Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser und Dr. Mayr sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des Ing. G S in W, vertreten durch die Pascher & Schostal Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Zedlitzgasse 1/17, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. April 2013, Zl. M63/012078/2010, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (belangte Behörde) wurde dem Beschwerdeführer im Instanzenzug die Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes "Baumeister (§ 202 GewO 1994)" an einem näher bezeichneten Standort gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 entzogen.
Begründend stützte die belangte Behörde die Entziehung auf das Wesentlichste zusammengefasst auf Feststellungen des Landesgerichtes W in dessen Urteil vom 31. Mai 2007, wonach der Beschwerdeführer Vertragspartner des B gewesen sei und dieser wiederholt als "pfuschender Selbständiger" oder "pfuschender Generalunternehmer" Werkverträge über Bauvorhaben abgeschlossen und durchgeführt habe, ohne über eine Gewerbeberechtigung zu verfügen. Zwischen dem Beschwerdeführer und B sei eine Vereinbarung geschlossen worden, wonach dieser ihn "im Notfall decke", wofür B 10 % der gesamten Auftragssumme an den Beschwerdeführer zu bezahlen gehabt habe. Die Abweisung des zivilrechtlichen Klagebegehrens sei lediglich darin begründet gewesen, dass der Beschwerdeführer die rechtswidrige Umgehung des Gewerberechts mit B in einer die klagende Partei nicht betreffenden Abrede vereinbart habe. Trotz Abweisung der Klage hätten die Zivilgerichte unmissverständlich die Ansicht vertreten, der Beschwerdeführer habe "rechtswidrig verwaltungsrechtliche Vorschriften umgangen."
Die Feststellungen des Landesgerichts W seien im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht W vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden. Auch würden sich aus den Zeugenaussagen keinerlei Ungereimtheiten ergeben. Vielmehr seien diese Feststellungen - auch aufgrund der im Bescheid der Erstbehörde zitierten eigenen Aussagen des Beschwerdeführers im Zivilverfahren - schlüssig und lebensnah.
Nach Ansicht der belangten Behörde sei diese einzigartige Vorgehensweise jedenfalls geeignet, das Ansehen des Berufsstandes zu beeinträchtigen bzw. gemeinsame Interessen des Berufsstandes zu schädigen, zumal Personen, die nicht über die für die Gewerbeausübung notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügten, mittels Hilfestellung gegen eine hohe finanzielle Beteiligung der Zugang zum strikt reglementierten Baumeistergewerbe geboten werde. Der Beschwerdeführer habe trotz Wissens über die Umgehung der Standesregeln und Gewerbeordnung vorsätzlich gehandelt. Es liege im öffentlichen Interesse, einen bestimmten Standard gewerblicher Leistungen durch eine entsprechende Befähigung des Gewerbeberechtigten sicherzustellen (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2008, Zl. 2007/04/0137). Dies gelte umso mehr für die mit besonderen Anforderungen verbundenen Gewerbeberechtigungen, wie jene des Baugewerbes, bei denen den besonderen Gefahren für Leben und Gesundheit, die mit der Ausübung der betreffenden gewerblichen Tätigkeiten, wie etwa mit einer nicht sachgerechten Planung und Errichtung von Bauwerken, verbunden seien, nur durch eine entsprechende Berechtigung begegnet werden könne.
Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer trotz Erhalt eines hohen Anteils der Auftragssumme für keine der verursachten Mängel bzw. Schadenersatzforderungen des "pfuschenden Selbständigen" eintreten müssen, da er selbst nicht Vertragspartner geworden sei. Es sei zu Täuschungshandlungen gegenüber Auftragnehmern und Geschäftspartnern gekommen. Zudem werde mit dem gegenständlichen "Geschäftsmodell" auch die Schwarzarbeit gefördert, was den wirtschaftlichen Interessen der ehrlichen Mitbewerber schade und das Ansehen des Berufsstandes beeinträchtige. Durch das Nichtabführen der Steuern und Abgaben aus den beträchtlichen illegalen Einkünften sowie den ungerechtfertigten Vorsteuerabzügen des Beschwerdeführers sei es außerdem zu einer massiven Schädigung der Allgemeinheit gekommen.
