TE Vwgh Erkenntnis 2014/4/30 2011/11/0098

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Veröffentlicht am 30.04.2014
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Index

68/01 Behinderteneinstellung;

Norm

BEinstG §14 Abs1;
BEinstG §14 Abs2;
BEinstG §2 Abs1;
BEinstG §2 Abs3;
BEinstG §27 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des A S in W, vertreten durch die Freimüller Obereder Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1080 Wien, Alser Straße 21, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten vom 24. März 2011, Zl. 41.550/628-9/10, betreffend Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid hat die belangte Behörde gemäß §§ 2 Abs. 1, 3, 14 Abs. 1 und 2, 25 Abs. 12 und 27 Abs. 1 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten abgewiesen.

In der Begründung gab die belangte Behörde die von ihr eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr. Ka (Fachärztin für Orthopädie) und Dr. Re (Facharzt für Innere Medizin), jeweils vom 1. September 2010, auszugsweise wieder. Danach bestünden beim Beschwerdeführer folgende Gesundheitseinschränkungen:

"Lfd. Nr.

Art der Gesundheitsschädigung

Position in den Richtsätzen

GdB

1.

Coronare Eingefäßerkrankung, Zustand nach Hinterwandinfarkt und Stentimplantation in die arteria circumflexa, arterielle Hypertonie, Hypercholesterinämie Unterer Rahmensatzwert, da durchgemachter Herzinfarkt, aber eine Zeichen von Belastungscoronarinsuffizienz und erhaltene Linksventrikelfunktion.

g.Z. 320

40 vH

2.

Obstruktives Schlaf-apnoe- Syndrom unter Maskentherapie

Oberer Rahmensatzwert, da nächtliche CPAP-Beatmung erforderlich, aber unter dieser Therapie gute Einstellung.

283

20 vH

Gesamtgrad der Behinderung 40 vH"

Folgende weitere Gesundheitsschädigungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 20 vH, die auch im Zusammenwirken mit anderen Gesundheitsschädigungen keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursachten, würden bei der Einschätzung des GdB nicht berücksichtigt:

"Lfd. Nr.

Art der Gesundheitsschädigung

Position in den Richtsätzen

GdB

3.

Zustand nach tiefer Venenthrombose der rechten unteren Extremität 2007 bei Faktor-V-Anomalie Unterer Rahmensatzwert, da rezidivfrei.

g.Z. 700

10 vH

4.

Zustand nach Mittelfußfraktur V rechts

Unterer Rahmensatzwert, da operativ versorgt und konsolidiert. Die medikamentös behandelte Osteoporose ist in diesem Leiden inkludiert.

g.Z. 149

10 vH"

Der Sachverständige Dr. Re habe ausgeführt, führend sei das Leiden Nr. 1, das durch die übrigen Leiden nicht weiter erhöht werde, weil das Leiden Nr. 2 von zu geringer funktioneller Relevanz sei und hinsichtlich der Leiden 3 und 4 kein funktionelles Zusammenwirken vorliege.

Es bestehe - zusammengefasst - eine coronare Eingefäßerkrankung mit Zustand nach Hinterwandinfarkt und erfolgreicher Aufdehnung und Stentimplantation im Bereich der arteria circumflexa vor dem Hintergrund einer arteriellen Hypertonie und Hyperlipidämie. Die nach dem Infarkt wiederholt durchgeführten Belastungsuntersuchungen hätten keinen Hinweis auf Belastungscoronarinsuffizienz ergeben; auch die erst jüngst vorgenommene Myocardszintigraphie hätte belastungsassoziierte Perfusionsstörungen ausschließen können. Echocardiographisch zeige sich eine gute Linksventrikelfunktion ohne regionale Wandbewegungsstörungen. Somit sei eine höhere Einschätzung als mit 40 v.H. richtsatzgemäß nicht möglich.

