TE Vwgh Erkenntnis 2000/10/4 2000/11/0014

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Veröffentlicht am 04.10.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/03 Kollektives Arbeitsrecht;

Norm

AKG 1992 §7;
AKG 1992 §91 Abs2;
AVG §73 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des W in W, vertreten durch Dr. Marlene Klein, Rechtsanwalt in 1100 Wien,

Quellenstraße 137/2/5/34, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 2. Dezember 1999, Zl. 53.002/128-3/99, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages in Angelegenheit Gewährung von Rechtsschutz durch eine Arbeiterkammer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat mit einem an den Präsidenten der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien (im Folgenden: AK) adressierten Schreiben vom 29. April 1999 die Erlassung eines Bescheides zu der Frage beantragt, ob die AK verpflichtet sei, ihn in bestimmten Verfahren betreffend Akte der Wiener Gebietskrankenkasse und des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien zu vertreten.

Mit der Behauptung, innerhalb von sechs Monaten keine Erledigung dieses Antrages erhalten zu haben, stellte er mit Schreiben vom 4. November 1999 bei der belangten Behörde den Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht über sein Begehren vom 29. April 1999.

Mit dem angefochtene Bescheid wurde der Devolutionsantrag vom 4. November 1999 zurückgewiesen.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat eine Gegenschrift erstattet, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde begründet die Zurückweisung des Devolutionsantrages damit, dass es sich bei der Gewährung von Rechtsschutz gegenüber Mitgliedern um eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Arbeiterkammern handle. In solchen Angelegenheiten sei die belangte Behörde nicht sachlich in Betracht kommende Oberbehörde.

Der mit "Rechtsschutz" überschriebene § 7 des Arbeiterkammergesetzes 1992, BGBl. Nr. 626/1991 (AKG), lautet:

"(1) Die Arbeiterkammern haben kammerzugehörige Arbeitnehmer in arbeits- und sozialrechtlichen Angelegenheiten zu beraten und ihnen insbesondere Rechtsschutz durch gerichtliche Vertretung in arbeits- und sozialrechtlichen Angelegenheiten nach Maßgabe eines von der Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer zu beschließenden Rahmen-Regulativs zu gewähren.

(2) Das Rahmen-Regulativ ist so zu gestalten, daß durch die Rechtsschutztätigkeit die Besorgung der übrigen gesetzlichen Aufgaben der jeweiligen Arbeiterkammer nicht wesentlich beeinträchtigt wird.

(3) Die Vollversammlungen der Arbeiterkammern können im Rahmen des von der Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer beschlossenen Rahmen-Regulativs nähere Regelungen über die Durchführung des Rechtsschutzes in ihrem Wirkungsbereich treffen.

(4) Rechtsschutzregulative der einzelnen Arbeiterkammern bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung durch die Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer. Das von der Hauptversammlung zu beschließende Rahmen-Regulativ bedarf zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.

(5) Rechtsschutz muß nicht oder nicht in vollem Umfang gewährt werden, wenn

1. er offenbar mutwillig oder in einem aussichtslosen Fall oder gegen eine hinlänglich ausjudizierte Rechtsmeinung verlangt wird oder

2. er im Vergleich zu dem zu erwartenden Erfolg einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordern würde oder

3. die Prozeßführung im Einzelfall den von den Arbeiterkammern gemäß § 1 wahrzunehmenden allgemeinen Interessen der Arbeitnehmer widersprechen würde".

Dieser Paragraph regelt die Erbringung einer Leistung der Kammer gegenüber ihren Mitgliedern. Es handelt sich dabei vom Inhalt her gesehen um eine typische Angelegenheit, die ein Selbstverwaltungskörper zu besorgen hat. Aus diesem Grunde handelt es sich bei der Gewährung von Rechtsschutz im Sinne des § 7 um eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der AK. In diesem Zusammenhang sei bemerkt, dass die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage für das AKG 1992 (252 Blg.NR 18. Gp, S. 7) im Gesetzestext keinen Niederschlag finden, wenn dort von einem Instanzenzug gegen ablehnende Bescheide "der Arbeiterkammer" betreffend Gewährung von Rechtsschutz an den zuständigen Bundesminister die Rede ist.

Die Gewährung von Rechtsschutz ist im AKG keinem der Organe der AK als ausdrücklich genannte Kompetenz zugewiesen. Daraus ist zu schließen, dass zur Entscheidung, ob in einem Einzelfall einem Mitglied Rechtsschutz zu gewähren ist, gemäß § 56 Abs. 1 Z. 1 AKG ("Der Präsident ist der gesetzliche Vertreter der Arbeiterkammer. Ihm obliegt 1. ... die Entscheidung in allen Angelegenheiten, soweit sie nicht einem anderen Organ oder dem Kammerbüro zugewiesen sind,") der Präsident der AK zuständig ist und dass alle im Rahmen der AK getroffenen Entscheidungen des in Rede stehenden Inhaltes ihm zuzurechnen sind.

Auf Grund des § 27 Abs. 1 Z. 4 der Geschäftsordnung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien vom 30. April 1992 hat der Präsident dieser Kammer die "Mitteilung der zustimmenden oder teilweise zustimmenden Rechtsschutzentscheidungen" dem Kammerbüro zur eigenständigen Besorgung übertragen. Daraus folgt, dass die Verweigerung des Rechtsschutzes gegenüber einem Mitglied Angelegenheit des Präsidenten ist.

Das Tätigwerden des zuständigen Bundesministers in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der AK erfolgt jedenfalls im Rahmen dessen Befugnissen als Aufsichtsbehörde. Diese Aufsichtsfunktion ist im § 91 AKG geregelt. Abs. 2 enthält eine taxative Aufzählung der dem zuständigen Bundesminister zustehenden Aufsichtsmittel.

§ 91 Abs. 2 AKG lautet:

"In Ausübung der Aufsicht hat der Bundesminister für Arbeit

und Soziales

1. die Vollversammlung einer Arbeiterkammer aufzulösen (§ 53 Abs. 2);

2. Beschlüsse von Organen der Arbeiterkammern und der Bundesarbeitskammer, die gegen Gesetze oder nach diesem Gesetz ergangene Vorschriften verstoßen, aufzuheben;

3. die Jahresvoranschläge und Rechnungsabschlüsse der Arbeiterkammern zu genehmigen;

4. die von der Hauptversammlung erlassenen Vorschriften (Rahmengeschäftsordnung, Rahmen-Haushaltsordnung, Rahmen-Rechtsschutzregulativ, Richtlinien gemäß §§ 71, 73, 74, 77 Abs. 6 und 78 Abs. 2) zu genehmigen;

5. Verträge auf Grund der Richtlinien gemäß §§ 73 und 74 sowie sonstige Verträge gemäß § 75 Abs. 2 zu genehmigen."

Keiner der aufgezählten Tatbestände erlaubt dem Bundesminister die Erlassung eines Bescheides an Stelle eines säumigen Organes einer AK. Die Zurückweisung des an den Bundesminister gerichteten Devolutionsantrages entspricht daher jedenfalls im Ergebnis dem Gesetz. Es kann angesichts dessen dahinstehen, ob auch ein gesetzlich nicht ausdrücklich geregelter kammerinterner Devolutionsweg zu beschreiten gewesen wäre.

Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 4. Oktober 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000110014.X00

Im RIS seit

28.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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