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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 Abs1 Z2 idF 1998/I/124;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des NS in R, vertreten durch Dr. Andreas Brandtner, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Drevesstraße 6, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 9. Juli 1999, Zl. Ia 370-7/99, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 9. Juli 1999 wies die Vorarlberger Landesregierung (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft "gemäß §§ 10, 11a, 12, 13 und 14" des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) und die mit dem Verleihungsantrag verbundenen Anträge auf Erstreckung der Verleihung auf die Ehegattin und die beiden minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers "gemäß §§ 16, 17 und 18" StbG ab.
Der am 1. Jänner 1966 in der Türkei geborene Beschwerdeführer sei eigenberechtigt und besitze die türkische Staatsangehörigkeit. Er habe seit 20. Oktober 1979 ununterbrochen den Hauptwohnsitz in Österreich und sei seit 15. August 1988 mit H. S., einer türkischen Staatsbürgerin, verheiratet. Aus dieser Ehe stammten zwei mj. Kinder, die beide in Feldkirch (am 2. Juli 1989 bzw. am 11. Juni 1991) geboren worden seien. Nach der Volksschule in der Türkei habe der Beschwerdeführer zwei Jahre die Hauptschule in Innsbruck und ein Jahr den Polytechnischen Lehrgang, ebenfalls in Innsbruck, besucht. Beruf habe er keinen erlernt, doch sei er von 1983 bis 1995 in Tirol und in Vorarlberg bei verschiedenen Firmen tätig gewesen. Seit März 1995 sei er bei einer näher genannten Firma in Rankweil als Gießer beschäftigt. Zwischen den Arbeitsplatzwechseln habe der Beschwerdeführer mehrmals Arbeitslosenunterstützung bezogen.
Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 7. September 1993 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen a S 100,-- (insgesamt S 20.000,--) bestraft worden, weil er am 23. Juni 1993 in Feldkirch den Sachbearbeiter im Wohnungsamt durch die Äußerung "morgen komme ich mit einem Benzinkanister und zünde das Wohnungsamt an" mit einer Brandstiftung gefährlich bedroht habe, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen. Weiters sei der Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch mit Strafverfügung vom 14. Juni 1994 und mit Straferkenntnis vom 15. September 1995 bestraft worden. Der erstgenannten Strafverfügung liege zugrunde, dass er durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört habe, indem er verantwortlich gewesen sei, dass sich ein geschlossener Demonstrationszug in Bregenz beim Fahnenrondell in Richtung Stadtmitte bewegte und dabei lautstark Parolen und Gesänge wiedergab. (Gemäß dem Inhalt der Verwaltungsakten erfolgte die Bestrafung - zu einer Geldstrafe in Höhe von S 1.000,-- - wegen Übertretung des § 81 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz.) Das Straferkenntnis vom 15. September 1995 sei ergangen, weil der Beschwerdeführer als Obmann eines näher genannten Vereins dafür verantwortlich gewesen sei, dass an mehreren Orten in Dornbirn am 10. April 1995 Plakate mit dem Wortlaut "schöne Ferien in der Türkei" bzw. "Newroz ist Freiheit" ohne entsprechende Bewilligung angebracht worden seien; die angeführten Plakate, für welche der Beschwerdeführer zuvor um Genehmigung angesucht und die er nicht erhalten hätte, wären zur freien Entnahme in seinem Vereinslokal aufgelegt worden, wodurch eine illegale Plakatierung ermöglicht worden sei. (Gemäß dem Inhalt der Verwaltungsakten erfolgte die Bestrafung - auch hier zu einer Geldstrafe in Höhe von S 1.000,-- - wegen Übertretung der §§ 55 Abs. 1 lit. a und 17 Abs. 1 Baugesetz.)
Dieser Sachverhalt - so die belangte Behörde weiter - sei unbestritten. Der Beschwerdeführer habe jedoch angegeben, dass er seine Tätigkeit als Vereinsobmann 1996 zurückgelegt habe.
Auf Grund der Dauer des Hauptwohnsitzes in Österreich komme für eine Verleihung der Staatsbürgerschaft der Tatbestand des § 10 Abs. 1 StbG in Frage. Gemäß § 11 StbG habe sich die Behörde unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 leg. cit. eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen. Der Beschwerdeführer halte sich seit Oktober 1979 ununterbrochen im Bundesgebiet auf und sei seit März 1995 beim selben Arbeitgeber beschäftigt. Sein in den von ihm begangenen strafbaren Handlungen zum Ausdruck gebrachtes Verhalten zeige (jedoch) ganz deutlich, dass er zuerst versuche, seine Anliegen durch entsprechende Anträge bei den zuständigen Behörden durchzusetzen; würden seine Anliegen nicht in der gewünschten Weise erledigt, so versuche er, seine Ziele durch vom Gesetz nicht gedeckte Mittel zu erreichen (Bedrohung, Ermöglichung illegaler Plakatierung). In seinem Verhalten komme (somit) eine negative Einstellung gegenüber den Rechtsvorschriften zum Ausdruck. Das durch die Rechtsverletzungen negativ berührte öffentliche Interesse wiege schwerer als der 19-jährige Aufenthalt und die damit verbundene persönliche Anpassung des Beschwerdeführers. Eine Ermessensübung im Sinn des § 11 StbG zugunsten des Beschwerdeführers könne daher nicht erfolgen.
Ein Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft komme dem Beschwerdeführer ungeachtet seines mehr als 15-jährigen Hauptwohnsitzes im Inland nicht zu. § 12 Z. 1 lit. b StbG fordere nämlich sowohl den Nachweis nachhaltiger beruflicher als auch persönlicher Integration des Fremden. Zwar habe im Hinblick auf die Beschäftigung seit März 1995 beim selben Arbeitgeber von einer nachhaltigen beruflichen Integration ausgegangen werden müssen. Im Hinblick auf die Bestrafungen des Beschwerdeführers erfülle er jedoch nicht das Erfordernis der nachhaltigen persönlichen Integration, wozu auch die Beachtung der zum Schutz des Lebens und der Gesundheit anderer erlassenen gesetzlichen Vorschriften gehöre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, lauten - auszugsweise - wie folgt:
"Verleihung
§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn
1. er seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat;
2. er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist, ...
...
6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet;
...
8. er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen der Republik schädigen würde.
...
§ 11. Die Behörde hat sich unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen.
...
§ 12. Einem Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 und Abs. 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn er
1. nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft (§§ 33 oder 34) oder des Verzichtes auf die Staatsbürgerschaft (§ 37) Fremder ist und entweder
a) seit mindestens 30 Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat oder
b) seit mindestens 15 Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat und seine nachhaltige persönliche und berufliche Integration nachweist oder
..."
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/01/0227, erstmals mit dem sachverhaltsmäßig auch hier in Frage kommenden Verleihungstatbestand des § 12 Z. 1 lit. b StbG auseinander gesetzt. Gemäß dieser Bestimmung besteht bei Vorliegen der allgemeinen Einbürgerungserfordernisse des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 3 StbG - welche die belangte Behörde gegenständlich als erfüllt angesehen hat - ein Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft, wenn ein Fremder (von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) seit mindestens 15 Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat und seine nachhaltige persönliche und berufliche Integration nachweist. Welche Kriterien bei Auslegung der Wendung "nachhaltige persönliche und berufliche Integration" heranzuziehen sind, hat der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis und im hg. Erkenntnis vom 7. September 2000, Zl. 2000/01/0081, unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien dargelegt. Er hat weiter ausgesprochen, dass für eine Berücksichtigung strafrechtlichen Fehlverhaltens unter der Schwelle des § 10 Abs. 1 Z. 2 bzw. Z. 6 StbG im Rahmen des Kriteriums "persönliche Integration" im Regelfall kein Raum bleibt, freilich vorbehaltlich dessen, dass im Einzelfall nicht (ausnahmsweise) aus der konkreten Tathandlung auf ein spezifisches "Integrationsdefizit" geschlossen werden muss. (Vgl. zum Ganzen das schon zitierte Erkenntnis vom heutigen Tag, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird.)
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seit 20. Oktober 1979 ununterbrochen den Hauptwohnsitz in Österreich habe und dass er seit 1983 bei verschiedenen Firmen - seit März 1995 bei ein und derselben - beschäftigt (gewesen) sei. Weiters hält der Bescheid fest, dass der Beschwerdeführer insgesamt drei Jahre in Österreich die Schule besucht habe und dass seine beiden ehelichen Kinder 1989 bzw. 1991 in Feldkirch geboren worden seien. Den Verwaltungsakten ist schließlich zu entnehmen, dass - was auch die Beschwerde ins Treffen führt - der Beschwerdeführer seit 1988 gemeinsam mit seiner Ehegattin bzw. in der Folge mit seinen Kindern, die mittlerweile die Volksschule besuchen, hier lebt und dass gemäß den Behauptungen des Beschwerdeführers einigen Verwandten bereits die österreichische Staatsbürgerschaft zuerkannt worden ist. All diese Umstände weisen auf eine "nachhaltige persönliche und berufliche Integration" des Beschwerdeführers hin. Allerdings hat die belangte Behörde unbestritten festgestellt, dass den Bestrafungen des Beschwerdeführers seitens der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch einerseits zugrunde lag, dass er durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört hat, indem er verantwortlich war, dass sich ein geschlossener Demonstrationszug in Bregenz beim Fahnenrondell in Richtung Stadtmitte bewegte und dabei lautstark Parolen und Gesänge wiedergab; andererseits, dass er als Obmann eines näher genannten Vereins dafür verantwortlich war, dass an mehreren Orten in Dornbirn am 10. April 1995 Plakate mit dem Wortlaut "schöne Ferien in der Türkei" bzw. "Newroz ist Freiheit" ohne entsprechende Bewilligung angebracht wurden. Die Umschreibung insbesondere der zweiten Tathandlung lässt erkennen, dass der Beschwerdeführer eine leitende Funktion in einer kurdischen Vereinigung inne hatte. Wenn er in dieser Funktion im Hinblick auf Geschehnisse in seiner türkischen Heimat durch politische Agitation die zu den Bestrafungen führenden Tathandlungen setzte, so brachte er damit in der oben dargestellten Weise ganz konkret ein wesentliches Manko an "persönlicher Integration" zum Ausdruck, weshalb sich - im Ergebnis - die Beurteilung der belangten Behörde ungeachtet der sonst für eine Integration des Beschwerdeführers sprechenden Umstände als zutreffend erweist. Dass - zumindest nach Ansicht der belangten Behörde und der Beschwerde - die Bestrafungen bzw. die diesen zugrunde liegenden Tathandlungen kein Verleihungshindernis im Sinn des § 10 Abs. 1 Z. 2 und 6 StbG darstellen, spielt davon ausgehend keine Rolle. (Der Vollständigkeit halber sei freilich angemerkt, dass ein Naheverhältnis zur PKK, wie es in den Verwaltungsakten andeutungsweise zum Ausdruck kommt, in Verbindung mit den den Bestrafungen seitens der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch zugrunde liegenden Tathandlungen eine andere Beurteilung nach § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG - und allenfalls auch das Vorliegen des Verleihungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z. 8 leg. cit. - nahe legen könnte.)
Nach dem Gesagten kann sich der Beschwerdeführer nicht mit Erfolg auf § 12 Z. 1 lit. b StbG berufen. Es kann der belangten Behörde aber auch nicht entgegen getreten werden, wenn sie die dann hier nur mehr kraft Ermessensübung in Frage kommende Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer nach § 10 Abs. 1 StbG im Hinblick auf die Kriterien des § 11 leg. cit. verweigerte.
Soweit der Beschwerdeführer ergänzend geltend macht, die belangte Behörde hätte ihm zu einem Aktenvermerk der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 25. Februar 1999 sowie angesichts der während des Verleihungsverfahrens in Kraft getretenen Neufassung des § 12 StbG Gehör einräumen müssen, ist ihm zu entgegnen, dass er nicht darlegt, welches konkrete Vorbringen er diesfalls erstattet hätte. Er tut damit der Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar, weshalb seinem diesbezüglichen Vorbringen schon deshalb kein Erfolg beschieden sein konnte.
Insgesamt erweist sich die Abweisung des Verleihungsantrages des Beschwerdeführers - und damit auch die Abweisung der daran gekoppelten Erstreckungsanträge - als rechtens. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 11. Oktober 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999010385.X00Im RIS seit
15.01.2001