Da der Beschwerdeführer somit vorsätzlich maßgebliche Rechtsvorschriften für das reglementierte Baumeistergewerbe (Standesregeln, GewO 1994, sozialversicherungs- und steuerrechtliche Bestimmungen etc.) missachtet und auch das Schutzinteresse der Wahrung des Ansehens des Berufsstandes geschädigt habe, sei die Zuverlässigkeit für das gegenständliche Gewerbe nicht mehr gegeben, weshalb dieses zu Recht gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 entzogen worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Vorauszuschicken ist, dass es sich vorliegend um keinen Übergangsfall nach dem VwGbk-ÜG handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.
2. Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt.
3. Die Beschwerde wendet gegen den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen ein, die belangte Behörde habe den Sachverhalt des zivilgerichtlichen Verfahrens nicht weiter hinterfragt und ungeprüft übernommen.
Aus dem (zivilgerichtlichen) Verfahren gehe hervor, dass die letzten Vorwürfe im Oktober 2006 geendet hätten und somit bis zum Beginn des Entzugsverfahrens vier Jahre bzw. bis zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung nahezu sieben Jahre vergangen seien. In diesem Zeitraum habe sich der Beschwerdeführer tadellos (wohl)verhalten, was in den Feststellungen der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden sei. Auch sei das Zivilgericht davon ausgegangen, im Jahr 2005 bzw. 2006 seien fallweise derartige "Pfuscherarbeiten" gedeckt worden. Dabei handle es sich um einen relativ kurzen Zeitraum, während das Wohlverhalten des Beschwerdeführers danach sehr lange bestanden habe.
Zudem habe sich die belangte Behörde mit dem tatsächlichen Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers nicht auseinandergesetzt. Der Beschwerdeführer habe im zivilrechtlichen Rechtsstreit, aus dem die Vorwürfe rührten, korrekt abgerechnet und die Leistungen an konzessionierte Unternehmen vergeben, was von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden sei.
Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe es verabsäumt, B (als Zeugen) selbst zu vernehmen, um sich ein Bild von den Anschuldigungen machen zu können. Nur weil Feststellungen in einem Urteil unbekämpft geblieben seien, bedeute dies noch lange nicht, dass der Sachverhalt als erwiesen angenommen werden könne, zumal eine Bindungswirkung für die Verwaltungsbehörde nicht existiere.
Schließlich macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde hätte nach Würdigung aller Umstände - sofern sie davon ausgehe, dass Maßnahmen zu setzen seien, um den Beschwerdeführer an der Ausübung des Gewerbes zu hindern - allenfalls eine befristete Gewerbeentziehung verhängen müssen.
4. Mit diesem Vorbringen wird keine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt:
4.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann das in § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 enthaltene Tatbestandsmerkmal der "schwerwiegenden Verstöße" nicht nur durch an sich als schwerwiegend zu beurteilende Verstöße erfüllt werden, sondern auch durch eine Vielzahl geringfügiger Verletzungen der im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften. Entscheidend ist somit, dass sich aus dieser Vielzahl unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung der Schluss ziehen lässt, der Gewerbetreibende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen. Eine solche Sichtweise ist auch vor dem Hintergrund des sich aus Art. 6 StGG ergebenden Gebotes der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffes in die Erwerbsfreiheit erforderlich (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2014, Zl. Ro 2014/04/0013, mwN).
"Schwerwiegende Verstöße", die den Tatbestand des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 verwirklichen, können auch vorliegen, wenn keine Bestrafung erfolgt ist (vgl das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2008, Zl. 2007/04/0137, mwN). Dazu ist es erforderlich, dass die Behörde nach Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens unter Wahrung des Parteiengehörs Feststellungen über die konkreten Tathandlungen trifft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2005, Zl. 2005/04/0012).
4.2. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die belangte Behörde habe den zivilgerichtlichen Sachverhalt ungeprüft übernommen und es unterlassen, sich selbst ein Bild vom Zeugen B zu machen, ist ihm zu entgegnen, dass es der belangten Behörde aufgrund des in § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel nicht verwehrt war, die Ergebnisse des zivilgerichtlichen Verfahrens zu berücksichtigen.
Anders als der Beschwerdeführer behauptet, hat die belangte Behörde den Sachverhalt nicht ungeprüft übernommen, sondern ist zu den der Entziehung der Gewerbeberechtigung zugrunde liegenden Feststellungen in eigener Beweiswürdigung unter Bezugnahme auf die zivilgerichtlichen Urteile gelangt.
