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L0030 Bezüge, BürgermeisterentschädigungNorm
Oö Gemeinde-BezügeG 1998 §2 Abs4a Z3Leitsatz
Gleichheitswidrigkeit von Bestimmungen des Oö Gemeinde-BezügeG 1998 über die Minderung des Bürgermeisterbezuges auf das Ausmaß einer nebenberuflichen Funktionsausübung im Fall eines Anspruches auf einen Ruhebezug oder eine PensionsleistungSpruch
I. In §2 Abs4a Z3 des Landesgesetzes über die Bezüge der obersten Organe der Gemeinden (Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998), LGBl für Oberösterreich Nr 9, in der Fassung LGBl für Oberösterreich Nr 11/2008, werden die litb, die litc, das Wort "oder" in der litd sowie die Wortfolge "aus einer betrieblichen Pensionsvorsorge" in der lite als verfassungswidrig aufgehoben.
II. Der Landeshauptmann von Oberösterreich ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu den Zahlen B187/2013 und B1463/2013 zwei auf Art144 B-VG gestützte Beschwerden anhängig.
1.1. Dem Verfahren zur Zahl B187/2013 liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Beschwerdeführer war im Zeitraum von 6. November 1997 bis 16. März 2012 Bürgermeister der Stadtgemeinde Steyregg in Oberösterreich; bis 31. März 2002 war er überdies aktiver Beamter dieser Gemeinde. Ab 1. April 2002 übte er die Tätigkeit als Bürgermeister hauptberuflich aus und erhielt – neben seinen laufenden Ruhebezügen – Bezüge in Höhe der hauptberuflichen Ausübung der Tätigkeit nach dem Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998 (im Folgenden: OÖ GBG). Mit der Novelle LGBl 11/2008 wurde §2 OÖ GBG dahingehend geändert, dass dem Beschwerdeführer nunmehr Bezüge in der Höhe ausbezahlt wurden, wie sie für eine nebenberufliche Ausübung der Tätigkeit des Bürgermeisters zustehen. Mit Antrag vom 12. bzw. 16. März 2012 begehrte der Beschwerdeführer die "Nachzahlung von Bürgermeisterbezügen in Höhe von brutto € 112.602,55 (netto € 65.006,73) ab 14. März 2008". Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Steyregg vom 27. August 2012 wurde ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer für den Zeitraum von 1. April 2008 bis 15. März 2012 keine Nachzahlung gewährt werde. Der Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Steyregg vom 16. Oktober 2012 keine Folge gegeben. Die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der OÖ Landesregierung vom 27. Dezember 2012 als unbegründet abgewiesen.
1.2. Dem Verfahren zur Zahl B1463/2013 liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Beschwerdeführerin ist seit 8. Jänner 2009 hauptberuflich als Bürgermeisterin der Marktgemeinde Schwertberg in Oberösterreich tätig. Zudem bezog sie von 10. Mai 1998 bis 28. Dezember 2012 (Datum der zweiten Eheschließung) eine "Witwenpension nach dem ASVG" und eine "Firmenpension ihres verstorbenen Mannes bei der Linz AG". Die Beschwerdeführerin beantragte am 16. Jänner 2013 die Feststellung, dass sie seit dem 8. Jänner 2009 das Amt der Bürgermeisterin hauptberuflich ausübe und Bezüge seit diesem Zeitpunkt rechtmäßig erhalten habe. Mit Bescheid des 1. Vizebürgermeisters der Marktgemeinde Schwertberg vom 4. März 2013 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin nur der Bezug für die nebenberufliche Ausübung der Bürgermeisterfunktion gebühre; der Differenzbetrag zwischen hauptberuflicher und nebenberuflicher Tätigkeit betrage insgesamt € 141.984,07. Der Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Schwertberg vom 2. Mai 2013 nicht stattgegeben; die dagegen erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der OÖ Landesregierung vom 17. Oktober 2013 als unbegründet abgewiesen.
2. Bei der Behandlung der Beschwerden zu den Zahlen B187/2013 und B1463/2013 sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der litb, der litc, des Wortes "oder" in der litd sowie der Wortfolge "aus einer betrieblichen Pensionsvorsorge" in der lite des §2 Abs4a Z3 OÖ GBG, LGBl 9/1998, idF LGBl 11/2008, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 28. Februar 2014 beschlossen, diese Gesetzesbestimmungen von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.
