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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des SW in Graz, vertreten durch Mag. Klaus Zotter, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Wielandgasse 2/I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Veraltungssenates für die Steiermark vom 5. März 1998, Zl. UVS 303.2-11/97-21, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 mit einer Geldstrafe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 20 Tage) bestraft, weil er am 3. September 1996 in der Zeit zwischen etwa 01.30 Uhr und 02.15 Uhr einen nach dem Kennzeichen bestimmten Pkw an einer näher bezeichneten Örtlichkeit in Graz in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.
In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon aus, dass der Beschwerdeführer nach einem Kasinobesuch im alkoholisierten Zustand zu einer ihm bekannten Prostituierten gefahren sei. Nachdem es mit dieser zu einer Auseinandersetzung gekommen sei, habe diese eine Anzeige erstattet. Der Beschwerdeführer sei nach Hause gefahren und habe dort alkoholische Getränke in Form von Bier und Kognak getrunken. Etwa 15 bis 20 Minuten nachdem der Beschwerdeführer zu Hause angekommen sei, seien (näher bezeichnete) Polizeibeamte erschienen und diese hätten den Beschwerdeführer, nachdem Alkoholisierungssymptome festgestellt worden seien, über seinen Alkoholkonsum befragt. Der Beschwerdeführer habe angegeben, dass er zu Hause eine Flasche Bier und einen doppelten Weinbrand getrunken habe. Wie aus dem Gutachten des der mündlichen Verhandlung beigezogenen medizinischen Sachverständigen im Wesentlichen hervorgehe, entspreche die vom Beschwerdeführer (auch) angegebene Alkoholmenge von eineinhalb Flaschen Bier sowie Kognak und weiterer Spirituosen in einer geschätzten Menge von einem viertel Liter rund 110 g Alkohol und bewirke bei einem Körpergewicht von 74 kg eine maximale Blutalkoholkonzentration von 2,1 Promille. Unter Berücksichtigung "des Abbauwertes von rund einer Stunde hätte demnach im Zeitpunkt der Alkoholuntersuchung jeder Wert zwischen 1,9 bis 2,0 Promille bestehen können, wobei sich dieses Berechnungsergebnis im Wesentlichen mit dem Ergebnis der festgestellten Atemalkoholkonzentration deckt". Prinzipiell sei die Resorption des angegebenen Alkohols vollständig möglich, es sei jedoch zu bedenken, dass eine derartige Alkoholmenge größtenteils in hochprozentiger Form (ein viertel Liter Schnaps) in sehr kurzer Zeit genossen, nicht nur zu sehr auffälligen Ausfallserscheinungen unmittelbar danach führe (so genanntes Anflutungsphänomen), sondern auch sehr häufig zu einer Reizung der Magenschleimhaut, verbunden mit Übelkeit oder gar Erbrechen. Derartige Symptome seien vom Beschwerdeführer aber in Abrede gestellt worden. Auch das übrige festgestellte Verhalten (sicherer Gang, deutliche Sprache, beherrschtes Benehmen) spreche eher dafür, dass ein gewisser Gewöhnungszustand in der Berauschung beim Beschwerdeführer eingetreten sei. Sollte ihm ein Zeitraum von etwa 15 bis 20 Minuten zur Verfügung gestanden sein, in welchem der Beschwerdeführer auch geduscht habe, wären "diese Angaben zum Trinkvorgang nicht in Einklang zu bringen". Den erhebenden Beamten hätten auch Ausfallserscheinungen betreffend Bewegung, Verhalten, Sprache, Aufmerksamkeit, Konzentration und dergleichen auffallen müssen, hätte der Beschwerdeführer die von ihm angegebene Alkoholmenge in derart kurzer Zeit (ca. 30 Minuten) getrunken. Weiters sei vom Sachverständigen ausgeführt worden, dass sich bei einem "Nachtrunk" von einer Flasche Bier und einem doppelten Kognak die Blutalkoholkonzentration zum Zeitpunkt 02.15 Uhr mit 1,3 bis 1,4 Promille errechne, bei einem Nachtrunk einer halben Flasche Bier und zweier doppelter Kognak ebenfalls mit 1,3 bis 1,4 Promille. Bei einem Nachtrunk einer halben Flasche Bier und ca. einem viertel Liter Spirituosen bliebe im Hinblick auf das Ergebnis der Atemalkoholkonzentration zum Zeitpunkt der Beendigung der Fahrt eine Blutalkoholkonzentration "von 0,55 g/l bzw. bei Fahrtantritt etwa 0,65 bis 0,75 Promille".
Wie es in der Begründung des angefochtenen Bescheides sodann weiters heißt, könne die Behörde der Nachtrunkversion, dass der Beschwerdeführer nach dem Nachhausekommen insgesamt zwei Flaschen Bier, etwa einen viertel Liter Kognak und zusätzlich einen kräftigen Schluck aus einer Schnapsflasche getrunken habe, und zwar in einer Zeit von etwa 30 Minuten, keinen Glauben schenken.