Unter der laufenden nächtlichen CPAP-Therapie sei eine suffiziente Behandlung des obstruktiven Schlaf-Apnoe-Syndroms laut letztem Schlaflaborbefundbericht dokumentiert. Es seien keine relevanten Apnoe-Hypnoe-Ereignisse oder Sauerstoff-Desaturationen mehr aufgetreten. Die neurologische schlafmedizinische Abklärung habe eine Schlaf-Wach-Rhythmusstörung ergeben, die unter der eingestuften Gesundheitsschädigung miterfasst sei. Somit sei keine höhere Einschätzung (als 20 v.H.) gerechtfertigt; das Leiden 2 führe zu keiner weiteren Erhöhung von Leiden 1.

Der Beschwerdeführer habe dagegen im Wesentlichen eingewendet, dass das obstruktive Schlaf-Apnoe-Syndrom nicht nachhaltig eingestellt sei, sondern einer permanenten Nachjustierung bedürfe. Es gebe auch eine aktuelle Wechselwirkung zu den sonstigen intern-medizinischen Einschränkungen, insbesondere der arteriellen Hypertonie. Er leide nach wie vor an einer Belastungsdyspnoe verbunden mit chronischen Kopfschmerzen. Die mittlerweile gegebene neurologische Einschränkung des Beschwerdeführers - er sei auf Grund des Befundbildes "Taubheitsgefühl in Händen und Füßen, nach prox. ausstrahlend; Vertigo" zu weiteren Untersuchungen verwiesen worden - sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Gegen eine bestehende Depression würde er mit Wellbutrin behandelt. Es liege auch jedenfalls eine wechselseitige Beeinflussung der einzelnen Leiden vor.

Dazu seien seitens der belangten Behörde ärztliche Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet für Neurologie und für Innere Medizin eingeholt worden, deren wesentlicher Inhalt im angefochtenen Bescheid auszugsweise wiedergegeben wurde. Danach bestehe keine neuropsychiatrische Diagnose mit Krankheitswert. Das Taubheitsgefühl in Händen und Füßen nach proximal ausstrahlend entspreche keinem bestimmten Dermatom, es sei auch kein radikuläres Defizit nachweisbar. Eine Depression liege nicht vor. Das im Sommer 2010 verordnete Antidepressivum sei bei bekannter Biorhythmusstörung verschrieben worden. Eine nervenfachärztliche Betreuung bestehe nicht.

Dem Beschwerdeführer sei auf Grund der Schlafstörung Wellbutrin verordnet worden; das Medikament Modasomil sei bei Aufnahme von Schichtarbeit empfohlen worden, es werde bis heute nicht eingenommen. Der Befundbericht Dris. Sa (Facharzt für Neurologie) beschreibe im September 2010 einen normalen neuropsychologischen und neurologischen Status. Der Überweisung der behandelnden Fachärztin für Innere Medizin (Dr. Fe) zu einer Neurologin sei bis dato nicht nachgekommen worden.

Der Sachverständige Re (Facharzt für Innere Medizin) habe ausgeführt, die nächtliche Maskenbeatmung, die bei obstruktivem Schlaf-Apnoe-Syndrom angewendet werde, bedürfe auch bei suffizienter Einstellung einer regelmäßigen Kontrolle. Der letztvorliegende Schlaf-Labor-Befundbericht bestätige jedenfalls eine gute Einstellung. Die ins Treffen geführte Belastungsdyspnoe sei durch die vorliegenden Befunde in keiner Weise erklärbar und könne zu keiner Änderung der Einschätzung führen.

Diese zusätzlichen Beweisergebnisse seien dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden. Er habe dagegen eingewendet, es sei eine reaktive Depression im Zusammenhang mit der bestehenden obstruktiven Atemwegserkrankung zu berücksichtigen. Zudem sei die von Dr. Fe festgehaltene "Vertigoproblematik" nicht hinreichend berücksichtigt worden.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung legte die belangte Behörde die maßgebenden Bestimmungen des BEinstG und die Grundsätze der Einschätzung des Grades der Behinderung dar. Im Weiteren führte sie aus, die eingeholten Sachverständigengutachten seien schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei. In ihnen sei auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen worden. Die getroffenen Einschätzungen - basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen eingehend erhobenen klinischen Befunden - entsprächen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die Einwände des Beschwerdeführers seien nicht geeignet, die Beweisergebnisse zu entkräften, sodass kein Grund vorgelegen sei, von den Ausführungen der Sachverständigen abzugehen. Ein "einschätzungswürdiger neurologischer bzw. psychischer Leidenszustand" habe nicht objektiviert werden können; auch sei eine diesbezügliche laufende fachärztliche Behandlung nicht nachgewiesen.

