmungen des § 5 Abs. 1 AufG (gesicherte Unterkunft und Unterhalt) gelegt. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin habe in seiner Stellungnahme lediglich angeführt, dass diese Unterlagen bereits dem Antrag beigelegt worden seien und es geradezu eine Schikane sei, bereits vorgelegte Unterlagen nochmals vorlegen zu müssen. Auf Grund der mangelnden Kenntnis über die Einkommensverhältnisse der Bezugsperson der Beschwerdeführerin sowie deren Unterkunftssituation, welche sich im Laufe von mehr als zwei Jahren "sicherlich geändert" hätten, könne nicht davon gesprochen werden, dass zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufG zur Erteilung der Aufenthaltsbewilligung erfüllt seien. Die Beschwerdeführerin habe somit nicht - wie nach § 6 Abs. 1 AufG erforderlich - glaubhaft machen können, dass kein Ausschließungsgrund (§ 5 leg. cit.) vorliege.

Auf Grund der Aktenlage stehe fest, dass die Tochter der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet aufhältig sei. Im Hinblick auf den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 MRK habe der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach erkannt, dass § 5 Abs. 1 AufG iVm Art. 8 Abs. 1 MRK verfassungskonform interpretiert werden könne. Dabei habe eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen stattzufinden. Diese Abwägung habe im Fall der Beschwerdeführerin ergeben, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen Priorität einzuräumen gewesen sei, weil die Unterhaltsmittel der Beschwerdeführerin, welche keinesfalls aktuell seien, nicht als ausreichend zu betrachten seien. Es sei davon auszugehen, dass die Unterhaltsmittel nicht dazu ausreichten, um ohne Unterstützung der Sozialhilfeträger auskommen zu können. Unter Berücksichtigung der für das Bundesland Oberösterreich feststehenden Höhe des Mindestunterhaltes müsste der Sozialhilfeträger Geldmittel zuschießen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 19. Juni 1996) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum AufG BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.

§ 5 Abs. 1 AufG lautete:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

Weder nach ihrem Vorbringen noch nach der Aktenlage verfügte die Beschwerdeführerin jemals über eine Aufenthaltsbewilligung oder einen am 1. Juli 1993 gültigen Sichtvermerk. Der angefochtenen Bescheid ist demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller von sich aus (initiativ) zu belegen, dass er über die zur Bestreitung seines Unterhaltes erforderlichen Mittel verfügt. Aufforderungen seitens der Behörde an den Antragsteller, dieser Darlegungspflicht entsprechend zu handeln, sind demnach ebenso wenig geboten, wie die Durchführung diesbezüglicher amtswegiger Ermittlungen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 1998, Zl. 96/19/2042). Von den diesbezüglichen Angaben des Fremden kann die Behörde selbst dann ausgehen, wenn sie erstmals den Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG heranzieht. Die belangte Behörde darf nun zwar im Hinblick auf die Verpflichtung des Fremden zur Glaubhaftmachung des Nichtvorliegens von Versagungsgründen auch im Berufungsverfahren ohne entsprechenden Vorhalt von den Unterhaltsmitteln ausgehen, die der Antragsteller in seinem Bewilligungsantrag und im folgenden Verwaltungsverfahren von sich aus bekannt gegeben hatte (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zl. 96/19/2559 bis 2561); dies bedeutet jedoch nicht, dass die Behörde nicht ihre eigenen Ermittlungen über die dem Fremden zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel anstellen und für den Fall, dass die Ergebnisse dieser Ermittlungen Zweifel an der aktuellen Sicherung seines Einkommens hervorrufen, den Antragsteller auffordern kann, aktuelle Nachweise des zur Verfügung stehenden Einkommens vorzulegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. September 1999, Zlen. 97/19/1043 bis 1046).

Offensichtlich im Hinblick auf die seit der Antragstellung im Jänner 1994 vergangene Zeitspanne von fast zweieinhalb Jahren forderte die belangte Behörde, die nach Aufhebung ihres ursprünglichen Berufungsbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof wieder zuständig geworden war, die Beschwerdeführerin auf, u.a. den Nachweis zu erbringen, dass ihr Lebensunterhalt im Bundesgebiet gesichert sei. Das daraufhin erstattete, eingangs wiedergegebene Vorbringen der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren lässt nun bei verständiger Würdigung nur die Deutung zu, dass die Einkommensverhältnisse ihrer Tochter, auf deren Unterstützung sie sich bereits in ihrem Antrag berufen hatte, unverändert geblieben seien und auch die durch Vorlage des Mietvertrages bescheinigte Unterkunft für sie nach wie vor zur Verfügung stünde und sich deshalb eine neuerliche Vorlage entsprechender Urkunden erübrige. Davon, dass die Beschwerdeführerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht ausreichend nachgekommen sei, kann angesichts dessen nicht gesprochen werden.

