TE Vfgh Beschluss 1998/3/5 G393/96, G394/96

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Veröffentlicht am 05.03.1998
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/02 Gehaltsgesetz 1956

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
VfGG §62 Abs1
GehG 1956 §105 idF Dienstrechtsnovelle 1996, BGBl 375/1996

Leitsatz

Zurückweisung von Individualanträgen auf Aufhebung von Regelungen über die Dienstzulage von Beamten der Post- und Telegraphenverwaltung mangels Darlegungen der Antragsteller über ihre aktuelle Betroffenheit durch die im Entscheidungszeitpunkt aufgrund materieller Derogation bereits außer Kraft getretenen Bestimmungen

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Antragsteller sind Beamte der Verwendungsgruppe PT 1. Sie werden den Antragsausführungen zufolge in der Fernmeldehoheitsverwaltung verwendet und sind dauernd mit Funktionen i.S. des §105 Abs1a des Gehaltsgesetzes 1956 betraut.

Mit den vorliegenden, auf Art140 (Abs1 letzter Satz) B-VG gestützten Anträgen vom 26. (28.) November 1996 (ergänzt mit Schriftsatz vom 18. April 1997) begehren die Einschreiter, §105 Abs1a und 4 des Gehaltsgesetzes 1956 (GG 1956) "jeweils in beiden Fassungen (laufend bzw. ab 1.1.1997), gemäß dem Bundesgesetz ... BGBl. Nr. 375/1996 (Dienstrechtsnovelle 1996 - DRN 1996)" sowie die Wortfolgen "im PTA-Bereich" und "des PTA-Bereiches" im ersten Satz des §105 Abs1 GG 1956 als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Es ist offenkundig, daß die Antragsteller begehren, die zitierten Gesetzesbestimmungen in jener Fassung aufzuheben, die zum Zeitpunkt der Antragstellungen (26. und 28. November 1996 sowie 18. April 1997) anzuwenden war, also vor dem Inkrafttreten der Bundesgesetze BGBl. I 61/1997 und 110/1997 (s.u. II.1.b).

Die angefochtenen Gesetzesstellen und die damit in Zusammenhang stehenden Vorschriften lauten:

a) Der Abschnitt IX (§§103 bis 107a) des GG 1956 idF des ArtII der DRN 1996, BGBl. 375, betrifft die Beamten der Post- und Telegraphenverwaltung und enthält das für diese Beamten geltende "PT-Schema".

§105 steht unter der Überschrift "Dienstzulage, Dienstabgeltung" und bestimmt auszugsweise:

§105. (1) Dem Beamten des Post- und Fernmeldewesens im PTA-Bereich, der dauernd mit der Ausübung einer im Abs2 oder in einer Verordnung gemäß Abs3 angeführten Funktion des PTA-Bereiches betraut ist, gebührt eine ruhegenußfähige Dienstzulage. Sie beträgt:

auf Arbeitsplätzen    in der      in den Gehaltsstufen   ab der

der Verwendungs-   Dienstzulagen  1 bis 10   11 bis 14  Gehalts-

    gruppe            gruppe                 Schilling  stufe 15

                      S             13 595      25 957    41 532

                      1             11 974      14 967    26 940

    PT 1              1b             8 980      14 967    26 940

                      2              8 980      11 974    23 944

                      3              8 231      11 225    14 967

                      3b             7 481      10 477    14 967

(1a) Dem Beamten des Post- und Fernmeldewesens in der Fernmeldehoheitsverwaltung, der dauernd mit der Ausübung einer im Abs2 oder in einer Verordnung gemäß den Abs3 und 3a angeführten Funktion der Fernmeldehoheitsverwaltung betraut ist, gebührt eine ruhegenußfähige Dienstzulage. Sie beträgt:

