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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §46 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über den Antrag des am 1967 geborenen M S in N, vertreten durch Dr., Rechtsanwalt, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der zur hg. Zl. 98/19/0275 protokollierten Beschwerde, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgegeben.
Begründung
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshof vom 12. März 1999, Zl. 98/19/0275, wurde das Verfahren betreffend die vom Antragsteller erhobene Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. September 1998 eingestellt, weil der Antragsteller der an ihn ergangenen Aufforderung zur Mängelbehebung nicht nachgekommen war.
Mit dem vorliegenden Antrag begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und führt begründend aus, er sei durch Dr. M. vertreten gewesen, der auftragsgemäß gegen den vorgenannten Bescheid die zu hg. Zl. 98/19/0275 protokollierte Beschwerde erhoben habe, die mit Berichterverfügung vom 2. Dezember 1998 zur Behebung von Mängeln durch Vorlage des angefochtenen Bescheides zurückgestellt worden sei. Diese Berichterverfügung sei der Kanzlei Dris. M. am 14. Dezember 1998 zugestellt worden. An diesem Tag habe ein Bekannter des Antragstellers für diesen ein Telefonat mit einem Mitarbeiter Dris. M. geführt und dabei mitgeteilt, dass der Antragsteller die Unterlagen der Vertretung Dris. M. abholen wolle. Am 15. Dezember 1998 seien dem Antragsteller in der Kanzlei Dris. M. Unterlagen mit dem Bemerken ausgefolgt worden, dass diese den gesamten, in seiner Sache bei Dr. M. befindlichen Handakt repräsentierten. Unmittelbar darauf habe der Antragsteller am 15. Dezember 1998 diese Unterlagen - darunter auch den verfahrensgegenständlichen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. September 1998 - seinem neuen Rechtsfreund Mag. S. übergeben, bei dem er bereits am 11. Dezember 1998 vorgesprochen gehabt habe, um die Vertretung in seiner Aufenthaltssache mit diesem zu beraten. Mag. S. habe dem Antragsteller zu verstehen gegeben, dass er sich seiner Aufenthaltssache "annehmen" werde. Bei Prüfung der Unterlagen habe er festgestellt, dass der Bescheid des Bundesministers bis zum 17. November 1998 hätte angefochten werden können und sei auf Grund der Angabe des Antragstellers, dass er Dr. M. die Kosten der Erhebung der Bescheidbeschwerde gegen diesen Bescheid bezahlt hätte, davon ausgegangen, dass diese von Dr. M. auch eingebracht worden sei. Dementsprechend habe Mag. S. die Vertretung des Antragstellers (nur) im Verfahren gegen die damals bereits gegen diesen erstinstanzlich erlassene Ausweisung übernommen, in welchem Verfahren eine Stellungnahme zu erstatten gewesen sei.
Am 10. Juni 1999 habe der Antragsteller den nunmehr einschreitenden Rechtsanwalt aufgesucht. Gegenstand der Besprechung sei die Frage gewesen, ob eine Bescheidbeschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 14. April 1999 betreffend die Ausweisung des Antragstellers ergriffen werden solle. Nach Aufforderung, mit allen verfügbaren Unterlagen neuerlich vorzusprechen, habe der Antragsteller am 15. Juni 1999 seinem nunmehrigen Vertreter diverse, näher bezeichnete Urkunden vorgelegt, die teils von Dr. M. bzw. Mag. S. verfasst, teils an diese gerichtet gewesen seien. Der "sprachmittelnde Begleiter" des Antragstellers habe dem Antragstellervertreter mitgeteilt, dass Rechtsanwalt Dr. M. in Haft wäre. Der Antragstellervertreter habe in weiterer Folge die mittlerweilige Stellvertreterin Dris. M. in Erfahrung gebracht und diese um Übersendung der noch in dessen Handakt befindlichen Unterlagen betreffend den Antragsteller gebeten. Nach Abklärung mit Mag. S. über die bei diesem aufliegenden, die Sache des Antragstellers betreffenden Urkunden habe der Antragstellervertreter der mittlerweiligen Stellvertreterin Dris. M. am 15. Juni 1999 ein