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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §69 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Sußner, über die Revision des M S in Wegscheid, Deutschland, vertreten durch Dr. Rudolf Schaller, Rechtsanwalt in 7350 Oberpullendorf, Hauptplatz 9/2/13, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 15. Oktober 2013, Zl. RU1-BR-1885/001-2013, betreffend Versagung der Wiederaufnahme eines Bauauftragsverfahrens (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde B in B), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
Aus der Revision und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich Folgendes:
Im Jahr 1933 wurde für das auf dem Grundstück Nr. 461/22, KG G., errichtete Wohnhaus des Revisionswerbers die Baubewilligung erteilt.
Mit Bescheid (offenbar: des Bürgermeisters der Gemeinde G.) vom 20. August 1964 wurden ein Zubau und eine Aufstockung des Hoftraktes baubehördlich bewilligt.
Mit Bescheid vom 23. Juni 1970 wurden für das Gebäude die Benützungsbewilligung erteilt und Abweichungen zur Baubewilligung genehmigt. Im diesbezüglichen Auswechslungsplan sind im Erdgeschoss drei Fensteröffnungen 75/76 cm mit Ebenseer Glasbausteinen und im Obergeschoss vier Fensteröffnungen 75/76 cm sowie sieben Öffnungen 75/38 cm ebenfalls mit Ebenseer 'Glasbausteinen eingezeichnet.
Mit Bescheid vom 27. Juli 1978 wurde die Errichtung der Hauskanalisation für das Hauptgebäude und den Hoftrakt baubehördlich bewilligt.
Mit Bescheid vom 9. September 2009 wurde die baubehördliche Bewilligung für einen Um- und Zubau beim bestehenden Wohnhaus u. a. unter der Auflage (Punkt 10) erteilt, dass die bestehenden, nicht öffenbaren Fixverglasungen in der Brandwand an der westlichen Grundgrenze unverändert bleiben dürften sowie jede geplante Abänderung ein Entfernen und brandständiges Verschließen der Öffnungen bedinge.
Bei einer baubehördlichen Überprüfung am 4. Juni 2010 wurde festgestellt, dass in dieser westlichen Außenmauer insgesamt vier Fenster eingebaut worden waren.
Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Juli 2010 wurde dem Revisionswerber der baupolizeiliche Auftrag erteilt, die zwei Fenster im Erdgeschoss und zwei Fenster im Obergeschoss an der westseitigen Fassade zu entfernen bzw. zu vermauern. Da der Revisionswerber diesem Auftrag nicht nachgekommen ist, wurde von der Bezirkshauptmannschaft Baden ein Vollstreckungsverfahren eingeleitet.
Mit Schreiben vom 15. Oktober 2012 stellte der Revisionswerber einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG und brachte dazu vor, dass sich neue Tatsachen ergeben hätten, weil Pläne des bestehenden Wohngebäudes an der hinteren Grundgrenze aufgefunden worden seien. Konkret handle es sich dabei um den Einreichplan Nr. 1131 vom Juli 1964 und den Auswechslungsplan Nr. 1569 vom Mai 1978, erstellt vom Bauunternehmen Brüder Lerch. Aus diesen Plänen sei ersichtlich, dass in der an der hinteren Grundgrenze angrenzenden Außenwand Fensteröffnungen vorgesehen bzw. bereits vorhanden seien. Daraus ergebe sich, dass der dem Revisionswerber vorliegende Akt nicht vollständig sei. Der Baubewilligungsbescheid der Gemeinde G. vom 20. August 1964 liege vor, ein entsprechender Bescheid zu den Auswechslungen vom Mai 1978 jedoch nicht. Daraus sei zu schließen, dass für die bestehenden vier Fensteröffnungen ein alter Konsens vorliege. Der Austausch der Fenster im Jahr 2010 sei daher als reine Erhaltungsarbeit anzusehen und nicht bewilligungspflichtig.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 12. April 2013 wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Wiederaufnahme des Verfahrens als unbegründet abgewiesen.
