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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 Abs1 Z1 idF 1998/I/124;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des CC in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 18. Mai 2000, Zl. MA 61/IV - C 457/99, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 18. Mai 2000 wies die Wiener Landesregierung (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab.
Der am 8. Dezember 1957 geborene Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsangehöriger, lebe seit September 1991 in Österreich und sei hier als Monteur beschäftigt. Seine Deutschkenntnisse seien seinen Lebensumständen entsprechend. Im Hinblick auf den noch nicht ununterbrochen 10-jährigen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet komme eine Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer nur bei Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes in Betracht. Als solchen habe der Beschwerdeführer eine nachhaltige persönliche und berufliche Integration gemäß § 10 Abs. 5 Z. 3 StbG geltend gemacht.
Die durchgeführten Erhebungen hätten ergeben, dass der Beschwerdeführer seit sieben Jahren bei ein und derselben Firma beschäftigt sei, die sein Ansuchen um Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft befürworte. Der Beschwerdeführer sei ferner im Besitz eines Befreiungsscheines, sodass am "beruflichen Sektor" eine nachhaltige Integration und damit soziale Absicherung gegeben erscheine. Hinsichtlich seiner nachhaltigen persönlichen Integration behaupte der Beschwerdeführer, nahezu perfekt bzw. in Wort und Schrift die deutsche Sprache so zu beherrschen, dass eine Verständigung zur vollsten Zufriedenheit "funktioniere". Er wäre zwar nicht im Besitz einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung, würde jedoch die Voraussetzungen hiefür erfüllen. Seine Tochter würde in Wien die Schule mit ausgezeichnetem Erfolg besuchen, die Ehegattin nähme an Seminaren beim Wirtschaftsförderungsinstitut teil.
Anlässlich der wiederholten Vorsprachen des Beschwerdeführers hätten jedoch - so die belangte Behörde weiter - perfekte Deutschkenntnisse nicht bestätigt werden können. Die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers seien vielmehr mangelhaft, viele an ihn gerichtete Fragen des täglichen Lebens verstehe er sichtlich nur dem Sinn nach, seine Antworten seien bruchstückhaft. Damit konfrontiert habe der Beschwerdeführer selbst angegeben, nicht sehr oft in die Situation zu kommen, deutsch zu sprechen; auch im Familienverband erfolge die Konversation in rumänisch.
Wesentliches Merkmal der nachhaltigen persönlichen Integration seien nicht die den Lebensumständen entsprechenden Deutschkenntnisse, welche jeder Einbürgerungswerber mitbringen müsse, sondern weit darüber hinausgehende Deutschkenntnisse, welche eine problemlose Verständigung auch im Behördenbereich erlaubten. Die Verleihung der Staatsbürgerschaft solle den Schlusspunkt einer erfolgreichen Integration in Österreich darstellen; ein wesentliches Indiz hiefür seien die Deutschkenntnisse. Die vom Beschwerdeführer angebotenen Beweise ließen (insoweit) den Schluss auf eine erfolgreich abgeschlossene persönliche Integration in Österreich nicht zu. Er habe auch nicht behauptet, seit seiner Wohnsitznahme in Österreich Schritte zur Verbesserung seiner Deutschkenntnisse unternommen zu haben. Der besonders berücksichtigungswürdige Grund des § 10 Abs. 5 Z. 3 StbG liege daher nicht vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, lauten - auszugsweise - wie folgt:
"Verleihung
§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn
1. er seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat;
...
(4) Von der Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 kann abgesehen werden,
1. aus besonders berücksichtigungswürdigem Grund, sofern es sich um einen Minderjährigen, der seit mindestens vier Jahren, oder um einen Fremden handelt, der seit mindestens sechs Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat, es sei denn, es wäre in Abs. 5 hinsichtlich dieser Wohnsitzdauer anderes vorgesehen;
...
(5) Als besonders berücksichtigungswürdiger Grund (Abs. 4 Z 1) gilt insbesondere
...
3. der Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration
...
§ 10a. Voraussetzungen jeglicher Verleihung sind unter Bedachtnahme auf die Lebensumstände des Fremden jedenfalls entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache."