3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:
"[…] §2 Abs4 OÖ GBG, idF LGBl 11/2008, sieht allgemein vor, dass die Funktion des Bürgermeisters haupt- und nebenberuflich ausgeübt werden kann und darüber eine Erklärung abzugeben ist. Übt ein Bürgermeister neben dieser Funktion einen 'Beruf mit Erwerbsabsicht' (vgl. §2 Abs4 OÖ GBG) aus, gebührt ihm nur der Bezug einer nebenberuflichen Funktionsausübung. Gemäß §2 Abs4a Z3 OÖ GBG gebührt auch dann nur der Bezug einer nebenberuflichen Funktionsausübung, wenn die Voraussetzung nach §2 Abs4a Z3 lita OÖ GBG erfüllt ist oder der Bürgermeister einen Anspruch auf eine Geldleistung nach §2 Abs4a Z3 litb bis e OÖ GBG hat; zu diesen Geldleistungen zählen insbesondere Ansprüche aus einem Ruhe- oder Versorgungsbezug (litb), einer gesetzlichen Pensionsversicherung (litc) und einer betrieblichen Pensionsvorsorge (lite). Unterliegen jedoch diese Ansprüche gesetzlichen 'Ruhensbestimmungen', gebührt gemäß §2 Abs4b OÖ GBG der Bezug eines hauptberuflichen Bürgermeisters; in diesem Fall ist die durch die 'Ruhensbestimmung' verringerte Geldleistung in den Differenzbetrag zwischen haupt- und nebenberuflichen Bezug einzurechnen und der hauptberufliche Bezug entsprechend zu kürzen. 'Nebenberuflichen Bürgermeistern' gebührt – sofern sie nicht Bedienstete einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, einer solchen Stiftung, Anstalt oder eines solchen Fonds sind, deren Dienstrecht in die Gesetzgebungskompetenz des Landes fällt – der Ersatz des mit ihrer Funktionsausübung verbundenen nachweislichen Verdienstentganges aus der selbständigen oder unselbständigen beruflichen Tätigkeit in dem von der Landesregierung durch Verordnung festzulegenden Ausmaß.
[…] Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen die in Prüfung gezogenen Bestimmungen das Bedenken, dass sie dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen: Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s. etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001).
[…] Zunächst ist festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken gegen das in §2 Abs3 und 4 OÖ GBG grundgelegte System hegt, wonach eine Verminderung des Bürgermeisterbezuges dann eintritt, wenn neben der Tätigkeit als Bürgermeister ein Beruf mit Erwerbsabsicht ausgeübt wird. Im Hinblick darauf, dass Bezüge von Funktionsträgern der Sicherstellung des Lebensunterhaltes dienen (vgl. schon VfSlg 5307/1966, 12.095/1989), ist es nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber eine Minderung des Bezuges vorsieht, wenn neben der Funktion des Bürgermeisters gleichzeitig ein Beruf mit Erwerbsabsicht ausgeübt wird. Im Hinblick auf die – unterschiedlichen – zeitlichen und finanziellen Komponenten, die mit einer beruflichen Tätigkeit mit Erwerbsabsicht verbunden sind, und den Umstand, dass auf das Ausmaß dieser Tätigkeit vom Funktionsträger zum überwiegenden Teil Einfluss genommen werden kann, bestehen auch keine Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber eine Durchschnittsbetrachtung hinsichtlich der Minderung des Bürgermeisterbezuges vornimmt (vgl. VfSlg 18.634/2008). Um allfällige 'Härten' zu vermeiden, ist vorgesehen, dass Bürgermeister unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Ersatz des mit ihrer Funktionsausübung verbundenen nachweislichen Verdienstentganges in einem durch Verordnung bestimmten Ausmaß haben (vgl. §2 Abs6 OÖ GBG).
[…] Gemäß §2 Abs4a Z3 litb, c und e OÖ GBG vermindert sich der Bezug eines Bürgermeisters aber auch dann auf das Ausmaß einer 'nebenberuflichen Tätigkeit', wenn der Bürgermeister Ansprüche auf bestimmte Geldleistungen hat, obwohl er neben der Funktionsausübung keinen Beruf mit Erwerbsabsicht ausübt.
