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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
VStG §51e;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des M F in Innsbruck, vertreten durch Dr. Hermann Sperk, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wallnerstraße 2-4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 18. April 2000, Zl. uvs-1999/14/150-1, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 schuldig erkannt, weil er am 16. März 1999 um
18.15 Uhr in Innsbruck an einer näher bezeichneten Örtlichkeit ein Fahrrad in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 in Verbindung mit § 20 VStG wurde über ihn wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe von S 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 7 Tage) verhängt.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 51e Abs. 1 VStG (in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998) hat der unabhängige Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Nach Abs. 3 der genannten Bestimmung kann der unabhängige Verwaltungssenat von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn
1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird, oder
2.
sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder
3.
im angefochtenen Bescheid eine S 3.000,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder
4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet
und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat.
Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer in der gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis (mit dem über ihn eine Geldstrafe von S 8.000,-- verhängt worden war) erhobenen Berufung - unter anderem - vorgebracht, dass er die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht begangen habe. Es sei richtig, dass er sich zu der im Straferkenntnis angegebenen Uhrzeit an dem im Straferkenntnis angegebenen Ort aufgehalten habe, jedoch sei er zu diesem Zeitpunkt nicht mittels eines Fahrrades, sondern zu Fuß unterwegs gewesen. Zum Beweis hiefür berief er sich auf die zeugenschaftliche Vernehmung einer namentlich bezeichneten Person.
Die belangte Behörde nahm von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und von der Vernehmung des vom Beschwerdeführer beantragen Zeugen Abstand. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte sie - unter anderem - aus, die gestellten Beweisanträge seien wegen geklärter Sachlage abzuweisen gewesen, insbesondere weil der Beschwerdeführer laut eigenen Angaben an den Vorfall keine Erinnerung habe, kein Beweisthema für die Einvernahme des angeführten Zeugen genannt worden sei und die Beamten eindeutig hätten feststellen können, dass der Beschwerdeführer mit einem Fahrrad unterwegs gewesen sei.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer zu Recht, dass die belangte Behörde keine Verhandlung durchgeführt und den angeführten Zeugen nicht vernommen habe. Die Voraussetzungen des § 51e Abs. 3 VStG für das Absehen von der Berufungsverhandlung waren im Beschwerdefall nicht erfüllt. Bei der gegebenen Sachlage kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die belangte Behörde bei Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 2000, Zl. 2000/03/0010):
Es trifft nicht zu, dass - wie in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführt wurde - in der Berufung für die Einvernahme des beantragten Zeugen kein Beweisthema genannt worden sei. Diesbezüglich genügt es, auf den oben wiedergegebenen Inhalt des entsprechenden Berufungsvorbringens zu verweisen. Da nicht gesagt werden kann, dass dieser Beweis an sich nicht geeignet gewesen wäre, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen, hätte die belangte Behörde dessen Aufnahme nicht ablehnen dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 1997, Zl. 97/03/0241). Dazu kommt, dass es der im Berufungsverfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat geltende Grundsatz der Unmittelbarkeit im Beschwerdefall erfordert hätte, nicht nur den Beschwerdeführer selbst über den maßgebenden Sachverhalt zu vernehmen (vgl. das oben angeführte hg. Erkenntnis vom 26. November 1997, Zl. 97/03/0241), sondern auch die Meldungsleger zeugenschaftlich über ihre anlässlich ihrer Amtshandlung gemachten Wahrnehmungen zu befragen, aus denen sie abgeleitet hatten, dass der Beschwerdeführer zuvor ein Fahrrad gelenkt habe.
Zu einer amtswegigen Ausforschung und Vernehmung der "Mannschaft des aktenkundigen Rettungswagens" bestand allerdings entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers für die belangte Behörde keine Veranlassung, handelte es sich doch bei diesen Personen mit Rücksicht darauf, dass die Rettung erst nach dem Sturz des Beschwerdeführers herbeigerufen worden war, um keine unmittelbaren Tatzeugen.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 11. Oktober 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000030197.X00Im RIS seit
21.12.2000