TE Vwgh Erkenntnis 2014/3/25 2013/04/0085

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Veröffentlicht am 25.03.2014
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §1 Abs3;
GewO 1994 §159 Abs1 Z6;
GewO 1994 §366 Abs1 Z1;
GewO 1994 §94 Z1;
GewO 1994 §97;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, Hofrat Dr. Kleiser sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde der S G in F, vertreten durch Mag. Helmut Holzer, Mag. Wolfgang Kofler, Mag. Klaus Mikosch und Mag. Dr. Peter Kasper, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 51/DG, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 30. April 2013, Zl. KUVS-419/4/2013, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (weitere Partei: Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft F vom 14. Februar 2013 wurde der Beschwerdeführerin als unbeschränkt haftende Gesellschafterin einer näher bezeichneten Personengesellschaft angelastet, in der Zeit vom 20. Jänner 2012 bis zumindest zum 23. August 2012 das reglementierte Gewerbe "Arbeitsvermittlung" gemäß § 94 Z 1 GewO 1994 ausgeübt zu haben, ohne eine entsprechende Gewerbeberechtigung zu besitzen, weshalb die Beschwerdeführerin der Übertretung des § 366 Abs. 1 Z. 1 iVm § 94 Z. 1 GewO 1994 für schuldig erkannt und über sie eine Geldstrafe in Höhe von EUR 720,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) verhängt wurde.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der Beschwerdeführerin dem Grunde nach keine Folge gegeben, die verhängte Geldstrafe jedoch auf EUR 360,00 (Ersatzfreiheitsstrafe ein Tag und zwölf Stunden) herabgesetzt.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin vermittle als Geschäftsführerin einer Personengesellschaft, welche lediglich über eine Gewerbeberechtigung "Personenbetreuung gemäß § 159 GewO" verfüge, in Zusammenarbeit mit zwei Partneragenturen in Bukarest Betreuerinnen an pflegebedürftige Personen in Österreich. Die pflegebedürftigen Personen überwiesen einen Betrag von EUR 70,00 als "Vermittlungsgebühr" an die Beschwerdeführerin, welcher an die jeweilige Partneragentur weitergeleitet werde. Für ihren eigenen organisatorischen Aufwand erhalte die Beschwerdeführerin je EUR 200,00 pro Monat von den betreuten Personen. Die Pflegerinnen würden direkt von diesen bezahlt. Die Beschwerdeführerin kontrolliere die Pflege nicht sondern sorge für den reibungslosen Ablauf der Betreuung, insbesondere für die jeweilige Verfügbarkeit der Pflegerinnen.

Bei der Tätigkeit der Beschwerdeführerin handle es sich eindeutig um Arbeitsvermittlung im Sinne des § 94 Z 1 iVm § 97 GewO 1994, weil die Tätigkeit ausschließlich darauf gerichtet sei, arbeitssuchende rumänische Pflegerinnen mit pflegebedürftigen Österreichern zur Begründung von Arbeitsverhältnissen zusammenzuführen. Hingegen umfasse Personenbetreuung im Sinne des § 159 GewO 1994 die unmittelbare Betreuung von Personen - insbesondere die Hilfestellung bei der Haushalts- und Lebensführung - in deren privaten Haushalten. Eine solche Tätigkeit liege nicht vor.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4.1. Vorauszuschicken ist, dass gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden sind. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

4.2. Die Beschwerde führt - ebenso wie bereits die Berufung - ins Treffen, die Beschwerdeführerin vermittle selbständige Betreuer(innen) an pflegesuchende Personen, weshalb es sich bei der von ihr ausgeübten Tätigkeit um "Organisation von Personenbetreuung" iS des § 159 Z 6 GewO 1994 handle. Eine entsprechende Gewerbeberechtigung liege vor. Trotz dieses Vorbringens habe die belangte Behörde keine Feststellung getroffen, ob die vermittelten Betreuer(innen) selbständig oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses tätig würden, weshalb ein sekundärer Feststellungsmangel vorliege.

Die Beschwerde wirft damit die Frage der Abgrenzung des freien Gewerbes der "Personenbetreuung" gemäß § 159 GewO 1994 gegenüber dem reglementierten Gewerbe der "Arbeitsvermittlung" gemäß § 97 GewO 1994 auf.

