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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrÄG 2011;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der Bundespolizeidirektion Innsbruck (nunmehr Landespolizeidirektion Tirol) in 6020 Innsbruck, Innrain 34, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 17. November 2011, Zl. uvs-2011/30/2441-2, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbots (mitbeteiligte Partei: F), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid gab der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol (in der Folge kurz als "Behörde" bezeichnet) der Berufung der mitbeteiligten Partei gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Innsbruck, mit dem ihr Antrag auf Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes abgewiesen wurde, Folge und behob das Aufenthaltsverbot gemäß § 69 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG.
Zur Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, mit Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion Tirol vom 28. September 2005 sei gegen den Mitbeteiligten ein rechtskräftiges unbefristetes Aufenthaltsverbot für das österreichische Bundesgebiet erlassen worden. Dem Aufenthaltsverbot lägen Verurteilungen durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 14. Februar 2005 und 21. Juli 2005 wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz zugrunde, wofür der Mitbeteiligte jeweils zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten (in einem Fall davon sechs Monate bedingt) verurteilt worden sei, weil er anderen gewerbsmäßig Suchtgift zum Verkauf überlassen bzw. zu überlassen versucht habe. Mit weiterem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. Mai 2007 sei über ihn neuerlich nach dem Suchtmittelgesetz eine unbedingte Freiheitsstrafe von 20 Monaten verhängt worden.
Der Mitbeteiligte sei am 2. Jänner 2005 illegal mit dem Zug über Italien nach Österreich eingereist. Der am selben Tag gestellte Asylantrag sei mit rechtskräftigem Bescheid vom 26. November 2008 in Verbindung mit einer Ausweisung abgewiesen worden. Der Mitbeteiligte halte sich seit dem negativen Abschluss des Asylverfahrens unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Er lebe mit seiner Lebensgefährtin M.Z., einer bulgarischen Staatsangehörigen, zusammen. Am 7. September 2011 sei das - laut Angaben der M.Z. - gemeinsame Kind geboren worden; es sei davon auszugehen, dass es sich bei dem Kind um einen bulgarischen Staatsgehörigen handle und der Mitbeteiligte dessen leiblicher Vater sei. Mit Schriftsatz vom 1. März 2011 habe der Mitbeteiligte die Aufhebung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes beantragt.
Das Aufenthaltsverbot vom 28. September 2005 - so die weitere Bescheidbegründung - habe auf Grund der Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 3 FPG seit 1. Jänner 2006 als unbefristetes Rückkehrverbot gegolten. Mit der Durchsetzbarkeit der am 26. November 2008 in Rechtskraft erwachsenen Ausweisung gemäß § 10 AsylG gelte das Rückkehrverbot gemäß § 54 Abs. 9 FPG als Einreiseverbot.
Zu prüfen sei, ob zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund der vorliegenden Umstände weiterhin ein unbefristetes Aufenthaltsverbot bzw. ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen werden könnte. Aufgrund der seit 1. Juli 2011 geltenden wesentlich geänderten Bestimmungen betreffend aufenthaltsbeendende Maßnahmen (mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 - FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38/2011) sei trotz der zwischenzeitlich erfolgten neuerlichen Verurteilung des Mitbeteiligten im Jahr 2007 zu einer 20-monatigen Haftstrafe die Verhängung eines unbefristeten Einreiseverbotes, Rückkehrverbotes und Aufenthaltsverbotes jedenfalls nicht zulässig, da die Verurteilungen nicht unter die in § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 FPG angeführten schwerwiegenden Tatbestände subsumiert werden könnten. Da sich der Mitbeteiligte seit dem negativen Abschluss des Asylverfahrens im Jahr 2008 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, sei im Zeitraum zwischen 1. Juli 2011 (Inkrafttreten des FrÄG 2011) und der Geburt seines Kindes am 7. September 2011 mangels Vorliegens eines Aufenthaltstitels überhaupt kein Aufenthaltsverbot mehr zu verhängen gewesen. Unter der Voraussetzung, dass es sich bei dem am 7. September 2011 geborenen Kind um den Sohn des Mitbeteiligten handle, sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 FPG seit 7. September 2011 wiederum möglich. Ein Aufenthaltsverbot gegen einen begünstigten Drittstaatsangehörigen oder einen Familienangehörigen eines unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers, Schweizer Bürgers oder Österreichers könne gemäß § 67 Abs. 2 FPG höchstens für die Dauer von zehn Jahren erlassen werden. Die Erlassung eines (unbefristeten) Rückkehrverbotes, als das das gegenständliche Aufenthaltsverbot seit 1. Jänner 2006 gegolten habe, sei zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nicht mehr möglich, da der Mitbeteiligte seit dem Jahr 2008 kein Asylwerber mehr sei und ein Rückkehrverbot gemäß § 54 Abs. 1 FPG nur gegen einen Asylwerber erlassen werden könne.
