TE Vfgh Beschluss 2014/6/5 E258/2014, G52/2014 ua

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.06.2014
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
B-VG Art144 Abs1 / Allg
ZPO §74 ff, §465, §505, §520, §528
AußStrG §9, §45 ff, §62 ff
GerichtskommissionstarifG §2, §5

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde gegen einen Akt der ordentlichen Gerichtsbarkeit sowie des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen der ZPO, des AußerstreitG und des GerichtskommissionstarifG als unzulässig

Spruch

Beschwerde und Individualantrag werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Die vorliegende Eingabe richtet sich zum einen gegen einen Beschluss des Obersten Gerichtshofes und damit gegen einen Akt der ordentlichen Gerichtsbarkeit.

Weder Art144 B-VG – dieser bezieht sich nur auf Erkenntnisse und Beschlüsse der Verwaltungsgerichte (Art129 B-VG) – noch eine andere Rechtsvorschrift räumt dem Verfassungsgerichtshof die Zuständigkeit ein, Akte der ordentlichen Gerichtsbarkeit auf Grund einer an ihn gerichteten Beschwerde zu überprüfen (zB VfSlg 18.422/2008, 18.666/2009 mwN).

Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

2. Zum anderen stellt der Einschreiter "[a]us Anlass" eben dieses Beschlusses den Antrag, §§74 ff., §465, §505, §520 und §528 Abs2 Z3 der Zivilprozessordnung (ZPO), §9, §§45 ff. und §§62 ff. des Außerstreitgesetzes (AußStrG) sowie "§2, §5 und §5 Abs1" des Gerichtskommissionstarifgesetzes (GKTG) als verfassungswidrig aufzuheben.

Zur unmittelbaren Betroffenheit bringt der Antragsteller vor, dass er Partei eines Verlassenschaftsverfahrens sei, in dem sein Revisionsrekurs mit eingangs zitiertem Beschluss des Obersten Gerichtshofes zurückgewiesen wurde. Er wendet sich gegen den dem Gerichtskommissär für die Verlassenschaftsabhandlung zugesprochenen (erstinstanzlich mit 100 % bemessenen, vom Rekursgericht auf die Hälfte reduzierten) Zuschlag, die erstinstanzliche Kostenentscheidung und die Zurückweisung seiner Replik zur Rekursbeantwortung.

Der Einschreiter behauptet eine Verletzung des Gleichheitssatzes und in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf ein faires Verfahren.

3. Zu den angefochtenen Bestimmungen:

3.1. Die §§74 ff. ZPO enthalten nähere Vorschriften über Schriftsätze im zivilgerichtlichen Verfahren.

§465 ZPO lautet:

"Die Berufung wird durch Überreichung eines vorbereitenden Schriftsatzes (Berufungsschrift) bei dem Processgerichte erster Instanz erhoben."

§505, §520 und §528 Abs2 Z3 ZPO lauten:

"§505. (1) Die Revision wird durch Überreichung eines Schriftsatzes (Revisionsschrift) bei dem Processgerichte erster Instanz erhoben. Einer Anmeldung der Revision bedarf es nicht.

(2) Die Revisionsfrist beträgt vier Wochen von der Zustellung des Berufungserkenntnisses an; sie kann nicht verlängert werden. §464 Abs3 ist sinngemäß anzuwenden.

(3) Durch die rechtzeitige Erhebung einer ordentlichen Revision oder eines Antrags nach §508 Abs1 verbunden mit einer ordentlichen Revision wird der Eintritt der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils im Umfang der Revisionsanträge bis zur Erledigung des Rechtsmittels gehemmt.

(4) Hat das Berufungsgericht im Berufungsurteil nach §500 Abs2 Z3 ausgesprochen, daß die ordentliche Revision nicht nach §502 Abs1 zulässig ist, so kann nur in Streitigkeiten nach §502 Abs5 und in solchen, in denen der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30 000 Euro übersteigt, dennoch eine Revision erhoben werden (außerordentliche Revision). Die Erhebung einer außerordentlichen Revision hemmt nicht den Eintritt der Vollstreckbarkeit, sondern nur den der Rechtskraft."

"§520. (1) Der Recurs wird durch Überreichung eines Schriftsatzes (Recursschrift) bei dem Gerichte erhoben, dessen Beschluss angefochten wird, dessen Vorsteher den angefochtenen Beschluss erlassen hat oder dem der Vorsitzende des Senates, der beauftragte oder ersuchte Richter angehört hat, gegen dessen Beschluss Recurs ergriffen wird; doch sind Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz beim Gerichte erster Instanz zu überreichen. Rekurse müssen mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts versehen sein.

(2) Wenn ein Beschluß wegen der ihm zugrunde liegenden unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit Rekurs angefochten wird, ist der §506 Abs2 entsprechend anzuwenden."

"§528. [...]

(2) Der Revisionsrekurs ist jedoch jedenfalls unzulässig,

[...]

3. über den Kostenpunkt,

[...]"

3.2. Die bekämpften Vorschriften des AußStrG haben folgenden Wortlaut:

"Begehren

§9. (1) Der Antrag muss kein bestimmtes Begehren enthalten, jedoch hinreichend erkennen lassen, welche Entscheidung oder sonstige gerichtliche Tätigkeit der Antragsteller anstrebt und aus welchem Sachverhalt er dies ableitet.

