TE Vwgh Erkenntnis 2000/10/5 96/21/0927

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Veröffentlicht am 05.10.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §6 Abs2;
AsylG 1991 §7 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des C, geboren am 1. Jänner 1971, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 29. Juli 1996, Zl. Fr-357/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich aus.

Zur Begründung dieser Maßnahme führte sie aus: Der Beschwerdeführer sei am 14. Juni 1996 unter Umgehung der Grenzkontrolle von Ungarn kommend "illegal" in Österreich eingereist und unmittelbar danach betreten worden. Die Hintanhaltung der illegalen Einreise einer großen Anzahl von Fremden überwiegend ohne Barmittel und Reisedokumente liege im öffentlichen Interesse und es komme der Einhaltung fremdenpolizeilicher Bestimmungen ein großes Gewicht zu. Die Auffassung des Beschwerdeführers hinsichtlich des Vorliegens einer direkten Einreise im Sinn des § 6 Asylgesetz 1991 werde nicht geteilt. Die in Rede stehende "Konventions-Bestimmung" stelle nicht auf ein Durchreisen, sondern allein darauf ab, aus welchem Gebiet der Fremde "direkt" (unmittelbar) einreise. Vom Beschwerdeführer sei nie in Abrede gestellt worden, dass er von Ungarn nach Österreich gereist sei. Eine Interessenabwägung sei bei einer Ausweisung gemäß § 17 Abs. 2 FrG nicht vorzunehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende, zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete, von diesem mit Beschluss vom 8. Oktober 1996, B 3058/96, abgelehnte und mit Beschluss vom 29. Oktober 1996, B 3058/96, dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten unter Verzicht

auf die Erstattung einer Gegenschrift vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass dem angefochtenen Bescheid nach den wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen kein Bescheid zugrundeliegt, mit dem die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt oder mit dem der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde; die Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 5 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, kommt vorliegend daher nicht zum Tragen.

Gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 FrG idF vor der FrG-Novelle 1996 (BGBl. Nr. 436) können Fremde im Interesse der öffentlichen Ordnung mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie innerhalb eines Monats nach der Einreise den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen (Z. 4) oder wenn sie unter Missachtung der Bestimmungen des 2. Teiles des Fremdengesetzes oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und binnen eines Monats betreten werden (Z. 6).

Der Beschwerdeführer lässt die Feststellung im angefochtenen Bescheid unbestritten, dass er unter Umgehung der Grenzkontrolle in Österreich eingereist und unmittelbar danach betreten worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof hegt daher gegen die Annahme der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt sei, keine Bedenken.

Dennoch ist der Beschwerde Erfolg beschieden. Der Beschwerdeführer ist zwar nicht direkt aus seinem Heimatstaat eingereist, in dem Verfolgung befürchten zu müssen er behauptet, weshalb ihm ein vorläufiges Aufenthaltsrecht gemäß § 7 Abs. 1 iVm

§ 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht zukommt. Ein vorläufiges Aufenthaltsrecht steht einem Asylwerber jedoch gemäß § 7 Abs. 1 iVm

§ 6 Abs. 2 leg. cit. dann zu, wenn dieser in den Durchreisestaaten verfolgt oder von einer Rückschiebung bedroht gewesen ist und daher wegen des Vorliegens der in § 37 Abs. 1 oder 2 FrG genannten Gründe bei seiner Einreise nicht hätte zurückgewiesen werden dürfen (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1999, Zl. 96/21/0074). Dazu hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid ausgeführt, dass er "ohne seine Flucht vorher beendet zu haben und ohne zuvor in einem anderen Land Schutz in der Form gefunden zu haben, als dass er zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch darauf zurückgreifen könnte, wie auch aus einem Land kommend, in welches er wegen § 37 FrG nicht ohne vorherige Prüfung seiner Fluchtgründe zurückgewiesen werden dürfte, ins Bundesgebiet eingereist" sei.

Erkennbar auf Grund der irrigen Rechtsansicht, dass im Fall der Einreise durch Umgehung der Grenzkontrolle ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach § 7 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 2 Asylgesetz 1991 nicht in Betracht komme, setzte sich die belangte Behörde mit der in der Berufung enthaltenen Behauptung, dass der Beschwerdeführer - der rechtzeitig einen Asylantrag gestellt hatte, über den zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht rechtskräftig entschieden war - vor seiner Einreise nach Österreich in keinem Land Schutz gefunden habe und daher nicht ohne vorherige Prüfung hätte zurückgewiesen werden dürfen, nicht auseinander. Damit belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einem sekundären Verfahrensmangel, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war (vgl. dazu die hg Erkenntnisse vom 14. September 2000, Zl. 97/21/0049 und Zl. 97/21/0391 mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, wobei das Mehrbegehren im Hinblick darauf abzuweisen war, dass nur eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides vorzulegen war.

Wien, am 5. Oktober 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1996210927.X00

Im RIS seit

05.02.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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