Die "beeinspruchte Vertigo" sei auf der Überweisung von Dr. Fe vom 23. November 2010 angeführt. Entsprechende Befunde seien aber nicht vorgelegt worden. Auch habe der Beschwerdeführer anlässlich der persönlichen Untersuchungen keine diesbezüglichen Beschwerden angegeben.

Da ein Grad der Behinderung von lediglich 40 v.H. festgestellt worden sei, lägen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 BEinstG nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. Hinsichtlich der maßgebenden Rechtslage und der Anforderungen an die Begründung einer Entscheidung über die Feststellung des Gesamtgrads der Behinderung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die hg. Erkenntnisse vom 26. September 2013, Zl. 2010/11/0163, und vom 23. Mai 2013, Zl. 2012/11/0009, je mwN, verwiesen.

Daraus ist hervorzuheben, dass die Gesamteinschätzung mehrerer Leidenszustände nicht im Wege der Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze zu erfolgen hat, vielmehr ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht, und dann zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit gerechtfertigt ist, wobei die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung auf die Erwerbsfähigkeit im Vordergrund zu stehen haben. Bei dieser Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen (§ 14 Abs. 2 BEinstG), wobei es dem Antragsteller frei steht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften.

2. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass die belangte Behörde von diesen Vorgaben abgewichen wäre.

Sie macht - zusammengefasst - Folgendes geltend:

Die belangte Behörde habe den Einwand des Beschwerdeführers, das obstruktive Schlaf-Apnoe-Syndrom sei nicht nachhaltig eingestellt, ebenso wenig ausreichend berücksichtigt wie den Umstand, dass der Beschwerdeführer nach wie vor an einer Belastungsdyspnoe, verbunden mit chronischen Kopfschmerzen, leide. Ebenso wenig sei ausreichend und abschließend berücksichtigt worden, dass der Beschwerdeführer geltend gemacht habe, an Taubheitsgefühl in Händen und Füßen, Vertigo und Depression zu leiden. Das obstruktive Schlaf-Apnoe-Syndrom bereite dem Beschwerdeführer konstant Beschwerden; so sei im Befund vom 12. Jänner 2011 festgehalten, dass eine schlechte Schlafeffizienz bestehe. Die belangte Behörde sei aber nicht auf die daraus resultierende Depression näher eingegangen. Zwar sei im Gutachten vom 12. Jänner 2011 festgestellt worden, dass dem Beschwerdeführer ein Antidepressivum verordnet worden sei, dessen ungeachtet sei aber keine Depression festgestellt worden; das Gutachten sei daher in diesem Punkt unschlüssig. Der Umstand schließlich, dass das Taubheitsgefühl in Händen und Füßen zwar festgestellt worden sei, diesem in der Gesamtbeurteilung aber aus neuropsychiatrischer Sicht kein Krankheitswert beigemessen wurde, stehe mit den Erfahrungen des täglichen Lebens im Widerspruch.

Der Bescheid sei daher in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig; bei richtiger Beurteilung der Leiden des Beschwerdeführers hätte ein Grad der Behinderung von zumindest 50 v.H. festgestellt werden müssen.

3. Die Beschwerde ist nicht begründet.

3.1. Festzuhalten ist zunächst, dass die Beschwerde die Bemessung der "führenden" Gesundheitsschädigung (i.W. Zustand nach Hinterwandinfarkt) mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. nicht in Frage stellt. Ein Gesamtgrad der Behinderung von (zumindest) 50 v.H., wie er für die Einreihung in den Kreis der begünstigten Behinderten erforderlich ist, kann daher nur erreicht werden, wenn weitere Leidenszustände (sei es das mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. bemessene obstruktive Schlaf-Apnoe-Syndrom oder eine andere Gesundheitsschädigung) auf Grund ihres Zusammenwirkens mit der "führenden" Gesundheitsschädigung eine höhere Gesamteinschätzung rechtfertigen.

3.2. Das obstruktive Schlaf-Apnoe-Syndrom wurde in den von der belangten Behörde eingeholten Gutachten mit 20 v.H und damit mit dem oberen Rahmensatz der Position 283 der Richtsatzverordnung BGBl. Nr. 150/1965 (0 bis 20 v.H.) bewertet, weil eine nächtliche CPAP-Beatmung erforderlich sei, mit dieser Therapie aber eine suffiziente Behandlung erfolge.

Der Beschwerdeführer hatte schon im Verwaltungsverfahren, in der Stellungnahme vom 24. November 2010 zu den ihm übermittelten Gutachten vom 1. September 2010 (Orthopädie und Innere Medizin), geltend gemacht, das Schlaf-Apnoe-Syndrom sei nicht nachhaltig eingestellt, sondern bedürfe einer permanenten Nachjustierung. Demgemäß gebe es auch eine aktuelle Wechselwirkung zu den sonstigen internmedizinischen Einschränkungen. Zudem leide er nach wie vor an einer Belastungsdyspnoe, verbunden mit chronischen Kopfschmerzen.

Der von der belangten Behörde bestellte Sachverständige Dr. Re (Facharzt für Innere Medizin) nahm dazu in seiner Gutachtensergänzung vom 24. Jänner 2011 dahin Stellung, dass die bei obstruktivem Schlaf-Apnoe-Syndrom angewandte nächtliche Maskenbeatmung auch bei suffizienter Einstellung einer regelmäßigen Kontrolle bedürfe. Der letztvorliegende Schlaflaborbefundbericht bestätige jedenfalls eine gute Einstellung. Eine Wechselwirkung zu sonstigen internen Krankheitsbildern wie der arteriellen Hypertonie sei belegt, könne aber auf Grund der jetzt guten Einstellung der nächtlichen Atemstörung zu keiner weiteren Erhöhung des Gesamtgrads der Behinderung führen. Die ins Treffen geführte Belastungsdyspnoe sei durch die vorliegenden Befunde in keiner Weise erklärbar und könne zu keiner Änderung der Einschätzung führen.

Diesem im Auftrag der belangten Behörde erstellten Gutachten ist der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten; seine Stellungnahme (Schriftsatz vom 28. Februar 2011) beschränkte sich vielmehr auf die Themen Taubheitsgefühl/Vertigo und Depression (auf welche gleich einzugehen ist).

3.3. In seiner Stellungnahme vom 24. November 2010 hatte der Beschwerdeführer auch geltend gemacht, es sei seine "mittlerweile jedenfalls gegebene neurologische Einschränkung" nicht berücksichtigt worden. Er sei auf Grund des Befundbildes "Taubheitsgefühl in Händen und Füßen, nach prox. ausstrahlend; Vertigo" zu weiteren Untersuchungen an einen neurologischen Facharzt überwiesen worden; gegen eine bestehende Depression werde er mit Wellbutrin behandelt.

In dem von der belangten Behörde dazu eingeholten nervenfachärztlichen Sachverständigengutachten vom 12. Jänner 2011 der Sachverständigen Dr. Ma wird dazu (u.a.) Folgendes ausgeführt:

"Anamnese:

Taubheitsgefühl im Bereich des rechten Beines von distal nach proximal aufsteigend, unangenehmes Gefühl, eine Schwäche wäre nicht vorhanden.

