TE Vwgh Erkenntnis 2014/4/24 2013/08/0050

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Veröffentlicht am 24.04.2014
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs3 litb;
AlVG 1977 §12 Abs6 litc;
AlVG 1977 §36a Abs2;
AlVG 1977 §36a Abs5 Z1;
AlVG 1977 §36a Abs7 idF 1998/I/148;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätinnen Dr. Julcher und Mag. Rossmeisel sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter und Richterinnen, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des Dr. G R in G, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid des Arbeitsmarktservice Burgenland vom 14. Jänner 2013, Zl. LGS-Bgld./KP1/0566/2012, betreffend Widerruf und Rückforderung vom Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 10. Juli 2009 widerrief die belangte Behörde gegenüber dem Beschwerdeführer den Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum 4. April bis 6. Mai 2007, weil sein Beschäftigungsverhältnis nicht beendet worden sei, und verpflichtete ihn zur Rückzahlung eines Betrages von EUR 1.452,66. Dieser Bescheid wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. Oktober 2011, Zl. 2009/08/0187, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben, weil die belangte Behörde keine Feststellungen dazu getroffen hatte, ob der Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich (weiterhin) in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden war.

Mit dem Ersatzbescheid vom 15. März 2012 behob die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid. In den Daten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger scheine zwar eine Versicherung auf Grund eines Dienstverhältnisses bis einschließlich 6. Mai 2007 auf, sämtliche anderen aktenkundigen Umstände (insbesondere die - nach Ausspruch einer Entlassung am 30. März 2007 - in einem Vergleich vereinbarte einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses mit 31. März 2007) sprächen jedoch dagegen.

In der Folge nahm die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) Ermittlungen dahingehend auf, ob eine die Arbeitslosigkeit ausschließende selbständige Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers vorgelegen hatte. Eine Abfrage der Einkommensteuerdaten ergab für das Jahr 2007 Einkünfte aus selbständiger Arbeit in der Höhe von insgesamt EUR 18.316,96.

Der Beschwerdeführer nahm dazu mit E-Mail vom 10. Mai 2012 Stellung. Er erklärte, dass die Einkünfte aus selbständiger Arbeit auf folgende Tätigkeiten bzw. Einkommensquellen zurückgingen:

1. notärztliche Flugdienste am ÖAMTC-Rettungshubschrauberstützpunkt O., wobei er im Monat 0-1 Flugdienste geleistet habe, die mit EUR 330,-- brutto Aufwandsentschädigung bezahlt worden seien, wovon die Tagesgebühren und das Kilometergeld abzuziehen seien;

2. Funktionsgebühren der Ärztekammer, wobei im Zeitraum 31. März 2007 bis 7. Mai 2007 keine Sitzung stattgefunden habe;

3. Bezüge für die Funktion eines Gemeinderates, wobei die Wahl zum Gemeinderat am 7. Oktober 2007 erfolgt sei;

4. Honorare der Krankenzusatzversicherungen und der BVA. Dabei handle es sich um Honorare der privaten Krankenversicherungen, die zwischen dem Beschwerdeführer als Primarius und seinen ärztlichen Mitarbeitern im Verhältnis 40:60 aufgeteilt worden seien. Diese Honorare seien ausschließlich bis 30. März 2007 erwirtschaftet und nach Abrechnung mit den jeweiligen Versicherungen nachträglich bis zu einem Jahr später ausbezahlt worden. Weitere Honorare aus diesem Titel habe der Beschwerdeführer an seinem neuen Arbeitsort, dem Krankenhaus M., ab Mai 2007 erhalten; auf Grund der dort ausgeübten Tätigkeit sei ihm im Wege der Landesbuchhaltung ein der Funktion entsprechender Anteil an Sondergebühren überwiesen worden.