(2) Wird ausschließlich eine Geldleistung begehrt, ihre Höhe aber nicht bestimmt angegeben, so hat das Gericht die Partei unter Setzung einer angemessenen Frist zur ziffernmäßig bestimmten Angabe des Begehrens aufzufordern, sobald die Verfahrensergebnisse eine derartige Angabe zulassen. Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

(3) Nach fruchtlosem Verstreichen der gesetzten Frist ist ein ziffernmäßig nicht bestimmter Antrag zurückzuweisen. Auf diese Rechtsfolge ist in der Aufforderung hinzuweisen."

Die §§48 ff. AußStrG enthalten Regeln über den Rekurs und das Rekursverfahren, die §§62 ff. Regeln über den Revisionsrekurs und das Verfahren.

3.3. §§2 und 5 des GKTG lauten:

"Gegenstand der tarifmäßigen Gebühr

§2. Die tarifmäßige Gebühr enthält die Entlohnung für alle gewöhnlich mit Amtshandlungen gleicher Art verbundenen Verrichtungen und Vorarbeiten am Amtssitz des Notars einschließlich der Kanzleiarbeiten."

"Erhöhung der tarifmäßigen Gebühr

§5. (1) Für eine Amtshandlung, die von ungewöhnlichem Umfang, besonderer Schwierigkeit oder Verantwortlichkeit ist, sehr beträchtliche Vorarbeiten erfordert oder mit besonderem Zeitaufwand verbunden ist, ist auf Antrag des Notars die Gebühr in einem höheren als dem tarifmäßigen Ausmaß, jedoch nicht mehr als mit dem Doppelten dieser Gebühr festzusetzen. In dem Beschluß über die Gebührenfestsetzung sind die Gründe anzugeben, die zu der vom Tarif abweichenden Gebührenbestimmung geführt haben.

(2) Für eine Amtshandlung, die der Notar in der Zeit von 18 Uhr bis 8 Uhr oder an Samstagen, Sonntagen oder gesetzlichen Feiertagen aus gerechtfertigten Gründen vornehmen muß oder auf Verlangen der Partei vornimmt, ist die Gebühr um die Hälfte zu erhöhen."

4. 1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Im vorliegenden Fall sind die angefochtenen Vorschriften durch gerichtliche Entscheidung, nämlich durch die im Verlassenschaftsverfahren ergangenen Entscheidungen des Bezirksgerichtes Graz-Ost, des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz und des Obersten Gerichtshofes, für den Antragsteller wirksam geworden. Das diesen gerichtlichen Entscheidungen jeweils vorangegangene Verfahren bot dem Antragsteller die Möglichkeit, sämtliche seines Erachtens gegen die angefochtenen Gesetzesbestimmungen sprechenden Bedenken darzulegen und auf die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages an den Verfassungsgerichtshof durch das Gericht hinzuwirken. Der Umstand, dass die Gerichte seine Bedenken nicht teilten, ändert an der Unzulässigkeit eines Individualantrages nichts. Die Tatsache, dass das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz und der Oberste Gerichtshof – somit jene Gerichte, die gemäß Art89 Abs2 B-VG allenfalls verpflichtet gewesen wären, den Verfassungsgerichtshof anzurufen – zum Ausdruck gebracht haben (LG für ZRS Graz 3.10.2013, Z5 R 49/13g-199; OGH 29.1.2014, Z7 Ob 6 14d), die vom Antragsteller vorgetragenen Bedenken nicht zu teilen, bewirkt weder (wovon der Antragsteller jedoch auszugehen scheint), dass die angefochtenen Bestimmungen nunmehr unmittelbar in seine Rechtssphäre eingreifen, noch ergibt sich daraus eine subsidiäre Antragslegitimation. Für die Zulässigkeit des vom Antragsteller beabsichtigten Rechtsbehelfs ist daraus allein somit nichts zu gewinnen (s. zB VfSlg 8552/1979, 9220/1981, 9394/1982, 9788/1983, 9926/1984, 11.889/1988, 13.659/1993; VfGH 20.2.2014, G1/2013).

Ein Individualantrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B-VG wäre in solchen Fällen nur zulässig, wenn besondere, außergewöhnliche Umstände vorlägen (s. zB VfSlg 13.871/1994 und die dort zitierte Vorjudikatur). Solche werden vom Antragsteller nicht behauptet und sind für den Verfassungsgerichtshof auch nicht ersichtlich.

Somit fehlt dem Antragsteller die Legitimation zur Stellung eines (Individual-)Antrages nach Art140 Abs1 Z1 litc B-VG, was zur Zurückweisung des Antrages führen muss.

4.2. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich sowohl die Prüfung der Frage, ob der Antrag auch aus anderen Gründen unzulässig wäre, als auch ein Eingehen auf den unter einem gestellten Antrag, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union zur Frage einzuholen, ob "die Anwendung des §528 ZPO zu Lasten der Partei gegen Art17 und Art20 EU Grundrechte Charta verstößt".

5. Da einerseits die Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes in der Beschwerdesache offenbar ist und es anderseits dem Antragsteller an der erforderlichen Legitimation mangelt, konnte dieser Beschluss gemäß §19 Abs3 Z2 lita und e VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Zivilprozess

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:E258.2014

Zuletzt aktualisiert am

03.07.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten