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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §59 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Dr. Grünstäudl und Dr. Mayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde der Mag. LM in W, vertreten durch Dr. Hans Otto Schmidt, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Hegergasse 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 14. November 2012, Zl. UVS-04/G/50/13210/2011-14, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung (weitere Partei: Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien (im Folgenden: Behörde) wurde über die Beschwerdeführerin nach Durchführung von zwei öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlungen wegen einer Übertretung des § 367 Z 25 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) in Verbindung mit einer näher ausgeführten Bescheidauflage eine Geldstrafe von EUR 315,-- verhängt.
Der Spruch des von der Behörde bestätigten erstinstanzlichen Straferkenntnisses lautet in seinen wesentlichen Teilen wie folgt:
"(Die Beschwerdeführerin habe) als Inhaberin der Betriebsanlage in (...) (Gastgewerbe in der Betriebsart eines Restaurants) am 14.06.2011, am 15.06.2011 und am 16.06.2011 die Auflage des Bescheides vom 06.11.2006, MBA 4/5 - 2612/05 lautend auf:
'Die Fenster und die Türen der Betriebsanlage dürfen während der Betriebszeit zu Lüftungszwecken nicht offen gehalten werden, ausgenommen die Eingangstüre während der Betriebszeit des Gastgartens.'
insofern nicht eingehalten, als am 14., 15. und 16.06.2011 die Eingangstüre der Betriebsanlage, ohne dass der Gastgarten in Betrieb war, offen gehalten wurde."
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die Behörde im Wesentlichen aus, durch die Aussage des Zeugen H sei erwiesen, dass am 14., 15. und 16. Juni 2011 während der Betriebszeit des verfahrensgegenständlichen Gastgewerbebetriebes die Eingangstür des Lokals geöffnet gewesen sei, obwohl der "Schanigarten" nicht in Betrieb gewesen sei. Dies verstoße gegen die dargestellte Auflage des zitierten Betriebsanlagenbescheides des Magistrates der Stadt Wien. Aus den vorgelegten Fotos und der Zeugenaussage des Zeugen H ergebe sich eindeutig, dass der Gastgarten nicht geöffnet gewesen sei, sodass es "jedenfalls zu welcher Tageszeit auch immer (...) nicht erlaubt gewesen wäre, die Tür zum Gastgewerbelokal offen zu halten". Die vom Vertreter der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente hätten die Aussage des Zeugen H nicht in Zweifel ziehen können, weshalb der Berufung keine Folge gegeben werden könne. Abschließend enthält der angefochtene Bescheid Ausführungen zum Strafmaß.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die Behörde erwogen hat:
1. Vorauszuschicken ist, dass es sich vorliegend nicht um einen Übergangsfall nach dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.
2. § 367 GewO 1994 (in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 85/2012) lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 367. Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 2 180 EUR zu bestrafen ist, begeht, wer
...
25. Gebote oder Verbote von gemäß § 82 Abs. 1 oder § 84d Abs. 7 erlassenen Verordnungen nicht befolgt oder die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 und 359b in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält;
..."
§ 44a des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:
1. die als erwiesen angenommene Tat;
..."
3. Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, der angefochtene Bescheid leide unter Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, zumal die Bescheidbegründung widersprüchlich und der maßgebliche Sachverhalt nicht mit der erforderlichen Sicherheit ermittelt worden sei. Die Behörde habe es - entgegen § 44a Z 1 VStG - verabsäumt, den genauen Tatzeitpunkt festzustellen. Da sich die Auflage des Betriebsanlagenbescheides, Fenster und Türen während des Betriebes des Lokals nicht zu öffnen, explizit lediglich auf die Betriebszeit beziehe und es sich beim verfahrensgegenständlichen Lokal um ein Abendrestaurant handle, wäre es jedenfalls erforderlich gewesen, festzustellen, zu welcher Uhrzeit die Eingangstüre offen gewesen sei. Die Behörde habe dies jedoch unterlassen und lediglich in der Begründung ausgeführt, dass die Tür "sicher über einen längeren Zeitraum (über mindestens eine Stunde)" offen gewesen und dass aus den durch den Zeugen vorgelegten Fotos ersichtlich sei, dass dies "in den Abendstunden" gewesen sei. Eine Präzisierung der Uhrzeit sei nicht erfolgt. Die Behörde habe sich auf die Zeugenaussage gestützt, doch habe der Zeuge keine konkreten Angaben zum genauen Tatzeitpunkt gemacht. In weiterer Folge habe die Behörde die unzutreffende Rechtsansicht vertreten, dass auf Grund des nicht aufgebauten Gastgartens die Eingangstür "jedenfalls zu welcher Tageszeit auch immer" geschlossen sein müsse. Die Behörde verkenne dabei, dass es außerhalb der Betriebszeiten rechtmäßig sei, die Türen offen zu halten. Insofern fehlten konkrete Feststellungen seitens der Behörde bezüglich der Uhrzeit, zu welcher die Türe offen gestanden sei.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg:
4. Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Sie bildet den den Deliktstatbestand erfüllenden Sachverhalt. Es bedarf daher im Bescheidspruch der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift erforderlich sind. Wesentlich für die Bezeichnung der Tat ist der Ausspruch über Zeit und Ort der Begehung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2013, Zl. 2012/02/0174). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es beim Erfordernis einer genauen Tatumschreibung iSd § 44a Z 1 VStG darauf an, den Beschuldigten in die Lage zu versetzen, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und ihn rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den erwähnten Rechtsschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. April 2012, Zl. 2010/04/0057).
5. § 367 Z 25 GewO 1994 stellt (u.a.) auf beim Betrieb einer Betriebsanlage einzuhaltende Auflagen ab. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt, ist dem hier zugrunde liegenden Betriebsanlagenbescheid eindeutig zu entnehmen, dass die Auflage bezüglich des Verbotes des Offenhaltens von Fenstern und Türen auf den Zeitraum "während der Betriebszeit" abstellt; dies gilt auch für die Ausnahme hinsichtlich des Offenhaltens der Eingangstür während der Betriebszeit des Gastgartens. Auf Grund der Ausgestaltung der verfahrensgegenständlichen Auflage ist im vorliegenden Fall die als erwiesen angenommene Tat durch die Angabe der Uhrzeit zu konkretisieren, zu der die Eingangstür geöffnet gewesen und damit die Verwaltungsübertretung begangen worden sein soll. Ohne genaue Bezeichnung der Tatzeit kann nämlich die Rechtswidrigkeit des der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Verhaltens nicht festgestellt werden (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, Zl. 90/04/0357).
6. Der Spruch des angefochtenen Bescheides enthält keine hinreichende Konkretisierung der Tatzeit. Zwar ist in der Begründung davon die Rede, dass es angesichts der vom Zeugen H vorgelegten Aufnahmen und dessen Zeugenaussage als erwiesen anzusehen sei, dass die Eingangstür des Lokals "während der Betriebszeit" bzw. "in den Abendstunden" geöffnet gewesen sei. Allerdings vertrat die Behörde die Ansicht, es sei "jedenfalls zu welcher Tageszeit auch immer nicht erlaubt gewesen" die Tür offen zu halten, weil der Gastgarten nicht aufgebaut sei. Auf Grund dieser - im Hinblick auf die dargestellte Auflage unzutreffenden - Annahme unterließ es die Behörde, die Tatzeit hinsichtlich der Uhrzeit zu konkretisieren, und beließ es im Spruch des angefochtenen Bescheides bei einer Benennung der Tage. Damit verkannte die Behörde jedoch, dass ein konkretes Anführen der Uhrzeit der Verwaltungsübertretung zur rechtlichen Beurteilung des verfahrensgegenständlichen Handelns der Beschwerdeführerin unumgänglich ist.
7. Ausgehend davon war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht - gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 - auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 25. März 2014
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2013040057.X00Im RIS seit
24.04.2014Zuletzt aktualisiert am
06.06.2014