Unmittelbar nach seiner Entlassung mit Ende März 2007 habe sich der Beschwerdeführer als Wohnsitzarzt angemeldet; im Mai 2007 habe er eine Wahlarztpraxis angemeldet, die aber bis Jahresende außer den Einkünften aus der notärztlichen Tätigkeit für den ÖAMTC-Flugrettungsdienst keine weiteren Umsätze eingebracht habe. Die Eröffnung der Praxis im Haus habe ebenfalls keine Umsätze gebracht; sie sei nur angemeldet worden, um Mitglied der Ärztekammer bleiben zu können.

In einem Aktenvermerk über ein Telefonat mit der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (im Folgenden: SVA) vom 15. Mai 2012 hat das AMS festgehalten, dass laut Auskunft der SVA für den Beschwerdeführer ab 1998 eine Pflichtversicherung nach dem GSVG aufscheine, und zwar für das Jahr 2007 von 1. April bis 2. Mai als Wohnsitzarzt, ab 3. Mai 2007 als Arzt für Allgemeinmedizin und Anästhesist und bis 3. April 2007 als Arzt mit Sondergebühren. Arzt auf Werkvertragsbasis scheine ebenfalls laufend auf, es sei aber fraglich, ob dies den Tatsachen entsprochen habe.

Am 16. Juli 2012 erklärte der Beschwerdeführer niederschriftlich, dass er für seine Tätigkeit beim ÖAMTC als Notarzt monatlich ca. EUR 330,-- (vor Abzug von Tagesgebühren und Kilometergeld) erhalten habe. Während dieser Tätigkeit als Notarzt habe er auch seinen Titel als Hausarzt aufrechterhalten müssen, obwohl keine Tätigkeiten als Hausarzt verrichtet worden seien. Die Differenz auf EUR 18.316,96 seien die Gebühren im Rahmen seiner Tätigkeit bei der KRAGES (Burgenländische Krankenanstalten-GmbH) und ab Mai 2007 bei der Niederösterreichischen Landesregierung (als Trägerin des Krankenhauses M.) gewesen. Diese bezögen sich auf ärztliche Leistungen, die er während seiner unselbständigen Tätigkeit für Leistungen an Patienten mit Zusatzversicherung und mit BVA-Versicherung erbracht habe. Die Gebühren seien von der Dienstgeberin eingesammelt und nach einem vom Land vorgegebenen Schlüssel aufgeteilt worden. Sie seien nicht den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit hinzugerechnet worden, obwohl sie aus dieser Tätigkeit resultiert hätten.

Mit Bescheid vom 17. August 2012 widerrief das AMS gemäß § 24 Abs. 2 iVm § 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 sowie § 12 AlVG für den Zeitraum 4. April 2007 bis 5. Mai 2007 mangels Arbeitslosigkeit das Arbeitslosengeld und verpflichtete den Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes im Gesamtbetrag von EUR 1.452,66.

Begründend führte das AMS aus, dass laut Einkommensteuerbescheid 2007 von einer durchgehenden selbständigen Erwerbstätigkeit auszugehen sei. Das ausgewiesene Einkommen übersteige die Geringfügigkeitsgrenze, weshalb Arbeitslosigkeit nicht vorliege.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer insbesondere vor, er könne sich die Rückforderung nur so erklären, dass die Gebührenzahlungen, die ihm für die Zeit bis 30. März 2007 auf Grund seiner Tätigkeit als Primararzt zugestanden seien, auf das ganze Kalenderjahr 2007 gerechnet worden seien; tatsächlich habe er einige Gebührenzahlungen erst nach der einvernehmlichen Auflösung erhalten, aber nur deshalb, weil die Abrechnungen meistens mehr Zeit beansprucht hätten; sie stammten nur aus seiner Tätigkeit bis zum 30. März 2007.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge.

Sie stellte fest, dass der Beschwerdeführer am 2. April 2007 einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt habe. Im Zuge der Antragstellung habe er erklärt, dass er über ein eigenes Einkommen in der Höhe von EUR 300,-- monatlich verfüge. Gemäß seinen Angaben handle es sich um eine freiberufliche Tätigkeit und um die Tätigkeit eines Notarztes. "Aus dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger" sei eine durchlaufende selbständige Erwerbstätigkeit seit 1. Jänner 1998 ersichtlich. Aus dem Einkommensteuerbescheid 2007 habe entnommen werden können, dass der Beschwerdeführer im "Geschäftsjahr 2007" "Einkünfte aus selbständiger Arbeit bzw. Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb" in der Höhe von EUR 18.316,96 erzielt habe.

