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L00013 Landesverfassung Niederösterreich;Norm
AdLRegOrgG 1925 §3 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der J Gesellschaft mbH in H, vertreten durch Dr. Agnes Maria Kienast, Rechtsanwältin in 2100 Korneuburg, Hauptplatz 24, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 16. April 2013, Zl. RU5-BE-869/001-2012, betreffend Zurückverweisung gemäß § 66 Abs. 2 AVG in einer Angelegenheit naturschutzbehördliche Bewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 16. April 2013 hat die Niederösterreichische Landesregierung den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 17. Juli 2012, mit dem der Beschwerdeführerin die naturschutzbehördliche Bewilligung für die Abänderung einer Materialgewinnungsanlage (Schottergrube) auf bestimmt genannten Grundstücken erteilt worden war, gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Behörde erster Instanz den Rechtsvorgängern der Beschwerdeführerin im September 1997 die naturschutzbehördliche Bewilligung für die Durchführung einer Trockenbaggerung und Wiederverfüllung mit grubeneigenem Material erteilt habe.
Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid habe die Behörde erster Instanz über Antrag der Beschwerdeführerin vom 12. Juli 2012 eine Änderung dieses Projektes in Bezug auf Abbaurichtungen, Größe der Abbauabschnitte, Richtung der Wiederverfüllung sowie Abbaukoten gemäß den vorgelegten Projektunterlagen bewilligt. Dabei seien unter Auflagenpunkt 23 als Sicherheitsleistung für die ordnungsgemäße Wiederverfüllung und Rekultivierung bei einer errechneten Kubatur von 957.780 m3 die Hinterlegung einer Summe von EUR 2,873.340,-- bei der Behörde erster Instanz aufgetragen und unter Auflagenpunkt 24 Anordnungen für den Fall des Erlages der Sicherheitsleistung in Form einer Bankgarantie getroffen worden.
Die Beschwerdeführerin habe nur gegen die Vorschreibung der Sicherheitsleistung Berufung erhoben.
Der im Berufungsverfahren beigezogene Amtssachverständige für Deponietechnik und Gewässerschutz habe im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Der gegenständliche Schotterabbau sei im Jahr 1997 für eine Tiefe bis 7 m unter der Geländeoberkante (ca. 180 m über Adria) mit der Verpflichtung zur Wiederverfüllung mit Aushubmaterial der Eluatklasse Ia und I c erteilt worden. Der gegenständliche Änderungsantrag umfasse den Abbau im gesamten Abbaufeld bis Kote 176 m über Adria (4 m tiefer als bisher bewilligt). Nach dem erfolgten Abbau solle zunächst 1 m mit grubeneigenem Schlämm- und Abraummaterial aufgehöht werden. Der - nach bereits erfolgter Wiederverfüllung des Abbaufeldes 1 - noch verbleibende Abbau solle in drei Abschnitten erfolgen. Die Abschnitte 2 und 3 sollten als Bodenaushubdeponie nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002, BGBl. I Nr. 102, verfüllt werden. Der Verfüllabschnitt 4 solle auf Grund einer unbefristeten naturschutzrechtlichen Bewilligung bis zur Geländeoberkante verfüllt werden. Wie der Sachverständige der Behörde erster Instanz bereits im Oktober 2010 mitgeteilt habe, sei für die geplante Verfüllung der Abschnitte 2 und 3 als Bodenaushubdeponie eine Bewilligung gemäß § 37 AWG 2002 erforderlich.
Eine Nachfrage der belangten Behörde bei der zuständigen Abteilung Umweltrecht des Amtes der NÖ Landesregierung habe ergeben, dass dort kein Verfahren gemäß § 37 AWG 2002 betreffend die gegenständliche Anlage anhängig sei.