[…] Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg 12.095/1989 unter Verweis auf VfSlg 5307/1966 und 11.837/1988 ausgesprochen, dass grundsätzlich auch eine Vorschrift über die Kürzung einer Entschädigung für die Ausübung einer politischen Tätigkeit wegen des Zufließens eines Ruhebezuges – insbesondere unter Bedachtnahme auf den Zweck der Entschädigung sowie die Bedeutung, die dem Weiterlaufen von Dienstbezügen zukommt – als sachlich begründbar erscheint. Selbst unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist es aber erforderlich, dass eine solche Minderung des Bezuges bei Erhalt einer Geldleistung nach sachlichen Kriterien ausgestaltet ist.
[…] Der Verfassungsgerichtshof vermag jedoch vorläufig keine sachliche Rechtfertigung dafür zu erkennen, dass das Bestehen eines nicht einer Ruhensbestimmung unterliegenden Anspruches iSd §2 Abs4a Z3 litb, c und e OÖ GBG – dessen Ausmaß überwiegend nicht vom Empfänger der Leistung beeinflusst werden kann und auf den, wie die belangte Behörde in Bezug auf die Ansprüche der Beschwerdeführerin zu B1463/2013 ausführt, zum Teil auch nicht verzichtet werden kann – unabhängig von der Höhe bewirkt, dass nur der Bezug einer 'nebenberuflichen Funktionsausübung' gebührt. Die fehlende Bezugnahme auf die Höhe der Leistung kann nämlich zu dem sachlich nicht zu rechtfertigenden Ergebnis führen, dass Personen, die ausschließlich die Funktion des Bürgermeisters ausüben, deren Bezug aber wegen des Anspruches auf eine Geldleistung iSv §2 Abs4a Z3 litb, c und e OÖ GBG um ca. ein Drittel gemindert wird, weniger Einkommen haben als Personen, die zur hauptberuflichen Ausübung der Bürgermeistertätigkeit berechtigt sind; dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass Leistungsempfänger iSd §2 Abs4a Z3 litb, c und e OÖ GBG – anders als Personen, die einen Beruf mit Erwerbsabsicht ausüben – vielfach keinen Einfluss auf die Höhe der in §2 Abs4a Z3 litb, c und e OÖ GBG genannten Geldleistungen haben.
[…] Zudem erscheint die Minderung des Bürgermeisterbezuges auf den Bezug einer 'nebenberuflichen Funktionsausübung' in den Fällen des §2 Abs4a Z3 litb, c und e OÖ GBG mit Blick auf die Regelung in §2 Abs4b OÖ GBG als unsachlich: §2 Abs4b OÖ GBG enthält eine Anrechnungsregel für den Fall des Ruhens einer Geldleistung gemäß §2 Abs4a Z3 litb bis e OÖ GBG; danach ist die durch eine Ruhensbestimmung verringerte Geldleistung in den Differenzbetrag zwischen haupt- und nebenberuflichem Bezug einzurechnen und der hauptberufliche Bezug entsprechend zu kürzen. Folglich ist für Ansprüche auf – infolge von Ruhensbestimmungen – nur geringfügige Geldleistungen nicht die pauschale Minderung des Bürgermeisterbezuges um ca. ein Drittel, sondern der Bezug eines 'hauptberuflichen Bürgermeisters' unter Anrechnung der Geldleistung vorgesehen. Vor diesem Hintergrund vermag der Verfassungsgerichtshof vorläufig keine sachliche Rechtfertigung dafür zu erkennen, dass der Anspruch auf Geldleistungen iSv §2 Abs4a Z3 litb, c und e OÖ GBG – die für sich genommen auch nur geringfügige Beträge sein können – jedenfalls zur Reduktion des Bürgermeisterbezuges auf eine 'nebenberufliche Funktionsausübung' führt."
4. Die OÖ Landesregierung und – als sonstiger Beteiligter – das OÖ Landesverwaltungsgericht sahen von der Erstattung einer Äußerung jeweils ausdrücklich ab.
5. Die Beschwerdeführerin im Anlassverfahren zur Zahl B1463/2013 erstattete eine Äußerung.
II. Rechtslage
1. Mit der Novelle LGBl 11/2008 zum OÖ GBG wurde u.a. in §2 OÖ GBG, LGBl 9/1998, der hier maßgebliche Abs4a leg.cit. eingefügt.
2. Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage – §2 OÖ GBG, LGBl 9/1998, idF LGBl 58/2012, – stellt sich wie folgt dar (die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"§2
Höhe der Bezüge
(1) Die Bezüge betragen für
1. bis 12. […]
13. einen Bürgermeister einer Gemeinde mit 4.501 bis 10.000 Einwohnern
a) wenn die Funktion hauptberuflich ausgeübt wird ......... 73%
b) wenn die Funktion nebenberuflich ausgeübt wird ......... 48%
14. bis 17. […]
des Ausgangsbetrages nach §1 und §3 des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre.
(1a) Bestehen neben dem Anspruch auf einen Bezug nach Abs1 ein Anspruch bzw. Ansprüche auf Ruhebezüge nach den bezügerechtlichen Regelungen des Landes, des Bundes oder anderer Länder und bzw. oder ein Ruhegehalt als Mitglied der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, so ist der Bezug nach Abs1 nur in dem Ausmaß auszuzahlen, um den er die Summe dieser Ansprüche übersteigt. Würde unter Anwendung des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre, BGBl I Nr 64/1997, die Summe der nach diesem Bundesverfassungsgesetz verbleibenden Ansprüche den Bezug nach Abs1 unterschreiten, erhöht sich das Ausmaß des auszuzahlenden Bezuges nach Abs1 um den Betrag, um den dieser Bezug nach Anwendung dieses Bundesverfassungsgesetzes unterschritten würde.
(2) […]
(3) Die Organe gemäß Abs1 Z5 und 6 sowie 8 bis 17 haben innerhalb von vier Wochen nach Übernahme der Funktion schriftlich zu erklären, ob sie ihre Funktion haupt- oder nebenberuflich ausüben. Eine einmal abgegebene Erklärung gilt für die Dauer der jeweiligen Funktionsperiode des Organs. Sofern sich eine Änderung der beruflichen Situation während der Funktionsdauer ergibt, ist binnen vier Wochen ab Eintritt dieser Änderung eine neuerliche Erklärung abzugeben.
(4) Organe nach Abs1, die gemäß Abs3 erklärt haben, ihre Funktion hauptberuflich auszuüben, gebührt der Bezug für die hauptberufliche Ausübung der Funktion, wenn Abs4a nicht anzuwenden ist. Die hauptberufliche Ausübung der Funktion bedeutet, dass kein Beruf mit Erwerbsabsicht ausgeübt wird. Die Verwaltung des eigenen Vermögens sowie die Ausübung von Funktionen in einer politischen Partei, in einer gesetzlichen Interessensvertretung oder freiwilligen Berufsvereinigung, in welche die Person gewählt wurde, gelten nicht als Ausübung eines Berufs mit Erwerbsabsicht.
(4a) Organen nach Abs1 gebührt der Bezug für die nebenberufliche Ausübung der Funktion, wenn sie
1. gemäß Abs3 erklärt haben, dass sie ihre Funktion nebenberuflich ausüben oder
2. keine Erklärung gemäß Abs3 abgegeben haben oder
3. während der Funktionsausübung einen Anspruch auf Geldleistung
a) für die Ausübung der Funktion eines Mitglieds einer gesetzgebenden Körperschaft oder des Europäischen Parlaments oder
b) aus einem Ruhe- oder Versorgungsbezug oder
c) aus einer gesetzlichen Pensionsversicherung oder
d) aus einer gesetzlichen Arbeitslosenversicherung (Altersteilzeitgeld) oder
e) aus einer betrieblichen Pensionsvorsorge haben.
(4b) Abweichend von Abs4a Z3 gebührt der hauptberufliche Bezug, wenn die Geldleistungen gemäß Abs4a Z3 litb bis e gesetzlichen Ruhensbestimmungen unterliegen. In diesem Fall ist aber die durch die Ruhensbestimmung verringerte Geldleistung in den Differenzbetrag zwischen haupt- und nebenberuflichen Bezug einzurechnen und der hauptberufliche Bezug entsprechend zu kürzen.
(5) […]
(6) Zusätzlich zum Bezug gemäß Abs1 gebührt den Organen, die ihre Funktion nicht hauptberuflich ausüben und nicht Bedienstete einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, einer solchen Stiftung, Anstalt oder eines solchen Fonds sind, deren Dienstrecht hinsichtlich der Gesetzgebung in die Kompetenz des Landes fällt, der Ersatz des mit ihrer Funktionsausübung verbundenen nachweislichen Verdienstentgangs aus einer selbständigen oder unselbständigen beruflichen Tätigkeit in dem von der Landesregierung durch Verordnung festzulegenden Ausmaß der Arbeitsstunden pro Jahr. In dieser Verordnung kann die Höhe des Verdienstentganges auch in Form eines Pauschbetrages pro Stunde festgelegt werden."
3. §2 Abs4a OÖ GBG in der hier maßgeblichen Fassung ist durch die Novelle LGBl 64/2013 geändert worden und mit Ablauf des 30. August 2013 außer Kraft getreten.
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens
1.1. Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen zweifeln ließe.
1.1.1. In Ansehung des Verfahrens B187/2013 erweist sich §2 Abs4a Z3 litb OÖ GBG als präjudiziell, da die Behörde diese Bestimmung denkmöglich angewendet hat.
1.1.2. In Ansehung des Verfahrens B1463/2013 erweisen sich die litb, die litc, das Wort "oder" in der litd sowie die Wortfolge "aus einer betrieblichen Pensionsvorsorge" in der lite des §2 Abs4a Z3 OÖ GBG als präjudiziell: Die bescheiderlassende Behörde hat §2 Abs4a Z3 litb OÖ GBG ausdrücklich angewendet. Der Verfassungsgerichtshof geht aber davon aus, dass von der litb nur Ruhe- und Versorgungsansprüche öffentlich-rechtlicher Bediensteter, von der litc hingegen sonstige gesetzliche Pensionsansprüche erfasst werden und in der lite eine besondere Regelung für Ansprüche aus einer betrieblichen Pensionsvorsorge getroffen ist. Die Beschwerdeführerin zu B1463/2013 bezog nach ihren Angaben eine "Witwenpension nach dem ASVG" und eine "Firmenpension ihres verstorbenen Mannes bei der Linz AG". Die Behörde hätte daher die litc (Anspruch aus einer gesetzlichen Pensionsversicherung) und die lite (Anspruch aus einer betrieblichen Pensionsvorsorge) anwenden müssen. Das Wort "oder" in §2 Abs4a Z3 litd OÖ GBG ist präjudiziell, da dieses mit der lite in einem inhaltlichen untrennbaren Zusammenhang steht.
1.2. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Gesetzesprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s. etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001).
2.2. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner im Prüfungsbeschluss dargelegten Auffassung, dass die in §2 Abs4a Z3 litb, c und e OÖ GBG getroffene Regelung dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht.
2.3. Ausgehend vom Prüfungsbeschluss ist zunächst festzuhalten, dass keine Bedenken gegen das in §2 Abs3 und 4 OÖ GBG grundgelegte System bestehen, wonach eine Verminderung des Bürgermeisterbezuges dann eintritt, wenn neben der Tätigkeit als Bürgermeister ein Beruf mit Erwerbsabsicht ausgeübt wird. Im Hinblick darauf, dass Bezüge von Funktionsträgern der Sicherstellung des Lebensunterhaltes dienen (vgl. schon VfSlg 5307/1966), ist es nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber eine Minderung des Bezuges vorsieht, sofern neben der Funktion des Bürgermeisters ein Beruf mit Erwerbsabsicht ausgeübt wird (vgl. VfSlg 18.634/2008).
2.4. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist grundsätzlich auch eine Regelung über die Kürzung einer Entschädigung für die Ausübung einer politischen Tätigkeit wegen des Zufließens eines Ruhebezuges – insbesondere unter Bedachtnahme auf den Zweck der Entschädigung sowie die Bedeutung, die dem Weiterlaufen von Dienstbezügen zukommt – sachlich begründbar (vgl. VfSlg 12.095/1989 unter Verweis auf VfSlg 5307/1966 und 11.837/1988). Erforderlich ist aber, dass eine solche Minderung des Bezuges bei Erhalt einer Geldleistung – unabhängig davon, ob diese auf einem selbst erworbenen oder von einem Dritten abgeleiteten Anspruch beruht – nach sachlichen Kriterien ausgestaltet ist.