Für das Jahr 2007 habe der Beschwerdeführer folgende Tätigkeiten bei der SVA gemeldet: 1. Wohnsitzarzt vom 1. April 2007 bis 2. Mai 2007; 2. Arzt für Allgemeine Medizin und Anästhesist ab 3. Mai 2007; 3. Arzt mit Sondergebühren bis 3. April 2007; 4. Laufende Meldung als Arzt auf Werkvertragsbasis (gesamtes Jahr 2007).

Im zweitinstanzlichen Ermittlungsverfahren sei seitens der ÖAMTC-Zentrale mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2007 insgesamt zwölf Dienste als Notarzt geleitet habe, wobei pro Dienst ein Entgelt von EUR 344,-- bezahlt worden sei. Von der Niederösterreichischen Landesregierung sei mitgeteilt worden, dass im Zeitraum Mai bis Dezember 2007 direkt von der Klinik ausbezahlte Sonderklasse-Gebühren in der Höhe von insgesamt EUR 2.001,16 angefallen seien; die Versteuerung dieser Sonderklasse-Gebühren obliege den Bediensteten selbst. Von der Burgenländischen Krankenanstalten-GmbH seien Sonderklasse-Gebühren in der Höhe von insgesamt EUR 20.162,01 bekannt gegeben worden, die von der Burgenländischen Krankenanstalten-GmbH von Jänner bis Dezember 2007 ausbezahlt worden seien (davon EUR 1.865,05 im April 2007 und EUR 1.816,44 im Mai 2007).

In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, dass aus den beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger gespeicherten Versicherungszeiten ersichtlich sei, dass der Beschwerdeführer seit dem 1. Jänner 1998 selbständig erwerbstätig sei. "Diese GSVG-Versicherung" sei ab 1. Jänner 1998 durchgehend gespeichert und weise keine Lücken auf. Von der SVA sei bekannt gegeben worden, dass es sich um eine durchlaufende selbständige Erwerbstätigkeit handle; es handle sich um die Tätigkeit eines Wahlarztes (vom 1. April 2007 bis 2. Mai 2007), um die Tätigkeit als Arzt für Allgemeinmedizin und Anästhesie (ab 3. Mai 2007), Arzt mit Sondergebühren und Arzt auf Werkvertragsbasis. Eine Ruhendmeldung bzw. eine Unterbrechung der selbständigen Tätigkeit sei vom Beschwerdeführer nicht bei der SVA bekannt gegeben worden, und etwaige Unterbrechungen seien seit Jänner 1998 auch nicht "durchgeführt" worden. Auf Grund der von der SVA erteilten Auskünfte sei somit von einer durchlaufenden selbständigen Erwerbstätigkeit seit 1. Jänner 1998 auszugehen. Ebenso ließen auch die Angaben des Beschwerdeführers bei der Antragstellung, wonach er auch während der Zeit der Arbeitslosigkeit ein Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit erziele, nur den Schluss zu, dass er auch während des Zeitraums vom 4. April 2007 bis zum 6. Mai 2007 als Arzt einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei.

Dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 habe entnommen werden können, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2007 Einkünfte aus selbständiger Arbeit in der Höhe von EUR 18.316,96 erwirtschaftet habe. Dieser Betrag sei um die Sonderausgaben gemäß § 18 EStG 1988 in der Höhe von EUR 100,-- zu verringern. Es verbleibe ein "Einkommen aus dem Gewerbebetrieb" in der Höhe von EUR 18.216,96. Dieses Bruttoeinkommen sei auf die Monate, während welcher der Beschwerdeführer im Jahr 2007 die selbständige Tätigkeit ausgeübt habe, zu aliquotieren. Zumal er im Jahr 2007 keine Unterbrechungen der selbständigen Erwerbstätigkeit gemeldet habe und auch im Widerrufszeitraum seine Dienste als Arzt nach außen hin angeboten habe, sei davon auszugehen, dass er von Jänner bis Dezember 2007 selbständig erwerbstätig gewesen sei. Somit errechne sich ein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen von EUR 1.518,08. Dieses übersteige die im Jahr 2007 anzuwendende Geringfügigkeitsgrenze von EUR 341,16. Das Vorliegen von Arbeitslosigkeit sei somit für den Zeitraum 4. April 2007 bis 6. Mai 2007 nicht anzunehmen gewesen.