Dazu führte der Bürgermeister aus, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass in den Bauakten alle vorhandenen Unterlagen chronologisch eingeordnet seien und seit dem Bauvorhaben im Jahr 2009 keine neuen Unterlagen dazugekommen seien. Die Planunterlagen hinsichtlich der Bewilligung des Zubaues und der Aufstockung des Hoftraktes im Jahr 1964 sowie hinsichtlich der Bewilligung der Hauskanalisation im Jahr 1978 seien nicht neu aufgefunden worden oder hinzugekommen, sondern bereits bisher Bestandteil des Bauaktes gewesen. Der Bescheid vom 23. Juni 1970 (Benützungsbewilligung und Genehmigung von Abweichungen) stelle den bis heute bestehenden Konsens dar. Das im Jahr 1978 geführte Verfahren habe die Anschlussverpflichtung und die Baubewilligung für die Errichtung der Hauskanalisierung betroffen. Im bestehenden Plan seien der Kanalstrang, die Putzschächte und die bestehenden Senkgruben eingezeichnet worden, und alle Gebäude seien grau eingezeichnet. Im Hoftrakt seien an der Grundgrenze im Erdgeschoss und im Obergeschoss Ebenseer Glasbausteine eingezeichnet. Die Öffnungen wiesen zwar andere Abmessungen als im Auswechslungsplan vom Jahr 1970 auf, diese Öffnungen seien jedoch nicht Gegenstand des Kanalbewilligungsverfahrens im Jahr 1978 gewesen. Mit Bescheid vom 27. Juli 1978 seien nur die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung der Hauskanalisierung erteilt und keine sonstigen baulichen Abänderungen und auch keine Abänderungen der Öffnungen der östlichen Außenwand an der Grundgrenze bewilligt worden. Auch sei festgestellt worden, dass der Austausch der Fenster keine Erhaltungsarbeiten darstelle, weil die Konstruktionsart geändert worden sei und es sich daher um bewilligungspflichtige bauliche Abänderungen handle. Der bis heute bewilligte Konsens stamme aus dem Jahr 1970, und es seien nunmehr durch den Austausch der Glasbausteine in öffenbare Fenster bewilligungspflichtige Änderungen durchgeführt worden. Zusammenfassend sei daher festgestellt worden, dass keine neuen Tatsachen im Ermittlungsverfahren hervorgekommen seien.
Die vom Revisionswerber gegen den Bescheid vom 12. April 2013 erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Gemeinde vom 24. Juni 2013 als unbegründet abgewiesen. Darin wurde die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides wiederholt und zusammenfassend festgehalten, dass mit Bescheid vom 23. Juli 19790 die entsprechenden Öffnungen an der westseitigen Fassade der Brandwand bewilligt worden seien, was den bis heute bewilligten Konsens darstelle. Dadurch, dass der Revisionswerber einen Fenstertausch durchgeführt habe, indem er die Glasbausteine entfernt und durch öffenbare Fenster ersetzt habe, habe er eine Maßnahme gesetzt, die über die Instandsetzung von Bauwerken hinausgehe, weil die Konstruktions- und Materialart verändert sowie Formen und Farben von außen sichtbaren Flächen verändert worden seien. Dies stelle eine bewilligungspflichtige Maßnahme dar. Eine Bewilligung sei auf Grund der heutigen Rechtslage nicht möglich, weil Brandwände öffnungslos ausgeführt werden müssten.
Die vom Revisionswerber dagegen erhobene Vorstellung wurde mit dem nunmehr in Revision gezogenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung (im Folgenden: Landesregierung) als unbegründet abgewiesen.
Dazu führte die Landesregierung aus, dass der gültige Konsens für die Fensteröffnungen an der westlichen Brandwand des Hoftraktes auf Grund des gemäß der Bauordnung für Niederösterreich aus dem Jahr 1883 erlassenen Bewilligungsbescheides vom 20. August 1964 bestehe. In dem für die am 23. Juni 1970 erteilte Benützungsbewilligung vorgelegten Auswechslungsplan seien im Erdgeschoss drei Fensteröffnungen und im Obergeschoss vier Fensteröffnungen sowie sieben Öffnungen jeweils mit Ebenseer Glasbausteinen eingezeichnet. Da es sich dabei um eine Bewilligung auf Grund der Bauordnung 1883 handle, komme die vom Revisionswerber angeführte Übergangsbestimmung des § 77 Abs. 9 der NÖ Bauordnung 1996 (BauO) hier nicht zur Anwendung.