Das vom Beschwerdeführer unbestritten gebliebene Messergebnis (erste Messung 3. September 1996, 03.21 Uhr, 0,94 mg/l, zweite Messung um 03.23 Uhr, 0,95 mg/l) im Zusammenhang mit den gutachtlichen Ausführungen des medizinischen Sachverständigen lasse jedenfalls einen Alkoholkonsum des Beschwerdeführers vor Antritt seiner Fahrt und somit eine Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 zum Zeitpunkt des Lenkens seines Fahrzeuges als erwiesen annehmen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Das umfangreiche Beschwerdevorbringen lässt sich dahin zusammenfassen, dass nicht bereits jeder (von der Behörde als erwiesen angenommener) Alkoholkonsum vor Antritt der Fahrt jedenfalls eine maßgebliche Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 indiziere. Maßgebliche Feststellungen dahin gehend, in welchem Ausmaß die beim Beschwerdeführer vermutete Alkoholisierung vor Fahrtantritt angenommen werde, fehlten. Von allen - theoretisch möglichen - Alkoholisierungsgraden habe die belangte Behörde offensichtlich jene als erwiesen angenommen, welche ihm zum größtmöglichen Nachteil gereiche. Es wäre davon auszugehen gewesen, dass der Beschwerdeführer zumindest eine halbe Flasche Bier und in weiterer Folge etwa ein viertel Liter Kognak getrunken habe. Unter Berücksichtigung des solchermaßen geschilderten Nachtrunkes sei der Sachverständige zum Ergebnis gekommen, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Fahrt die maßgebliche Grenze von 0,8 Promille nicht erreicht oder überschritten habe. Die Behörde hätte genauestens darlegen müssen, aus welchem Grund dieser Darstellung nicht gefolgt werden könne bzw. aus welchen konkreten Gründen eine andere Darstellung als erwiesen anzunehmen sei. Auch habe die Behörde in keiner Weise dargestellt, aus welchem Grund eine maßgebliche Alkoholbeeinträchtigung im Fahrtzeitpunkt anzunehmen sei. Die Behörde habe zwar festgestellt, dass der Beschwerdeführer sowohl Kognak als auch Bier als Nachtrunk konsumiert habe, sie habe aber keinerlei Feststellungen dahin gehend getroffen, in welchem Ausmaß dieser Nachtrunk tatsächlich erfolgt sei.
Nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 - in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der 19. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 518/1994 - darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen, wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.
Der Beschwerdeführer bekämpft die Beweiswürdigung der belangten Behörde hinsichtlich des von ihm behaupteten Nachtrunkes bzw. hinsichtlich der Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung zum Zeitpunkt der Fahrt. Er ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass die Beweiswürdigung nur insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Denkvorgang der Beweiswürdigung schlüssig ist, d.h. mit den Denkgesetzen im Einklang steht und ob der Sachverhalt, der im Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist. Ob aber der Akt einer Beweiswürdigung richtig in dem Sinne ist, dass z.B. eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht, kann der Verwaltungsgerichtshof auf Grund seiner eingeschränkten Prüfungsbefugnis in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/03/0053).
Auf dem Boden dieser Rechtslage begegnet die vom Beschwerdeführer bekämpfte Beweiswürdigung der belangten Behörde keinen Bedenken. Der Beschwerdeführer ist nämlich an die hg. Rechtsprechung zu erinnern, wonach derjenige, der sich auf einen Nachtrunk beruft, die Menge des konsumierten Alkohols konkret zu behaupten und glaubhaft zu machen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2000, Zl. 99/03/0186, und die dort zitierte Vorjudikatur). Wenn die belangte Behörde im Hinblick auf die unterschiedlichen Angaben des Beschwerdeführers über die Menge des Alkoholkonsums einer der Nachtrunkverantwortungen des Beschwerdeführers in freier Beweiswürdigung den Glauben versagte, kann ihr vom Verwaltungsgerichtshof nicht entgegengetreten werden; dies auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des Sachverständigen.
Da sich bei den anderen Nachtrunkverantwortungen jedenfalls eine Alkoholbeeinträchtigung im Sinne der gesetzlichen Vermutung des § 5 Abs. 1 zweiter Satz StVO 1960 ergibt, fehlt es auch an der rechtlichen Relevanz hinsichtlich des Beschwerdevorbringens, die Behörde habe keine Feststellungen über die tatsächliche Alkoholbeeinträchtigung zum Zeitpunkt der Fahrt getroffen. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass für die Strafbarkeit nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 eine Feststellung genügt, dass der Blutalkoholgehalt im Zeitpunkt des Lenkens des Fahrzeuges über 0,8 Promille (oder der Alkoholgehalt der Atemluft über 0,4 mg/l) betragen hat, ohne dass darauf näher eingegangen werden müsste, wie hoch dieser tatsächlich war (vgl. etwa schon das hg. Erkenntnis vom 26. September 1980, Zl. 2943/79).
Der Beschwerdeführer kann sich auch nicht mit Erfolg auf den Grundsatz "in dubio pro reo" berufen, weil dieser eine Regel für jene Fälle ist, in denen im Wege des Beweisverfahrens und anschließender freier Würdigung der Beweise in dem entscheidenden Organ nicht mit Sicherheit die Überzeugung von der Richtigkeit des Tatvorwurfes erzeugt werden konnte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2000, Zl. 99/03/0402). Im gegenständlichen Fall begegnet es aber im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde in freier Beweiswürdigung zur Annahme gelangte, dass der Beschwerdeführer in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt habe.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 11. Oktober 2000
Schlagworte
Alkoholbeeinträchtigung von 0,8 %o und darüberEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998030262.X00Im RIS seit
12.06.2001