Index
L83009 Wohnbauförderung Wien;Norm
ABGB §90;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Sußner, über die Beschwerde der S W in W, vertreten durch Lansky, Ganzger + partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 3. Juni 2013, Zl. UVS-WBF/52/1505/2013-3, betreffend Wohnbeihilfe (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 50, vom 22. Jänner 2013 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 14. November 2012 auf Gewährung einer Wohnbeihilfe gemäß den §§ 20 bis 25 "bzw." §§ 60 bis 61a des Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetzes - WWFSG 1989 und der dazu ergangenen Verordnung der Wiener Landesregierung, LGBl. Nr. 32/1989, abgewiesen. Dazu führte der Magistrat unter Hinweis auf § 20 Abs. 1 WWFSG 1989 aus, dass der Beschwerdeführerin und deren Ehegatten zwei Wohnsitze zur Verfügung stünden, weshalb der Antrag abzuweisen sei.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe niemals behauptet, dass ihrem Ehegatten und ihr zwei Wohnsitze zur Verfügung stünden. Sie wohne mit ihren fünf Kindern in der Wohnung (in W), für die sie Wohnbeihilfe beantragt habe. Ihr Ehegatte wohne zurzeit im Ausland bei seiner Mutter und warte auf eine Niederlassungsbewilligung für Österreich. Der Beschwerdeführerin und ihren Kindern stehe kein anderer Wohnsitz zur Verfügung.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien (im Folgenden: UVS) vom 3. Juni 2013 der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
Dazu führte der UVS aus, dass die Beschwerdeführerin am 13. September 2005 in Wien mit Y. die Ehe geschlossen habe, die nach wie vor aufrecht sei. Eine der Grundvoraussetzungen für die Gewährung einer Wohnbeihilfe gemäß § 20 Abs. 1 bzw. § 60 Abs. 1 WWFSG 1989 sei, dass der Mieter und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen ausschließlich die (antragsgegenständliche) Wohnung zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses regelmäßig verwendeten. In diesem Zusammenhang sei auf § 90 ABGB hinzuweisen, wonach die Ehegatten zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, verpflichtet seien. "Da für geordnete Zeiten die Einhaltung der Rechtsvorschriften unterstellt werden kann", zeige § 90 ABGB auf, dass jeder der Ehegatten auch in der Wohnung des anderen seinen Wohnsitz nehmen könne. Wenn eine Ehe in zweifelsfreier Kenntnis der Brautleute darüber geschlossen werde, dass diese ihre Verpflichtung zum gemeinsamen Wohnen auf Grund von in ihrer Person begründeten rechtlichen Hindernissen nicht uneingeschränkt erfüllen könnten, so könnten die sich daraus ergebenden Konsequenzen nicht durch die Gewährung einer Wohnbeihilfe kompensiert werden, zumal eine allfällige, für die Eheleute aus einer von ihnen freiwillig herbeigeführten Situation entstehende Belastung durch den Wohnungsaufwand nicht als unzumutbar im Sinne des § 20 Abs. 1 bzw. § 60 Abs. 1 WWFSG 1989 angesehen werden könne. Dies gehe bereits aus § 27 Abs. 1 leg. cit. hervor, wonach zur Ermittlung des Haushaltseinkommens inländische Einkommensnachweise erforderlich seien, welche bei der gegebenen Konstellation nicht von beiden Eheleuten erbracht werden könnten. Daraus sei zu schließen, dass der Gesetzgeber die gegenwärtige Familiensituation der Beschwerdeführerin von vornherein als nicht für die Gewährung von Wohnbeihilfe tauglich erachtet habe.
Da im hier zu beurteilenden Fall eine aufrechte Ehe vorliege und kein Scheidungsverfahren betrieben werde, sei der Ehegatte der Beschwerdeführerin sowohl nach § 90 ABGB als auch nach der Systematik des WWFSG 1989 dem Haushalt der Beschwerdeführerin hinzuzurechnen. Der Ehegatte verbringe jedoch lediglich knapp weniger als die Hälfte eines Kalenderjahres bei seiner Familie in der antragsgegenständlichen Wohnung und lebe die restliche Zeit, somit den knapp überwiegenden Teil des Jahres, bei seiner Mutter in I. Er sei in Österreich aus rechtlichen Gründen an einem regelmäßigen Erwerbseinkommen gehindert und auch im Ausland nicht in der Lage, für den notwendigen Unterhalt seiner Ehegattin und seiner Kinder zu sorgen. Mangels ausreichender Berufstätigkeit (im Ausland) bedeute dies, dass er den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen bei seiner Familie in Österreich aufweise und demnach im Lichte des § 2 Z 13 WWFSG 1989 "bei der Haushaltsgröße für die verfahrensgegenständliche Wohnung" zu berücksichtigen sei.
Da der Ehegatte der Beschwerdeführerin nicht nur die antragsgegenständliche Wohnung in W, sondern auch den Wohnsitz seiner Mutter im Ausland zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses regelmäßig und wiederkehrend verwende, mangle es auch an der von der erstinstanzlichen Behörde beurteilten Grundvoraussetzung des § 20 Abs. 1 WWFSG 1989 und des § 60 Abs. 1 leg. cit. für die Gewährung von Wohnbeihilfe, sodass deren Zuerkennung an die Beschwerdeführerin derzeit ausgeschlossen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der UVS legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden sind.
Im Beschwerdefall ist das WWFSG 1989, LGBl. Nr. 18/1989, in der hier maßgeblichen Fassung des LGBl. Nr. 23/2011 anzuwenden.
Nach diesem Gesetz ist dem Mieter einer geförderten (§ 20 Abs. 1 WWFSG 1989) oder nicht geförderten (§ 60 Abs. 1 WWFSG 1989) Wohnung, wenn er durch den Wohnungsaufwand unzumutbar belastet wird, auf Antrag mit Bescheid Wohnbeihilfe zu gewähren, sofern er und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen ausschließlich diese Wohnung zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses regelmäßig verwenden (vgl. § 20 Abs. 1 und § 60 Abs. 1 leg. cit.).
Die Beschwerde bringt vor, dass die antragsgegenständliche Wohnung, die von der Beschwerdeführerin und deren fünf minderjährigen Kindern bereits seit dem Jahr 2009 bewohnt werde, ihnen als Mittelpunkt der Lebensbeziehungen bzw. Lebensinteressen diene. Die Beschwerdeführerin und ihre in Österreich geborenen minderjährigen Kinder, die die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen, hätten keinen anderen Wohnsitz, und sie verwendeten ausschließlich diese Wohnung regelmäßig zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses. Sofern der UVS die Rechtsansicht vertreten sollte, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin keinen Wohnsitz in Österreich habe, so wäre er bei der diesbezüglichen Beurteilung nicht mitzuberücksichtigen. Sollte der UVS hingegen die Rechtsansicht vertreten, dass der Ehegatte sowohl in Österreich als auch im Ausland über einen Wohnsitz verfüge, dann wäre der Schluss verfehlt, dass auch die Beschwerdeführerin und ihre Kinder über zwei Wohnsitze verfügten. Die Behörde habe keine Ermittlungen darüber angestellt, ob sie und ihre Kinder tatsächlich beim Ehegatten im Ausland ihren Wohnsitz begründen könnten. Allein die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin mit einem Mann verheiratet sei, der sich aus familiären Gründen öfter in I aufhalte, reiche für die Annahme nicht aus, dass die Beschwerdeführerin einen zweiten Wohnsitz in I habe, zumal der UVS hätte ermitteln können, dass die Beschwerdeführerin über keinen gültigen Aufenthaltstitel verfüge, mit dem sie sich über die für alle Touristen gültige Dauer hinaus in I aufhalten dürfte. Ihr Ehegatte sei jahrelang im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels (für Österreich) gewesen und habe einen gemeinsamen Wohnsitz mit ihr gehabt. Auf Grund einer Fristversäumung sei der Folgeantrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels als Neuantrag gewertet worden, sodass (ihrem Ehegatten) der dauernde, durchgehende Aufenthalt in Österreich nicht möglich gewesen sei.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 13. November 2012, Zl. 2010/05/0069, mwN) ist die für die Gewährung einer Wohnbeihilfe nach dem WWFSG 1989 wesentliche Voraussetzung, dass der Mieter und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen ausschließlich die Wohnung zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses regelmäßig verwenden, nicht erfüllt, wenn deren Wohnbedürfnis auch in einer anderen zur Verfügung stehenden Wohnung "gehörig" befriedigt werden kann.
Hiebei genügt es jedoch nicht, dass eine andere Wohnung überhaupt vorhanden ist (vgl. dazu nochmals das zitierte Erkenntnis). Vielmehr muss die Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses in dieser anderen Wohnung nicht nur tatsächlich möglich, sondern auch dem Beihilfenwerber zumutbar sein.
Mit der Frage, ob der Beschwerdeführerin und ihren fünf Kindern, die ihrem Vorbringen zufolge seit Jahren in Österreich leben, im Ausland tatsächlich eine zweite Wohnung zur Verfügung steht und, zutreffendenfalls, ob deren dringendes Wohnbedürfnis gehörig in dieser anderen Wohnung befriedigt werden könnte sowie ihnen eine Übersiedlung dorthin zumutbar wäre, hat sich der UVS nicht auseinandergesetzt. Da somit in Bezug auf diese Frage keine ausreichenden Feststellungen getroffen wurden, erweist sich der angefochtene Bescheid schon deshalb als rechtswidrig.
Darüber hinaus ist auch die Argumentation des UVS mit dem Hinweis auf § 90 ABGB verfehlt. Nach dieser Gesetzesbestimmung sind zwar die Ehegatten einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, verpflichtet. Daraus kann jedoch noch nicht abgeleitet werden, dass einem Ehegatten - bei getrennten Wohnsitzen des Ehepaars - tatsächlich der Wohnsitz des anderen zur Verfügung steht, zumal das Vorliegen eines Wohnsitzes nicht zwangsläufig bedeutet, dass mit dem Wohnsitz auch die Verfügungsberechtigung über eine Wohnung verbunden ist.
Aber selbst wenn man von der Annahme ausginge, dass die Beschwerdeführerin mit den fünf minderjährigen Kindern einen Anspruch darauf hätte, bei ihrem Ehegatten in I in der Wohnung dessen Mutter zu wohnen, könnte dies die Rechtsauffassung des UVS auch deshalb nicht stützen, weil ein allfälliger fiktiver Anspruch auf Beistellung einer Wohnmöglichkeit (als Teil eines Unterhaltsanspruches; vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2014, Zlen. 2013/05/0189, 0208) noch nicht bewirkt, dass damit der Wohnbedarf gedeckt ist und dem Anspruchsberechtigten eine Wohnmöglichkeit tatsächlich zur Verfügung steht, zumal eine Realisierung dieses Anspruches an nicht vom Anspruchsberechtigten zu vertretenden tatsächlichen oder rechtlichen Umständen scheitern könnte.
Da somit der UVS die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 8. April 2014
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2013050184.X00Im RIS seit
14.05.2014Zuletzt aktualisiert am
31.10.2014