2.5. Die Verminderung des Bürgermeisterbezuges auf das Ausmaß einer "nebenberuflichen Tätigkeit" alleine wegen des Bestehens eines Anspruches auf eine Geldleistung iSd §2 Abs4a Z3 litb, c und e OÖ GBG ist hingegen aus zweierlei Gründen sachlich nicht gerechtfertigt:
2.5.1. Zum einen ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, dass das Bestehen eines nicht einer Ruhensbestimmung unterliegenden Anspruches iSd §2 Abs4a Z3 litb, c und e OÖ GBG – dessen Ausmaß überwiegend nicht vom Empfänger der Leistung beeinflusst werden und auf den zum Teil auch nicht verzichtet werden kann – unabhängig von der Höhe bewirkt, dass nur der Bezug einer "nebenberuflichen Funktionsausübung" gebührt. Die fehlende Bezugnahme auf die Höhe des Anspruches kann nämlich zu dem unsachlichen Ergebnis führen, dass Personen, die ausschließlich die Funktion des Bürgermeisters ausüben, deren Bezug aber wegen des Anspruches auf eine Geldleistung iSv §2 Abs4a Z3 litb, c und e OÖ GBG um ca. ein Drittel gemindert wird, insgesamt weniger Einkommen haben als Personen, die zur hauptberuflichen Ausübung der Bürgermeistertätigkeit berechtigt sind; dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass Leistungsempfänger iSd §2 Abs4a Z3 litb, c und e OÖ GBG – anders als Personen, die einen Beruf mit Erwerbsabsicht ausüben – vielfach keinen Einfluss auf die Höhe der in §2 Abs4a Z3 litb, c und e OÖ GBG genannten Geldleistungen haben.
2.5.2. Zum anderen erweist sich die Minderung des Bürgermeisterbezuges auf den Bezug einer "nebenberuflichen Funktionsausübung" in den Fällen des §2 Abs4a Z3 litb, c und e OÖ GBG mit Blick auf die Regelung in §2 Abs4b OÖ GBG als unsachlich: §2 Abs4b OÖ GBG enthält eine Anrechnungsregel für den Fall des Ruhens einer Geldleistung gemäß §2 Abs4a Z3 litb bis e OÖ GBG, wonach die durch eine Ruhensbestimmung verringerte Geldleistung in den Differenzbetrag zwischen haupt- und nebenberuflichem Bezug einzurechnen und der hauptberufliche Bezug entsprechend zu kürzen ist. Für Ansprüche auf – infolge von Ruhensbestimmungen – nur geringfügige Geldleistungen ist daher nicht die pauschale Minderung des Bürgermeisterbezuges um ca. ein Drittel, sondern der Bezug eines "hauptberuflichen Bürgermeisters" unter Anrechnung der Geldleistung vorgesehen. Vor diesem Hintergrund ist es sachlich nicht zu rechtfertigen, wenn Ansprüche auf Geldleistungen iSv §2 Abs4a Z3 litb, c und e OÖ GBG – die für sich genommen auch nur geringfügige Beträge sein können – zwingend zur Reduktion des Bürgermeisterbezuges auf eine "nebenberufliche Funktionsausübung" führen.
IV. Ergebnis
1. Die litb, die litc, das Wort "oder" in der litd sowie die Wortfolge "aus einer betrieblichen Pensionsvorsorge" in der lite des §2 Abs4a Z3 OÖ GBG, LGBl 9/1998, idF LGBl 11/2008, verstoßen daher gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz.
2. Da die als verfassungswidrig erkannten Bestimmungen ungeachtet ihrer zwischenzeitig erfolgten Novellierung (LGBl 64/2013) mit einem auf die Vergangenheit beschränkten zeitlichen Anwendungsbereich weiterhin in Geltung stehen, ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (siehe zB VfSlg 19.343/2011 mwN) mit Aufhebung nach Abs3 des Art140 B-VG und nicht mit einem Ausspruch nach Abs4 dieser Verfassungsbestimmung vorzugehen.
3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten (Art140 Abs6 erster Satz B-VG), erübrigt sich, da mit Ablauf des 30. August 2013 §2 Abs4a OÖ GBG, idF LGBl 64/2013, in Kraft getreten ist.
4. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Oberösterreich zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung gründet sich auf Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VfGG.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Bürgermeister, Bezüge, Ruhegenuss, Pensionsversicherung, Pensionsvorsorge, Ruhensbestimmungen, VfGH / Präjudizialität, Geltungsbereich (zeitlicher) eines GesetzesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:G25.2014Zuletzt aktualisiert am
30.07.2015