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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
VStG §16;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde der M H in Wien, vertreten durch Mag. Adolf Konstantino Huber, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 56/8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 4. Juli 2013, Zl UVS- 05/KV/14/3516/2013-4, betreffend Vollzug von Verwaltungsstrafen nach dem KFG, der StVO und dem Wiener Parkometergesetz (weitere Parteien: 1. Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, 2. Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Nachdem die Beschwerdeführerin aufgrund rückständiger Verwaltungsstrafen nach dem KFG, der StVO und dem Wiener Parkometergesetz zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafen aufgefordert worden war, beantragte sie mit Schriftsatz vom 26. November 2012 den Aufschub der Strafe zum Zweck der Erbringung gemeinnütziger Leistungen gemäß § 3a Strafvollzugsgesetz (StVG). Sie verwies dazu auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Oktober 2012, B 1070/11, betreffend den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen nach dem Finanzstrafgesetz und machte geltend, dass ein derartiger Antrag (auf Strafaufschub zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen) auch in Verwaltungsstrafsachen möglich sein müsse.
Der Magistrat der Stadt Wien wies den Antrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 1. März 2013 ab. Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung, die von der belangten Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid abgewiesen wurde.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides legte die belangte Behörde im Wesentlichen dar, dass die Einleitung des Vollzugs von Freiheitsstrafen in § 53b VStG allgemein sowie hinsichtlich des Vollzugs von Ersatzfreiheitsstrafen in § 54b Abs 2 VStG besonders geregelt sei. Anders als nach § 3 Abs 1 dritter Satz StVG habe der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 54b Abs 2 zweiter Satz VStG (nur) zu unterbleiben, soweit die ausstehende Geldstrafe erlegt werde. Ein Rückgriff auf die §§ 3 und 3a StVG scheide schon deswegen aus, weil in § 54b Abs 2 zweiter Satz VStG abschließend geregelt sei, unter welchen Voraussetzungen der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe unterbleiben könne bzw zu unterbleiben habe. Zudem komme - was näher dargelegt wird - eine Anwendung von Bestimmungen des StVG auch im Fall des Vollzugs der Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 53 Abs 1 vorletzter und letzter Satz und § 53 Abs 2 VStG in einem gerichtlichen Gefangenenhaus oder einer Strafvollzugsanstalt - was für den zu beurteilenden Fall aber nicht zutreffe - erst ab dem Zeitpunkt des Strafantritts überhaupt in Betracht. Die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 11. Oktober 2012, B 1070/11, zum Verhältnis von § 175 Abs 2 FinStrG und den §§ 3 und 3a StVG angestellten Überlegungen seien auf die Rechtslage nach dem VStG daher nicht übertragbar.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 12. Dezember 2013, B 924/2013, ablehnte und sie gemäß § 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Im vorliegenden Beschwerdefall sind gemäß § 8 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des B-VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung und des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.
2. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, Aufschub der Ersatzfreiheitsstrafe zum Zweck der Erbringung gemeinnütziger Leistungen gemäß § 3a StVG "iVm § 52d VStG" (gemeint wohl: § 53d VStG) beantragen zu können.
Sie macht unter Hinweis auf ihre Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof geltend, die belangte Behörde habe dem Gesetz einen verfassungswidrigen, weil gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt. Sie komme, nur weil Hafträume der Behörde erster Instanz vorhanden seien, nicht in den Genuss der Bestimmungen des StVG und könne insbesondere keinen Antrag auf Strafaufschub zum Zweck der Erbringung gemeinnütziger Leistungen stellen. Ausgehend vom Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Oktober 2012,
B 1070/11, lasse sich die differenzierte Behandlung nicht sachlich rechtfertigen, zumal es ausschließlich vom Aufenthaltsort bzw Wohnort eines Bescheidadressaten abhänge, ob er in den Genuss der Anwendung der Bestimmungen über den Aufschub des Strafvollzuges zum Zwecke der Erbringung gemeinnütziger Leistungen komme.
3. Gemäß § 53 Abs 1 VStG ist die Freiheitsstrafe im Haftraum der Behörde zu vollziehen, die in erster Instanz entschieden hat oder der der Strafvollzug gemäß § 29a übertragen worden ist. Können diese Behörden die Strafe nicht vollziehen oder verlangt es der Bestrafte, so ist die dem ständigen Aufenthalt des Bestraften nächstgelegene Bezirksverwaltungsbehörde oder Landespolizeidirektion um den Strafvollzug zu ersuchen, wenn sie über einen Haftraum verfügt. Kann auch diese Behörde die Strafe nicht vollziehen, so ist der Leiter des gerichtlichen Gefangenenhauses, in dessen Sprengel der Bestrafte seinen ständigen Aufenthalt hat, um den Strafvollzug zu ersuchen. Dieser hat dem Ersuchen zu entsprechen, soweit dies ohne Beeinträchtigung anderer gesetzlicher Aufgaben möglich ist.
Gemäß § 53d Abs 1 VStG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf den Vollzug von Freiheitsstrafen in gerichtlichen Gefangenenhäusern oder Strafvollzugsanstalten die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit achtzehn Monate nicht übersteigt, mit Ausnahme der §§ 31 Abs 2, 32, 45 Abs 1, 54 Abs 3, 115, 127, 128, 132 Abs 4 und 149 Abs 1 und 4 sinngemäß anzuwenden, soweit dies nicht zu Anlass und Dauer der von der Verwaltungsbehörde verhängten Freiheitsstrafe außer Verhältnis steht.
Gemäß § 54b Abs 2 VStG ist, soweit eine Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist, die dem ausstehenden Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen. Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe hat zu unterbleiben, soweit die ausstehende Geldstrafe erlegt wird. Darauf ist in der Aufforderung zum Strafantritt hinzuweisen.
4. Der Verfassungsgerichtshof hatte in seinem Erkenntnis vom 12. Dezember 2013, B 628/2013, vor dem Hintergrund eines Beschwerdefalles mit im Wesentlichen vergleichbaren Sachverhalt keine Bedenken gegen die den Vollzug einer (Ersatz-)Freiheitsstrafe regelnden Bestimmungen des VStG. Der Verfassungsgerichtshof hielt fest, dass es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liege, die im StVG eingeräumte Möglichkeit der Erbringung gemeinnütziger Leistungen anstelle des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe auch im VStG vorzusehen oder in diesem Bereich nicht zu gewährleisten. Von diesem Gestaltungsspielraum hat der Gesetzgeber dahingehend Gebrauch gemacht, dass er die Bestimmungen der §§ 3 und 3a StVG im Verwaltungsstrafverfahren nicht für anwendbar erklärt hat.
Auf dieses Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof auch in seinem Beschluss vom 12. Dezember 2013, B 924/2013, mit dem er die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde der Beschwerdeführerin ablehnte, verwiesen.
Die Beschwerdeführerin hat in ihrer ergänzten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof kein Vorbringen erstattet, das inhaltlich über das bereits in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof Vorgebrachte hinausginge. Vor dem Hintergrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2013, B 628/2013, kann der Beschwerdeführerin daher darin nicht gefolgt werden, dass die belangte Behörde dem Gesetz einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt hätte, indem sie ihr keinen Strafaufschub zur Erbringung von gemeinnützigen Leistungen gewährte.
5. Die Beschwerde war daher, da schon ihr Inhalt erkennen ließ, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 24. April 2014
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:RO2014020022.J00Im RIS seit
23.05.2014Zuletzt aktualisiert am
04.08.2014