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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §69;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der YJ in Wien, vertreten durch die Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Universitätsring 10, gegen den Bescheid des Senates der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien vom 26. September 2011, Zl. 454/6/11, betreffend Nichtigerklärung der Beurteilung einer Dissertation und Widerruf des akademischen Grades "Doktorin der Philosophie", zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Senates der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien vom 26. September 2011 wurde die Beurteilung der Dissertation der Beschwerdeführerin mit dem Titel "Die Beziehung zwischen chinesischer und europäischer Musikkultur vor 1911" gemäß § 74 Abs. 2 Universitätsgesetz 2002 (UG 2002) für nichtig erklärt. Weiters wurde der Bescheid, mit dem der Beschwerdeführerin der akademische Grad "Doktorin der Philosophie" verliehen worden war, gemäß § 89 UG 2002 aufgehoben und eingezogen.
Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften - soweit für das gegenständliche Verfahren von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt, im Berufungsverfahren sei ein externer Gutachter von außerhalb Österreichs beigezogen worden. Dieser habe nicht bloß eine stichprobenartige Prüfung, sondern eine vollständige Vergleichsanalyse der Dissertation der Beschwerdeführerin und der in chinesischer Sprache verfassten Publikation "Geschichte der gegenseitigen Einflüsse chinesischer und westlicher Musik" des Musikwissenschaftlers Tao Yabing (aus 1994) durchgeführt.
Das Gutachten stelle anhand einer Tabelle fest, dass in der Dissertation hinsichtlich der korrekten Zitation und Nachweise dem Gebot der wissenschaftlichen Integrität zuwidergehandelt worden und zahlreiche wörtliche oder paraphrasierte Entnahmen aus dem Werk von Tao Yabing nicht entsprechend kenntlich gemacht worden seien. Es sei streckenweise zu einer systematischen Übernahme fremden Gedankenguts gekommen. Im Mittelpunkt der nachweisbaren Verstöße stünden ca. 62 Seiten der Dissertation, die weitgehend sowohl auf direkten wörtlichen als auch vor allem auf inhaltlichen paraphrasierenden Übernahmen aus der Monographie von Tao Yabing beruhten. Inhaltlich lehnten sich diese Abschnitte fast vollständig an Argumente und Materialien, die von Tao Yabing in seiner Studie präsentiert würden, an. Es sei keine eigene zusätzliche wissenschaftliche Leistung zu erkennen. Dabei handle es sich vor allem um die für das Forschungsthema der Dissertation zentralen und relevanten Stellen, die nachweislich auf Falschangaben, d.h. auf Wortlaut- oder Inhaltsplagiaten beruhten. Zusätzlich habe der Gutachter in der Dissertation abgebildete Quellen und Illustrationen von Tao Yabing identifiziert, die nicht oder fehlerhaft nachgewiesen worden seien, sowie Quellen und Illustrationen, die anderen, aber nicht genannten und nachgewiesenen Werken entnommen worden seien. Rund 94 Seiten der Dissertation enthielten daher Textstellen, Quellen oder Illustrationen aus dem Schrifttum, ohne dass deren Herkunft angemessen kenntlich gemacht worden sei. Ohne Nennung der Herkunftsschriften erschienen die entsprechenden Abschnitte der Dissertation als Produkt eigener wissenschaftlicher Leistung, Argumentation oder Interpretation bzw. würden die Quellen und Illustrationen als Ergebnisse eigener historischer Recherchen ausgegeben, obwohl sie zum großen Teil nachweislich dem Werk von Tao Yabing bzw. anderen Werken entnommen worden seien. Es sei unzweideutig festzustellen, dass die Verstöße gegen die in der guten wissenschaftlichen Praxis üblichen Zitierregeln die inhaltlich wichtigen und für die Beurteilung der Arbeit zentralen Teile durchziehen würden. Es sei - so der Gutachter weiter - nicht anzunehmen, dass es sich bei den im Gutachten aufgelisteten Verstößen um zufällige Ähnlichkeiten oder um unsachgemäße Handhabungen der Zitierweise im Sinne einer gelegentlichen Nachlässigkeit handle; dafür seien die Übernahmen zu umfangreich, zu eindeutig und zu systematisch. Angesichts des Umfanges der Übernahmen könnten die Verstöße auch nicht als Bagatellen qualifiziert werden. Sogar bei den in der Dissertation enthaltenen gelegentlichen Verweisen auf die Arbeit von Tao Yabing seien die Referenzen ohne Ausnahme falsch; keine einzige Zitation des Werkes von Tao Yabing sei zutreffend und enthalte korrekte Seitenangaben. Dies könne nicht mehr als bloßes Versehen, sondern nur als Versuch der bewussten Verschleierung interpretiert werden. Durch die Falschangaben würden die übernommenen Passagen und ihr Umfang gleichsam versteckt. Eine korrekte Angabe der Seitenzahl würde den überprüfenden Leser ohne Zweifel zu weiteren, nicht nachgewiesenen Stellen in unmittelbarer Nachbarschaft der zitierten Stellen führen und so den gesamten Umfang der Übernahmen ersichtlich machen.