Unter selbständiger Erwerbstätigkeit seien alle Arbeitsleistungen zu verstehen, die in persönlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit erbracht würden und die die nachhaltige Erzielung von Einkünften in Geld oder sonstigen Gütern bezweckten, wobei nicht entscheidend sei, ob dieser Zweck regelmäßig erfüllt und in welchem Ausmaß er erreicht werde. Als Beginn der selbständigen Tätigkeit des Beschwerdeführers sei vom 1. Jänner 1998 auszugehen. Von ihm sei auch nicht bestritten worden, dass er freiberuflich tätig sei und dass er aus selbständiger Arbeit ein Einkommen beziehe. Ob die Arbeitstätigkeit nur an einzelnen Tagen oder kontinuierlich entfaltet werde, sei unerheblich. Vielmehr sei der gesamte Zeitraum, während dessen das entgeltliche Anbieten von Dienstleistungen ausgeübt werde, als Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit anzusehen. Auch wenn mangels Nachfrage während eines gewissen Zeitraums keine Tätigkeit angeboten oder ausgeübt werde, werde die Regelmäßigkeit der selbständigen Tätigkeit dadurch nicht beeinträchtigt. Die selbständige Erwerbstätigkeit ende mit der Beendigung der Tätigkeit, wobei die Zurücklegung bzw. Ruhendmeldung der Gewerbeberechtigung bzw. die Abmeldung bei der Sozialversicherungsanstalt ein Indiz der Beendigung darstelle.

Entgegen den Angaben des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren, wonach im besagten Zeitraum ein Flugeinsatz als Notarzt vorgelegen sei, sei im zweitinstanzlichen Ermittlungsverfahren festgestellt worden, dass er im April 2007 zwei Einsätze als Notarzt und im Mai 2007 ebenfalls zwei Einsätze absolviert habe. Entgegen den Angaben des Beschwerdeführers im Zuge der Leistungszuerkennung und im Zuge des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens habe er pro Einsatz EUR 344,-- erhalten.

Auf Grund der beiden Einsätze im April 2007 sei davon auszugehen, dass er über ein Einkommen aus dieser Tätigkeit in der Höhe von EUR 688,-- im Monat April 2007 verfügt habe. Dieser Betrag sei über der im Jahr 2007 anzuwendenden Geringfügigkeitsgrenze gelegen. Zudem sei aus den beiden absolvierten Einsätzen auch davon auszugehen, dass er die Tätigkeit auch während des Zeitraumes 4. April 2007 bis 5. Mai 2007 ausgeübt habe. Auf Grund der Verrichtung der Tätigkeiten eines Notarztes und des Anbietens dieser Dienstleistung auch während der Zeit der Arbeitslosigkeit sei davon auszugehen, dass er seit 1. Jänner 1998 durchlaufend als selbständig Erwerbstätiger tätig sei und dass er dieser Tätigkeit auch während des Zeitraumes 4. April 2007 bis 6. Mai 2007 nachgegangen sei. Zudem habe er bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft angegeben, als Wahlarzt, Allgemeinmediziner, Anästhesist und Vertragswahlarzt seine Dienste nach außen hin anzubieten.

Eine Ablehnung des Antrages auf Arbeitslosengeld wäre von der ersten Instanz vorgenommen worden, wenn der Beschwerdeführer in den eidesstattlichen Erklärungen wahrheitsgemäß ein Bruttoeinkommen über der Geringfügigkeitsgrenze (nämlich den tatsächlich erhaltenen Betrag von EUR 688,--) erklärt hätte.

