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82/05 Lebensmittelrecht;Norm
LMG 1975 §18 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde des M in Salzburg, vertreten durch Dr. Ruth Hütthaler-Brandauer, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Otto-Bauer-Gasse 4, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 3. April 2000, Zl. 333.179/1-IX/B/12/00, betreffend Untersagung nach § 18 Abs. 2 Lebensmittelgesetz 1975, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 26. Jänner 2000 meldete der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde das Produkt "Hansa Vital Vitamin C-Pulver" als Verzehrprodukt an. Er führte aus, es handle sich um reine Ascorbinsäure, die laut Auslobung bis zur Abdeckung des Tagesbedarfs mit 75 mg in Wasser, Tee oder Fruchtsaft zu geben sei.
Die belangte Behörde holte eine fachkundige Stellungnahme ein. Danach bestehe das in Rede stehende Produkt aus dem pharmakologisch wirksamen Bestandteil Vitamin C (reiner Ascorbinsäure). Nach der einschlägigen Fachliteratur kämen den Inhaltsstoffen des Erzeugnisses zweifelsfreie spezifische pharmakologische Wirkungen zu. Vitamin C sei biologisch wichtig als Redoxsubstanz aller Körperzellen und als Gefäßschutzstoff (Endothelschutz für die Kapillarenabdichtung). Da es im menschlichen Organismus nicht synthetisierbar sei, seien ernährungsbedingte Mangelerscheinungen bis hin zum Skorbut möglich. Die medizinische Anwendung von Vitamin C erfolge bei Vergiftungen, Infektionen, während der Wundheilung und in der Schwangerschaft. Eine Kapsel der zugelassenen Arzneispezialität "Multibionta-Kapseln" beinhalte neben anderen Vitaminen u.a. 30 mg Vitamin C. Die zugelassene Arzneispezialität "Vitaplex-Dragees" enthalte neben anderen Vitaminen u.a. 30 mg Vitamin C. Gemäß der auf dem Produkt aufscheinenden Einnahmeempfehlung sei das gegenständliche "Vitamin C Pulver" eindeutig zur Prophylaxe bzw. Therapie von Vitamin C-Mangelerscheinungen bestimmt und auch geeignet.
Nach Vorhalt dieses Beweisergebnisses führte der Beschwerdeführer unter anderem aus, nach der Einstufungspraxis der belangten Behörde würden Kapsel- und Tablettenprodukte bis zu einer Tagesdosis von 100 mg Vitamin C als Verzehrprodukte gelten. Es mache keinen Unterschied, ob Vitamin C in Form von Ascorbinsäure in Kapseln oder Tabletten mit bis zu 100 mg pro Tag verpackt oder messerspitzenweise in Wasser gegeben werde.
Mit dem angefochtenen Bescheid untersagte die belangte Behörde gemäß § 18 Abs. 2 LMG das Inverkehrbringen des vom Beschwerdeführer am 26. Jänner 2000 angemeldeten Produktes "Vitamin C Pulver von Hansa Vital" als Verzehrprodukt. Nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage führte die belangte Behörde begründend aus, die Feststellung, dass dem in Rede stehenden Produkt nach der allgemeinen Verkehrsauffassung näher beschriebene arzneiliche Wirkungen zukämen, beruhe auf der Tagesdosis, die mit dem in Rede stehenden Produkt in seiner konkreten Darreichungsform zugeführt werde. Der Einwand des Beschwerdeführers, dass es angesichts der Einstufungspraxis, wonach Vitamin C in Form von Tabletten oder Kapseln bis zu 100 mg pro Tag als Verzehrprodukt gelte, keinen Unterschied mache, ob dieses in Form von Ascorbinsäure messerspitzenweise in Wasser gegeben oder in Kapseln oder Tabletten verpackt werde, erweise sich demnach als nicht stichhaltig, zumal damit auch keine neuen sachverhaltsrelevanten Elemente aufgezeigt würden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde trägt unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. April 1997, Zl. 95/10/0131, vor, bei Vitaminpräparaten handle es sich nach deren objektiver Zweckbestimmung im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 AMG um Arzneimittel, wenn ihnen wegen der hohen Konzentration an Vitaminen, die - bei Gebrauch der Präparate im Sinne der Einnahmeempfehlung - den täglichen Bedarf des gesunden Erwachsenen übersteige, eine objektiv arzneiliche Wirkung im Sinne einer Prophylaxe oder Therapie von Vitaminmangelerscheinungen zukäme. Das angemeldete Produkt entfalte bei Einhaltung der Einnahmeempfehlung von 75 mg Vitamin C pro Tag keine objektiv arzneiliche Wirkung. Die belangte Behörde habe zahlreiche Vitaminprodukte als Verzehrprodukt eingestuft, wobei Ascorbinsäure in Tablettenform oder in Kapseln mit einer Einnahmeempfehlung von 100 mg pro Tag verabreicht werde.
Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich mit der Frage der Arzneimitteleigenschaft von Vitaminpräparaten auf Grund ihrer objektiven Zweckbestimmung bereits mehrfach zu befassen (vgl. die Erkenntnisse vom 28. April 1997, 95/10/0131, und 96/10/0239, vom 7. September 1998, 97/10/0242, sowie vom 19. Oktober 1998, 97/10/0152, und 97/10/0043); auf die Darlegungen der erwähnten Entscheidungen zu den Anforderungen an ein gesetzmäßiges Ermittlungsverfahren wird verwiesen.
Der angefochtene Bescheid beruht auf der Bejahung der Arzneimitteleigenschaft des Produktes auf der Grundlage seiner objektiven Zweckbestimmung. Mit der Frage der Arzneimitteleigenschaft auf Grund der subjektiven Zweckbestimmung (nach Art und Form des Inverkehrbringens) hat sich der Verwaltungsgerichtshof somit nicht zu befassen; vielmehr hängt die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides davon ab, ob die Auffassung, dem Produkt kämen objektiv-arzneiliche Wirkungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 bis 4 AMG zu, in einem mängelfreien Verfahren gewonnen wurde. Dies ist aus folgenden Gründen jedoch nicht der Fall:
Zwar wird in der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegten fachkundigen Stellungnahme nach Hinweisen auf die der Ascorbinsäure im Allgemeinen zukommende pharmakologischen Wirkung dargelegt, dass "gemäß der auf dem Produkt aufscheinenden Einnahmeempfehlung das gegenständliche Vitamin C Pulver eindeutig zur Prophylaxe bzw. Therapie von Vitamin C-Mangelerscheinungen bestimmt und auch geeignet" sei. Erfahrungssätze oder wissenschaftliche Erkenntnisse, auf deren Grundlage sich die Schlüssigkeit der Auffassung, dem Produkt kämen die beschriebenen objektiv-arzneilichen Wirkungen bei Gebrauch im Sinne der Einnahmeempfehlung zu, werden nicht genannt. Diese Stellungnahme legte die belangte Behörde ungeachtet des Vorbringens des Beschwerdeführers, wonach solche Wirkungen bei einer täglichen Dosis von weniger als 100 mg Ascorbinsäure nicht zu erwarten seien, ohne nähere Begründung ihrem Bescheid zu Grunde. Auch eine Begründung, wonach sich die objektiv-arzneiliche Wirkung des Produktes im vorliegenden Fall aus seiner Darreichungsform ergebe, fehlt.
Der angefochtene Bescheid ist daher rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; er war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. Oktober 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000100075.X00Im RIS seit
24.11.2000