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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §68 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des DK, vertreten durch Walch & Zehetbauer Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Biberstraße 11, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 28. Mai 2013, Zl. 108/10-DOK/12, betreffend Zurückweisung von Anträgen auf Aufhebung rechtskräftiger Bescheide in einer Disziplinarrechtssache (weitere Parteien: Bundeskanzler, Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Kontrollinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
Mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 22. Jänner 2008 wurde der Beschwerdeführer im Hinblick auf den Verdacht von Dienstpflichtverletzungen gemäß § 112 Abs. 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) vom Dienst suspendiert. Mit Einleitungsbeschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 22. Jänner 2008 wurde gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Mit weiterem Einleitungsbeschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 9. Jänner 2009 wurde dieser Einleitungsbeschluss ergänzt.
Der Beschwerdeführer stellte am 31. Oktober 2012 den Antrag auf Nichtigerklärung rechtskräftiger Bescheide wegen Wegfall der Rechtsgrundlage und verwies auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 29. November 2010, V 87/10, vom 29. November 2010, V 88/10, und vom 29. November 2010, V 89/10, sowie die Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes vom 29. November 2010, B 2027/08, und vom 8. Dezember 2010, B 1057/10. Mit den angeführten Erkenntnissen habe der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Verordnungen "Zusammensetzung der Senate und Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres für das Jahr 2007" sowie "Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2007 ab 1.3.2007" der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres gesetzwidrig waren. Diese Entscheidungen beruhten auf der in den Entscheidungen näher dargelegten Auffassung, dass die angeführten Verordnungen nicht gehörig kundgemacht worden seien. Gemäß Art. 89 Abs. 1 B-VG seien die Gerichte, einschließlich des Verwaltungsgerichtshofes, an nicht gehörig kundgemachte Verordnungen nicht gebunden.
Der Beschwerdeführer stellte den Antrag, a. den Suspendierungsbescheid vom 22. Jänner 2007 sowie den Einleitungsbeschluss vom 22. Jänner 2008, b. sämtliche ihn belastende Bescheide, die ohne Rechtsgrundlage erlassen wurden, aufzuheben sowie c. sämtliche noch anhängige Disziplinarverfahren einzustellen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurden die Anträge des Beschwerdeführers vom 31. Oktober 2012 gemäß § 68 Abs. 1, Abs. 4 Z. 1 und Abs. 7 AVG zurückgewiesen.
Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid im Wesentlichen damit, dass die auf Aufhebung des Einleitungsbeschlusses der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 22. Jänner 2008 sowie des ergänzenden Einleitungsbeschlusses der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 9. Jänner 2009 gerichteten Anträge des Beschwerdeführers bereits mit Bescheid der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt vom 29. Jänner 2013 als unzulässig zurückgewiesen worden seien. Die Berufungskommission habe ihre Entscheidung im Wesentlichen mit dem Hinweis darauf begründet, dass die vorliegenden Anträge auf Ausübung des Aufsichtsrechtes im Verständnis des § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG durch Aufhebung rechtskräftiger Bescheide gerichtet seien. In Ansehung einer solchen Maßnahme komme der Partei kein Antragsrecht zu. Wolle eine Partei mit einem Anbringen die Aufsichtsbehörde anregen, von ihrer Aufhebungsbefugnis Gebrauch zu machen, so bedürfe dieses Anbringen keiner förmlichen Erledigung. Es bestehe ein subjektives Recht auf Nichtigerklärung formell rechtskräftiger Bescheide vorangegangener Verfahren nicht.