Auf Grund des Gesagten sei im Jahr 2007 von einer durchlaufenden selbständigen Erwerbstätigkeit auszugehen, welche auf den Tatsachen des Geldflusses, des Anbietens von Dienstleistungen und der Entfaltung und Verrichtung der selbständigen Tätigkeit auch während des besagten Zeitraumes basiere. Da das durchschnittliche monatliche Bruttoeinkommen aus der selbständigen Erwerbstätigkeit die im Jahr 2007 anzuwendende Geringfügigkeitsgrenze überstiegen habe, sei davon auszugehen, dass während des Zeitraums 4. April 2007 bis 6. Mai 2007 die Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit nicht erfüllt worden sei. Das Arbeitslosengeld sei daher zu widerrufen gewesen.

Die Rückforderung gemäß § 25 AlVG sei deswegen gerechtfertigt, weil der Beschwerdeführer falsche Angaben zu seinem Bruttoeinkommen gemacht habe und maßgebliche Angaben verschwiegen habe. Auch der Verjährungseinwand des Beschwerdeführers treffe nicht zu.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. Der Beschwerdeführer räumt ein, dass er im Jahr 2007 durchgehend nach dem GSVG pflichtversichert gewesen ist. Die Tätigkeit als Wahlarzt, als Arzt für Allgemeinmedizin, als Arzt für Anästhesie und als Arzt auf Werkvertragsbasis habe er im maßgeblichen Zeitraum aber nicht ausgeübt. Der in diesem Zeitraum aufscheinende Betrag von EUR 1.865,05 vom 20. April 2007 sei ihm noch auf Grund seiner Arbeit als Primararzt bis Ende März 2007 zugestanden. Eine Aliquotierung des gesamten Jahreseinkommens als Selbständiger auf zwölf Monate hätte daher nicht stattfinden dürfen.

Die Einsätze als Notarzt beim ÖAMTC habe der Beschwerdeführer ausdrücklich gemeldet. Sie seien nicht als Grundlage für die Behauptung einer durchlaufend selbständigen Tätigkeit geeignet. Der Beschwerdeführer habe auch keine unrichtigen Angaben zum erzielten Einkommen gemacht. Bei dem Betrag von EUR 688,-- für zwei Einsätze im Monat April sei von der belangten Behörde nicht beachtet worden, dass jeweils die volle Tagesgebühr sowie die Fahrtkosten in Abzug zu bringen seien.

2. Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG (in der zeitraumbezogen maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 104/2007) ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat. Nach § 12 Abs. 3 lit. b AlVG gilt als arbeitslos (u.a.) nicht, wer selbständig erwerbstätig ist.

Als arbeitslos gilt jedoch gemäß § 12 Abs. 6 lit. c AlVG, wer selbständig erwerbstätig ist bzw. selbständig arbeitet und daraus ein Einkommen gemäß § 36a AlVG erzielt oder im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b AlVG erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 vH des Umsatzes die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt

§ 36a AlVG in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 128/2003 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Einkommen

§ 36a. (1) Bei der Feststellung des Einkommens für die Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit (§ 12 Abs. 6 lit. a bis e), des Anspruchs auf Familienzuschlag (§ 20 Abs. 2 und 5) und für die Anrechnung auf die Notstandshilfe ist nach den folgenden Absätzen vorzugehen.

(2) Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes ist das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, in der jeweils geltenden Fassung, zuzüglich den Hinzurechnungen gemäß Abs. 3 und dem Pauschalierungsausgleich gemäß Abs. 4. Einkommensteile, die mit dem festen Satz des § 67 des Einkommenssteuergesetzes 1988 zu versteuern sind, bleiben außer Betracht. Die Winterfeiertagsvergütung gemäß § 13j Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, BGBl. Nr. 414/1972, in der jeweils geltenden Fassung, bleibt außer Betracht. Bezüge aus einer gesetzlichen Unfallversorgung sowie aus einer Unfallversorgung der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen sind nur zur Hälfte zu berücksichtigen.

