Index
19/05 Menschenrechte;Norm
LMG 1975 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde des M in Wien, vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilferstraße 1d, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 22. Dezember 1997, Zl. 17/241-2/1996, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Innsbruck vom 29. Oktober 1996 wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der B-GmbH mit dem Sitz in
W. zu verantworten, dass näher bezeichnete Produkte, deren Inverkehrbringen als Verzehrprodukte mit Bescheiden des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom
21. und 22. November 1994 untersagt worden sei, am 23. Februar 1995 durch Feilhalten in der Niederlassung der B-GmbH in Innsbruck, B-Straße 2 in Verkehr gebracht worden seien. Er habe hiedurch Übertretungen nach § 74 Abs. 4 Z. 4 iVm § 18 Abs. 2 LMG begangen. Es wurden sieben Geldstrafen zu je S 2.000,-- verhängt.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Er machte geltend, das Straferkenntnis sei mangelhaft, weil daraus nicht hervorgehe, wem das Inverkehrbringen der betreffenden Produkte untersagt worden sei. Es berücksichtige weiters nicht, dass die Produkte am 22. Februar 1995 neuerlich angemeldet worden seien und daher gemäß § 18 Abs. 1 LMG am 23. Februar 1995 hätten in Verkehr gebracht werden dürfen. Der Beschwerdeführer sei überdies längst nicht mehr Geschäftsführer der B-GmbH. "Andere Vorhalte" wären längst verjährt (§ 74 Abs. 6 LMG).
Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab. Begründend wurde zunächst der wesentliche Inhalt der gegenüber der P-GmbH gemäß § 18 Abs. 2 LMG ergangenen Untersagungsbescheide vom
21. und 22. November 1994 dargelegt. Produzent der von der P-GmbH angemeldeten Produkte sei die A-GmbH. Letztere habe die mit den erwähnten Bescheiden untersagten Produkte ohne Änderung von Zusammensetzung und Aufmachung am 22. Februar 1995 neuerlich angemeldet. Dies ändere nichts an der Wirksamkeit der Untersagungsbescheide, weil ein bloßer Wechsel der anmeldenden Partei ohne Änderung der Sachlage vorliege. Die neuerliche Anmeldung bewirke im Hinblick auf die Identität der angemeldeten Produkte mit den zuvor untersagten nicht, dass das Inverkehrbringen bis zu einer weiteren Untersagung erlaubt sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete aber auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde macht zunächst geltend, die Rechtskraftwirkung der gegenüber der P-GmbH ergangenen Untersagungsbescheide könne sich begrifflich nur auf den Anmelder, die P-GmbH, erstrecken. Auch ihre Tatbestandswirkung währe nur solange, als keine neuerliche Anmeldung erfolge, zu der jedermann berechtigt sei, auch wenn dieselbe Ware einem anderen Anmelder zuvor bereits untersagt worden sei. Die Legitimationswirkung einer Anmeldung nach § 18 Abs. 1 LMG sei nämlich unbedingt und könne nur durch neuerliche Untersagung beseitigt werden. Der Beschwerdeführer habe als Geschäftsführer der B-GmbH keinem gegen die P-GmbH ergangenen Bescheid zuwiderhandeln können. Vielmehr hätte er lediglich ohne die erforderliche Anmeldung in Verkehr bringen und damit § 18 Abs. 1 iVm § 74 Abs. 5 Z. 3 LMG zuwiderhandeln können, weil auf Grund eines Untersagungsbescheides gegen den Anmelder das Produkt gegenüber Dritten bloß in den "Zustand der Nichtanmeldung" zurückfalle. Dieser sei jedoch durch die am 22. Februar 1995 eingelangte Anmeldung der A-GmbH "behoben" worden, sodass dem Beschwerdeführer auch kein Verstoß gegen § 18 Abs. 1 LMG zur Last falle.
Gemäß § 18 Abs. 1 LMG ist es verboten, Verzehrprodukte vor ihrer Anmeldung beim Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz (derzeit: Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen) in Verkehr zu bringen.
Nach § 18 Abs. 2 LMG hat der Bundesminister das Inverkehrbringen einer als Verzehrprodukt angemeldeten Ware mit Bescheid unverzüglich, längstens binnen drei Monaten zu untersagen, wenn sie den Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder seiner Verordnungen nicht entspricht.
Nach § 74 Abs. 4 Z. 4 LMG begeht eine Verwaltungsübertretung,
wer den nach ... § 18 Abs. 2 ... LMG getroffenen Anordnungen
zuwiderhandelt.
Nach § 74 Abs. 5 Z. 3 begeht eine Verwaltungsübertretung wer
den Bestimmungen der ... § 18 Abs. 1 ... LMG zuwiderhandelt.