(Für die Zeit bis 31. Dezember 1996 zufolge dem ArtII Z2 k DRN 1996)

auf Arbeitsplätzen    in der      in den Gehaltsstufen   ab der

der Verwendungs-   Dienstzulagen  1 bis 10   11 bis 14  Gehalts-

    gruppe            gruppe                 Schilling  stufe 15

                      S             12 905      24 640    39 424

    PT 1              1b             8 524      14 207    25 573

                      2              8 524      11 366    22 729

                      3              7 813      10 655    14 207

(Für die Zeit ab dem 1. Jänner 1997 zufolge dem ArtII Z2 l DRN 1996)

auf Arbeitsplätzen    in der      in den Gehaltsstufen   ab der

der Verwendungs-   Dienstzulagen  1 bis 10   11 bis 14  Gehalts-

    gruppe            gruppe                 Schilling  stufe 15

                      S             12 786      24 413    39 061

    PT 1              1b             8 446      14 076    25 337

                      2              8 446      11 262    22 519

                      3              7 741      10 557    14 076

Für die Beamten der Dienstzulagengruppe 1 bis 3b der Verwendungsgruppe PT 2 und der Dienstzulagengruppen 1 und 2 der Verwendungsgruppe PT 3 der Fernmeldehoheitsverwaltung richten sich die Ansprüche auf Dienstzulage nach Abs1.

(2) Den Dienstzulagengruppen werden folgende Richtfunktionen zugewiesen:

...

(3) Durch Verordnung sind den Dienstzulagengruppen weitere Funktionen zuzuordnen, die den im Abs2 angeführten Richtfunktionen hinsichtlich ihrer Bedeutung und der mit ihrer Ausübung verbundenen Verantwortung gleichzuhalten sind. ...

(4) Durch die für die Verwendungsgruppe PT 1 und für die Dienstzulagengruppe S der Verwendungsgruppe PT 2 vorgesehene Dienstzulage gelten alle Mehrleistungen des Beamten in zeitlicher und mengenmäßiger Hinsicht als abgegolten. Es gelten

1.

für die Beamten des PTA-Bereiches 35% und

2.

für die Beamten der Fernmeldehoheitsverwaltung 31,52% (für die Zeit vom 1. Juni 1996 bis 31. Dezember 1996 - s. ArtII Z2 t DRN 1996; für die Zeit ab dem 1. Jänner 1997 - s. ArtII Z2 u DRN 1996 - 30,89%)

diese Dienstzulage als Abgeltung für zeitliche Mehrleistungen.

(5) ..."

b) Der "PTA-Bereich" i.S. des §105 GG 1956 idF der DRN 1996 erfaßt jene Bediensteten im PT-Schema, die der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft (PTA) oder einem Unternehmen, an dem die PTA zumindest mehrheitlich beteiligt ist, zur Dienstleistung zugewiesen sind (§41a Abs4 Z1 lita BDG 1979 idF des ArtI DRN 1996).

3.a) Die Antragsteller begründen ihre Anträge in der Sache im wesentlichen damit, daß die Benachteiligung der Beamten des Post- und Fernmeldewesens in der Fernmeldehoheitsverwaltung gegenüber den Beamten des PTA-Bereiches sachlich nicht zu rechtfertigen sei.

b) Zur Antragslegitimation führen sie aus:

"Die inkriminierte Regelung stellt die unmittelbare Gesetzesgrundlage für einen Bestandteil meiner Bezüge, nämlich eben die in §105 GG 1956 geregelte Dienstzulage, dar. Das heißt, daß diese Gesetzesbestimmungen durch die bezugsliquidierende Stelle unmittelbar angewendet werden, ohne daß es einer Bescheiderlassung bedürfte.

Selbst die Voraussetzungen für eine Feststellungsentscheidung sind meines Erachtens nicht gegeben. Der Inhalt einer solchen Entscheidung könnte nur dahingehend lauten, daß die Gesetzesstellen den gegebenen Inhalt haben und ich die Zulage in der im Gesetz selbst betraglich genannten Höhe zu erhalten habe. Das einzige Sachverhaltselement wäre meine Einstufung in Verwendungsgruppe PT 1, Dienstzulagengruppe S, Gehaltsstufe 17 und damit höchste Gehaltsstufengruppe. Nichts davon ist strittig, nichts davon würde die Entscheidungsgrundlage des Hohen Verfassungsgerichtshofes bereichern und es betrifft auch nichts davon die relevante Thematik, da die gesetzliche Bezugsreduzierung um 5,08%, bzw. 6% ganz generell für die betroffenen Beamten der Fernmeldehoheitsverwaltung herbeigeführt wurde.