Gegenstand des Verfahrens im Jahr 1978 sei allein die Errichtung der Hauskanalisierung (Bewilligung des Kanalanschlusses) gewesen, und in den Plänen seien der Kanalstrang und die Putzschächte rot bzw. grün eingefärbt. Alle Gebäude seien grau eingezeichnet. Da es im Verfahren aus dem Jahr 1978 nur um die Kanalanlage und nicht um irgendwelche Abänderungen am Gebäude gegangen sei, sei in diesem Verfahren kein Konsens hinsichtlich der Fenster erteilt worden. Auch auf Grund der sonstigen Unterlagen ergäben sich keine Anzeichen, dass mit Ausnahme der Hauskanalisierung andere bauliche Abänderungen bewilligt worden seien. Die Meinung des Revisionswerbers, dass mit Bescheid vom 27. Juli 1978 die im zu Grunde liegenden Einreichplan angeführten Fenstergrößen bewilligt worden seien, sei daher unrichtig.
Im nachträglichen Baubewilligungsverfahren für den Um- und Zubau beim bestehenden Wohnhaus, welcher mit Bescheid vom 9. September 2009 bewilligt worden sei, sei keine Bauverhandlung durchgeführt worden, weil die Nachbarn nach Verständigung gemäß § 22 Abs. 2 BauO keine Einwendungen eingebracht hätten. Die Baubehörde habe daher gar keine Gelegenheit gehabt, im Rahmen dieses Verfahrens die Veränderung der Fenstergröße bzw. den Austausch der Fenster festzustellen. Dieser Austausch sei erst am 4. Juni 2010 durch einen Außendienstmitarbeiter des Stadtbauamtes festgestellt worden. Daraufhin sei der baupolizeiliche Auftrag erteilt worden, die vier Fenster zu vermauern. Diese Vorgangsweise entspreche der Rechtsordnung, weil nach der heutigen Rechtslage an der Grundstücksgrenze nur mehr eine öffnungslose Brandwand errichtet werden könne. Daher gehe auch der Wunsch des Revisionswerbers auf Rückbau der Fenster in Fenster mit Glasbausteinen ins Leere, weil für diesen Rückbau eine baubehördliche Bewilligung notwendig sei, die auf Grund der heutigen Rechtslage nicht erteilt werden könne. Beim Austausch von fixen Glasbausteinen auf öffenbare Holzfenster handle es sich um eine bewilligungspflichtige Maßnahmen, weil die Konstruktions- und Materialart verändert werde.
Laut den Angaben der Baubehörde sei dem Revisionswerber nie die Einsichtnahme in den Bauakt verwehrt worden und habe dieser auch nie um Übermittlung aller Unterlagen aus seinem Bauakt ersucht. Es sei daher der behauptete Neuerungstatbestand des Auffindens von älteren Plänen nicht nachvollziehbar, und es lägen die Voraussetzungen des §69 Abs. 1 Z. 2 (AVG) nicht vor, weil keine neuen Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen seien und außerdem diese auch nicht zu einem anderen Verfahrensergebnis geführt hätten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, in der Sache selbst zu entscheiden und der Vorstellung des Revisionswerbers Folge zu geben, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zurückzuverweisen.
II.