Seit etwa 1 Jahr bestünden diese Symptome. Hätte diesbezüglich von der Hausärztin eine Überweisung für die Neurologin bekommen, bis dato erfolgte aber noch keine Durchuntersuchung. Besonders bei längerer Tätigkeit (sitzende Tätigkeit im Autobus) würde es zum Einschlafen im Bereich der rechten unteren Extremität kommen. Manchmal wären auch beide Hände betroffen. Keine Kraftminderung.

Im Sommer 2010 Aufsuchen von einem Facharzt für Psychiatrie (Dr. S) wegen Tagesmüdigkeit. Der Schichtdienst würde ihm nicht gut tun, manchmal würde er antriebslos zu Hause sitzen, als depressiv würde er sich nicht bezeichnen. Immer wieder das Gefühl zu wenig zu schlafen, schlechte Schlafeffizienz. Auch die Schilddrüse wäre nicht ganz in Ordnung.

SA: Autobuschauffeur

Med: Wellbutrin 150mg, Concor Cor, Blopress, Thromo ASS,

Sortis, Pantobene

Objektiv neurologisch:

Größe: 180cm Gewicht: 85kg (+4kg)

Caput: frei beweglich, kein Meningismus, HNAP frei

HN: kein pathologischer Befund erhebbar, kein Nystagmus

OE: Kraft in allen Muskelgruppen KG 5. Tonus bds. normal.

Trophik: stgl oB. Sensibilität:

Zahlendiskremination beidseits unauffällig, Propriozeption o. B. Reflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar. VdA keine Absink- oder Pronationstendenz, FNV bds. zielsicher. Py-Zeichen negativ.

Rumpf: gerade u. quere Bauchmuskulatur intakt, Reithose frei,

Rumpf stabil, Urogenitalanamnese: unauffällig

UE: Kraft in allen Muskelgruppen KG 5. Tonus bds. normal,

Trophik: stgl. oB. Sensibilität: Zahlendiskremination beidseits unauffällig, Propriozeption o.B. Reflexe: PSR mittellebhaft, ASR beidseits untermittellebhaft auslösbar. KHV bds. zielsicher, Py-Zeichen negativ

Stand/Gang: Romberg unauffällig, Unterberger oB Zehenspitzenu. Fersenstand durchführbar.

Psychisch:

Klar, wach, in allen Qualitäten orientiert. Im Ductus kohärent, das Denkziel wird ohne Umschweife erreicht. Stimmung ausgeglichen, Eigenantrieb normal. Zeitweise Ein- und Durchschlafstörungen, schlechte Schlafeffizienz. In beiden Skalenbereichen affizierbar. Keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen fassbar. Die Aufmerksamkeit, das Auffassungsvermögen und die Konzentrationsfähigkeit sind ungestört. Keine Störung des Urteils- und Kritikvermögens. Keine amnestischen Defizite fassbar. Keine Wahrnehmungsstörungen explorierbar. Keine produktive Symptomatik explorierbar.

Beurteilung:

Keine neuropsychiatrische Diagnose mit Krankheitswert.

Stellungnahme:

Zur Berufungsschrift vom (Abl. 44/73,74): Das Taubheitsgefühl in Händen und Füßen nach proximal ausstrahlend entspricht keinem bestimmten Dermatom, auch ist kein radikuläres Defizit nachweisbar. Eine Depressio per definitionem ist nicht vorliegend. Das im Sommer 2010 verordnete Antidepressivum wurde bei bekannter Biorhytmusstörung verschrieben. Keine nervenfachärztliche Betreuung.

In 2. Instanz vorgelegte Befunde (Abl. 54,55,67): Aufgrund der Schlafstörung wurde Wellbutrin verordnet. Modasomil wurde bei Aufnahme von Schichtarbeit empfohlen (Abl. 44/54), dieses wird bis heute nicht eingenommen.

Der Facharztkollege beschreibt im 09/2010 (Abl. 44/54) einen normalen neuropsychologischen und neurologischen Status.

Der Überweisung der behandelnden Fachärztin für innere Medizin zu einer Neurologin (Abl. 44/67) wurde bis dato nicht nachgekommen.

