Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §71;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des G Ö in E, vertreten durch Mag. Christian Hirsch, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 28, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 30. Jänner 2012, Zl. Senat-WB-11-1044, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer strafrechtlichen Angelegenheit des ASVG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 23. November 2010 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 15. Oktober 2010 abgewiesen.
Das genannte Straferkenntnis sei an die Wohnadresse des Beschwerdeführers adressiert, nach erfolglosem Zustellversuch vom 25. Oktober 2010 beim Postamt hinterlegt und ab dem 27. Oktober 2010 zur Abholung bereitgehalten worden. Eine Verständigung von der Hinterlegung sei in den Briefkasten des Beschwerdeführers eingeworfen worden. Gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz habe die Frist zur Einbringung der Berufung mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten worden sei, das sei Mittwoch, der 27. Oktober 2010 gewesen, zu laufen begonnen. Die zweiwöchige Frist zur Einbringung eines Rechtsmittels habe am Mittwoch, den 10. November 2010 geendet.
Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, von seiner anwaltlichen Vertretung am 9. November 2010 darüber belehrt worden zu sein, dass die Frist zur Erhebung der Berufung zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen sei. Tatsächlich hätte der Beschwerdeführer aber noch einen ganzen Tag Zeit gehabt, die Berufung fristgerecht einzubringen. Der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers habe auffallen müssen, dass die Berufungsfrist erst am 10. November 2010 ende. Es handle sich nicht um einen Irrtum, der auf einem minderen Grad des Versehens beruhe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 71 AVG lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.
(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden."
Der Beschwerdeführer bestreitet die Feststellung der belangten Behörde, dass die Berufungsfrist am 9. November 2010 noch nicht abgelaufen (und die Nichteinbringung der Berufung innerhalb der Frist auf einen dem Beschwerdeführer zuzurechnenden schuldhaften Irrtum seines Vertreters zurückzuführen) war, mit dem Argument, aus dem "ganzen Akt ergibt sich in keiner Weise, dass das am 25.10.2010 hinterlegte Schriftstück nicht auch schon bereits am 25.10.2010 bei dem zuständigen Postamt abgeholt hätte werden können". Der Vertreter des Beschwerdeführers habe mit Recht davon ausgehen müssen, "dass mit 25.10.2010 (Hinterlegungsdatum) der Fristenlauf begonnen habe".
Dem kann nicht gefolgt werden. Eine gemäß § 17 Abs. 1 und 2 Zustellgesetz hinterlegte Sendung ist gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt.
Die belangte Behörde stützt ihre Feststellungen auf den im Akt erliegenden Rückschein über die Zustellung des Straferkenntnisses. Aus diesem ergibt sich, dass der Zustellversuch am 25. Oktober 2010 vorgenommen, eine Verständigung über die Hinterlegung in den Briefkasten eingelegt und die Hinterlegung beim Postamt vorgenommen wurde, wobei als Beginn der Abholfrist der 27. Oktober 2010 vermerkt worden ist.
Der Rückschein, auf dem die Zustellung durch den Zusteller beurkundet wurde (§ 22 Abs. 1 Zustellgesetz), ist eine öffentliche Urkunde. Als öffentliche Urkunde begründet ein "unbedenklicher" - d.h. die gehörige äußere Form aufweisender - Zustellnachweis die Vermutung der Echtheit und der inhaltlichen Richtigkeit des bezeugten Vorgangs, doch ist der Einwand der Unechtheit oder der Unrichtigkeit zulässig (vgl. den hg. Beschluss vom 30. Jänner 2014, Zl. 2012/03/0018, mwN). Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass dem Rückschein die genannten Eigenschaften als öffentliche Urkunde zukommen und sich aus ihm der 27. Oktober 2010 als Beginn der Abholfrist ergibt. Darauf, dass der Beschwerdeführer bzw. sein ausgewiesener Vertreter nach eigenem Bekunden bereits mehrfach nach Zugang einer Benachrichtigung von einem Zustellversuch die betreffenden Schriftstücke am selben Tag abgeholt hätten, kommt es im vorliegenden Fall nicht an.
Mit dem Vorbringen, ihm sei zu dem von der belangten Behörde "eingeholten ergänzenden Erhebungen beim zuständigen Postamt" kein Parteiengehör eingeräumt worden, zeigt der Beschwerdeführer die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangel nicht auf, weil nicht ersichtlich ist, dass die Behörde derartige Erhebungen vorgenommen hätte, und der Beschwerdeführer auch nicht vorbringt, welche Verfahrensschritte er unternommen hätte, wenn ihm Parteiengehör eingeräumt worden wäre.
Gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass dem Vertreter des Beschwerdeführers hätte auffallen müssen, dass die Berufungsfrist erst am 10. November 2010 geendet habe, die Berufung sohin noch hätte rechtzeitig eingebracht werden können und dem Vertreter eine den minderen Grad des Versehens übersteigende Fahrlässigkeit, die sich der Beschwerdeführer anrechnen lassen muss, zum Vorwurf zu machen ist, wendet sich die Beschwerde nicht.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf "Altfälle" weiter anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 11. Juni 2014
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2012080098.X00Im RIS seit
04.07.2014Zuletzt aktualisiert am
23.10.2014