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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des FFK in W, geboren am 28. April 1973, vertreten durch Mag. Dr. Till Hausmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Grünangergasse 3-5, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. Jänner 2000, Zl. 213.463/0-V/13/99, betreffend Asylgewährung und Feststellung gemäß § 8 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Kamerun, der am 26. Juli 1999 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl. Er wurde am 9. September 1999 niederschriftlich einvernommen.
Die Behörde erster Instanz gab seine Angaben folgendermaßen wieder:
"Sie (seien) Staatsangehöriger aus Kamerun, Angehöriger des Stammes der Bamileke und römisch katholischen Glaubensbekenntnisses. Sie hätten in der Stadt Duala gewohnt. Sie hätten Ihren Lebensunterhalt aus Ihrer Tätigkeit als Fußballspieler bestritten. Am 23.04.1999 seien Sie, per Bahn, nach Yaounde, und per Autobus, nach Bertoua gefahren, der Hauptstadt der Ostprovinz Ihres Heimatlandes. Dort hätten Sie einige Tage verbracht. Per Autobus seien Sie in die Stadt Ambam gefahren, im Nahbereich der Grenze zu Gabun gelegen. Dort hätten Sie vier bis fünf Wochen verbracht. In dieser Stadt hätten Sie mit einem Mann Kontakt aufgenommen. In Begleitung dieses Mannes seien Sie, per Autobus, nach Port Gentil gefahren, in Gabun gelegen. Auf einem Schiff seien Sie, in der Dauer von drei bis vier Wochen, in ein unbekanntes Land gekommen. Per Bahn seien Sie, über ein unbekanntes Land, oder über unbekannte Länder, bis 26.07.1999, nach Österreich gefahren. Während der Bahnfahrt hätten Sie oftmals geschlafen und würden deshalb über die Dauer dieser Fahrt nicht Bescheid wissen. Sie hätten keine Kontrolle wahrgenommen. Sie seien seit ungefähr dem Jahre 1991 Mitglied der Partei mit der Bezeichnung Social Democratique Front (SDF). Sie seien Mitglied geworden, weil diese Partei die einzige politische Bewegung sei, die für die Einhaltung der Menschenrechte und für den Aufbau demokratischer Strukturen eintrete. Es handle sich um eine Oppositionspartei. Ursprünglich hätten in Kamerun mehrere Oppositionsparteien existiert. Im Laufe der Jahre hätten diese Parteien ihre Oppositionsfunktion abgegeben. Seit mehreren Jahren würden diese früheren Oppositionsparteien mit der Regierung und der Regierungspartei zusammenarbeiten. Seit dem Jahre 1994 hätten Sie der sogenannten Avantgarde der Partei mit der Bezeichnung Social Democratique Front (SDF) angehört. Sie hätten sich für diese Tätigkeit freiwillig gemeldet, um Ihre Partei zu unterstützen. Sie hätten diese Tätigkeit unentgeltlich ausgeübt. Ihre Aufgabe und die Aufgabe der anderen Angehörigen der Avantgarde habe darin bestanden, vor der Abhaltung von Veranstaltungen Ihrer Partei Tribünen zu errichten oder die Inneneinrichtung von Räumlichkeiten für die Abhaltung von Parteiversammlungen vorzubereiten, bzw. die Räume für solche Versammlungen auszugestalten. Ihre und die Aufgabe der anderen Avantgardisten habe auch darin bestanden, Unbefugten den Zutritt zu den Versammlungsorten zu verwehren oder zu verhindern, dass die Versammlungen durch Angehörige der Regierungspartei gestört würden. Von der Partei mit der Bezeichnung SDF seien sowohl Versammlungen größeren Umfanges, als auch Versammlungen mit einer geringeren Anzahl von Teilnehmern, abgehalten worden. Bei den Versammlungen größeren Umfanges hätten jeweils etwa 60.000 Mitglieder und