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L92107 Behindertenhilfe Rehabilitation Tirol;Norm
RehabilitationsG Tir 1983 §20 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der DE in Innsbruck, vertreten durch Dr. Burghard Seyr, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 23, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 25. Mai 2011, Zl. IL-459-3081/1/100, betreffend Maßnahme nach dem Tiroler Rehabilitationsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 25. Mai 2011 wurde der Antrag "auf Kostenübernahme für die weitere Unterbringung der Beschwerdeführerin im Wohnhaus L der Lebenshilfe Tirol" (ab 1. Jänner 2011) gemäß § 20 Abs. 2 Tiroler Rehabilitationsgesetz, LGBl. Nr. 58/1983 idF LGBl. Nr. 30/2011 (TRG), abgewiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin verfüge derzeit über ein Vermögen in der Höhe von EUR 126.232,90, das sich aus dem Vermögen im Jahr 2010 in der Höhe von EUR 123.808,90 und den im Laufe des Jahres entstandenen Wertpapiererträgen in der Höhe von EUR 2.424,-- zusammensetze. Die Kosten der beantragten Maßnahme - die Unterbringung im Wohnhaus der Lebenshilfe Tirol - für den Zeitraum vom 1. Jänner 2011 bis zum 31. Dezember 2012 beliefen sich (bei vollen Anwesenheitstagen) auf EUR 111.682,18. Bei Berücksichtigung von EUR 10.000,-- als Schonvermögen verbliebe der Beschwerdeführerin ein Vermögen in der Höhe von EUR 116.232,90, weshalb diese in der Lage sei, die Kosten der beantragten Maßnahme jedenfalls bis zum 31. Dezember 2012 selbst zu bezahlen. Somit würde der vorzuschreibende Kostenbeitrag die Kosten der Maßnahme erreichen. Gemäß § 20 Abs. 2 TRG dürfe aber eine Rehabilitationsmaßnahme nicht gewährt werden, wenn das Ausmaß des Kostenbeitrages die Kosten der Maßnahme erreichen würde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das Tiroler Rehabilitationsgesetz, LGBl. Nr. 58/1983 idF
LGBl. Nr. 30/2011 (TRG), lautet (auszugsweise):
"§ 4
Rehabilitationsmaßnahmen Rehabilitationsmaßnahmen im Sinne dieses Gesetzes sind:
a) medizinische Rehabilitationsmaßnahmen:
...
3. Beschäftigungs- und Arbeitstherapie (Ergotherapie);
...
§ 7
Beschäftigungs- und Arbeitstherapie (Ergotherapie)
(1) Die Beschäftigungs- und Arbeitstherapie (Ergotherapie) hat die Aufgabe, für jene Behinderten, deren physischer oder psychischer Zustand einer beruflichen Eingliederung entgegensteht, Einrichtungen und Mittel zur Erhaltung und Weiterentwicklung der vorhandenen Fähigkeiten sowie Einrichtungen und Mittel zur Eingliederung in die Gesellschaft bereitzustellen.
...
§ 20
Kostenbeitrag
(1) Der Behinderte hat entsprechend seinen wirtschaftlichen Verhältnissen, die gesetzlich unterhaltspflichtigen Personen haben im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht dem Land zu den Kosten
...
c) der Beschäftigungs- und Arbeitstherapie
(Ergotherapie),
...
einen Beitrag zu leisten. Als gesetzlich unterhaltspflichtige Personen im Sinne dieses Gesetzes gelten der Ehegatte oder eingetragene Partner (frühere Ehegatte oder frühere eingetragene Partner) sowie die im ersten Grad Verwandten (Wahlverwandten) des Behinderten.
(2) Würde das Ausmaß des Kostenbeitrages die Kosten der Rehabilitationsmaßnahme erreichen, so darf diese nicht gewährt werden.
(3) Von der Einhebung eines Kostenbeitrages kann insoweit abgesehen werden, als dessen Einhebung den Erfolg der Rehabilitationsmaßnahme gefährden oder dem Ziel der Rehabilitationsmaßnahme widersprechen würde.
...
§ 25
Behörden und Verfahren
(1) Der Landesregierung obliegt die Entscheidung und Verfügung in allen Angelegenheiten dieses Gesetzes.
(2) Rehabilitationsmaßnahmen dürfen nur auf Antrag gewährt werden. Anträge auf Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen sind schriftlich beim Amt der Landesregierung oder bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in der der Antragsteller seinen Hauptwohnsitz hat, einzubringen.
..."