Hinsichtlich der Struktur der Dissertation konstatiere der Gutachter ebenfalls Anhaltspunkte für Übernahmen. Die Gliederung der Dissertation entspreche inhaltlich weitgehend der Studie von Tao Yabing, wenn auch der genaue Wortlaut der einzelnen Überschriften abweiche. Geringfügige Umformulierungen des Textes reichten nicht aus, die substantielle Übernahme von Ideen, Inhalten und Textelementen aufzuheben. Die enge strukturelle Anlehnung der Dissertation an Tao Yabing sei insofern schwerwiegend, als es zu einer beinahe vollständigen Kongruenz der behandelten Inhalte, Themen, Materialien und historischen Entwicklungen komme. Es sei somit nicht erkennbar, dass die Dissertation im Vergleich zu Tao Yabing andere, neue thematische oder inhaltliche Bereiche erschließe. Aus dem umfangreichen Vergleich der Texte und den klaren Befunden sei der Gutachter zur Schlussfolgerung gekommen, dass in der Dissertation die Regeln wissenschaftlicher Integrität nachweislich grob verletzt worden seien, indem der Eindruck geschaffen worden sei, es handle sich bei den Ausführungen in der Dissertation um eigene Leistungen, obgleich es sich in den wesentlichen Teilen um Leistungen anderer Autoren, zumeist jener von Tao Yabing, handle. Diese objektiv bestehenden Falschangaben würden die inhaltlich zentralen Teile der Arbeit durchziehen, wobei aufgrund des Umfanges der Plagiate und der vermutlichen Verschleierungsversuche von einer vorsätzlichen Täuschung auszugehen sei. Aufgrund ihres schwerwiegenden plagiatorischen Charakters genüge die Dissertation nicht den Anforderungen, die an eine gültige Promotionsleistung zu stellen seien.
Die im Rahmen des Berufungsverfahrens vorgenommene Befragung der beiden Betreuer der Dissertation ließen vor dem Hintergrund des Gutachtens die Handlungsweise der Beschwerdeführerin als konsistent erscheinen. Es sei zwar nicht unüblich, dass die Beschwerdeführerin starken Einfluss auf die Ausgestaltung des Dissertationsthemas genommen habe, dadurch sei aber angesichts der fehlenden Chinesisch-Kenntnisse der beiden Betreuer das Vorhaben eines Plagiats begünstigt worden. Als ein zentrales Indiz für die konsequente Vorgehensweise der Beschwerdeführerin sei zu werten, dass laut Zweitbetreuer die Dissertation "an der Kippe positiv/negativ" gestanden sei, woraus ersichtlich sei, dass trotz der den Betreuern aufgefallenen mangelhaften Arbeitsweise der Beschwerdeführerin die plagiierten Teile einen großen Einfluss auf die (letztlich doch) positive Bewertung der Dissertation mit "Genügend" gehabt hätten. Wesentlich sei weiters, dass die Beschwerdeführerin im Gespräch mit dem Studienrektor geäußert habe, sie habe "keine Seite abgeschrieben, nicht einmal eine halbe". Diese Aussage liege auch - von der Beschwerdeführerin unterzeichnet - schriftlich vor.
Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung das Nichtvorliegen einer Täuschungs- bzw. Irreführungsabsicht behaupte und dies insbesondere mit der Offenkundigkeit der mangelhaften Zitierweise der Beschwerdeführerin und dem Mangel adäquater Beweismittel begründe, überzeuge dies nicht. Bereits bei Würdigung der im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten gutachterlichen Stellungnahme sinologischer Expertinnen der Universität Wien seien berechtigte Zweifel am behaupteten Fehlen einer Täuschungsabsicht angebracht. Die Ergebnisse des zweitinstanzlichen Ermittlungsverfahrens, insbesondere angesichts der vollständigen Prüfung der Dissertation, würden eindeutig und nachvollziehbar nachweisen, dass die mangelhafte Zitierweise der Beschwerdeführerin nur mit Täuschungs- bzw. Irreführungsabsicht erklärt werden könne. Art, Ausmaß und Planmäßigkeit der Zitiermängel ließen keinen Spielraum für andere Interpretationen zu.
Zusammenfassend sei daher davon auszugehen, dass die Dissertation der Beschwerdeführerin ohne jeglichen Zweifel ein Plagiat darstelle, dessen Ausmaß selbst den Gutachter erstaunt habe. Weite Teile der Dissertation seien eindeutige Übersetzungsbzw. Strukturplagiate, die insbesondere die für das Dissertationsthema zentralen Stellen betreffen würden, sodass Mindeststandards hinsichtlich der für eine Dissertation erforderlichen eigenständigen wissenschaftlichen Leistung nicht erfüllt worden seien. Angesichts des Umfangs, der Eindeutigkeit und Systematik der Textübernahmen sowie aufgrund der entdeckten Versuche bewusster Verschleierung könne nur von einer entsprechenden Täuschungsabsicht ausgegangen werden.
Es sei daher vom Vorliegen eines Plagiats im Sinne der Verwendung unerlaubter Hilfsmittel gemäß § 74 Abs. 2 UG 2002 auszugehen. Für die Annahme von Täuschungsabsicht seien die Aussagen im eingeholten Gutachten, Ermittlungsergebnisse aus dem erstinstanzlichen Verfahren und die im Berufungsverfahren durchgeführten Befragungen maßgeblich. Angesichts der Quantität an Textübernahmen und des hohen Ausmaßes an Übereinstimmung der Dissertation mit Fremdquellen sei die Erklärung der Beschwerdeführerin, diese Übernahmen seien aus Versehen bzw. Nachlässigkeit geschehen, nicht glaubhaft. Fehler in der wissenschaftlichen Zitierweise seien von den Betreuern entdeckt und mit einer schlechten, gerade noch positiven Benotung sanktioniert worden; die Übernahme fremder Texte aus dem Chinesischen sei für die Betreuer aber unentdeckt, weil unentdeckbar und somit auch ungeahndet, geblieben. Die Beschwerdeführerin habe gewusst, dass die Betreuer der chinesischen Sprache nicht mächtig seien, sie habe daher mit Sicherheit davon ausgehen können, dass diese das chinesische Werk nicht kennen würden. Gerade deshalb habe sie das chinesische Werk als Grundlage für ihre Dissertation genommen und das Thema, entgegen den Intentionen des Erstbetreuers, darauf eingeschränkt, weil sie sicher sein habe können, dass die Chance auf Entdeckung des Plagiats verschwindend gering gewesen sei. Als Studierende mit einem gewissen Bildungsgrad habe von ihr erwartet werden können, dass sie mit den wissenschaftlichen Arbeitstechniken entsprechend vertraut gewesen sei; dass dies der Fall gewesen sei, sei durch die Verwendung richtiger Zitate nachgewiesen. Ihr sei somit zum Zeitpunkt des Schreibens bewusst gewesen, dass die Übernahme fremder Texte ohne entsprechende Hinweise auf den Autor die Regeln wissenschaftlicher Integrität verletzt. Dennoch habe sich die Beschwerdeführerin bewusst und gewollt dafür entschieden, fremde Texte zu übernehmen im Wissen, dass das Risiko der Aufdeckung gering sei, da die Betreuer nicht Chinesisch sprechen würden und ihnen die chinesische Literatur nicht bekannt sei.
Die vorliegende Täuschungsabsicht sei auch wesentlich. Die gegenständliche Dissertation sei aufgrund schwerer Mängel bei Zitierungen nur mit "Genügend" beurteilt worden; bei Kenntnis des Plagiats wäre eine positive Benotung keinesfalls möglich gewesen. Für die belangte Behörde bestehe kein Zweifel daran, dass durch das Vorgehen der Beschwerdeführerin die Absicht verfolgt worden sei, durch Vortäuschung von Leistungen eine positive Beurteilung der Dissertation zu erzielen.