4.3. § 97 Abs. 1 GewO 1994 lautet:

"Arbeitsvermittlung

§ 97. (1) Einer Gewerbeberechtigung für das Gewerbe der Arbeitsvermittlung (§ 94 Z 1) bedarf es für die Zusammenführung von Arbeitsuchenden mit Arbeitgebern zur Begründung von Arbeitsverhältnissen oder von Arbeitsuchenden mit Auftraggebern (Zwischenmeistern, Mittelspersonen) zur Begründung von Heimarbeitsverhältnissen im Sinne des Heimarbeitsgesetzes 1960, BGBl. Nr. 105/1961."

§ 159 Abs. 1 GewO 1994 idF BGBl. I 2007/33 lautet:

"Personenbetreuung

§ 159. (1) Gewerbetreibende, die das Gewerbe der Personenbetreuung ausüben, sind berechtigt, betreuungsbedürftige Personen zu unterstützen. Dies umfasst insbesondere folgende Tätigkeiten:

1. Haushaltsnahe Dienstleistungen insbesondere:

a)

Zubereitung von Mahlzeiten

b)

Vornahme von Besorgungen

c)

Reinigungstätigkeiten

d)

Durchführung von Hausarbeiten

e)

Durchführung von Botengängen

f)

Sorgetragung für ein gesundes Raumklima

g)

Betreuung von Pflanzen und Tieren

h)

Wäscheversorgung (Waschen, Bügeln, Ausbessern)

              2.       Unterstützung bei der Lebensführung insbesondere:

a)

Gestaltung des Tagesablaufs

b)

Hilfestellung bei alltäglichen Verrichtungen

              3.       Gesellschafterfunktion insbesondere:

a)

Gesellschaft leisten

b)

Führen von Konversation

c)

Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Kontakte

d)

Begleitung bei diversen Aktivitäten

              4.       Führung des Haushaltsbuches mit Aufzeichnungen über für die betreute

Person getätigte Ausgaben

              5.       praktische Vorbereitung der betreuungsbedürftigen Person auf einen Ortswechsel

              6.       Organisation von Personenbetreuung.

(...)"

4.4. "Organisation von Personenbetreuung" umfasst alle mit der Organisation selbständiger Personenbetreuung verbundener Tätigkeiten, insbesondere auch die Vermittlung von selbständigen Personenbetreuern. Dazu zählen aber auch andere Tätigkeiten, wie zB Organisation der mit dem Betreuungsverhältnis verbundenen Formalitäten oder die Einteilung von Vertretungen bei Erkrankung oder sonstiger Verhinderung des Personenbetreuers (Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur Gewerbeordnung3, § 159 Rz 10).

Unter Arbeitsvermittlung ist die Zusammenführung von Arbeitsuchenden mit Arbeitgebern zur Begründung von Arbeitsverhältnissen zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. März 2011, Zl. 2008/08/0153, mit Verweis auf die §§ 128 und 97 GewO 1994 sowie § 2 Abs. 1 AMFG). Es geht also um die Bemühungen des Vermittlers, beide Teile zum Abschluss eines Arbeitsvertrages zusammenzuführen.

Die Subsumtion der Tätigkeit der Beschwerdeführerin erfordert daher die Klärung der Frage, ob die von ihr vermittelten Betreuerinnen ihre Tätigkeit auf selbständiger Basis oder in unselbständiger Erwerbstätigkeit aufgrund eines Arbeitsvertrages erbrachten. Die rechtliche Abgrenzung von selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit hat unverändert nach den bisher von Lehre und Judikatur entwickelten Grundsätzen zu erfolgen (Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO3, § 159 Rz 4; vgl. im Übrigen zur Selbständigkeit § 1 Abs. 3 GewO 1994 und die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, aaO, Rz 21 zu § 1 wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

4.5. Die Beschwerdeführerin hat bereits in ihrer Berufung darauf hingewiesen, dass die von der Personengesellschaft vermittelten Betreuerinnen selbständig tätig seien. Obwohl die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Begründung festhält, eine Subsumtion der inkriminierten Tätigkeit unter § 159 Z 6 GewO "Organisation von Personenbetreuung" komme für den Fall der selbständigen Ausübung der Betreuungstätigkeit durch die vermittelten Pfleger(innen) in Frage, unterlässt sie es dennoch, weitere Ermittlungen durchzuführen sowie nähere Feststellungen zu treffen, die es erlauben, die Selbständigkeit bzw. Unselbständigkeit der von der Beschwerdeführerin vermittelten Betreuungspersonen zu beurteilen. Eine Subsumtion der von der Beschwerdeführerin ausgeübten Tätigkeit ist mangels Vorliegens dieser entscheidungswesentlichen Ermittlungen und Feststellungen nicht möglich.

Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht (gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014) auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 25. März 2014

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2013040085.X00

Im RIS seit

24.04.2014

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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