2.1. Die Beschwerdeführerin bringt zunächst (in einer Beschwerdeergänzung) vor, der angefochtene Bescheid sei schon deshalb rechtswidrig, weil er nicht über den Antrag der Beschwerdeführerin, der auf die (weitere) Gewährung einer Rehabilitationsmaßnahme - nämlich die (weitere) Unterbringung in einem Wohnheim der Lebenshilfe Tirol samt begleitender Tagesstruktur - gerichtet gewesen sei, abspreche. Die belangte Behörde habe mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochen, dass der Antrag auf Kostenübernahme für die weitere Unterbringung im genannten Wohnhaus abgewiesen werde. Der angefochtene Bescheid spreche somit nicht über den Antrag der Beschwerdeführerin, sondern über ein aliud, nämlich die (nicht beantragte) Kostenübernahme hinsichtlich der Unterbringung, ab.
Dem ist zu erwidern, dass der - zur Auslegung eines unklaren Spruches heranzuziehenden - Begründung des angefochtenen Bescheides unmissverständlich zu entnehmen ist, dass der Antrag der Beschwerdeführerin, der unstrittig auf die Weitergewährung einer Rehabilitationsmaßnahme nach § 7 TRG gerichtet war, deshalb abgewiesen wurde, weil eine Rehabilitationsmaßnahme nicht gewährt werden dürfe, wenn das Ausmaß des Kostenbeitrages die Kosten der Maßnahme erreichen würde. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid demnach - ungeachtet der gewählten Formulierung im Spruch - der von der Beschwerdeführerin gestellte Antrag auf Gewährung einer Rehabilitationsmaßnahme nach § 7 TRG im Grunde des § 20 Abs. 2 TRG abgewiesen.
2.2. Die Beschwerdeführerin macht auch geltend, das Vermögen, auf das die belangte Behörde den abweisenden Bescheid stütze, habe die Beschwerdeführerin bereits im Jahr 2007 erworben; dies sei der Behörde auch seit Juli 2007 bekannt gewesen. Im Jahr 2008 sei trotz dieses Vermögens die beantragte Rehabilitationsmaßnahme (bis zum 31. Dezember 2010) gewährt worden. Bei im Wesentlichen unveränderten wirtschaftlichen Verhältnissen sei der nunmehrige Verlängerungsantrag aber abgewiesen worden. Eine "Änderung in der Entscheidung der belangten Behörde im Anspruch der Beschwerdeführerin auf die Gewährung einer Rehabilitationsmaßnahme" sei nicht gerechtfertigt, die Beschwerdeführerin werde dadurch in ihren Rechten nach dem TRG verletzt.
Dem ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde bei der Prüfung der Frage, ob der beantragten weiteren Gewährung der (bis 31. Dezember 2010 rechtskräftig zuerkannten) Rehabilitationsmaßnahme zu entsprechen ist, auf einen im Grunde des § 20 Abs. 1 TRG zu leistenden Kostenbeitrag der Beschwerdeführerin entsprechend ihren wirtschaftlichen Verhältnissen Bedacht zu nehmen hatte, zumal die (weitere) Gewährung nicht in Betracht kam, wenn der zu leistende Kostenbeitrag die Kosten der Rehabilitationsmaßnahme erreicht. Dabei hatte die belangte Behörde die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen. Dass - unbestritten vorhandene - Vermögenswerte deshalb nicht zu berücksichtigen wären, weil in der Vergangenheit Rehabilitationsmaßnahmen trotz Kenntnis der Behörde vom vorhandenen Vermögen (auch ohne Auferlegung eines diesbezüglichen Kostenbeitrages) zuerkannt wurden, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
2.3. Die Beschwerde bringt auch vor, die Entscheidung der belangten Behörde entspreche nicht der wirtschaftlichen Lage der Beschwerdeführerin. Der errechnete Kostenbeitrag sei extrem überhöht angesetzt worden. Anders als im Tiroler Mindestsicherungsgesetz sehe der Gesetzgeber im TRG nicht vor, dass vor Gewährung einer Rehabilitationsmaßnahme die eigenen Mittel eingesetzt werden müssten bzw. dass Vermögen verwertet werden müsse; es sollen die wirtschaftlichen Verhältnisse (bloß) die Grundlage der Entscheidung bilden. Das Vermögen der Beschwerdeführerin diene als Einkommensquelle, bei einer Vermögensverwertung falle dieses Einkommen dauerhaft weg. Die Beschwerdeführerin könne aufgrund ihrer Behinderung aber kein anderes Einkommen erwirtschaften, sodass sie durch die Verwertung des Vermögens gänzlich auf Unterstützung seitens Dritter angewiesen sei. Die Beschwerdeführerin erziele ein durchschnittliches monatliches Einkommen aus Pension, Familienbeihilfe, Pflegegeld und Wertpapiererträgen von EUR 1.969,-