Vorauszuschicken ist, dass gemäß § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGwk-ÜG für die Behandlung der vorliegenden Revision die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß gelten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Revision bringt vor, der Revisionswerber habe mit Fug und Recht annehmen dürfen, dass die Behörde den genehmigten Bauöffnungen im Rahmen der Darstellung der planlichen Änderungen anlässlich einer neuerlichen Antragstellung nach dem Bauverfahren zugestimmt habe. Die Behörde habe sich zu den planlich dargestellten Änderungen nicht geäußert, obwohl es ihre ureigenste Aufgabe gewesen wäre, die vorgelegten Pläne zu überprüfen und eine entsprechende bauliche Anordnung bzw. baubehördliche Entscheidung zu treffen. Da dies nicht geschehen und dem Revisionswerber der Gesamtakt anlässlich der Akteneinsicht nicht vorgelegt worden sei, sei ihm damit die Gelegenheit genommen worden, der Behörde gegenüber auf die Einhaltung ihrer Entscheidungspflicht zu drängen. Hätte er eine Gesamtaktenübersicht erhalten, hätte er die ihn benachteiligenden Umstände inklusive der Mitteilung, dass Änderungen gegenüber den seinerzeit in den 70er Jahren bestandenen Glasöffnungen vorgenommen worden seien, vorbringen und eine entsprechende Bewilligung erlangen können. Es zeige sich daher, dass die Nichtbewilligung der Wiederaufnahme den Revisionswerber darin gehindert habe, eine entsprechende Antragstellung vorzunehmen. Wäre die Wiederaufnahme bewilligt worden, hätten die Umstände, die nunmehr als Hindernis für eine Genehmigung der Fenster in den Seitenwänden herangezogen würden, vermieden werden und eine Bewilligung erteilt werden können.
Die Baubehörde hätte bei Kenntnis, dass entgegen den fixen und starren Öffnungen mit Glasbausteinen nunmehr normale öffenbare Fenster vorgesehen seien, auf Grund des Amtswegigkeitsgrundsatzes sofort entscheiden müssen, und es hätten nach damals geltender Rechtslage die dargestellten Änderungen, unabhängig von dem Antragsgegenstand des Bauansuchens, genehmigt werden müssen. Ferner hätte die Behörde das Bauvorhaben, wie es seinerzeit in den Plänen dargestellt gewesen sei, nachträglich bewilligen müssen. Da dem Revisionswerber trotz entsprechender Antragstellung betreffend die Akteneinsicht die Gesamtdokumente nicht vorgelegt worden seien und die willkürliche Kompilation der Aktenbestandteile durch Mitarbeiter des Stadtbauamtes die "älteren Pläne" nicht enthalten habe, sei er gehindert worden, entsprechend der bei Kenntnis aller Planunterlagen sich ergebenden Grundlage seine Rechte weiter zu verfolgen. Hätte er alle Pläne übermittelt erhalten, hätte er "einen entsprechenden Antrag auf Auswechslung der fixen Glasbausteine in normale öffenbare Fenster" und den Antrag stellen können, dass die Auswechslung der Fenster im Rahmen seines Bauansuchens zulässig sei und zu bewilligen wäre. Er hätte bei Kenntnis der Pläne vorbringen können, dass die Behörde "durch Nicht-Untersagung innerhalb der Entscheidungsfrist" die Genehmigung bereits erteilt habe, und einen entsprechenden Feststellungsbescheid beantragen können. Wenn bauliche Abänderungen planlich dargestellt und der Behörde übermittelt worden seien, könne sich die Behörde nicht damit "entschuldigen", dass sie sich mit diesen planlichen Änderungen nicht auseinandergesetzt, sondern nur die primär im Antrag dargestellten Baumaßnahmen bewilligt habe. Wenn in einem Antrag auf Bewilligung der Hauskanalisierung (Hauptthema des Antrags) Änderungen gegenüber dem bestehenden Zustand dargestellt und zur baubehördlichen Bewilligung eingereicht worden seien, wäre es geradezu fraudulös, wenn man sich, wie hier geschehen, trotz voller Kenntnis der gegebenen Veränderungen nicht mit dem Planzustand auseinandersetze. Bei voller Information des Staatsbürgers (Revisionswerbers) über den Aktenstand hätte er eine entsprechende ergänzende Antragstellung vorgenommen. Die Behörde hätte amtswegig dem laut eingereichten Bauplan bekannten Bauzustand (Änderung des starren Bausteins durch öffenbare Fenster) entsprechend der damals geltenden Rechtslage zustimmen müssen.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.
Diese Gesetzesbestimmung normiert einen relativen Wiederaufnahmegrund, weil das Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweise allein nicht genügt, sondern eine Wiederaufnahme nur rechtfertigt, wenn die nova reperta zu einem anderen Verfahrensergebnis führen würden (vgl. dazu etwa Hengstschläger/Leeb, AVG, § 69 Rz 42 mwN).