Die Übertretung nach § 74 Abs. 4 Z. 4 LMG begeht somit, wer eine Ware, deren Inverkehrbringen als Verzehrprodukt untersagt wurde, in Verkehr bringt.
Im Beschwerdeverfahren ist nicht strittig, dass diese Tatbestandsvoraussetzungen - das Inverkehrbringen einer Ware, deren Inverkehrbringen als Verzehrprodukt gemäß § 18 Abs. 2 LMG untersagt wurde - vorliegen. Der Beschwerdeführer bestreitet mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen seine strafrechtliche Verantwortlichkeit im Hinblick darauf, dass sich der Untersagungsbescheid nicht an die B-GmbH, sondern an die P-GmbH gerichtet habe.
Dies ist im vorliegenden Zusammenhang nicht zielführend. § 74 Abs. 4 Z. 4 LMG knüpft die Strafbarkeit an ein Zuwiderhandeln gegen das allgemeine, in § 74 Abs. 4 Z. 4 iVm § 18 Abs. 2 LMG normierte Verbot, Waren, deren Inverkehrbringen als Verzehrprodukt untersagt wurde, in Verkehr zu bringen. Bei der Ermittlung des Kreises der Adressaten dieses Verbotes ist das durch § 18 LMG und die daran anknüpfenden Strafvorschriften normierte System von Anmeldungspflicht und Untersagung in den Blick zu nehmen.
§ 18 Abs. 1 LMG iVm § 74 Abs. 5 Z. 3 LMG soll Gewähr leisten, dass Waren, die als Verzehrprodukte in Verkehr gebracht werden, einer Überprüfung durch die Lebensmittelbehörde auf ihre Eigenschaft als Verzehrprodukte wie auch auf die Übereinstimmung von Beschaffenheit und Aufmachung mit den Vorschriften des LMG und seiner Verordnungen unterzogen werden können. Zur Anmeldung ist jeder berechtigt, der eine Ware als Verzehrprodukt in Verkehr bringen will (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 1979, Zl. 2327/77). Zur Anmeldung ist im Hinblick auf die zitierten Vorschriften aber auch jeder verpflichtet, der eine Ware als Verzehrprodukt in Verkehr bringen will, sofern die Ware nicht schon von einem anderen (etwa dem Hersteller oder Importeur) bei der Behörde wirksam angemeldet wurde. Wer Verzehrprodukte in Verkehr bringt, die er nicht selbst angemeldet hat, kann sich somit im Hinblick auf seine Strafbarkeit nach § 74 Abs. 5 Z. 3 LMG auf die Anmeldung durch einen Dritten berufen.
Die Anmeldung ändert aber nichts an der Strafbarkeit im Hinblick auf andere Tatbestände des § 74 LMG. Auch dem Ablauf der Frist des § 18 Abs. 2 LMG ohne Untersagung (der "Nichtuntersagung") kommt nicht die Wirkung einer mit Rechtskraft ausgestatteten Entscheidung über die rechtliche Qualität dieser Ware als Verzehrprodukt (und umso weniger über die Übereinstimmung von Beschaffenheit und Aufmachung mit den sonstigen Vorschriften) zu (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1995, Zl. 93/10/0235); aus der bloßen "Nichtuntersagung" kann nicht unmittelbar auf die Rechtmäßigkeit des Inverkehrbringens geschlossen werden (vgl. das Erkenntnis vom 31. Mai 1999, Zl. 98/10/0366). Allerdings ist bei der Beurteilung der Schuldfrage in einem wegen der Übertretung lebensmittelrechtlicher Vorschriften eingeleiteten Strafverfahren zu prüfen, ob die "Nichtuntersagung" im konkreten Fall geeignet war, beim Beschuldigten "guten Glauben" in Richtung der Übereinstimmung des Produktes mit den lebensmittelrechtlichen Vorschriften und somit einen entschuldigenden Rechtsirrtum zu erzeugen. Die tatsächliche Wirkung einer "Nichtuntersagung" ist somit nicht auf den Anmeldenden beschränkt.
§ 74 Abs. 4 Z. 4 und § 74 Abs. 5 Z. 3 LMG dienen dem Verbraucherschutz; die Vorschriften sollen Gewähr leisten, dass Waren nicht ohne Überprüfung durch die Behörde und entgegen einer Untersagung als Verzehrprodukte in Verkehr gebracht werden. Dieser Zweck würde bei einem - auch vom Wortlaut her nicht nahe liegenden - Verständnis der Regelung nicht erreicht, wonach die Untersagung nur gegenüber dem Anmeldenden wirke, das den Gegenstand der Untersagung bildende Produkt von jedem anderen in der Vertriebskette hingegen ohne Verstoß gegen § 74 Abs. 4 Z. 4 LMG in Verkehr gebracht werden dürfe. Könnte überdies, wie dies der Beschwerde vorschwebt, die Tatbestandswirkung einer Untersagung schon durch nachfolgende Anmeldung durch einen Dritten beseitigt werden, würde das System des § 18 LMG völlig leer laufen.