Hinsichtlich der noch offenen Anträge des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde aus, dass auf vor dem 1. Jänner 2012 ausgesprochene Suspendierungen gemäß der Übergangsbestimmung des § 233b Abs. 2 BDG 1979 die am 31. Dezember 2011 diesbezüglich in Geltung stehenden Bestimmungen weiter anzuwenden seien. Hinsichtlich der Suspendierung des Beschwerdeführers, die vor dem 1. Jänner 2012 ausgesprochen worden sei, sei daher gemäß der zum damaligen Zeitpunkt in Geltung gestandenen Fassung des § 97 Z. 3 BDG 1979, BGBl. I Nr. 2/2008, die belangte Behörde zur Entscheidung über Berufungen gegen Suspendierungen durch die Disziplinarkommission zuständig gewesen. Daher liege auch die abstrakte Zuständigkeit zur Entscheidung über den vorliegenden Antrag auf Nichtigerklärung des Suspendierungsbescheides bei der belangten Behörde. Es treffen jedoch im Ergebnis die rechtlichen Ausführungen der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt hinsichtlich des Antrages des Beschwerdeführers auf Nichtigerklärung des in Rechtskraft erwachsenen Suspendierungsbescheides in gleicher Weise zu. Gemäß § 68 Abs. 7 AVG stehe nämlich niemanden ein Anspruch auf Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 leg. cit. eingeräumten Abänderungs- und Behebungsrechten zu. Darauf gerichtete Anträge seien zurückzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete und von diesem mit Beschluss vom 13. September 2013, B 814/2013-4, abgelehnte und dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde erwogen:
Das gegenständliche Beschwerdeverfahren war am 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängig; die Beschwerdefrist ist vor diesem Zeitpunkt abgelaufen. Aus dem Grunde des § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG waren auf dieses Verfahren daher die am 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen anzuwenden. Dies gilt - gemäß § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Verordnung BGBl. II Nr. 8/2014 - auch für die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008. Die folgenden Zitate des VwGG in dieser Entscheidung beziehen sich auf dessen am 31. Dezember 2013 in Kraft gestandene Fassung.
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil § 68 Abs. 4 AVG der Behörde die Möglichkeit einräume, ihr Aufsichtsrecht nach freiem Ermessen auszuüben. Im vorliegenden Fall sei angesichts der angeführten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes klar, dass die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres, welche die Bescheide, deren Nichtigkeit geltend gemacht werde, erlassen habe, bei dieser Erlassung unrichtig zusammengesetzt gewesen sei. Dem Beschwerdeführer sei bewusst, dass Ermessensbestimmungen der Behörde die Befugnis einräumten, nach eigenen Wertungskriterien zu entscheiden und einer Partei kein Recht auf die Ausübung des Aufsichtsrechtes zustehe. Die Entscheidung der Behörde dürfe jedoch niemals auf Willkür beruhen, sondern habe sich an sachlichen Kriterien im Sinne des Gesetzes zu orientieren. Die belangte Behörde habe die offensichtliche Unzuständigkeit der Unterbehörde bewusst nicht aufgegriffen und so einen qualifiziert gesetzwidrigen Bescheid zum Nachteil des Beschwerdeführers in Geltung gelassen.
Damit zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet, gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Gemäß § 68 Abs. 2 AVG können von Amts wegen Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde oder vom unabhängigen Verwaltungssenat, die oder der den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden. Gemäß Abs. 7 dieser Gesetzesstelle steht auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts niemandem ein Anspruch zu.
Aus dieser Gesetzeslage ergibt sich, dass die Ausübung des Aufhebungsrechtes zwar angeregt, aber nicht erzwungen werden kann. Die Zurückweisung der Anträge der Beschwerdeführerin ist somit nicht zu beanstanden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Februar 2012, Zl. 2012/08/0006, vom 28. Mai 2013, Zl. 2012/05/0024, und vom 5. September 2013, Zl. 2013/09/0012).
Auf eine Abänderung oder Behebung eines Bescheides von Amts wegen im Rahmen des Aufsichtsrechts der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde gemäß § 68 AVG besteht kein subjektives Recht bzw. kein verfolgbarer Rechtsanspruch (vgl. Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, 4. Teilband 2009, zu § 68, Rz 129 ff).
Ob letztlich im Sinne des ebenfalls gestellten Antrages des Beschwerdeführers das gegen ihn geführte Disziplinarverfahren eingestellt wird oder ein Schuldspruch und eine Disziplinarstrafe ausgesprochen wird, wird erst am Ende des Disziplinarverfahrens zu entscheiden sein.
Durch den angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer sohin nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt. Dies ließ bereits die Beschwerde erkennen, weshalb sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.
Wien, am 18. Juni 2014
Schlagworte
Allgemein (auch gemeinsame Rechtssätze mit AVG §68 Abs3 und Abs4)Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2013090162.X00Im RIS seit
10.07.2014Zuletzt aktualisiert am
09.02.2017