...

(5) Das Einkommen ist wie folgt nachzuweisen:

1. bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem die Leistung nach diesem Bundesgesetz bezogen wird, und bis zum Vorliegen dieses Bescheides auf Grund einer jeweils monatlich im nachhinein abzugebenden Erklärung des selbständig Erwerbstätigen und geeigneter Nachweise;

...

(7) Als monatliches Einkommen gilt bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit ein Zwölftel des sich ergebenden Jahreseinkommens, bei nur vorübergehender selbständiger Erwerbstätigkeit das anteilsmäßige Einkommen in den Monaten, in denen selbständige Erwerbstätigkeit vorlag. Bis zum Vorliegen des Einkommensteuerbescheides für das betreffende Kalenderjahr ist das Einkommen in einem bestimmten Kalendermonat jeweils durch Zusammenrechnung des für diesen Kalendermonat nachgewiesenen Einkommens mit den für frühere Kalendermonate desselben Kalenderjahres nachgewiesenen Einkommen geteilt durch die Anzahl der Monate im Kalenderjahr, für die eine Einkommenserklärung vorliegt, zu ermitteln.

3. Bei der Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit nach § 12 Abs. 3 lit. b iVm Abs. 6 lit. c AlVG ist auf Grund des § 36a Abs. 2 und Abs. 5 Z 1 AlVG auf das Einkommen abzustellen, welches im Einkommensteuerbescheid für das jeweilige Kalenderjahr ausgewiesen ist. Schon mit dieser Anordnung ist jedenfalls ausgeschlossen, bei der Ermittlung des gemäß § 12 Abs. 6 lit. c AlVG maßgeblichen Monatseinkommens das Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit aus (vom Steuerbescheid umfassten) Zeiten ohne Arbeitslosengeldbezug außer Betracht zu lassen. Konsequenterweise bestimmt § 36a Abs. 7 AlVG idF der Novelle BGBl. I Nr. 148/1998, dass als monatliches Einkommen bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit ein Zwölftel des sich ergebenden Jahreseinkommens gilt. Die Zwölftelung des sich aus dem Einkommensteuerbescheid ergebenden Jahreseinkommens hat aber dann nicht Platz zu greifen, wenn die selbstständige Erwerbstätigkeit bloß vorübergehend ausgeübt wird (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 2001, Zl. 2002/08/0026).

Weiters ist nur das Einkommen aus jener selbstständigen Erwerbstätigkeit, die dem Anspruch auf Arbeitslosengeld - jeweils zeitraumbezogen - gemäß § 12 Abs. 3 lit. b AlVG zunächst entgegensteht, zu berücksichtigen, wenn es um die Beurteilung der Frage geht, ob im Hinblick auf diese Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 6 lit. c AlVG Arbeitslosigkeit anzunehmen ist. Bei klar abgrenzbaren Tätigkeiten und Einkünften kommt keine Zurechnung des Einkommens aus einer Erwerbstätigkeit in Frage, die im jeweiligen Zeitraum nicht oder nicht mehr ausgeübt worden ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. November 2002, Zl. 2002/08/0032, unter Hinweis auf das grundlegende Erkenntnis vom 15. November 2000, Zl. 96/08/0183). Die klare Abgrenzbarkeit von zeitlich aufeinanderfolgenden selbständigen Erwerbstätigkeiten ist - unabhängig vom Inhalt der jeweiligen Beschäftigung - jedenfalls dann gegeben, wenn nachgewiesen ist, dass die selbständige Erwerbstätigkeit zunächst tatsächlich beendet und erst nach einer gewissen (beitragsrechtlich ins Gewicht fallenden) Zeit wieder neu aufgenommen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. November 2011, Zl. 2009/08/0189, mwN).