-, die monatlichen Kosten der Rehabilitationsmaßnahme beliefen sich auf EUR 4.647,--. Selbst bei Heranziehung des gesamten Einkommens verbleibe eine Differenz von EUR 2.678,-- monatlich, sodass bei Deckung dieser Differenz aus dem Vermögen "innerhalb der nächsten vier Jahre der gesamte Vermögenstamm der Beschwerdeführerin aufgebraucht" wäre und die Beschwerdeführerin damit "ihre wirtschaftliche Grundlage verloren" hätte. Die Bestimmung des § 20 Abs. 1 TRG, wonach sich der Kostenbeitrag des Behinderten nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen richte, solle aber gerade verhindern, dass dieser durch den Kostenbeitrag seine wirtschaftliche Grundlage verliere. Bei "rechtmäßiger Berechnung" hätte ein Kostenbeitrag "weit unter den tatsächlichen Kosten der Rehabilitationsmaßnahme" angenommen werden und so berechnet werden müssen, dass auf das zu erwartende Lebensalter der Beschwerdeführerin abzustellen gewesen wäre und das Vermögen höchstens soweit vermindert werden dürfe, dass es für die zu erwartende noch verbleibende Lebensdauer als wirtschaftliche Grundlage dienen könne.
Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin nicht im Recht:
Gemäß § 20 Abs. 1 TRG hat der Behinderte einen Beitrag zu den Kosten der Rehabilitationsmaßnahme "entsprechend seinen wirtschaftlichen Verhältnissen" zu leisten. Der vorzuschreibende Beitrag darf daher einerseits die Kosten der Rehabilitationsmaßnahme nicht überschreiten (§ 20 Abs. 2 TRG) und ist andererseits auf der Grundlage des Einkommens und Vermögens des Hilfeempfängers so zu bestimmen, dass diesem die notwendigen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes einschließlich der ihm aus seiner Behinderung erwachsenden besonderen Bedürfnisse verbleiben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. September 2012, Zl. 2012/10/0050, vom 21. Mai 2012, Zl. 2008/10/0064, und vom 18. Februar 2010, Zl. 2008/10/0129).
Entgegen der Beschwerdeansicht ist Vermögen, das infolge Veranlagung (auch) zum Einkommen des Betreffenden beiträgt, weder schlechthin noch nach Maßgabe des zu erwartenden Lebensalters des Betreffenden bei der Bestimmung des Kostenbeitrages nach § 20 Abs. 1 TRG unberücksichtigt zu lassen. Das Vermögen ist vielmehr ebenso wie das Einkommen bei der Bestimmung des Kostenbeitrages soweit heranzuziehen, dass dem Betreffenden die notwendigen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes einschließlich der ihm aus seiner Behinderung erwachsenden besonderen Bedürfnisse verbleiben.
Die Beschwerde bestreitet weder, dass die Beschwerdeführerin im Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde über ein Vermögen in der Höhe von EUR 126.232,90 verfügt hat noch dass die Kosten der beantragten Rehabilitationsmaßnahme gemäß § 7 TRG für den Zeitraum vom 1. Jänner 2011 bis zum 31. Dezember 2012 EUR 111.682,18 betragen würden. Die Beschwerde enthält auch kein konkretes Vorbringen dazu, dass der Beschwerdeführerin bei Annahme eines Kostenbeitrages in der zuletzt genannten Höhe die notwendigen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes einschließlich der ihr aus ihrer Behinderung erwachsenden besonderen Bedürfnisse nicht verbleiben würden (vgl. insofern auch das hg. Erkenntnis vom 21. März 2013, Zl. 2013/10/0040).
Davon ausgehend zeigt die Beschwerde aber eine Rechtswidrigkeit der Annahme der belangten Behörde, das Ausmaß des im Beschwerdefall anzunehmenden Kostenbeitrages aus dem vorhandenen Vermögen erreiche die Kosten der Rehabilitationsmaßnahme, sodass die beantragte Maßnahme gemäß § 20 Abs. 2 TRG nicht gewährt werden könne, nicht auf.
3. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG (in der hier gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 noch maßgeblichen Fassung, die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 in Geltung stand) als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 25. April 2014
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2011100102.X00Im RIS seit
29.05.2014Zuletzt aktualisiert am
14.08.2014