Durch die Nichtigerklärung der Beurteilung der Dissertation sei die zentrale Grundlage für die Absolvierung des Doktoratsstudiums nicht mehr existent und daher der Verleihungsbescheid gemäß § 89 UG 2002 aufzuheben und einzuziehen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Das Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002 idF BGBl. I Nr. 13/2011 (UG 2002), hat (auszugsweise) folgenden
Wortlaut:
"Nichtigerklärung von Beurteilungen
§ 74. (1) Das für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständige Organ hat die Beurteilung einer Prüfung mit Bescheid für nichtig zu erklären, wenn die Anmeldung zu dieser Prüfung erschlichen wurde.
(2) Überdies ist die Beurteilung einer Prüfung, einer wissenschaftlichen Arbeit oder einer künstlerischen Master- oder Diplomarbeit mit Bescheid für nichtig zu erklären, wenn diese Beurteilung, insbesondere durch die Verwendung unerlaubter Hilfsmittel, erschlichen wurde.
...
Widerruf inländischer akademischer Grade § 89. Der Verleihungsbescheid ist vom für die
studienrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Organ aufzuheben und einzuziehen, wenn sich nachträglich ergibt, dass der akademische Grad insbesondere durch gefälschte Zeugnisse erschlichen worden ist."
2. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass die Dissertation der Beschwerdeführerin im von der belangten Behörde festgestellten Ausmaß ungekennzeichnete Übernahmen aus dem genannten, in chinesischer Sprache verfassten Werk von Tao Yabing enthält.
Sie wendet sich mit umfangreichen Darlegungen vielmehr gegen die Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe in Täuschungsabsicht gehandelt. Die schweren wissenschaftlichen Mängel in weiten Teilen der Dissertation seien nicht beabsichtigt gewesen, sondern Resultat eines grundsätzlichen Irrtums der Beschwerdeführerin über die Gebote der wissenschaftlichen Integrität. Insbesondere habe die Beschwerdeführerin über die Notwendigkeit geirrt, auch indirekte Übernahmen und Übersetzungen zu kennzeichnen. Zudem habe die Beschwerdeführerin eine grundsätzliche Nachlässigkeit im Umgang mit den Geboten wissenschaftlicher Integrität an den Tag gelegt und diesen kaum Beachtung geschenkt. Der belangten Behörde sei zuzustimmen, dass es sich bei den wissenschaftlichen Mängeln in der Dissertation nicht um zufällige Ähnlichkeiten oder um bloße unsachgemäße Handhabungen der Zitierweise im Sinne einer gelegentlichen Nachlässigkeit handeln könne, weil die Übernahmen zu umfangreich, zu eindeutig und zu systematisch seien. Der belangten Behörde sei auch zuzustimmen, dass angesichts der Quantität an Textübernahmen und des hohen Ausmaßes an Übereinstimmung der Dissertation mit Fremdquellen nicht glaubhaft sei, dass dies aus Versehen bzw. aus Nachlässigkeit geschehen wäre. Daraus könne jedoch nicht "auf das zwingende Vorliegen einer Täuschungsabsicht" geschlossen werden, da es nachvollziehbare alternative Erklärungen für das wissenschaftliche Fehlverhalten der Beschwerdeführerin gebe. Dieses sei eben auf einen grundsätzlichen Irrtum bzw. eine grundsätzliche Nachlässigkeit im Hinblick auf die Gebote der wissenschaftlichen Integrität zurückzuführen.