Der Beschwerdeführer vermag unstrittig nicht auf einen ununterbrochenen 10-jährigen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet zu verweisen. Im Hinblick darauf erfüllt er nicht das Einbürgerungserfordernis des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG, weshalb sachverhaltsbezogen - wie schon von der belangten Behörde zutreffend betont - eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nur dann in Betracht käme, wenn ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund gemäß § 10 Abs. 4 Z. 1 iVm § 10 Abs. 5 StbG vorläge.
Als derartigen besonders berücksichtigungswürdigen Grund hat der Beschwerdeführer schon im Verwaltungsverfahren seine "nachhaltige persönliche und berufliche Integration" im Sinn des § 10 Abs. 5 Z. 3 StbG geltend gemacht. Zum Verständnis dieser mit der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 neu geschaffenen Wendung führen die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1283 BlgNR, XX. GP, 8) aus:
"Der Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration wird dann als erbracht gelten, wenn der Fremde sowohl beschäftigungsrechtlich (zB Arbeitserlaubnis, Befreiungsschein) als auch fremdenrechtlich (zB unbefristete weitere Niederlassungsbewilligung) eine bis auf weiteres gesicherte Position in Österreich hat und hier persönlich nachhaltig verankert ist (zB Familie lebt mit dem Fremden in Österreich, Kinder besuchen die Schule usw.)."
Dass es bei der Frage des Ausmaßes der persönlichen Integration eines Fremden auch auf andere Umstände ankommen soll, ergibt sich nicht nur aus dem zuletzt zitierten "usw."; wie die genannten Erläuterungen nämlich an anderer Stelle klarlegen (aaO., 5), verfolgt die Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 das Ziel, die Integration des Fremden als das für die Verleihung der Staatsbürgerschaft maßgebliche Kriterium zu verankern. Hiebei solle dem Integrationsmerkmal "Deutschkenntnis" besonderes Gewicht zukommen.
Die letztgenannten Überlegungen waren maßgebend für die Einführung des § 10a StbG. Der besondere Wert, der damit vom Gesetzgeber "Deutschkenntnissen" als "Integrationsmoment" zugemessen wird, gebietet es aber auch, sie im Rahmen der "nachhaltigen persönlichen und beruflichen Integration" des § 10 Abs. 5 Z. 3 StbG spezifisch zu berücksichtigen; der Umstand, dass den Lebensverhältnissen entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache gemäß § 10a StbG Voraussetzung jeglicher Staatsbürgerschaftsverleihung sind, spricht nicht dagegen, besonders gute Deutschkenntnisse als Indiz für ein einen besonders berücksichtigungswürdigen Grund für die Staatsbürgerschaftsverleihung darstellendes Integrationsausmaß des Fremden heranzuziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 2000, Zl. 2000/01/0081).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem eben erwähnten Erkenntnis ausgesprochen hat, kann eine "nachhaltige persönliche und berufliche Integration" (im Sinn eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes) nur dann vorliegen, wenn bei einer Gesamtbetrachtung der dafür maßgeblichen Umstände jedenfalls ein solches Maß an Integration gegeben ist, dass sich der Fall des Einbürgerungswerbers von der üblichen Situation, in der sich ein Fremder nach einem gleich langen inländischen Aufenthalt bei üblicherweise zu erwartenden Integrationsbemühungen befindet, deutlich abhebt. Die "nachhaltige persönliche und berufliche Integration" muss im gegebenen Zusammenhang also deutlich über dem Ausmaß liegen, das von einem Fremden nach einem gleich langen inländischen Aufenthalt regelmäßig erwartet werden kann.
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer schon in seinem Verleihungsantrag als Integrationsmerkmale geltend gemacht, dass er seit 8. Februar 1993 bei einem namentlich genannten Unternehmen beschäftigt sei und einen Befreiungsschein besitze; er sei wohl beleumundet und ebenso wie seine Ehegattin und sein mj. Kind strafrechtlich völlig unbescholten; seine Ehegattin sei Hausfrau und habe beim Wirtschaftsförderungsinstitut Wien an Ausbildungsveranstaltungen teilgenommen; die gemeinsame Tochter besuche die Volksschule, und zwar mit ausgezeichnetem Erfolg; er (der Beschwerdeführer) sowie seine Ehegattin und die Tochter beherrschten perfekt die deutsche Sprache und seien in jeglicher Hinsicht nachhaltig integriert.