Jeder, der eine Ware als Verzehrprodukt in Verkehr bringt, hat somit dafür einzustehen, dass diese angemeldet und nicht untersagt wurde. Daraus resultiert die Pflicht desjenigen, der nicht selbst angemeldet hat, zur Einrichtung eines Kontrollsystems, das gewährleistet, dass nicht Waren als Verzehrprodukte ohne Anmeldung bzw. entgegen einer Untersagung in Verkehr gebracht werden.
Bei der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt. Es lag daher am Beschwerdeführer, im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG initiativ die von ihm getroffenen Maßnahmen darzulegen, die gewährleisten sollten, dass Waren nicht trotz Untersagung durch die Behörde als Verzehrprodukte in Verkehr gebracht würden. Das Vorbringen der Beschwerde, dass die Untersagung gegenüber der P-GmbH erfolgt sei, konnte daher nicht zur Entlastung des Beschwerdeführers führen. Ebenso wenig ist der Einwand zielführend, dass nach der Untersagung eine weitere Anmeldung desselben Produktes durch einen Dritten erfolgt sei. Die neuerliche Anmeldung ändert nichts an der Verwirklichung des Tatbestandsmerkmales des Inverkehrbringens einer als Verzehrprodukt angemeldeten Ware, deren Inverkehrbringen untersagt wurde. Die Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs. 5 Z. 3 LMG (Inverkehrbringen von Verzehrprodukten vor ihrer Anmeldung) wurde dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen.
Die Beschwerde macht weiters geltend, die belangte Behörde habe sich mit den weiteren Einwänden, es wäre am 9. April 1996 hinsichtlich der Tathandlung vom 23. Februar 1995 bereits Verfolgungsverjährung eingetreten und der Beschwerdeführer wäre nicht mehr handelsrechtlicher Geschäftsführer der B-GmbH, nicht auseinander gesetzt. Mit diesem Vorbringen sei nicht nur unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet worden, sodass mangels Vorliegens der sonstigen Voraussetzungen des § 51e Abs. 2 VStG über die Berufung zu verhandeln gewesen wäre.
Der Beschwerdeführer hatte in der Berufung die Durchführung einer Verhandlung nicht verlangt. Die belangte Behörde konnte daher unter anderem dann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wurde (§ 51e Abs. 2 in der im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung BGBl. Nr. 620/1995). Die Berufungsverhandlung soll der Klärung von Fragen des Sachverhaltes dienen. Hängt die Entscheidung nach dem Inhalt der Berufung nur von Rechtsfragen ab, kann eine mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs. 2 VStG unterbleiben, wenn ihre Anberaumung nicht ausdrücklich verlangt wird (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 11. Mai 1998, Zlen. 95/10/0083, und 0092, sowie die darin zitierte Vorjudikatur). Im Beschwerdefall hatte die belangte Behörde keine strittigen Fragen des Sachverhaltes zu lösen. Der Verjährungseinwand war im Berufungsverfahren ohne Anführung konkreter Tatsachen erhoben worden; die belangte Behörde konnte ihn auf Grund des aktenkundigen Sachverhaltes (Tatzeitpunkt 23. Februar 1995; Aufforderung zur Rechtfertigung abgefertigt am 26. April 1995) im Hinblick auf § 74 Abs. 7 LMG und § 31 Abs. 1 VStG als unberechtigt erkennen.
Das Vorbringen der Berufung, der Beschwerdeführer sei längst nicht mehr Geschäftsführer der B-GmbH, bezog sich ebenfalls nicht auf ein relevantes Sachverhaltselement; maßgeblich war im vorliegenden Zusammenhang die Eigenschaft als Geschäftsführer (nicht im Zeitpunkt der Erhebung der Berufung, sondern) im Tatzeitpunkt. Diese konnte die belangte Behörde auf Grund des aktenkundigen, auf den Stichtag 23. Februar 1995 bezogenen Auszuges aus dem Firmenbuch, wonach der Beschwerdeführer am Stichtag Geschäftsführer der B-GmbH war, feststellen. Gegen diese Feststellung trägt auch die Beschwerde nichts vor.
Im Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung liegt somit kein Verfahrensmangel.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. Oktober 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998100053.X00Im RIS seit
28.11.2000