Im Berufungsverfahren seien "Sachverhaltsmängel bei der Ermittlung" im Verfahren erster Instanz zutage getreten. Sowohl aus der Aussage des Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz als auch aus einer Stellungnahme der Abteilung Umweltrecht ergebe sich unmissverständlich, dass jedenfalls für die Wiederverfüllung der Abbauabschnitte 2 und 3 mit Bodenaushubmaterial eine Bewilligung nach dem AWG 2002 erforderlich sei. Nach der Verfassungsbestimmung des § 38 AWG 2002 seien im Verfahren zur Erteilung einer Bewilligung gemäß § 37 leg. cit. vom Landeshauptmann u.a. die Bestimmungen des Naturschutzgesetzes in Verfahrenskonzentration mitanzuwenden. Insoweit sei die Naturschutzbehörde daher nicht zuständig. Die Behörde erster Instanz habe jedoch Ermittlungen zur Frage der Bewilligungspflicht nach dem AWG 2002 unterlassen. Die Behörde erster Instanz habe nicht begründet, warum sie entgegen der Ansicht der zuständigen Abteilung des Amtes der Landesregierung für die Genehmigung der Wiederverfüllung der Abschnitte 2 und 3 mit Bodenaushubmaterial zuständig sei. Weiters fänden sich keine Feststellungen, ob die bereits durchgeführte Wiederverfüllung des Abbauabschnittes 1 mit Bodenaushubmaterial erfolgt sei, was eine Bewilligungspflicht nach dem AWG 2002 ausgelöst hätte. Überdies sei nicht erhoben worden, ob das Abgehen vom bisherigen Konsens durch die - bereits erfolgte - tiefere Ausgrabung des Abschnittes 4 eine solche Bewilligungspflicht auslöse. Die Behörde erster Instanz werde daher im fortgesetzten Verfahren das Vorliegen und den Umfang des bisherigen Konsenses und darauf aufbauend zu prüfen haben, inwieweit die beantragten Änderungen bzw. die bereits tatsächlich geschaffenen Verhältnisse einen nach dem AWG 2002 bewilligungspflichtigen Tatbestand erfüllten. Komme die Behörde erster Instanz dabei zum Ergebnis, dass eine Bewilligungspflicht nach dem AWG 2002 bestehe, so dürfe sie dafür keine Zuständigkeit in Anspruch nehmen, weil dafür der Landeshauptmann im Rahmen des konzentrierten Verfahrens nach § 38 leg. cit. zuständig sei.
Die belangte Behörde übersehe nicht, dass sich die gegenständliche Berufung lediglich gegen die "Auflagenpunkte" 23 und 24 gerichtet habe, während die naturschutzbehördliche Genehmigung nicht angefochten worden sei. Dazu sei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach bei unteilbarem Verfahrensgegenstand auch bei nur teilweiser Bekämpfung der gesamte Bescheid der Behörde erster Instanz Berufungsgegenstand sei. Die Vorschreibung der Sicherheitsleistung bilde eine dem Bescheid immanente Bewilligungsvoraussetzung und sei daher von der Erteilung der Bewilligung nicht zu trennen.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerdeführerin macht die Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend und führt dazu im Wesentlichen aus, dass Naturschutzangelegenheiten nach der Geschäftsordnung der Niederösterreichischen Landesregierung von Landesrat Dr. Pernkopf selbständig zu erledigen seien. Demnach sei die Landesregierung, für die der angefochtene Bescheid gefertigt sei, unzuständig.
Dieses Vorbringen ist nicht zielführend:
Gemäß Art. 103 Abs. 2 B-VG kann die Landesregierung bei Aufstellung ihrer Geschäftsordnung beschließen, dass einzelne Gruppen von Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung wegen ihres sachlichen Zusammenhanges mit Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes im Namen des Landeshauptmannes von Mitgliedern der Landesregierung zu führen sind.
Gemäß § 3 Abs. 1 erster Halbsatz des Bundesverfassungsgesetzes betreffend Grundsätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien, BGBl. Nr. 289/1925, besorgen die Abteilungen des Amtes der Landesregierung die ihnen nach der Geschäftseinteilung zukommenden Geschäfte, soweit es sich um solche des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes handelt, nach den näheren Bestimmungen der Landesverfassung unter der Leitung der Landesregierung oder einzelner Mitglieder derselben.
Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass die Landesregierungen im Rahmen ihrer Geschäftsordnung Zuständigkeiten an ihre einzelnen Mitglieder zur selbständigen Erledigung übertragen und damit das "Ministerialsystem" einführen können (vgl. aus der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes etwa das Niederösterreich betreffende Erkenntnis vom 10. Dezember 1969, B 239/69 = VfSlg. 6096).
Durch die Übertragung von Angelegenheiten zur selbständigen Erledigung wird das einzelne Mitglied der Landesregierung zu einem monokratischen obersten Organ der Landesverwaltung, das nicht den Weisungen des Kollegiums der Landesregierung unterliegt (vgl. Liehr in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 25 ff zu Art. 101 B-VG, Bußjäger in Rill/Schäffer, Kommentar zum Bundesverfassungsrecht, Rz 19 ff zu Art. 101 B-VG, Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10, Rz 824 f, Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht4, Rz 298 ff).
Nach Art. 48 Abs. 2 der Niederösterreichischen Landesverfassung 1979, LGBl. Nr. 0001-19, sind die Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes Niederösterreich der kollegialen Beratung und Beschlussfassung durch die Landesregierung vorbehalten, insoweit sie nicht nach der Geschäftsordnung der Landesregierung einem Mitglied derselben zur selbständigen Erledigung zugewiesen werden.
Gemäß § 1 Abs. 3 der Verordnung über die Geschäftsordnung der Niederösterreichischen Landesregierung, LGBl. Nr. 0001/1-72, werden die Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes, die nicht gemäß § 4 der kollegialen Beratung und Beschlussfassung durch die Landesregierung vorbehalten sind, von dem nach der Geschäftsverteilung (§ 2) zuständigen Mitglied der Landesregierung selbständig erledigt.
Damit wurde von der bundesverfassungsgesetzlich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Zuständigkeit für bestimmte Angelegenheiten der Landesvollziehung auf einzelne Mitglieder der Landesregierung zu übertragen.
Angelegenheiten des Naturschutzes fallen gemäß § 2 VII. Z. 7 der zitierten Verordnung in die Zuständigkeit von Landesrat Dr. Pernkopf. Diese Angelegenheiten werden im Katalog der der kollegialen Beratung und Beschlussfassung durch die Landesregierung vorbehaltenen Angelegenheiten des § 4 der zitierten Verordnung nicht genannt. Naturschutzangelegenheiten wie die vorliegende sind daher von Landesrat Dr. Pernkopf als monokratisches Organ zu erledigen.
Dies ändert aber nichts daran, dass die Vollziehung des Landes gemäß Art. 101 Abs. 1 B-VG von der Landesregierung ausgeübt wird, wie dies auch Art. 34 Abs. 1 der Niederösterreichischen Landesverfassung 1979 und § 1 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Landesregierung anordnen. Dementsprechend sieht das Niederösterreichische Naturschutzgesetz 2000, LGBl. Nr. 5500-8 (NÖ NSchG 2000), in zahlreichen Bestimmungen (siehe insbesondere § 24) die Zuständigkeit der Landesregierung vor.
Daraus ergibt sich, dass es sich auch bei Entscheidungen von einzelnen Mitgliedern der Landesregierung in den ihnen zur selbständigen Erledigung zugewiesenen Angelegenheiten um Entscheidungen der Landesregierung handelt. In diesen Angelegenheiten repräsentiert der zuständige Landesrat die Landesregierung. In der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes wird dies damit zum Ausdruck gebracht, dass diese Angelegenheiten vom zuständigen Mitglied der Landesregierung "namens der Landesregierung" besorgt würden (vgl. die bei Liehr, aaO, Fußnote 37, angeführte Judikatur) bzw. der Landesrat in dieser Funktion als "zuständiges Organ der Landesregierung" bezeichnet wird (vgl. etwa das Erkenntnis vom 11. Oktober 1975, B 227/75 = VfSlg. 7642).