Sympathisanten teilgenommen, während die Teilnehmerzahl an Mitgliedern und Sympathisanten bei anderen Versammlungen, etwa fünfhundert bis sechshundert, betragen habe. Die Versammlungen kleineren Umfanges seien jeweils in verschiedenen, gemieteten Räumlichkeiten, in den Städten Yaounde, Duala, sowie in anderen Städten, Orten und Gebieten, Ihres Heimatlandes, abgehalten worden. Die Versammlungen größeren Umfanges seien in Sportstadien in Yaounde, Duala, sowie in anderen Städten Ihres Heimatlandes, abgehalten worden. In Vorwahlzeiten, also während der Zeiträume von etwa zwei Monaten vor der Abhaltung von Wahlen, seien Versammlungen kleineren Umfanges, in jeder Region, etwa fünfzehnmal abgehalten worden. Sonst seien solche Versammlungen in Zeitabständen von vier bis fünf Monaten veranstaltet worden. In Vorwahlzeiten seien Versammlungen größeren Umfanges, etwa je einmal, in jeder Stadt, abgehalten worden. Die Anzahl der Abhaltung solcher Versammlungen, außerhalb von Vorwahlzeiten, sei Ihnen nicht bekannt. An Versammlungen großen Umfanges hätten Sie nur in Vorwahlzeiten, insgesamt etwa sechsmal, zuletzt ungefähr vor zwei oder drei Jahren, in Ihrer Eigenschaft als Avantgardist, teilgenommen. An Versammlungen kleinen Umfanges hätten Sie nicht teilgenommen. Bei den Versammlungen kleinen Umfanges hätten Mitglieder und Sympathisanten Ihrer Partei, aus dem jeweiligen Stadtviertel, oder aus der jeweiligen Region, Kritik an den Missständen in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht, verursacht durch die Regierung, geübt, und hätten über personelle und organisatorische Themen der Partei diskutiert. Bei den Versammlungen größeren Umfanges habe ein Parteisprecher, mit kritischen Themen im erwähnten Sinne, die Versammlungen eröffnet. Dann habe der Präsident Ihrer Partei, ein Funktionär namens Nhi John Frudl, jeweils Ansprachen über genannte Themen gehalten. Im Jahre 1991, als Sie in Duala an einer Versammlung Ihrer Partei teilgenommen hätten, seien Polizisten mit Wasserwerfern und unter Anwendung von Schlagstöcken, gegen Kundgebungsteilnehmer vorgegangen. Seither seien Versammlungen Ihrer Partei von der Polizei beobachtet, aber nicht gestört worden. Die Anzahl der Mitglieder Ihrer Partei in Duala oder in Ihrem Heimatstaat sei Ihnen auch ungefähr nicht bekannt. Ihre Partei sei in den großen Städten die Mehrheitspartei. Die Anzahl der Mitglieder der Avantgarde in Duala oder in Ihrem Heimatland sei Ihnen auch ungefähr nicht bekannt. Sie würden wissen, dass der Avantgarde sehr viele Mitglieder angehörten. Etwa Anfang April 1999 sei vom Sekretär Ihrer Partei ein Parteikongress, im Kongresszentrum in Yaounde, einberufen worden. Diese Einberufung sei illegal erfolgt, da sie ohne schriftliche Genehmigung des Parteipräsidenten erfolgt sei. Der Parteisekretär sei von der Regierung und von der Regierungspartei, mit der Bezeichnung Bassemblement Democratique du Peuple Camerounais, beeinflusst, und zur Einberufung des Kongresses angestiftet worden. Der Parteisekretär habe dadurch ein Parteistatut verletzt und sei noch im April 1999 von der Partei ausgeschlossen worden. Viele Parteimitglieder und Sympathisanten hätten nicht gewusst, dass der erwähnte Kongress, etwa Anfang April 1999, illegal einberufen worden sei und seien im Kongresszentrum erschienen. Sie und andere Angehörige der Avantgarde hätten diese Teilnehmer davon überzeugen müssen, dass der Kongress nicht stattfinden würde. Seitens der Regierungspartei und des Präsidenten Ihres Heimatlandes, Paul Biya, sei Ihrer Partei, anlässlich des illegal einberufenen Kongresses, das erste Mal gestattet worden, im Kongresszentrum in Yaounde eine Veranstaltung abzuhalten. Viele Parteimitglieder, die von der illegalen Einberufung des Kongresses gewusst hätten, hätten die Veranstaltung boykottiert. Bei dem erwähnten, illegal einberufenen Kongress, etwa Anfang April 1999, habe ein Polizeioffizier zu Ihnen und anderen Angehörigen der Avantgarde gesagt: "Seid vorsichtig. Wenn Ihr da hineingeht, werdet Ihr nicht mehr zurückkommen". Sie und die anderen Angehörigen der Avantgarde hätten das Kongresszentrum betreten. Es sei nichts geschehen. Am 16. oder 17. 04.1999 sei im Kongresszentrum in Yaounde ein Kongress abgehalten worden, der vom Präsidenten Ihrer Partei einberufen worden sei. Bei diesem Kongress sei ein Gegenkandidat zum genannten Präsidenten, für diese Funktion, vorgestellt worden. Es habe sich um einen Mann gehandelt, der aus Ihrem Heimatland gestammt, und der aus Anlass dieser Wahl, aus Frankreich, nach Kamerun gekommen sei. Bei der Wahl zum Präsidenten der Partei sei der amtierende Präsident in seiner Funktion bestätigt worden. Seitens des Präsidenten Ihres Heimatlandes, Paul Biya, und der Regierungspartei, mit der Bezeichnung RDPC, sei versucht worden, den aus Frankreich gekommenen Funktionär, zum Vorsitzenden Ihrer Partei wählen zu lassen, um Einfluss auf Ihre Partei auszuüben. Der Präsident Ihres Heimatlandes unterhalte enge Kontakte zu Frankreich. Wegen der erwähnten, unlauteren Vorgangsweise der Regierungspartei und des Präsidenten Ihres Heimatlandes, seien viele Kongressteilnehmer erbost gewesen. Sie seien ebenso erzürnt gewesen. Sie und mehrere Angehörige der Avantgarde, sowie viele Kongressteilnehmer, hätten ein Bildnis des Staatspräsidenten, das an einer Wand im Kongresszentrum angebracht gewesen sei, zerrissen, und hätten ein Exemplar der französischen Staatsfahne verbrannt. Seit Jahren existierten in Ihrem Heimatland Gerüchte, wonach die Angehörigen der Avantgarde angeblich beabsichtigten, einen Bürgerkrieg vorzubereiten und Waffen verborgen zu haben. Weder Sie noch andere Angehörige der Avantgarde hätten einen Bürgerkrieg vorbereitet oder Waffen aufbewahrt gehabt. Auf Grund dieses Gerüchtes sei nach dem Jahre 1991, näheres sei Ihnen nicht bekannt, in Bamenda, der Hauptstadt der Nordwestprovinz Ihrer Heimat, der Notstand ausgerufen worden. Ihnen gegenüber seien solche Anschuldigungen seitens der Polizei, oder anderer Sicherheitskräfte, nie erhoben worden. Am 21.04.1999 hätten Sie sich am Marktgelände in Duala aufgehalten. Es sei Ihr Freund erschienen und habe Ihnen gesagt, dass an diesem Tag, als er in Ihrem Wohnhaus gewesen sei, Polizisten gekommen seien und Ihrer Mutter gesagt hätten, nach Ihrer Person zu suchen. Ihr Freund habe Ihnen erzählt, dass die Polizisten Ihre Mutter festgenommen und gesagt hätten, Ihre Mutter würde solange inhaftiert bleiben, bis Sie bei der Polizeistelle erscheinen würden. Sie hätten sich nicht zur Polizeistelle begeben. Sie hätten den Vorsitzenden Ihrer Partei, für den Bereich Ihres Wohnbezirkes, aufgesucht, und hätten diesem von Ihren Erlebnissen erzählt. Der Parteifunktionär habe Ihnen zur Flucht geraten. Nachdem Sie den Mann informiert hätten, dass Sie über die erforderlichen Geldmitteln nicht verfügt hätten, habe Ihnen der Mann den Betrag von 400.000,-- CFA Francs, ausgefolgt. Sie hätten Ihre Heimatstadt verlassen. Sie würden vermuten, dass Ihre Mutter mittlerweile von der Polizeistelle entlassen worden sei, obwohl Sie dort nicht erschienen seien. In Ihrem Heimatland sei es üblich, dass man Angehörige, die anstelle von Familienmitgliedern festgenommen worden seien, entlassen würde, obwohl der Angehörige nicht zur Polizei gekommen sei. Sie würden vermuten, dass Sie entweder von der Polizei gesucht worden seien, weil der Polizeioffizier, etwa Anfang April 1999, die erwähnte Drohung ausgesprochen habe, oder, weil Sie an der Beschädigung des Bildnisses des Staatspräsidenten und an der Verbrennung der französischen Fahne, beteiligt gewesen seien. Vor April 1999 hätten Sie keine Probleme mit der Polizei gehabt. In Ihrer Heimat sei es seit Jahren oftmals vorgekommen, dass Festgenommene "verschwunden" seien. Damit würden Sie meinen, dass Menschen, die verhaftet worden seien, nie wieder gesehen worden seien.
Im Falle einer Rückkehr in Ihr Heimatland würden Sie befürchten, ebenso verhaftet und umgebracht zu werden."
Die Behörde erster Instanz wies mit Spruchpunkt 1) den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 idF. BGBl. I Nr. 4/1999 - AsylG, ab und stellte mit Spruchpunkt 2) gemäß § 8 AsylG iVm. § 57 Fremdengesetz, BGBl. I Nr. 75/1997 - FrG, fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seine Heimat zulässig sei.
Begründend führte die Behörde erster Instanz aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig sei.
In der dagegen erhobenen Berufung wendete sich der Beschwerdeführer gegen die Wertung seiner Angaben als unglaubwürdig im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass die Behörde erster Instanz es unterlassen habe, ihr unklare Zusammenhänge durch präzise Fragestellung zu erhellen. Zur Untermauerung seiner Angaben legte der Beschwerdeführer in einer Berufungsergänzung vom 11. November 1999 Beweismittel, datierend zwischen 16. April 1997 bis 19. April 1999 vor. Zudem legte er im Berufungsverfahren zum Nachweis seiner von der Behörde erster Instanz bezweifelten Identität seinen durch einen Boten überbrachten Führerschein vor. Die belangte Behörde führte am 17. Jänner 2000 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der sie, gestützt ausschließlich auf die bisherigen Angaben des Beschwerdeführers, den Berufungsschriftsatz vom 27. Oktober 1999 und den Berufungsnachtrag vom 11. November 1999 inklusive der damit vorgelegten Beweismittel eine ergänzende Einvernahme des Beschwerdeführers vornahm.
Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid.
Die belangte Behörde wies mit Spruchpunkt 1) den Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab und stellte mit Spruchpunkt 2) gemäß § 8 AsylG iVm. § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seine Heimat zulässig sei.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die vom Beschwerdeführer im Rahmen des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ins Treffen geführten Umstände bzw. Ereignisse könnten nicht als Sachverhalt festgestellt werden, weil bei einer Gesamtbetrachtung der Angaben des Beschwerdeführers und der "darin aufgetretenen groben Widersprüche bzw. Unstimmigkeiten" diesem "jegliche persönliche Glaubwürdigkeit abzuerkennen" sei. Im Einzelnen führte die belangte Behörde hiezu aus:
"Der Antragsteller relevierte im Verfahren im Wesentlichen auf Grund seiner exponierten Funktion in der Oppositionspartei SDF mit Verfolgung seiner Person auf Grund seiner politischen Aktivität zu rechnen zu haben.
Vor der Behörde erster Instanz gab der Antragsteller an, dass etwa Anfang April 1999 seitens des Parteisekretärs der SDF ein "illegaler" Parteikongress einberufen worden sei und sei der ordentliche jährliche Parteikongress für den 16. oder 17.4.1999 in Yaounde anberaumt gewesen. Er selbst sei bei dem nicht ordnungsgemäß einberufenen Kongress seitens eines Polizeioffiziers vor der Teilnahme gewarnt worden.
Vor der Berufungsbehörde gab der Antragsteller zu diesem Sachverhalt befragt zu Protokoll, der Sekretär der Partei hatte einen Kongress ohne Zustimmung des Vorsitzenden einberufen und habe sich dies etwa Ende März ereignet. Er sowie andere seien ausgesandt worden um den dort erscheinenden Mitgliedern mitzuteilen, dass es sich nicht um den ordentlichen Parteikongress handle. Die bereits vor der Behörde erster Instanz geäußerte Drohung durch einen Polizeiangehörigen schilderte der Antragsteller nunmehr vor der Berufungsbehörde wörtlich wie folgt: 'Ihr Englischsprachigen aus Bamenda werdet nie in Kamerun präsent sein.' Auf den nunmehr offensichtlich gewordenen Widerspruch - so stellte der Antragsteller die von ihm relevierte Drohung durch einen Polizeiangehörigen vor beiden Behörden krass unterschiedlich dar - vermochte der Antragsteller nicht nachvollziehbar aufzuklären.
Auf Grund weiterer in der Aussage aufgetretener Unstimmigkeiten wurde seitens des Einvernehmenden versucht, die grundsätzliche Aussage des Antragstellers einer vorzeitigen Einberufung eines Parteikongresses anhand der vorgelegten Unterlagen zu verifizieren, und konnte insbesondere einer vom Antragsteller beigelegten Erkenntnisquelle entnommen werden, dass sich der Umstand einer vorzeitigen Einberufung eines Parteikongresses bereits im Oktober 1998 (!) ereignete. Auch auf diesen aufgezeigten Widerspruch vermochte der Berufungswerber keine nachvollziehbare Erklärung zu geben. Des Weiteren wurde dem Antragsteller aus einer weiteren von ihm vorgelegten Quelle zitiert, wonach der Sachverhalt eines vorzeitig einberufenen Parteikongresses bereits jedenfalls im Jahr 1998 stattgefunden hat,
... und wurde dem Berufungswerber auch mitgeteilt, dass es sich hiebei offensichtlich um den von ihm zitierten Sachverhalt handelt, was dieser bejahte, und sah sich der Antragsteller auch diesbezüglich nicht im Stande den aufgetretenen zeitlichen Widerspruch aufzuklären. Gemäß dem persönlichen Eindruck des Verhandlungsleiters sah sich der Berufungswerber spätestens nach zweitem Vorhalt, dass die von ihm geschilderten Ereignisse sich bereits Monate vor dem von ihm angegebenen Zeitpunkt ereignet hatten, als gänzlich überführt, was er durch ein verständnisloses Schweigen zum Ausdruck brachte.
Im Weiteren wurde der Antragsteller im Rahmen der Berufungsverhandlung nach dem Datum seines Eintritts in die von ihm als Avantgarde bezeichnete Parteigruppierung bzw. Parteifunktion befragt und gab der Berufungswerber hiezu zu Protokoll, sich nicht mehr daran erinnern zu können. Auf den Vorhalt des Einvernehmenden, dass es dem Antragsteller bei seiner Ersteinvernahme im September 1999 - also bloß wenige Monate vor der angesetzten Berufungsverhandlung - jedenfalls möglich war, spontan das Jahr seines Eintritts in die sogenannte Avantgarde mit 1994 zu bezeichnen, zeigte sich der Berufungswerber gänzlich verwundert bzw. nützte er seine Möglichkeit zur Rechtfertigung nicht.
Letztlich zeigte sich im Zuge der Befragung auch - und dies gemäß dem Eindruck des einvernehmenden Verhandlungsleiters -, dass der Antragsteller sich jedenfalls in grober Unkenntnis dessen befindet, wie ein Parteiausweis der Partei SDF tatsächlich aussieht, und ist davon auszugehen, dass er einen solchen niemals in Händen gehalten hat. Diesbezüglich wird auch ausgeführt, dass der Antragsteller auf spontane Frage, ob er einen Parteiausweis hatte, vorerst mit 'Nein' antwortete und erst auf Vorhalt, dass er bereits seit dem Jahr 1991 Parteimitglied gewesen sei und er doch einen Ausweis gehabt haben müsse, er seine diesbezügliche spontane Aussage modifiziert."
Für den Fall, dass den Angaben des Beschwerdeführers doch Glaubwürdigkeit zukäme, führte die belangte Behörde eventualiter aus, dass er auch im Rahmen der Berufungsverhandlung, zum Kern seiner Fluchtgründe befragt, nicht darzulegen vermochte, dass er pro futuro tatsächlich mit staatlichen Verfolgungsmaßnahmen wegen seiner politischen Gesinnung zu rechnen hätte. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei vielmehr entnehmbar, dass sich ein allenfalls vorhandenes behördliches Interesse an seiner Person aus der Teilnahme seiner Person an bestimmten Ereignissen im Zuge des von ihm relevierten Parteikongresses ergäbe, wobei Bilder des Staatspräsidenten von Kamerun sowie die französische Flagge zerrissen worden seien und er sohin auch an Ausschreitungen teilgenommen habe.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der Berufungsverhandlung sei diesbezüglich - und dies bei Zugrundelegung der Kernaussage als den Tatsachen entsprechend - allenfalls eher entnehmbar, dass die Behörden seines Heimatstaates ein Interesse an seiner Person wegen allenfalls strafrechtlich zu ahndender Delikte gehabt hätten.
Rechtlich folge daraus, dass der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - sei, weshalb die Gewährung von Asyl gemäß § 7 AsylG 1997 idgF nicht statthaft wäre.
Gestützt auf die Ansicht, es mangle dem Beschwerdeführer an persönlicher Glaubwürdigkeit, kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Kamerun Gefahr liefe, einer Bedrohung im Sinne des § 57 FrG ausgesetzt zu sein.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Insoweit sich der Beschwerdeführer gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung wendet, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Beweiswürdigung ein Denkprozess ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 549 ff abgedruckte hg. Judikatur).
Die Beschwerdeausführungen lassen Zweifel an der Schlüssigkeit der von der belangten Behörde dargelegten Erwägungen zur Beweiswürdigung aufkommen. Denn der Beschwerdeführer weist zu Recht darauf hin, dass sich aus den von ihm vorgelegten Beweismitteln ergibt, es habe sich der Umstand einer vorzeitigen Einberufung von Parteikongressen Ende des Jahres 1998 bereits zweimal ereignet. Dies hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid selbst auch folgendermaßen ausgeführt:
"Einer bezughabenden Quelle, dem Druckwerk Internationales Afrika - Forum 2/99 ist ua. entnehmbar, dass es innerhalb der Partei SDF (Social Democratic Front) bereits mehrmals Spaltungsversuche gegeben hat, dies unter Ausnützung des Gegensatzes zwischen der anglophonen und frankophonen Bevölkerungs- bzw. Parteigruppierung. So sei es zum Ausschluss des frankophonen Souleimane Mahand am 27.10 (offenbar gemeint: 1998 !) gekommen, welcher sich für eine Annäherung an die Regierung eingesetzt hatte. Dieser hatte einen Parteikongress für den 30.10. (offenbar neuerlich gemeint 1998 !) einberufen und der Parteivorsitzende Fru Ndi für den 31.10.(1998 !) eine Tarnungsexekutivkomittees der Partei, wobei es in diesem Zusammenhang zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kam.
