TE Vfgh Erkenntnis 1998/3/5 B2399/96

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Veröffentlicht am 05.03.1998
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7200 Beschaffung, Vergabe

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Feststellung der Verfassungswidrigkeit des §2 Abs2 Tir VergabeG mit E v 03.03.98, G450/97; kein Eingehen auf das allfällige Vorliegen anderer Zurückweisungsgründe bzw in die Verfassungssphäre reichender Vollzugsmängel.

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. a) Die Tiroler Wasserkraftwerke AG (künftig: TIWAG) hatte im November 1995 näher bestimmte "Bau- und sonstige Leistungen" für ein Innkraftwerk im offenen Verfahren ausgeschrieben. Um den Auftrag hatten sich mehrere Bieter, darunter in einer Arbeitsgemeinschaft mit zwei anderen Bauunternehmungen auch die beschwerdeführende Gesellschaft beworben. Mit Antrag vom 4. März 1996 stellte diese Arbeitsgemeinschaft (künftig: ARGE) beim Tiroler Vergabeamt (künftig: TVA) den Antrag, ein Nachprüfungsverfahren durchzuführen, bestimmte Entscheidungen des Vergabeverfahrens aufzuheben und die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung über das Nachprüfungsverfahren mittels einstweiliger Verfügung auszusetzen. Dieser Antrag wurde mit dem (unangefochten gebliebenen) Bescheid vom 21. März 1996 mit der Begründung zurückgewiesen, daß dem TVA Nachprüfungsbefugnisse hinsichtlich von Aufträgen im Bereich der Energieversorgung nach §2 Abs2 des Tiroler Vergabegesetzes, LGBl. 87/1994, (künftig: TirVergG) nicht zukämen.

b) Mit einem am 28. März 1996 bei der ARGE eingelangten Schreiben teilte die TIWAG dieser mit, daß der Zuschlag für das in Rede stehende Vorhaben erteilt wurde, und zwar nicht an die ARGE. Die öffentliche Bekanntmachung der Auftragserteilung erfolgte im Supplement zum ABl. der EG vom 6. April 1996. Am 11. April 1996 stellte die beschwerdeführende Gesellschaft an das TVA den Antrag festzustellen, daß der Zuschlag rechtswidrigerweise nicht dem Bestbieter erteilt wurde. Diesen Antrag wies das TVA mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10. Juni 1996 zurück, wobei es begründend ausführte, daß einer Sachentscheidung res iudicata (die unter lita genannte Entscheidung vom 21. März 1996) entgegenstehe, daß der Antrag verspätet gestellt worden sei und daß das TVA nach §2 Abs2 TirVergG zur Nachprüfung von Auftragsvergaben aus dem Bereich der sogenannten geschützten Sektoren, zu denen auch die Energieversorgung zähle, nicht zuständig sei.

2. a) Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der mit weitwendigen Ausführungen die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

b) Das belangte TVA legte die Verwaltungsakten vor, rechtfertigte in einer Gegenschrift seinen Zurückweisungsbeschluß und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II.Aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des letzten Satzes des §2 Abs2 TirVergG ein. Mit Erkenntnis vom 3. März 1998, G450/97, stellte der Verfassungsgerichtshof fest, daß die in Prüfung genommene Bestimmung verfassungswidrig war.

III.Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet und ihren Zurückweisungsbescheid auf diese Bestimmung gestützt. Ohne daß vom Verfassungsgerichtshof zu prüfen war, ob sich die Behörde auf andere Zurückweisungsgründe stützen konnte, ist es nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß die Anwendung der verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war.

Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10404/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben, ohne daß geprüft zu werden brauchte, ob in die Verfassungssphäre reichende Vollzugsmängel bei der Beschlußfassung (vgl. die Verordnung der Landesregierung vom 25. April 1995 über die Geschäftsordnung für das Landesvergabeamt, LGBl. 47/1995) oder bei der Bescheidausfertigung (vgl. zur Notwendigkeit der Übereinstimmung des Beschlusses mit der Bescheidausfertigung etwa VfGH 28.11.1997, B1875/96) vorliegen.

IV.Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. Für den im Gesetzesprüfungsverfahren abgegebenen, nicht abverlangten Schriftsatz (Äußerung) waren Kosten nicht zuzusprechen, zumal sie zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung auch nicht erforderlich waren. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B2399.1996

Dokumentnummer

JFT_10019695_96B02399_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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