Ersuchen um Beantwortung einiger Fragen per Fax übermittelt. Dieses Schreiben sei unerwidert geblieben. Bei einer telefonischen Nachfrage am 16. Juni 1999 sei der Antragstellervertreter an die Kanzlei Dris. E., welche über den Handakt Dris. M. verfügt habe, verwiesen worden. Am 16. Juni 1999 habe Rechtsanwalt Dr. E. telefonisch zugesagt, den Handakt Dris. M. betreffend die Vertretung des Antragstellers zu übermitteln. Die Übersendung dieser Urkunden, namentlich der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Dezember 1998 zur Zl. 98/19/0275, sei beim Vertreter des Antragstellers am 18. Juni 1999 eingelangt. Davon, dass der Verwaltungsgerichtshof die vorerwähnte Verfügung, mit welcher zur Behebung von Mängeln aufgefordert worden sei, der Kanzlei Dris. M. zugestellt gehabt habe, habe der Antragsteller erst erfahren, als seinem nunmehrigen Rechtsfreund diese Verfügung, die den Datumsstempel "14.12.1998" - allerdings ohne Beifügung der Bezeichnung der entgegennehmenden Person - aufweise, mit Schreiben der Rechtsanwälte Dr. E und Dr. H. vom 16. Juni 1999 am 18. Juni 1999 übermittelt und ihm dies bei seiner Vorsprache am 22. Juni 1999 mitgeteilt worden sei.
Der Antragsteller sei daher infolge dieser Abläufe, ohne dass ihm ein über den Grad des geringfügigen Versehens hinausgehendes Verschulden zur Last läge, insbesondere dadurch, dass er darauf vertraut habe, Dr. M. würde als sein Vertreter die Bescheidbeschwerde gegen den genannten Bescheid des Bundesministers für Inneres wirksam erheben, dieser jedoch wegen seiner Verhaftung am 23. Dezember 1998 die weitere Vertretung des Antragstellers in dieser Beschwerdesache, die (auch) darin bestanden habe, der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Dezember 1998 zu entsprechen, nicht mehr fortgeführt und dem Antragsteller hierüber auch keine Mitteilung gemacht habe, gehindert gewesen, der genannten Verfügung fristgerecht zu entsprechen, sodass er diese Frist versäumt habe. Erst am 18. Juni 1999, als seinem nunmehrigen Rechtsfreund die vorerwähnte Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes bekannt geworden sei, sei dieses Hindernis fortgefallen.
Die Behauptungen des Antragstellers, insbesondere über seine erstmalige Kenntnis des Mängelbehebungsauftrages des Verwaltungsgerichtshofes, können im Hinblick auf die vorgelegten eidesstättigen Erklärungen als bescheinigt angesehen werden. Dass Dr. M. am 23. Dezember 1998 verhaftet wurde, ist durch die vorgelegte Auskunft der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich bestätigt.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei in Verschulden an der Versäumung zur Last liegt hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
Bei dem Begriff "unvorhergesehen" sind, wenn auch unter strenger Würdigung, die subjektiven Verhältnisse der Partei zu berücksichtigen. Wiedereinsetzungsgründe und ihre Bedeutung sind daher nicht nur nach dem objektiven Gewicht ihres Tatbestandes, sondern auch nach der Bedeutung, die diese subjektiv für die Partei im Einzelfall hatten, zu beurteilen. Maßgebend ist dabei nicht der objektive Durchschnittablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (vgl. den hg. Beschluss vom 1. Juli 1998, Zlen. 98/09/0026,0027 mwN). In der Person eines bevollmächtigten Vertreters eingetretene Tatumstände sind für die vertretene Partei dann ein Wiedereinsetzungsgrund, wenn sich diese Umstände als ein unverschuldetes und unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstellen.
Die vor Ablauf der Verbesserungsfrist im Beschwerdeverfahren erfolgte Verhaftung des damaligen Rechtsvertreters des Antragstellers stellt ein derartiges, für diesen selbst unverschuldetes und sowohl unvorhergesehenes als auch unabwendbares Ereignis dar, weshalb im Sinn des § 46 VwGG die Wiedereinsetzung zu bewilligen war.
Wien, am 2. Oktober 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999190144.X00Im RIS seit
21.12.2000