Des Weiteren ist der beigelegten Quelle US-Department of State 1998 Human Rights Report ua. entnehmbar, dass am 16.12.1998 mehrere SDF-Parteiaktivisten einen von einer Splitterfraktion der SDF einberufenen Parteikongress gewaltsam unterbrochen hätten; diese Splitterfraktion sei durch den Vizepräsidenten Souleimane Mahand einberufen worden. Die SDF-Aktivisten hätten diesen Kongress als illegale Versammlung betrachtet."
Im Hinblick darauf, dass die Angaben des Beschwerdeführers betreffend den ordentlichen Parteikongress vom 18. April 1999 im Wesentlichen durch den als Beweismittel vorgelegten Tagesbericht von London BBC World Service, publiziert am 19. April 1999, bestätigt wurden, wobei sich lediglich der von der belangten Behörde als weiteres Begründungselement herangezogene Widerspruch im Vornamen des Gegenkandidaten Chretien (und nicht Etienne) Tabetsing bestätigt findet, jedoch keine Beweismittel konkret widerlegen, dass der Ende März/Anfang April vom damaligen Sekretär der SDF (wie der Beschwerdeführer behauptete) einberufene illegale vorzeitige Parteikongress in der vom Beschwerdeführer behaupteten Weise abgelaufen sei, ist das Argument der belangten Behörde, das Vorbringen des Beschwerdeführers zum vorzeitig einberufenen Parteitag habe ein Ereignis 1998 betroffen, nicht schlüssig. Denn einerseits fanden 1998 zwei ähnlich gelagerte Ereignisse statt, andererseits hat der Beschwerdeführer nicht behauptet, der illegale Parteitag Ende März/Anfang April 1999 sei vom vormaligen Vizepräsidenten der SDF, Souleimane Mahand, einberufen worden. Dass Letztgenannter bereits am 27. Oktober 1998 aus der Partei ausgeschlossen worden ist, steht demnach nicht der Möglichkeit im Wege, dass ein Sekretär der SDF wenige Monate später eine ähnliche Vorgangsweise wählt. Ohne dass die belangte Behörde den Beschwerdeführer zum Namen dieses Sekretärs befragt hätte, kann sohin schlüssig nicht Personenidentität angenommen werden. Zudem kam es nach dem Ausschluss des vormaligen Vizepräsidenten Mahand im Dezember 1998 wieder zur Einberufung einer Parteiveranstaltung durch eine Splitterfraktion.
Die belangte Behörde als Spezialbehörde für das Asylwesen ist - unabhängig von vom Asylwerber vorgelegten Beweismitteln - von sich aus verpflichtet, jeweils aktuelle Beweismittel der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes zu Grunde zu legen. Im gegenständlichen Fall bedeutet der Umstand, dass die belangte Behörde keine konkreten Berichte über den Zeitraum Ende März/Anfang April 1999 eingeholt hat, dass nicht schlüssig davon ausgegangen werden durfte, das behauptete Ereignis des vom Sekretär der SDF vorzeitig einberufenen illegalen Parteitages habe nicht stattgefunden.
Der in der Verhandlung zu Tage getretene Widerspruch bezüglich der Benennung des Vornamens des Gegenkandidaten zum Vorsitzenden der SDF wird vom Beschwerdeführer in der Beschwerde darauf zurückgeführt, dass der tatsächliche Vornamen dieses in Frankreich lebenden Gegenkandidaten dem vom Beschwerdeführer behaupteten Vornamen in der Schreibweise und phonetisch ähnle und als Beleg für die unterschiedlichen Schreibweisen von Namen in Kamerun wird auf die im Akt enthaltenen unterschiedlichen Schreibweisen des Vorsitzenden der SDF hingewiesen. Dieses Argument ist nicht von vornherein von der Hand zu weisen, zumal zwischen Chretien und Etienne tatsächlich Ähnlichkeiten bestehen.
