TE Vwgh Erkenntnis 2000/10/5 96/21/0861

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Veröffentlicht am 05.10.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §15 Abs1;
FrG 1993 §82 Abs1 Z1;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
FrG 1993 §82 Abs2;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des L in Neuhaus, geboren am 13. April 1957, vertreten durch Dr. Friedrich Bubla, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Biondekgasse 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 8. Februar 1996, Zl. Senat-BN-95-128, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom 16. November 1995 verhängte die Bezirkshauptmannschaft Baden gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,--. Die ihm angelastete Tat wurde wie folgt umschrieben: "Sie haben sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, weil Ihnen keine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder kein Sichtvermerk von einer Sicherheitsbehörde erteilt wurde." Als übertretene Norm wurde § 82 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, als Tatzeit "8.10.1994 - 17.8.1995" und als Tatort "Bundesgebiet; Neuhaus, Burg 2", angeführt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (die belangte Behörde) der Berufung des Beschwerdeführers gegen das genannte Straferkenntnis keine Folge. Begründend führte sie - soweit für das Beschwerdeverfahren wesentlich - aus, der Beschwerdeführer habe die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses mit dem Vorbringen begehrt, dass er im Fall einer Abschiebung nach Albanien Gefahr liefe, dort wegen seiner Nationalität und seiner politischen Gesinnung erneut einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden, sodass sein Aufenthalt in Österreich gemäß § 6 VStG durch Notstand entschuldigt wäre. Er wäre als Angehöriger der griechischen Minderheit in Albanien aus Gründen seiner Nationalität und seiner politischen Gesinnung verfolgt worden. Zum Zeitpunkt der Erlassung des seinen Asylantrag in zweiter Instanz abweisenden Bescheides wäre zwar eine vorübergehende Liberalisierung im Umgang des albanischen Staates gegenüber Angehörigen der griechischen Minderheit eingetreten, diese wären derzeit jedoch erneut Verfolgungen ausgesetzt. Von albanischen Behörden würde etwa eine freie Meinungsäußerung von Angehörigen der griechischen Minderheit als separatistische Aggression gewertet und entsprechend bestraft.

Dem sei - so die belangte Behörde - entgegenzuhalten, dass unter Notstand im Sinn des § 6 VStG nur der Fall der Kollision von Rechten und Pflichten verstanden werde, indem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten könne, dass er eine im Allgemeinen strafbare Handlung begehe. Auch wenn der Behauptung des Beschwerdeführers gefolgt werde, dass er im Fall einer Abschiebung nach Albanien Gefahr liefe, wegen seiner Nationalität und seiner politischen Gesinnung erneut einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden, könne dieser Umstand nicht als entschuldigender Notstand gewertet werden. Vielmehr hätte der Beschwerdeführer bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einen neuerlichen Asylantrag stellen müssen. Dem Beschwerdeführer sei somit die Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht anzulasten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Fremdengesetzes aus 1992 lauten:

"§ 15. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Teiles und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind oder

2. wenn ihnen eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt wurde oder

3. solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zukommt.

§ 82. (1) Wer

1. nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung nicht rechtzeitig ausreist oder

2. einem Aufenthaltsverbot zuwider unerlaubt in das Bundesgebiet zurückkehrt oder

3. sich als passpflichtiger Fremder, ohne im Besitz eines gültigen Reisedokumentes zu sein, im Bundesgebiet aufhält oder

4. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 15), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist in den Fällen der Z 1 und 2 mit Geldstrafe bis zu 10 000 Schilling oder mit Freiheitsstrafe bis zu 14 Tagen, sonst mit Geldstrafe bis zu 10 000 Schilling zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes.

(2) Eine Verwaltungsübertretung gemäß Abs. 1 Z 1 liegt nicht vor, wenn die Ausreise nur in ein Land möglich wäre, in das eine Abschiebung unzulässig (§§ 37 und 54 Abs. 4) ist, oder wenn dem Fremden ein Abschiebungsaufschub erteilt worden ist."

Wie bereits im Verwaltungsstrafverfahren weist der Beschwerdeführer auch in der Beschwerde darauf hin, er hätte sich aus schwerer unmittelbarer Gefahr, nämlich der Verfolgung in seiner Heimat, einzig und allein durch die Übertretung der Verwaltungsbestimmungen retten können. Sinngemäß spricht er durch den Hinweis auf eine Gefährdung bzw. Bedrohung in seinem Heimatland im Fall einer Abschiebung dorthin die oben genannte Bestimmung des § 82 Abs. 2 FrG an. Indem die belangte Behörde meint, der Beschwerdeführer hätte einen neuerlichen Asylantrag stellen müssen, um eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu erlangen, und nur dann stünde die behauptete Gefährdung bzw. Bedrohung im genannten Staat der Rechtmäßigkeit der Bestrafung entgegen, verkennt sie die Rechtslage. Dieser gesetzliche Rechtfertigungsgrund des § 82 Abs. 2 FrG gilt nämlich nicht nur in einem wegen einer Übertretung nach § 82 Abs. 1 Z. 1 FrG eingeleiteten Strafverfahren, sondern auch in einem solchen nach § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. März 2000, Zl. 96/21/0247, mwN.). Die belangte Behörde hätte somit Feststellungen dahin treffen müssen, ob die Ausreise des Beschwerdeführers nur nach Albanien möglich gewesen wäre und ob seine Abschiebung in diesen Staat im Sinn des § 37 Abs. 1 und 2 FrG zulässig wäre.

Die belangte Behörde belastete den angefochtenen Bescheid aber auch in anderer Weise mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, u.a. die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Diese muss also im Spruch so eindeutig umschrieben sein, dass kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist. Dabei ist die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. März 2000, Zl. 96/21/0919, mwN.).

Eine Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthalts nach § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG kommt rechtens nur in Betracht, wenn keine der in § 15 Abs. 1 (Z. 1 bis 3) leg. cit. angeführten Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthalts gegeben ist. Die Annahme der Unrechtmäßigkeit eines inländischen Aufenthalts aus der Verneinung bloß eines Teils der in § 15 Abs. 1 FrG genannten drei alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts steht mit dem Gesetz nicht in Einklang (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 96/21/0919). Nach der von der belangten Behörde vorgenommenen Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses lautet die umschriebene Tat, dass sich der Beschwerdeführer als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, weil ihm keine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder kein Sichtvermerk von einer Sicherheitsbehörde erteilt wurde. Selbst wenn man die ausgesprochene Verneinung nicht alternativ ("oder") sondern - wie von der Behörde offenkundig gemeint - kumulativ ("und") auffasst, werden damit die oben genannten drei alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts von Fremden im Inland nur zum Teil verneint, weshalb aus dieser Tatumschreibung eine Subsumtion unter den zur Last gelegten Tatbestand nicht zulässig ist und der Spruch gegen § 44a Z. 1 VStG verstößt.

Aus den genannten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 5. Oktober 2000

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1996210861.X00

Im RIS seit

23.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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