Die belangte Behörde nahm ausgehend von dem aufrechten Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers zwar eine nachhaltige berufliche Integration an, stellte jedoch im Hinblick auf von ihr festgestellte mangelhafte Deutschkenntnisse eine nachhaltige persönliche Integration in Abrede; der Beschwerdeführer habe "perfekte Deutschkenntnisse" nicht bestätigen können.
Ausgehend von den obigen Erwägungen ist der belangten Behörde im Ansatz dahingehend zuzustimmen, dass die geforderte "nachhaltige Integration" - auch im konkreten Fall des Beschwerdeführers - ungeachtet der sonst für eine Integration sprechenden Umstände Kenntnisse der deutschen Sprache voraussetzt, die über das nach § 10a StbG allgemein geforderte Mindestmaß hinausgehen; "bloß" den Erfordernissen des § 10a StbG genügende (den Lebensumständen entsprechende) Kenntnisse der deutschen Sprache seitens des Beschwerdeführers würden es mithin nicht rechtfertigen, die von § 10 Abs. 5 Z. 3 geforderte besondere Integration als gegeben zu erachten. Soweit die Beschwerde demgegenüber mit einem unrichtigen Verständnis des § 10a StbG argumentiert und ausführt, dass nach dieser Bestimmung nur "entsprechende" Kenntnisse der deutschen Sprache vorhanden sein müssten, verfehlt sie das Thema. Diese Bestimmung hat die belangte Behörde gar nicht zur Abweisung des Verleihungsantrages herangezogen, weshalb auch die gegen diese Vorschrift erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken - mangels Präjudizialität - ins Leere gehen.
Dass der Beschwerdeführer, will er für sich mit Erfolg den besonders berücksichtigungswürdigen Grund des § 10 Abs. 5 Z. 3 StbG ins Treffen führen, Kenntnisse der deutschen Sprache aufweisen muss, die über jenes Maß hinausgehen, welches in seinem Fall auch bei Erfüllung der Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG erforderlich wäre, heißt freilich nicht, dass er über "perfekte Deutschkenntnisse" verfügen müsste. Eine derartige perfekte Beherrschung der deutschen Sprache bzw. fließende Deutschkenntnisse hat die belangte Behörde aber ohnehin nicht verlangt. Zwar wird im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass "perfekte Deutschkenntnisse nicht bestätigt" werden könnten, doch stellt dies offensichtlich die Antwort auf das entsprechende Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren dar, während im Zuge der rechtlichen Erwägungen bloß auf eine "problemlose Verständigung auch im Behördenbereich" - worunter im gegebenen Zusammenhang nur die rein sprachliche und nicht auch die rechtliche Ebene gemeint sein kann - abgestellt wird.
Die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde näherhin als mangelhaft beschrieben; viele an ihn gerichtete Fragen des täglichen Lebens verstehe er sichtlich nur dem Sinn nach, seine Antworten seien bruchstückhaft. Diese Beurteilung entspricht dem in den Verwaltungsakten enthaltenen Aktenvermerk vom 2. März 2000, demzufolge bei einer persönlichen Vorsprache des Beschwerdeführers festgestellt worden sei, dass er nur gebrochen Deutsch spreche und sichtlich nicht alle an ihn gerichteten Fragen verstehe. An anderer Stelle (im Anschluss an die aus Anlass der ersten persönlichen Vorsprache des Beschwerdeführers am 29. September 1999 aufgenommene Niederschrift) findet sich demgegenüber jedoch ein Aktenvermerk, wonach die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers "gut" seien. Jedenfalls angesichts dieser offensichtlichen Diskrepanz hätte sich die belangte Behörde im Beschwerdefall nicht mit den zuvor beschriebenen "Feststellungen" über die Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers begnügen dürfen, sondern die tatsächlichen Grundlagen ihrer diesbezüglichen Beurteilung (insbesondere durch Wiedergabe der konkreten Fragen und Antworten) offen legen müssen. Indem sie dies unterlassen hat, entbehrt ihr Bescheid - wie vom Beschwerdeführer zutreffend aufgezeigt - in diesem Punkt im Ergebnis einer nachvollziehbaren Begründung, weshalb er mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet ist. Er war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 11. Oktober 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000010277.X00Im RIS seit
19.01.2001