Die Beschwerde führt in weiterer Folge sowohl Gründe, die aus Sicht der Beschwerdeführerin für das Vorliegen eines grundsätzlichen Irrtums bzw. einer grundsätzlichen Nachlässigkeit im Hinblick auf die Gebote der wissenschaftlichen Integrität, als auch Gründe, die gegen das Vorliegen der von der belangten Behörde angenommenen Täuschungsabsicht sprechen würden, näher aus. Auf das Wesentlichste zusammengefasst wird vorgebracht:
Die Beschwerdeführerin habe an der Universität für Musik und darstellende Kunst "Klavier" studiert und im Jahr 1999 den akademischen Grad "Magistra der Künste" erlangt; sie habe daher eine künstlerische Ausbildung als Pianistin erhalten, die weder die regelmäßige Anfertigung von wissenschaftlichen Arbeiten noch die Vermittlung der Gebote wissenschaftlicher Integrität zum Inhalt gehabt hätte. Die Beschwerdeführerin sei eine der ersten Studentinnen gewesen, die im Jahr 2000 das neu geschaffene Doktoratsstudium inskribiert habe; ihr bereits damals bestehender Irrtum über die Gebote wissenschaftlicher Integrität, insbesondere im Hinblick auf die erforderliche Kennzeichnung von Paraphrasierungen, sei während ihres gesamten Doktoratsstudiums nicht aufgeklärt worden. Sie habe darüber mit ihrem Betreuer niemals gesprochen und sei von diesem auch nicht auf die Zitationsregeln hingewiesen worden. Auch aus ihrem universitären Umfeld habe diesbezüglich keine Aufklärung kommen können. Ebenso sei der kulturelle Hintergrund der Beschwerdeführerin nicht zu unterschätzen, der Umgang mit Zitaten bzw. Quellenangaben in China sei bis vor kurzem ein ganz anderer gewesen als in der westlichen Wissenschaft, die Angabe von Quellen sei schlicht unüblich gewesen und ein entsprechendes Unterlassen habe weder bei Verfassern noch bei Lesern ein Unrechtsbewusstsein hervorgerufen.
Das eingeholte Gutachten stütze seine Annahme einer vorsätzlichen Täuschung einerseits auf den Umfang der Plagiate und andererseits auf vermutliche Verschleierungsversuche durch die Beschwerdeführerin. Aus Ersterem sei jedoch nicht zwingend auf das Vorliegen einer Täuschungsabsicht zu schließen, weil es nachvollziehbare alternative Erklärungen für das Fehlverhalten der Beschwerdeführerin gebe. Entgegen der Ansicht des Gutachters sei die Annahme, dass übernommene Passagen und deren Umfang durch die Zitation falscher Seitenzahlen verschleiert werden könne, lebens- und praxisfremd; eine solche Handlungsweise würde das Gegenteil bewirken und ein Plagiat erst recht der Entdeckung zuführen. Indem der Leser bei keiner einzigen Zitation auf die richtige Seitenzahl verwiesen werde, erwecke dies erst recht Misstrauen, was zu einer genaueren Überprüfung der gesamten Dissertation führe.
Die belangte Behörde stütze ihre Annahme einer Täuschungsabsicht auch auf die Ermittlungsergebnisse aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Diese könnten aber den Vorwurf der Täuschungsabsicht keinesfalls belegen. Das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Gutachten verneine das Vorliegen einer bewussten Irreführung durch die Beschwerdeführerin.
Auch Erkenntnisse aus den Befragungen der Betreuer und des Studienrektors belegten die vermeintliche Täuschungsabsicht der Beschwerdeführerin nicht. So habe der Erstbetreuer eine böswillige Täuschungsabsicht der Beschwerdeführerin verneint. Der Zweitbetreuer habe offen zugegeben, die Dissertation nicht betreut, sondern die fertige Arbeit beurteilt zu haben; es sei daher nicht verwunderlich, dass dieser den Eindruck gehabt habe, die Arbeit einer ihm unbekannten Person begutachtet zu haben. Soweit der Studienrektor darauf verweise, dass die Beschwerdeführerin nach Konfrontation mit dem Plagiatsvorwurf schriftlich zu Protokoll gegeben habe, dass sie nicht eine Seite abgeschrieben habe, und die belangte Behörde insofern einen Widerspruch zu den (aufgrund des eingeholten Gutachtens) festgestellten Handlungsweisen der Beschwerdeführerin sehe, löse sich "dieser vermeintliche Widerspruch in Luft auf", wenn man sich vergegenwärtige, dass sich die Beschwerdeführerin in einem Irrtum über die Gebote wissenschaftlicher Integrität befunden habe. Aus diesem Grund habe sie auch mit bestem Wissen und Gewissen aussagen können, dass sie nicht eine Seite abgeschrieben habe; aufgrund ihres Irrtums habe sie weder beim Abfassen der Dissertation noch bei ihrer Aussage ein Unrechtsbewusstsein gehabt.
Die Beweiswürdigung der belangten Behörde sei "daher unzutreffend" und mache den angefochtenen Bescheid rechtswidrig, weil die belangte Behörde aus diesem Grund "zu einem falschem Ergebnis" komme.