Zusammenfassend führte die Behörde aus, die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Mitbeteiligten sei unabhängig davon, ob es sich dabei um einen unrechtmäßig aufhältigen Fremden oder einen begünstigten Drittstaatsangehörigen gemäß § 65a FPG oder einen Familienangehörigen eines unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers handle, jedenfalls seit 1. Juli 2011 nicht mehr zulässig. Es sei daher der Berufung Folge zu geben gewesen und dem gegenständlichen Antrag auf Aufhebung des mit Bescheid der Sicherheitsdirektion Tirol vom 28. September 2005 verhängten unbefristeten Aufenthaltsverbotes stattzugeben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen gerichtete Beschwerde nach Aktenvorlage erwogen:
Soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im November 2011 sind - soweit nicht im Folgenden auf andere Bestimmungen abgestellt wird - die Bestimmungen des FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 anzuwenden.
Unbestritten reiste der Mitbeteiligte am 2. Jänner 2005 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion Tirol vom 28. September 2005 wurde gegen den Mitbeteiligten ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das österreichische Bundesgebiet nach dem Fremdengesetz 1997 rechtskräftig erlassen. Dieses Aufenthaltsverbot galt gemäß § 125 Abs. 3 FPG nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes mit 1. Jänner 2006 als Rückkehrverbot, weil der Mitbeteiligte zu diesem Zeitpunkt Asylwerber war. Nachdem der Asylantrag des Mitbeteiligten am 26. November 2008 abgewiesen und er aus dem österreichischen Bundesgebiet durchsetzbar ausgewiesen wurde, galt nach § 62 Abs. 4 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38/2011, das Rückkehrverbot als Aufenthaltsverbot.
Nach der Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 16 FPG in der angeführten Fassung bleiben vor Inkrafttreten dieser Bestimmung (das war der 1. Juli 2011) erlassene Aufenthaltsverbote oder Rückkehrverbote bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig. Es bestehen keine Zweifel daran, dass von dieser Bestimmung sämtliche - auch unbefristete - Aufenthalts- bzw. Rückkehrverbote nach § 60 bzw. § 62 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011 erfasst sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 2013, Zl. 2012/21/0142).
Sofern die Amtsbeschwerde davon ausgeht, dass das unbefristete Aufenthaltsverbot seit dem Inkrafttreten des FrÄG 2011 (BGBl. I Nr. 38/2011) als Einreiseverbot gelte, ist dem entgegen zu halten, dass alte Aufenthaltsverbote nach § 125 Abs. 16 FPG als solche weitergelten; von einer Überleitung in das neue Recht ist dabei nicht die Rede (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. August 2012, Zl. 2012/21/0159). Somit ist im vorliegenden Fall - entgegen den Ausführungen in der Amtsbeschwerde - § 69 Abs. 2 FPG anzuwenden.
Gemäß § 69 Abs. 2 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu dessen Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Antrag nach § 69 Abs. 2 FPG auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung der Maßnahme eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Entscheidung über die Aufhebung einer solchen Maßnahme kann die Rechtmäßigkeit jenes Bescheides, mit dem diese Maßnahme erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden. Eine Änderung der Rechtslage kann allerdings den Wegfall eines Grundes für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes darstellen und ist demnach bei der Prüfung der Zulässigkeit der Aufrechterhaltung dieser Maßnahme zu berücksichtigen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 7. November 2012, Zl. 2012/18/0052, mwN und vom 16. Mai 2013, Zl. 2011/21/0272). Insoweit ist der Behörde beizupflichten.
Die Behörde geht jedoch davon aus, dass die Aufrechterhaltung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes aufgrund der nunmehr geänderten Rechtslage nicht mehr zulässig sei, weil die Verurteilungen des Mitbeteiligten nicht unter die in § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 FPG angeführten schwerwiegenden Tatbestände subsumiert werden könnten. Der Mitbeteiligte wurde wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz zu unbedingten Freiheitsstrafen von unter fünf Jahren verurteilt, sodass aufgrund der durch das FrÄG 2011 geänderten Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nur ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von höchstens zehn Jahren hätte erlassen werden dürfen. Da eine Verkürzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes gemäß § 69 Abs. 2 FPG nicht in Betracht kommt, ist dem Umstand, dass auf Grund der geänderten Rechtslage kein unbefristetes Aufenthaltsverbot gegen den Mitbeteiligten erlassen werden dürfte, in der Form nachzukommen, dass nach Ablauf von zehn Jahren das Aufenthaltsverbot (von Amts wegen oder auch auf Antrag) aufzuheben ist, sofern nicht zuvor das Vorliegen einer Gefährdung wegfällt oder aus sonstigen Gründen die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nicht mehr zulässig ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2012, Zl. 2011/18/0267).
Indem die Behörde dies verkannte und das Aufenthaltsverbot mit der Begründung, die Erlassung und damit auch die Aufrechterhaltung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes sei rechtlich nicht mehr zulässig, behob, erweist sich der angefochtene Bescheid als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, weshalb er aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 10. April 2014
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2011220333.X00Im RIS seit
22.05.2014Zuletzt aktualisiert am
05.06.2014