Nach der hg. Judikatur darf ein baupolizeilicher Beseitigungsauftrag erst nach rechtskräftiger Abweisung oder Zurückweisung eines Bauansuchens vollstreckt werden (vgl. etwa Pallitsch/Pallitsch/Kleewein, Niederösterreichisches Baurecht8, zu § 35 NÖ BauO E 28, S. 579). Ein Antrag auf eine nachträgliche Baubewilligung (oder eine nachträgliche Bauanzeige) hindert die Erlassung eines Bauauftrages nicht, wenn eine nachträgliche Baubewilligung der Rechtslage widersprechen würde (vgl. dazu Pallitsch/Pallitsch/Kleewein, aaO, zu § 33 NÖ BauO Anm 6, S. 532).
Das Revisionsvorbringen, dass sich die Baubehörde zu den vorgelegten Plänen und den dargestellten Änderungen nicht geäußert habe, obwohl sie die Pläne hätte überprüfen und "eine entsprechende bauliche Anordnung bzw. baubehördliche Entscheidung" hätte treffen müssen, sowie dass der Revisionswerber bei Kenntnis aller Pläne "einen entsprechenden Antrag auf Auswechslung der fixen Glasbausteine in normale öffenbare Fenster" hätte stellen können, untermauert insoweit die Beurteilung der Landesregierung im angefochtenen Bescheid, dass die auf Grund des mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Juli 2010 erteilten Bauauftrages zu entfernenden bzw. zu vermauernden vier Fenster nicht von dem für das Gebäude des Revisionswerbers erteilten baubehördlichen Konsens umfasst sind. Ferner wendet sich die Revision nicht gegen die im angefochtenen Bescheid getroffene Beurteilung, dass eine baubehördliche Bewilligung für die vier Fenster nicht erteilt werden dürfte, weil an der Grundgrenze nur eine öffnungslose Brandwand errichtet werden dürfe (vgl. dazu § 23 Abs. 1 BauO und § 20 Abs. 1 Z. 7 leg. cit. iVm § 10 NÖ Bautechnikverordnung 1997).
Mit dem genannten Vorbringen wie auch dem weiteren Vorbringen, dass dem Revisionswerber im Rahmen seiner Akteneinsicht nicht alle in den Bauakten erliegenden Pläne gezeigt worden seien und er daher keinen Baubewilligungsantrag in Bezug auf die Fenster habe stellen können, zeigt die Revision nicht in nachvollziehbarer Weise auf, dass bei Zugrundelegung dieser behaupteten Umstände die Baubehörde und mit ihr die Landesregierung voraussichtlich einen gegenüber dem Bescheid vom 21. Oktober 2010 im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid hätten erlassen müssen bzw. von der Erteilung des Bauauftrages hätte Abstand genommen werden müssen. Insbesondere stellen die behaupteten Umstände auch keine nova reperta im oben genannten Sinn dar.
Die Auffassung der Landesregierung, dass der Wiederaufnahmegrund gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG nicht erfüllt sei, begegnet daher keinen Bedenken.
Die in der Revision beantragte mündliche Verhandlung konnte aus folgenden Gründen unterbleiben:
Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Revisionsfall in Rede stehende Anspruch als "civil right" im Sinne der EMRK zu beurteilen ist. So hat der EGMR in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Revisionswerber (Revisionswerber) grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige.
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein), hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne.
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Revision werden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Schon deshalb steht Art. 6 EMRK somit der Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Darüber hinaus zählt, wie Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention2, Seite 195, mit Bezugnahme auf die Judikatur des EGMR ausführen, ein Verfahren über die Zulässigkeit eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu den Angelegenheiten, auf die Art. 6 EMRK nicht anwendbar ist (vgl. das Urteil vom 8. Mai 1978, Nr. 7761/77, ua). Im Übrigen kommt die Verfahrensgarantie des "fair hearing" im Sinn des Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstehen (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 2013, Zl. 2013/05/0211, mwN).
Da somit bereits der Revisionsinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 24. Juni 2014
Schlagworte
Neu hervorgekommene entstandene Beweise und Tatsachen nova reperta nova productaEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:RO2014050059.J00Im RIS seit
23.07.2014Zuletzt aktualisiert am
14.10.2014