Zudem spreche gegen das Vorliegen einer Täuschungsabsicht auch der Umstand, dass die Dissertation "zu keinem Zeitpunkt ein taugliches Objekt für eine Täuschung" sein habe können, zumal es offenkundig sei, dass diese schwerwiegende wissenschaftliche Mängel aufgewiesen habe und insbesondere die Quellenangaben bei weitem nicht ausreichend seien. Dies habe wenig überraschend auch dazu geführt, dass die Dissertation lediglich mit der Note "Genügend" bewertet worden sei. Nach Aussage des Zweitbetreuers sei sogar eine negative Benotung im Raum gestanden. Mit der vorliegenden Dissertation sei das Erschleichen einer Beurteilung gar nicht möglich gewesen, weil bei objektiver Betrachtung der Verfasser der Arbeit davon ausgehen habe müssen, dass gar keine positive Beurteilung der Arbeit zu erwarten gewesen sei. Dies spreche gegen eine Täuschungsabsicht der Beschwerdeführerin, da diese niemals davon ausgehen habe können, dass eine Dissertation mit den genannten schwerwiegenden wissenschaftlichen Mängel positiv benotet würde, sondern vielmehr damit rechnen habe müssen, dass das Fehlen ausreichender Zitationen auf rund 94 Seiten fast zwangsläufig einen Plagiatsverdacht schaffen werde. Hätte die Beschwerdeführerin die Betreuer ihrer Dissertation über deren wahren wissenschaftlichen Gehalt täuschen wollen, "so hätte dies in einem absolut untauglichen Versuch geendet".
3. Mit diesem Vorbringen wird keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufgezeigt:
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu § 46 Abs. 2 Universitäts-Studiengesetz, BGBl. I Nr. 48/1997, und nunmehr zu § 74 Abs. 2 UG 2002 ausgesprochen hat, ist ein "Erschleichen" der Beurteilung einer Arbeit anzunehmen, wenn in Täuschungsabsicht wesentliche Teile der Arbeit ohne entsprechende Hinweise abgeschrieben wurden, wobei Wesentlichkeit dann anzunehmen ist, wenn bei objektiver Betrachtung der Verfasser der Arbeit davon ausgehen musste, dass bei entsprechenden Hinweisen die Arbeit nicht positiv oder zumindest weniger günstig beurteilt worden wäre, entsprechende Hinweise daher zu einem ungünstigeren Ergebnis geführt hätten (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. September 2011, Zl. 2007/10/0145, und vom 11. Dezember 2009, Zl. 2008/10/0088).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zu § 69 AVG) setzt Täuschungsabsicht voraus, dass die Partei wider besseres Wissen gehandelt hat und dies deshalb, um einen vielleicht sonst nicht erreichbaren Vorteil zu erlangen. Ob Irreführungsabsicht vorliegt, kann nur aus den das rechtswidrige Verhalten der Partei begleitenden Umständen geschlossen werden, die von der Behörde in freier Beweiswürdigung festzustellen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2014, Zl. 2012/01/0156, mwN).
Die Beschwerde wendet sich mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen in Ansehung der von der belangten Behörde angenommenen Täuschungsabsicht der Beschwerdeführerin im Wesentlichen gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde und verweist (u.a.) darauf, dass aus dem - unstrittigen - Umfang der Plagiate nicht zwingend auf eine Täuschungsabsicht der Beschwerdeführerin geschlossen werden könne, da es dafür nachvollziehbare alternative Erklärungen gebe.
Die Beweiswürdigung unterliegt aber der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof, insoweit dieser befugt ist zu prüfen, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, d. h. sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. März 2014, Zl. 2013/08/0288, mwN).
Eine derartige Unschlüssigkeit oder Unvollständigkeit der behördlichen Beweiswürdigung wird mit dem wiedergegebenen Beschwerdevorbringen nicht aufgezeigt. Die Annahme der belangten Behörde, aus dem Umfang der Plagiate in Verbindung mit den Aussagen der Beschwerdeführerin bei Konfrontation mit dem diesbezüglichen Vorwurf sei auf die Täuschungsabsicht der Beschwerdeführerin zu schließen, ist nicht als unschlüssig zu erkennen. Soweit die Beschwerde gegen diese Annahme mögliche andere Erklärungsversuche für das Verhalten der Beschwerdeführerin ins Treffen zu führen sucht, wird damit eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung nicht einmal behauptet. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin erweist es sich auch nicht als unschlüssig, den Umstand, dass das plagiierte Werk nicht ein einziges Mal bezüglich der Seitenzahlen richtig zitiert wurde, als Indiz für eine Verschleierungsabsicht der Beschwerdeführerin zu werten. Auch die Darlegungen der Beschwerde zu einem behaupteten "absolut untauglichen Versuch" einer Täuschung können eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde zur Annahme einer Täuschungsabsicht nicht aufzeigen.