Die übrigen von der belangten Behörde herangezogenen Widersprüche (verschiedene Darstellung der Aussagen eines Polizeioffiziers, wörtliche Beschreibung eines Parteiausweises der Partei SDF) stellen sich bei genauer Betrachtung jedoch als relativ geringfügige Ungenauigkeiten dar. Insbesondere weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass er den Parteiausweis im Wesentlichen richtig beschrieben habe. Dass er in der öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht erwähnte, dass die Kartennummer und die untere Hälfte des Hintergrundes grün seien, trägt angesichts der im Wesentlichen mit der im Akt befindlichen Kopie eines derartigen Ausweises übereinstimmenden Beschreibung nicht den Schluss der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe einen solchen Parteiausweis nie in Händen gehalten. Im Übrigen trägt die belangte Behörde dem Umstand überhaupt nicht Rechnung, dass die von der Behörde erster Instanz bezweifelte Identität des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren durch Vorlage eines - wie behauptet nachgesendeten - Führerscheines nunmehr feststeht, wobei eine von der belangten Behörde veranlasste Untersuchung dieses Führerscheines keine Zweifel an seiner Echtheit erbrachte.
Wenngleich als merkwürdiger Umstand verbleibt, dass der Beschwerdeführer anlässlich seiner ersten Einvernahme am 9. September 1999 den Zeitpunkt seines Beitrittes zur Avantgarde der SDF wusste, in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 17. Jänner 2000 jedoch nicht mehr, und aus diesem Grund gewisse Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers angebracht sind, so reichen die verbleibenden Ungereimtheiten, relativ geringfügigen Unkenntnisse und diese "Erinnerungslücke" noch nicht für sich genommen hin, um die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers in schlüssiger Weise verneinen zu können.
Zur Eventualbegründung der belangten Behörde ist festzuhalten, dass sie sich in bloß oberflächlicher Weise mit den vom Beschwerdeführer behaupteten Gefahren auseinandersetzt. Wenngleich sich im Verhandlungsprotokoll ein Vorhalt betreffend einen Bericht des deutschen auswärtigen Amtes vom 28. April 1999 findet, dass die SDF in Kamerun eine legale Oppositionspartei sei, die auch im Parlament vertreten sei, und nach den Erkenntnissen des deutschen auswärtigen Amtes weder die bloße passive noch die aktive Mitgliedschaft, noch die Tätigkeit für die SDF, Verfolgungsmaßnahmen seitens der kamerunischen Sicherheitskräfte auslöste (dieser Bericht ist im vorgelegten Akt nicht enthalten), so hätte sich die belangte Behörde in der Bescheidbegründung - die sich im Übrigen auf diesen Bericht gar nicht stützt - auch mit den Angaben in dem vom Beschwerdeführer anlässlich der Berufungsergänzung vom 11. November 1999 vorgelegten Jahresbericht 1999 von Amnesty International befassen müssen, demzufolge im August/September des Berichtsjahres SDF-Mitglieder unter der Beschuldigung geplanter bewaffneter Angriffe inhaftiert worden seien.
Auf Grund von in den vorgelegten Beweismitteln enthaltenen Hinweisen auf auch in der Vergangenheit stattgefundene Verfolgung von Regimekritikern vermag somit die Eventualbegründung der belangten Behörde den angefochtenen Bescheid nicht zu tragen.
Da sich die belangte Behörde in der Begründung zur Feststellung gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG auf die mangelnde Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers stützt, gelten die obigen Ausführungen zur nicht hinreichenden Schlüssigkeit dieser Wertung auch für diesen Spruchpunkt.
Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 11. Oktober 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000010154.X00Im RIS seit
15.01.2001