TE Vwgh Erkenntnis 2000/10/5 96/21/1013

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Veröffentlicht am 05.10.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §6 Abs1;
AsylG 1991 §6 Abs2;
AsylG 1991 §7 Abs1;
AsylG 1991 §9 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs2 Z4;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der H in Wien, geboren am 28. August 1958, vertreten durch Mag. Dieter Hauck, Rechtsanwalt in 1010 Wien,

Dr. Karl Lueger-Ring 12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 31. Juli 1996, Zl. Fr 2210/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerdeführerin, eine iranische Staatsbürgerin, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich aus.

Zur Begründung dieser Maßnahme führte sie im Wesentlichen aus:

Die Beschwerdeführerin sei am 15. April 1996 in einem Lastwagen versteckt und damit unter Umgehung der Grenzkontrolle "illegal" nach Österreich eingereist und habe am 16. April 1996 einen Asylantrag eingebracht, über den noch nicht rechtskräftig abgesprochen sei. Der Tatbestand der direkten Einreise in das Bundesgebiet im Sinn des § 6 des Asylgesetzes 1991 habe bei der Beschwerdeführerin nicht vorgefunden werden können, sodass ihr eine asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung nicht zukomme. Dem Hinweis der Beschwerdeführerin auf Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention sei zu entgegnen, dass es sich (bei der gegen sie verhängten Ausweisung) nicht um ein Strafverfahren sondern um eine administrativrechtliche Maßnahme handle. Sie habe zwar vorgebracht, derzeit von der Caritas versorgt zu werden, sie könne aber den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass dem angefochtenen Bescheid nach den wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen kein Bescheid zugrundeliegt, mit dem die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt oder mit dem der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde; die Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 5 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, kommt vorliegend daher nicht zum Tragen.

Gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 FrG idF vor der FrG-Novelle 1996 (BGBl. Nr. 436) können Fremde im Interesse der öffentlichen Ordnung mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie innerhalb eines Monats nach der Einreise den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen (Z. 4) oder wenn sie unter Missachtung der Bestimmungen des 2. Teiles des Fremdengesetzes oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und binnen eines Monats betreten werden (Z. 6).

Die Beschwerdeführerin lässt die Feststellung im angefochtenen Bescheid unbestritten, dass sie unter Umgehung der Grenzkontrolle in Österreich eingereist und unmittelbar danach betreten worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof hegt daher gegen die Annahme der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt sei, keine Bedenken.

Dennoch ist der Beschwerde Erfolg beschieden. Die Beschwerdeführerin ist zwar nicht direkt aus ihrem Heimatstaat eingereist, in dem Verfolgung befürchten zu müssen sie behauptet, weshalb ihr ein vorläufiges Aufenthaltsrecht gemäß § 7 Abs. 1 iVm

§ 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht zukommt. Ein vorläufiges Aufenthaltsrecht steht einem Asylwerber jedoch gemäß § 7 Abs. 1 iVm

§ 6 Abs. 2 leg. cit. dann zu, wenn dieser in den Durchreisestaaten verfolgt oder von einer Rückschiebung bedroht gewesen ist und daher wegen des Vorliegens der in § 37 Abs. 1 oder 2 FrG genannten Gründe bei seiner Einreise nicht hätte zurückgewiesen werden dürfen (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1999, Zl. 96/21/0074). Dazu hat die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid ausgeführt, dass sie vor ihrer Einreise nach Österreich in keinem der Durchreisestaaten Anerkennung nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden habe und in keinem dieser Staaten vor Verfolgung und Abschiebung in den Iran sicher gewesen sei.

Erkennbar auf Grund der irrigen Rechtsansicht, dass nur jenen Asylwerbern eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung im Sinn des § 7 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 (und damit gemäß § 9 Abs. 1 leg. cit. Schutz vor einer Ausweisung) zukomme, die gemäß § 6 Abs. 1 leg. cit. direkt in das Bundesgebiet eingereist seien - letzteres habe im Fall der Beschwerdeführerin "nicht vorgefunden" werden können -, setzte sich die belangte Behörde mit der in der Berufung enthaltenen Behauptung, dass die Beschwerdeführerin vor ihrer Einreise nach Österreich in keinem Land Schutz gefunden habe und daher nicht ohne vorherige Prüfung hätte zurückgewiesen werden dürfen, nicht auseinander. Damit belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einem sekundären Verfahrensmangel, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 14. September 2000, Zl. 97/21/0049 und Zl. 97/21/0391, mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 5. Oktober 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1996211013.X00

Im RIS seit

05.02.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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