Zum Gutachten der 1. Instanz (Abl. 25-29, 39): Keine Änderung"

Der Beschwerdeführer hatte zu den beiden ihm übermittelten Gutachten (Dr. Ma, Neurologie; Dr. Re, Innere Medizin) in seiner Stellungnahme vom 28. Februar 2011 Folgendes geltend gemacht:

Es sei nicht nachvollziehbar, warum nach wie vor lediglich ein Grad der Behinderung von 40 v.H. gegeben sein solle. Tatsächlich sei zumindest eine reaktive Depression im Zusammenhang mit der bestehenden obstruktiven Atemwegserkrankung zu berücksichtigen, hier also ein weiterer Grad der Behinderung festzustellen. Auch sei die "Vertigo-Problematik", festgehalten in der Überweisung vom 23. November 2010 ("Taubheitsgefühl in Händen und Füßen, nach prox. ausstrahlend; Vertigo") nicht hinreichend berücksichtigt.

Dazu ist Folgendes festzustellen:

In dem von der Fachärztin für Innere Medizin, Dr. Fe, auf Grund der Untersuchung des Beschwerdeführers vom 11. Oktober 2010 erstellten Befund gleichen Datums (Beilage L) wird das vom Beschwerdeführer geltend gemachte "Taubheitsgefühl/Vertigo" noch nicht beschrieben. Dies wird erst in der Überweisung zum Facharzt vom 23. November 2010 (Beilage M) genannt. Anlässlich der Untersuchung durch die von der belangten Behörde bestellte nervenfachärztliche Sachverständige Dr. Ma am 12. Jänner 2011 hat der Beschwerdeführer das "Taubheitsgefühl" beschrieben, aber nicht angegeben, an Vertigo/Schwindel zu leiden. Er führte aus, wegen des Taubheitsgefühls eine Überweisung bekommen zu haben, "bis dato" sei aber noch keine Durchuntersuchung erfolgt. Nicht einmal in der Beschwerde wird vorgebracht, dass der Beschwerdeführer nunmehr dieser Überweisung nachgekommen wäre und eine diesbezügliche Untersuchung erfolgt sei.

Vor diesem Hintergrund kann die Beurteilung der belangten Behörde, die sich auf das Gutachten der Sachverständigen Dr. Ma (das geltend gemachte Taubheitsgefühl entspreche "keinem bestimmten Dermatom", es sei auch "kein radikuläres Defizit nachweisbar") und den Umstand stützen konnte, dass der Beschwerdeführer "entsprechende Befunde" nicht vorgelegt und auch anlässlich seiner persönlichen Untersuchungen keine diesbezüglichen Beschwerden (Vertigo) angegeben hat, nicht als unschlüssig erkannt werden.

3.4. Das Beschwerdevorbringen zeigt aber auch keine Unschlüssigkeit der behördlichen Beurteilung, der Beschwerdeführer weise keine "einschätzungswürdige" Depression auf. Die belangte Behörde konnte sich dabei nicht nur auf das diesbezügliche fachärztliche Gutachten Dris. Ma stützen, vielmehr steht diese Beurteilung auch mit der eigenen Einschätzung des Beschwerdeführers anlässlich seiner Untersuchung am 12. Jänner 2011 ("Anamnese: ... als depressiv würde er sich nicht bezeichnen") in Einklang. Dem steht der Hinweis in der Beschwerde, der Beschwerdeführer würde "mit einem Antidepressivum" behandelt, nicht entgegen, zumal nach den Ausführungen der beigezogenen Sachverständigen dieses Medikament (Wellbutrin) auf Grund der Schlafstörungen des Beschwerdeführers verordnet wurde.

3.5. Das Beschwerdevorbringen zeigt daher weder eine Rechtswidrigkeit des Inhalts noch einen relevanten Verfahrensmangel auf.

4. Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 30. April 2014

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2011110098.X00

Im RIS seit

28.05.2014

Zuletzt aktualisiert am

06.06.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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