Davon ausgehend erübrigt sich auch ein Eingehen darauf, ob das Beschwerdevorbringen, das wissenschaftliche Fehlverhalten der Beschwerdeführerin sei auf einen grundsätzlichen Irrtum bzw. eine grundsätzliche Nachlässigkeit im Hinblick auf die Gebote der wissenschaftlichen Integrität zurückzuführen, eine - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift vorbringt - im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung darstellt.
4. Die Beschwerde macht überdies geltend, eine Täuschung im Sinne des § 74 Abs. 2 UG 2002 könne nur dann vorliegen, wenn durch diese Täuschung in einer Person ein Irrtum über den wahren wissenschaftlichen Gehalt einer Arbeit geweckt werde und diese Person hierdurch veranlasst werde, die Arbeit in positiverer Weise zu beurteilen. Eine Täuschung setze immer ein "Opfer", also eine getäuschte Person voraus. Im vorliegenden Fall hätten nur die unmittelbaren Betreuer potentielle Opfer einer Täuschung werden können. Entgegen der Annahme der belangten Behörde habe der Erstbetreuer aber definitiv eine böswillige Täuschungsabsicht der Beschwerdeführerin verneint und ausgeführt, dass er selbst nach Abzug der plagiierten Seiten die Dissertation immer noch positiv beurteilt hätte. Entgegen der Annahme der belangten Behörde habe sich der Erstbetreuer zu keinem Zeitpunkt irritiert gezeigt oder darauf hingewiesen, dass die Dissertation neu bewertet werden müsse. An diesem Befund könnten auch die Aussagen des Zweitbetreuers nichts ändern, der offen zugegeben habe, die Dissertation nicht betreut, sondern die fertige Arbeit beurteilt zu haben; es sei daher nicht verwunderlich, dass dieser den Eindruck gehabt habe, die Arbeit einer ihm unbekannten Person begutachtet zu haben. Bei objektiver Betrachtung könne keine Rede davon sein, dass die Betreuer als Opfer einer Täuschung durch die Beschwerdeführerin zu qualifizieren seien.
Dieses Vorbringen ist schon deshalb nicht zielführend, weil die Beschwerde übergeht, dass der Zweitbetreuer ausdrücklich eine Neubewertung der (letztlich mit "Genügend" bewerteten, aber nach Aussage des Zweitbetreuers als "an der Kippe positiv/negativ" stehend angesehenen) Dissertation "ohne den plagiierten Passagen" als erforderlich angesehen hat, sodass schon von daher nicht zweifelhaft sein kann, dass dieser die Dissertation in Unkenntnis der Plagiate insofern in positiverer Weise beurteilt hat. Soweit die Beschwerde für ihren Standpunkt die Aussagen des Erstbetreuers ins Treffen zu führen sucht, ist überdies darauf hinzuweisen, dass beide Betreuer vor Vorliegen des externen Gutachtens, das den gesamten - im Beschwerdeverfahren unstrittigen - Umfang der Plagiate offen gelegt hat, befragt wurden. Hinweise darauf, dass der Erstbetreuer in Kenntnis des wahren Umfanges der Plagiate an seiner (nicht näher erläuterten) Einschätzung, er könne nicht nachvollziehen, warum überhaupt von einem Plagiat gesprochen werde und er hätte die Arbeit selbst nach Abzug von (im erstinstanzlichen Verfahren angenommenen) 39 plagiierten Seiten positiv beurteilt, festgehalten hat, werden auch in der Beschwerde nicht behauptet.
5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG (in der hier gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 noch maßgeblichen Fassung, die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 in Geltung stand) als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 27. Mai 2014
Schlagworte
Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2011100187.X00Im RIS seit
01.07.2014Zuletzt aktualisiert am
05.09.2014