4. Die belangte Behörde ist von einer einheitlichen selbständigen Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers im gesamten Jahr 2007 ausgegangen. Dabei konnte sie sich zwar darauf stützen, dass der Beschwerdeführer - sowohl nach den beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger gespeicherten Daten als auch nach seinen eigenen Angaben - durchgehend der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterlegen ist. Er hat aber bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft - wie auch die belangte Behörde festgestellt hat - unterschiedliche Tätigkeiten gemeldet, wobei die Tätigkeit eines "Arztes mit Sondergebühren" - aus der der Großteil der Einkünfte stammte - nur bis zum 3. April 2007 angegeben wurde.

Dass die zum Bezug von Sondergebühren bzw. Sonderhonoraren führende Tätigkeit tatsächlich (spätestens) mit diesem Zeitpunkt beendet wurde, steht mit den weiteren Feststellungen der belangten Behörde im Einklang, wonach das Dienstverhältnis zur Burgenländischen Krankenanstalten-GmbH mit Ende März 2007 endete. Die betreffenden Honorareinnahmen waren nämlich an die Tätigkeit des Beschwerdeführers (als Primarius) in einer dem Burgenländischen Krankenanstaltengesetz 2000 (Bgld. KAG 2000) unterliegenden öffentlichen Krankenanstalt geknüpft: Gemäß § 59 Abs. 1 Bgld. KAG 2000 sind die Abteilungs- und Institutsleiter berechtigt, von den Patienten der Sonderklasse ein Honorar zu verlangen, das gemäß § 59 Abs. 2 Bgld. KAG 2000 zwischen dem Leiter und den übrigen der Abteilung oder dem Institut zugeordneten Ärzten jährlich einvernehmlich zu erfolgen hat, wobei mindestens 60 % weiterzugeben sind. Nach Beendigung seines Dienstverhältnisses zur Burgenländischen Krankenanstalten-GmbH konnte der Beschwerdeführer Leistungen, die zum Bezug solcher Honorare geführt hätten, nicht mehr anbieten, sodass von einer Beendigung auch der selbständigen Erwerbstätigkeit als "Arzt mit Sondergebühren" auszugehen war. Die Tätigkeit als selbständiger Wohnsitzarzt (§ 47 Ärztegesetz) bzw. Notarzt, die der Beschwerdeführer im Widerrufszeitraum ausgeübt hat, ist fallbezogen - mangels jeglicher Wechselbeziehungen - von der Tätigkeit eines Arztes mit Anspruch auf (anteilige) Honorare im Sinn des § 59 Bgld. KAG 2000, die als solche nur in einer Krankenanstalt erfolgen kann, zu unterscheiden. Erst nach dem Widerrufszeitraum - am 7. Mai 2007 - hat der Beschwerdeführer wieder eine Tätigkeit als Spitalsarzt aufgenommen, in deren Rahmen er Ansprüche auf anteilige Sonderhonorare - in diesem Fall nach § 45 des Niederösterreichischen Krankenanstaltengesetzes - erworben hat.

Die belangte Behörde hätte also nicht die gesamten Einkünfte des Beschwerdeführers aus selbständiger Arbeit zwölfteln und den berechneten Betrag der Beurteilung, ob im Widerrufszeitraum die Geringfügigkeitsgrenze überschritten wurde, zugrunde legen dürfen. Dies wäre nur für durchgehend während des gesamten Jahres 2007 ausgeübte Erwerbstätigkeiten - insbesondere jene als Notarzt - in Betracht gekommen. Ob aber schon auf Grund der Tätigkeit als Notarzt die Geringfügigkeitsgrenze überschritten wurde, lässt sich auf Basis der Feststellungen der belangten Behörde nicht beurteilen, weil sie sich nicht damit auseinandergesetzt hat, ob von der durchschnittlichen monatlichen Vergütung in Höhe von EUR 344,-- noch - wie der Beschwerdeführer schon im Verwaltungsverfahren vorgebracht hat - Tagesgelder (§ 4 Abs. 5 iVm § 26 Z 4 EStG 1988) und Fahrtkosten abzuziehen waren.

5. Da die belangte Behörde nach dem Gesagten die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014 weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 24. April 2014

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2013080050.X00

Im RIS seit

22.05.2014

Zuletzt aktualisiert am

01.09.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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