Dementsprechend werden daher alle - auch die von einzelnen Mitgliedern im Rahmen deren Zuständigkeit stammenden - Erledigungen in Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes gemäß § 9 der Verordnung über die Geschäftsordnung des Amtes der NÖ Landesregierung, LGBl. Nr. 0002/1-0, mit "Niederösterreichische Landesregierung" und der Unterschrift des betreffenden Mitgliedes der Landesregierung oder, wenn dieses nicht selbst unterfertigt, mit "Niederösterreichische Landesregierung: I.A." gezeichnet.
Aus der Fertigungsklausel "NÖ Landesregierung im Auftrag Mag. L(...)" im angefochtenen Bescheid kann daher nicht abgeleitet werden, dass die Landesregierung als Kollegium entschieden hätte.
Ausgehend von diesen Überlegungen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der vorliegend angefochtene Bescheid nicht im Auftrag des zuständigen Mitgliedes der Landesregierung erlassen wurde.
Weiters bringt die Beschwerdeführerin vor, dass die belangte Behörde funktionell unzuständig sei, über die beantragte naturschutzbehördliche Bewilligung zu entscheiden, weil lediglich die Vorschreibung einer Sicherheitsleistung mit Berufung angefochten worden sei und es sich hiebei um einen vom übrigen Spruch trennbaren Abspruch handle. Die Verpflichtung zum Erlag einer Sicherheitsleistung sei von der Vorschreibung einer Auflage zu unterscheiden. Die Auferlegung einer Sicherheitsleistung habe behördliche Zweifel an der Erfüllung von vorgeschriebenen Maßnahmen durch den Anlagenbetreiber zur Voraussetzung und stelle die Vorwegnahme des Auftrages zur Vorauszahlung der Kosten für eine Ersatzvornahme dar. Sie erfülle somit einen gänzlich anderen Zweck als Auflagen, die dazu dienten, die Beeinträchtigung von Naturschutzinteressen auszuschließen bzw. zu minimieren. Aus der hg. Judikatur zu § 11 Wasserrechtsgesetz 1959 ergebe sich klar, dass die Vorschreibung einer Sicherheitsleistung vom übrigen Spruch trennbar sei.
Das Niederösterreichische Naturschutzgesetz 2000 (NÖ NSchG 2000) in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 5500-10 hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
"§ 7
Bewilligungspflicht
(1) Außerhalb vom Ortsbereich, das ist ein baulich oder funktional zusammenhängender Teil eines Siedlungsgebietes (z.B. Wohnsiedlungen, Industrie- oder Gewerbeparks), bedürfen der Bewilligung durch die Behörde:
...
2. die Errichtung, die Erweiterung sowie die Rekultivierung von Materialgewinnungs- oder -verarbeitungsanlagen jeder Art;
...
(2) Die Bewilligung nach Abs. 1 ist zu versagen, wenn
1.
das Landschaftsbild,
2.
der Erholungswert der Landschaft oder
3.
die ökologische Funktionstüchtigkeit im betroffenen Lebensraum
nachhaltig beeinträchtigt wird und diese Beeinträchtigung nicht durch Vorschreibung von Vorkehrungen weitgehend ausgeschlossen werden kann. Bei der Vorschreibung von Vorkehrungen ist auf die Erfordernisse einer zeitgemäßen Land- und Forstwirtschaft sowie einer leistungsfähigen Wirtschaft soweit wie möglich Bedacht zu nehmen.
(3) Eine nachhaltige Beeinträchtigung der ökologischen Funktionstüchtigkeit des betroffenen Lebensraumes liegt insbesondere vor, wenn
1. eine maßgebliche Störung des Kleinklimas, der Bodenbildung, der Oberflächenformen oder des Wasserhaushaltes erfolgt,
2. der Bestand und die Entwicklungsfähigkeit an für den betroffenen Lebensraum charakteristischen Tier- und Pflanzenarten, insbesondere an seltenen, gefährdeten oder geschützten Tier- oder Pflanzenarten, maßgeblich beeinträchtigt oder vernichtet wird,
3. der Lebensraum heimischer Tier- oder Pflanzenarten in seinem Bestand oder seiner Entwicklungsfähigkeit maßgeblich beeinträchtigt oder vernichtet wird oder
4. eine maßgebliche Störung für das Beziehungs- und Wirkungsgefüge der heimischen Tier- oder Pflanzenwelt untereinander oder zu ihrer Umwelt zu erwarten ist.
(4) Mögliche Vorkehrungen im Sinne des Abs. 2 sind:
-
die Bedingung oder Befristung der Bewilligung,
-
der Erlag einer Sicherheitsleistung sowie
-
die Erfüllung von Auflagen, wie beispielsweise die Anpassung von Böschungsneigungen, die Bepflanzung mit bestimmten standortgerechten Bäumen oder Sträuchern, die Schaffung von Fisch-Aufstiegen, Grünbrücken oder Tierdurchlässen.
...
§ 31
Antragsverfahren
...
(5) Bestehen begründete Zweifel an der Erfüllung von bescheidmäßig vorgeschriebenen Vorkehrungen oder Maßnahmen, ist dem Bewilligungswerber eine Sicherheitsleistung bis zur Höhe der voraussichtlichen Kosten dieser Vorkehrungen oder Maßnahmen vorzuschreiben.
..."
Nach der ständigen hg. Judikatur erfasst die Anfechtung von Nebenbestimmungen eines Bescheides, wenn die Nebenbestimmungen mit dem Hauptinhalt des Spruches eine untrennbare Einheit bilden, den gesamten Bescheid (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 3. Oktober 2008, Zl. 2005/10/0047, und vom 26. September 2011, Zl. 2009/10/0104). Eine Bewilligung und die mit ihr verbundene Nebenbestimmung sind als untrennbare Einheit zu behandeln, wenn die Bewilligung ohne die betreffende Nebenbestimmung nicht erteilt werden dürfte und dementsprechend von der Behörde auch nicht erteilt worden wäre (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG-Kommentar, Rz 21 zu § 59 und die dort zitierte hg. Judikatur).
Die Behörde erster Instanz hat der Beschwerdeführerin gemäß § 7 Abs. 1 Z. 2 NÖ NSchG 2000 die Bewilligung für eine wesentliche Änderung einer Materialgewinnungsanlage erteilt, wobei das bewilligte Projekt auch die Wiederverfüllung und Rekultivierung umfasst. Der Erlag einer Sicherheitsleistung wurde "als Sicherstellung für die ordnungsgemäße Wiederverfüllung und Rekultivierung" aufgetragen. Daraus ergibt sich im Zusammenhang mit § 31 Abs. 5 NÖ NSchG 2000, dass die Behörde Zweifel an der Erfüllung der Verpflichtung zur Wiederverfüllung und Rekultivierung durch die Beschwerdeführerin hatte. Sie hat daher den Erlag einer Sicherheitsleistung als - in § 7 Abs. 4 NÖ NSchG 2000 neben Bedingungen, Befristungen und Auflagen genannte - Vorkehrung aufgetragen. Diese Vorkehrung war gemäß § 7 Abs. 2 NÖ NSchG 2000 zu erlassen, um eine nachhaltige Beeinträchtigung von Naturschutzinteressen (hier: durch Unterlassen der Wiederverfüllung und Rekultivierung) weitgehend auszuschließen. Erst durch die Vorschreibung dieser Vorkehrung konnte das Projekt bewilligt werden.
Da die Bewilligung somit ohne Vorschreibung einer Sicherheitsleistung nach Auffassung der Behörde nicht erteilt hätte werden dürfen und dementsprechend auch nicht erteilt worden wäre, bildet diese Nebenbestimmung nach den obigen Ausführungen eine untrennbare Einheit mit dem Hauptinhalt des Spruches. Die belangte Behörde hat daher zu Recht auch über die von der Berufung nicht ausdrücklich umfasste Bewilligung entschieden.
Das von der Beschwerdeführerin zitierte hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 2011, Zl. 2010/07/0022, wonach die gemäß § 11 Abs. 2 Wasserrechtsgesetz 1959 vorgeschriebene Vorlage einer Bankgarantie - die im rechtskräftigen Titelbescheid nicht mit der Gebrauchnahme von der erteilten Bewilligung verknüpft wurde - gesondert vollstreckt werden kann, ist für den vorliegenden Fall nicht einschlägig.