Einen Antrag auf Feststellungsentscheidung vorauszusetzen müßte daher als reiner Formalismus angesehen werden, der nichts anderes als eine erhebliche Verzögerung bewirkt. Ein somit keinerlei Zweckmäßigkeit dienendes, sondern nur verzögerndes Verwaltungsverfahren herbeizuführen, erscheint auch nicht als zumutbar."

4. Die Bundesregierung erstattete zwei Äußerungen. Sie begehrt primär, die Individualanträge als unzulässig zurückzuweisen.

Die Bundesregierung hält den Anträgen u.a. entgegen, daß der Anfechtungsumfang zu eng gefaßt sei. Im Hinblick auf die daraufhin erfolgte Ausdehnung der Aufhebungsanträge ist es entbehrlich, darauf weiter einzugehen. Die Bundesregierung gesteht in ihrer zweiten Äußerung vom 1. Juli 1997 implizit zu, daß gegen den Anfechtungsumfang nun nichts mehr einzuwenden ist.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Anträge erwogen:

1.a) Gemäß §62 Abs1 VerfGG hat ein auf Aufhebung eines Gesetzes lautender Antrag, der - wie hier - von einer Person gestellt wird, die unmittelbar durch die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, u.a. darzutun, inwieweit das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für sie wirksam geworden ist, inwieweit also das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift.

Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (z.B. VfSlg. 10511/1985, 13765/1994 und VfGH 7.3.1997 G246/96) kommt die Anfechtungsbefugnis iS des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG nicht jedem Normadressaten zu. Ein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers ist nur dann anzunehmen, wenn er u.a. die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigt.

b) Die Antragsteller fechten §105 Abs1a und 4 sowie bestimmte Stellen des §105 Abs1 GG 1956 in der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Fassung (26./28. November 1996, 18. April 1997) an, also idF der DRN 1996. In der Folge wurde aber §105 GG 1956 zweimal novelliert, nämlich mit ArtII Z27a und 28 des am 30. Juni 1997 ausgegebenen Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 61/1997, und mit ArtII Z1 bis 6 des am 19. August 1997 ausgegebenen Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 110/1997. Damit wurde den angefochtenen Gesetzesbestimmungen weitgehend materiell derogiert.

Nun hat der Verfassungsgerichtshof über einen Individualantrag aufgrund der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung anzuwendenden Rechtslage zu befinden, also nicht aufgrund jener, die zum Zeitpunkt der Stellung des Antrages maßgebend war (vgl. VfSlg. 11365/1987, 12182/1989, 12413/1990 und 12999/1992).

Obgleich der Umstand, daß im Antrag begehrt wird, eine Gesetzesstelle aufzuheben und nicht - wenn sie bereits außer Kraft getreten ist - bloß ihre Gesetzwidrigkeit festzustellen, die Zulässigkeit des Antrages nicht ausschließt (vgl. z.B. VfSlg. 10819/1986 und 13393/1993) und obgleich es nicht von vornherein unmöglich ist, daß auch bereits außer Kraft getretene Gesetzesvorschriften die Rechtssphäre der Antragsteller aktuell berühren, muß für die Betroffenheit - wie ausgeführt - im Antrag eine Begründung gegeben werden.

Die Einschreiter konnten hier zwar im Zeitpunkt der Antragstellung selbstredend nicht begründen, wodurch ihre Rechtssphäre durch die (erst später) außer Kraft getretenen Normen aktuell betroffen sind; sie haben aber auch in der Folge keine Begründung dafür nachgereicht, weshalb sie - ungeachtet der materiellen Derogation der angefochtenen Gesetzesbestimmungen - durch diese Normen (weiterhin) aktuell betroffen seien.

c) Der Antrag war daher allein schon aus diesem Grund zurückzuweisen (vgl. VfSlg. 13393/1993).

2. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Antrag, VfGH / Prüfungsmaßstab, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Derogation materielle

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G393.1996

Dokumentnummer

JFT_10019695_96G00393_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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