Selbst unter der Annahme einer Verletzung dieser Mitwirkungspflicht durch Unterlassung der Vorlage aktueller Nachweise wäre die belangte Behörde nur berechtigt gewesen, diesen Umstand in ihre Beweiswürdigung miteinzubeziehen. Eine dahingehende Beweiswürdigung lässt sich dem angefochtenen Bescheid nicht entnehmen. Die Annahme, die Einkommensverhältnisse hätten sich "im Laufe von mehr als zwei Jahren sicherlich geändert" ist weder durch das Vorbringen der Beschwerdeführerin noch durch eigene Ermittlungen der Behörde gedeckt. Die Begründung lässt auch nicht erkennen, aus welchen Gründen das im Antrag bescheinigte Einkommen der Tochter der Beschwerdeführerin als unzureichend anzusehen sei bzw. aus welchen Gründen die belangte Behörde - trotz anders lautender Behauptung der Beschwerdeführerin - von einer Änderung der Verhältnisse ausgegangen sei, und vermag daher die von der Behörde gezogene Schlussfolgerung, die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufG seien nicht erfüllt, nicht zu tragen. Der angefochtene Bescheid ist daher insofern mit einem Begründungsmangel behaftet.

Die belangte Behörde stellt im angefochtenen Bescheid aber auch den Unterhaltsbedarf der Beschwerdeführerin zahlenmäßig nicht fest, vertrat jedoch die Ansicht, dass "unter Berücksichtigung der für das Bundesland Oberösterreich feststehenden Höhe des Mindestunterhaltes" der Sozialhilfeträger Geldmittel zuschießen müsste. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begegnet eine am Sozialhilferichtsatz für das jeweilige Bundesland orientierte Berechnung des Bedarfes an Unterhaltsmitteln aus dem Gesichtspunkt der Verletzung subjektiver Rechte eines Beschwerdeführers keinen Bedenken (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zl. 96/19/2559 bis 2561 mwN) dies allerdings nur dann, wenn die Berechnung anhand des Sozialhilferichtsatzes nachvollziehbar ist. Dabei hat die Behörde darzulegen, welchen monatlichen Betrag sie als dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehende Mittel einerseits und welchen monatlichen Betrag sie als richtsatzgemäße Gesamtunterstützung im Sinn des anzuwendenden Sozialhilferichtsatzes als maßgeblichen Sachverhalt andererseits dem Tatbestand des nichtgesicherten Unterhaltes subsumiert. Bei Annahme eines nicht durch den Richtsatz gedeckten Mehrbedarfes wäre dieser überdies konkret festzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. September 1998, Zlen. 96/19/0271 bis 0274). Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht.

Die Beschwerdeführerin hat sich bereits in ihrem Antrag - wie dargestellt - auf die Unterstützung ihrer Tochter berufen. Darüber hinaus legte sie eine Verpflichtungserklärung ihrer Tochter und Nachweise über das von dieser als Diplom-Krankenschwester bezogene Einkommen vor. Im Berufungsverfahren brachte sie vor, sie sei von ihrer Tochter wirtschaftlich abhängig und es werde ihr von ihr Unterhalt gewährt. Die Einkommensverhältnisse der Tochter seien unverändert. Dieses Vorbringen wird im Wesentlichen in der Beschwerde wiederholt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1996, Zlen. 95/19/0603 bis 0605) verschafft auch das Bestehen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches - dies ist eine von der Behörde von Amts wegen zu klärende Rechtsfrage - gegen eine Person, die in der Lage ist, diesen zu erfüllen, dem Fremden eigene Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes. Die belangte Behörde hätte daher im Hinblick auf das wiedergegebene Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie beabsichtige von Unterhaltsleistungen ihrer Tochter zu leben, zu prüfen gehabt, ob und in welcher Höhe ihr ein Unterhaltsanspruch gegen ihre in Österreich lebende Tochter zusteht und in wie weit diese auch in der Lage ist, ihn zu erfüllen.

In Verkennung dieser Rechtslage unterließ es die belangte Behörde, Feststellungen im aufgezeigten Sinn zu treffen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen (prävalierender) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 2. Oktober 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1996192260.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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