Hinsichtlich der unterbliebenen Einvernahme des Zeugen B legt der Beschwerdeführer zudem nicht dar, aus welchen konkreten Angaben die belangte Behörde auf seine Unglaubwürdigkeit hätte schließen können. Insofern fehlt es an einem substantiierten Vorbringen, um die Relevanz des Verfahrensmangels aufzeigen zu können.
4.3. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die belangte Behörde habe sich mit seinem Persönlichkeitsbild nicht auseinandergesetzt und insbesondere sein langjähriges Wohlverhalten nicht berücksichtigt, ist Folgendes auszuführen:
Wie bereits angeführt können "schwerwiegende Verstöße", die den Tatbestand des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 verwirklichen, auch vorliegen, wenn keine Bestrafung erfolgt ist. Da es sich bei der Entziehung einer Gewerbeberechtigung nicht um eine Strafe, sondern um eine administrativ-rechtliche Maßnahme handelt, sind die der Entziehung zugrunde liegenden Fakten einer Verjährung nicht zugänglich. Da das Vorliegen "schwerwiegender Verstöße" im Sinn von § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 somit weder auf Grund des seither verstrichenen Zeitraumes noch auf Grund der fehlenden Bestrafung von vornherein ausgeschlossen werden kann, kommt es auch nicht darauf an, ob eine tatsächlich erfolgte Bestrafung bereits getilgt ist. Jedoch ergibt sich bei bereits getilgten Bestrafungen die mangelnde Zuverlässigkeit nicht bereits zwingend aus den rechtskräftigen Bestrafungen wegen schwerwiegender Verstöße. Vielmehr hat in solchen Fällen die Behörde anhand des sich aus den Verstößen ergebenden Persönlichkeitsbildes des Gewerbetreibenden zu beurteilen, ob dieser die Zuverlässigkeit im Sinn von § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 besitzt (vgl. zu allem das obzitierte hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2008, Zl. 2007/04/0137, mwN).
Gleiches gilt für den Fall, in dem (überhaupt) keine Bestrafung erfolgt ist und sich die "schwerwiegenden Verstöße" wie im vorliegenden Beschwerdefall auf sonstige Fakten gründen. Auch in diesem Fall hat die Behörde anhand des sich aus den Verstößen ergebenden Persönlichkeitsbildes des Gewerbetreibenden zu beurteilen, ob dieser die Zuverlässigkeit im Sinn von § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 besitzt.
Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde ausführlich auf die Eigenart der vom Beschwerdeführer begangenen Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem Baugewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen eingegangen. So habe der Beschwerdeführer trotz Wissens über die Umgehung der Standesregeln und Gewerbeordnung vorsätzlich gehandelt, Auftragnehmer und Vertragspartner getäuscht und u.a. die mit dem Baugewerbe verbundenen besonderen Schutzinteressen, wie das Leben und die Gesundheit, gefährdet. Das Nichtabführen der Steuern und Abgaben aus den beträchtlichen illegalen Einkünften und die unberechtigten Vorsteuerabzüge seien zudem mit einer massiven Schädigung der Allgemeinheit verbunden.
Angesichts der Schwere und Eigenart der vorliegenden Verstöße und der hieraus erzielbaren Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Beschwerdeführers liegt dieses Fehlverhalten noch nicht so lange zurück, dass daraus die Unzuverlässigkeit des Beschwerdeführers im Sinne von § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 nicht mehr abgeleitet werden könnte (vgl. auch das zu § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 ergangene hg. Erkenntnis vom 12. Juni 2013, Zl. 2013/04/0036).
4.4. Insoweit die Beschwerde vorbringt, die belangte Behörde hätte allenfalls eine befristete Gewerbeentziehung verhängen müssen, ist darauf hinzuweisen, dass eine Befristung der Entziehung nach § 87 Abs. 3 GewO 1994 nur dann in Betracht kommt, wenn besondere Gründe gegeben wären, die erwarten lassen, eine bloß befristete Maßnahme reiche aus, um ein späteres einwandfreies Verhalten des Beschwerdeführers zu sichern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2014, Zl. Ro 2014/04/0013, mwN). Dass diese Voraussetzungen im gegenständlichen Fall nicht vorliegen, lässt das Beschwerdevorbringen nicht erkennen.
5. Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 25. März 2014
Schlagworte
Sachverhalt SachverhaltsfeststellungParteiengehör Erhebungen ErmittlungsverfahrenParteiengehörBesondere Rechtsgebiete GewerberechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2013040077.X00Im RIS seit
24.04.2014Zuletzt aktualisiert am
19.05.2014