Weiters wendet sich die Beschwerdeführerin dagegen, dass die belangte Behörde nicht in der Sache selbst entschieden hat. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde sei der Sachverhalt nicht so mangelhaft, dass eine mündliche Verhandlung unvermeidlich erscheine.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:
Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Zur Begründung ihrer Ansicht, dass diese Voraussetzungen gegeben seien, führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass nach der Stellungnahme der zuständigen Abteilung des Amtes der Landesregierung jedenfalls für die projektgemäße Verfüllung der Abbauabschnitte 2 und 3 mit Bodenaushubmaterial eine Bewilligung nach § 37 AWG erforderlich sei. Infolge der von § 38 AWG angeordneten Verfahrenskonzentration hätte daher der für die Erteilung einer Bewilligung nach dem AWG zuständige Landeshauptmann insoweit auch die naturschutzrechtlichen Bestimmungen anzuwenden, weshalb die Behörde erster Instanz dafür nicht zuständig wäre. Zur Überprüfung, ob auch für die bereits erfolgte Wiederverfüllung des Abbauabschnittes 1 die abfallwirtschaftsrechtliche Zuständigkeit des Landeshauptmannes gegeben sei, seien Feststellungen erforderlich, welches Material für diese Wiederverfüllung verwendet worden sei. Ebenso sei fraglich, ob die konsenswidrige zu tiefe Ausbaggerung des Abbaufeldes 4 eine Bewilligungspflicht nach dem AWG auslöse. Die Behörde erster Instanz werde daher im fortgesetzten Verfahren den Umfang des bestehenden Konsenses zu prüfen und auf Grund entsprechender Sachverhaltsfeststellungen die Frage zu beantworten haben, ob die beantragten Änderungen der gegenständlichen Materialgewinnungsanlage bzw. die bereits - konsenswidrig - geschaffenen Verhältnisse eine Genehmigungspflicht nach dem AWG - und damit die Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz - zur Folge hätten.
Voraussetzung für ein Vorgehen der Berufungsbehörde nach § 66 Abs. 2 AVG ist das Vorliegen eines mangelhaften Sachverhaltes. Eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die Behörde erster Instanz kann daher nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung nach dieser Bestimmung führen. Weitere Voraussetzung ist die Unvermeidlichkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung. Es kommt also ausschließlich darauf an, dass die Verhandlung notwendig im Sinn von unabdingbar ist, und nicht etwa auf den Umfang oder die Kompliziertheit der erforderlichen Erhebungen (vgl. zum Ganzen Hengstschläger/Leeb, aaO, Rz 9 ff zu § 66).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt:
Verfahrensgegenstand ist die Bewilligung der beantragten Änderung einer Materialgewinnungsanlage. Die Frage, ob und inwieweit die Beschwerdeführerin vom bestehenden Konsens, der unstrittig die Wiederverfüllung mit grubeneigenem Material umfasst, - durch zu tiefe Baggerung oder Verwendung eines nicht konsensgemäßen Materials für die Wiederverfüllung - abgewichen ist, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, könnte aber Anlass für die Erlassung von Maßnahmen gemäß § 35 NÖ NSchG 2000 und/oder Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Verantwortlichen sein.
Bei der Frage, ob für das eingereichte Änderungsprojekt eine Bewilligung nach dem AWG erforderlich ist, handelt es sich um eine von der belangten Behörde zu lösende Rechtsfrage.
Aus den von der belangten Behörde angeführten Gründen ergibt sich somit nicht die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung. Auch aus dem übrigen Akteninhalt ist eine derartige Notwendigkeit nicht ersichtlich.
Da die belangte Behörde somit die Voraussetzungen für eine Vorgehensweise gemäß § 66 Abs. 2 AVG verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG in der gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz leg. cit. anzuwendenden Fassung vor der Novellierung durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 27. März 2014
Schlagworte
Zurechnung von OrganhandlungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2013100139.X00Im RIS seit
24.04.2014Zuletzt aktualisiert am
21.10.2016