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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
KFG 1967 §102 Abs3 fünfter Satz;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger, die Hofräte Mag. Dr. Köller, Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des W R in I, vertreten durch Dr. Alexander Neuhauser, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Dapontegasse 5/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 28. Februar 2012, Zl. VwSen-166601/2/Bi/Rei, betreffend Übertretung des KFG (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe zu einer näher angeführten Tatzeit einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten Pkw im Ortsgebiet K auf der G Straße im Bereich der Einmündung in die P Straße gelenkt und während des Fahrens ohne Benützung einer Freisprechanlage telefoniert, was bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs. 5 StVO festgestellt worden sei; dadurch habe er eine Übertretung des § 102 Abs. 3 KFG 1967 begangen. Deswegen wurde über ihn - nachdem er die Zahlung der ihm angebotenen Organstrafverfügung verweigert hatte - eine Geldstrafe von EUR 55,-- (18 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Begründend führte die belangte Behörde - soweit im gegenständlichen Verfahren relevant - im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe weder seine "Fahrt" in seiner Position vor der besagten Kreuzung beendet, noch das "Fahren", zumal der Pkw nicht (zum Halten oder Parken) abgestellt gewesen und der Motor gelaufen sei. Vielmehr habe sich der Pkw im fließenden Verkehr befunden und der Beschwerdeführer habe daher jederzeit damit rechnen müssen, Fahrzeugeinrichtungen betätigen zu müssen, sei es zum Ausweichen, zum Weiterfahren oder um einen für ein Telefongespräch geeigneten Abstellplatz für das Fahrzeug aufzusuchen; dass dabei mit einem Mobiltelefon in der Hand ein erhöhtes Unfallrisiko bestehe, bedürfe keiner Erläuterung. Die Vorgangsweise des Beschwerdeführers, einfach mitten im Kreuzungsbereich stehenzubleiben um in Ruhe zu telefonieren, sei nicht geeignet, Zweifel an der der Erfüllung der Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens im Hinblick auf die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung zu erwecken.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend macht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, auf die der Beschwerdeführer repliziert hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass in dem vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängig gewesenen Beschwerdefall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiterhin anzuwenden sind, zumal durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist.
Der Beschwerdeführer wendet ein, er habe nicht während des Fahrens, sondern lediglich im stillstehenden Fahrzeug telefoniert, während er an der Kreuzung gestanden sei. Das Telefonieren während des Stillstands des Fahrzeugs sei allerdings nicht vom Tatbestand des § 102 Abs. 3 5. Satz KFG, welcher sich ausdrücklich auf ein fahrendes Auto beziehe, umfasst.
§ 102 Abs. 3 KFG in der maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 80/2002 lautet:
"(3) Der Lenker muss die Handhabung und Wirksamkeit der Betätigungsvorrichtungen des von ihm gelenkten Kraftfahrzeuges kennen. Ist er mit ihrer Handhabung und Wirksamkeit noch nicht vertraut, so darf er das Fahrzeug nur mit besonderer Vorsicht lenken. Er muss die Lenkvorrichtung während des Fahrens mit mindestens einer Hand festhalten und muss beim Lenken Auflagen, unter denen ihm die Lenkerberechtigung erteilt wurde, erfüllen. Er hat sich im Verkehr der Eigenart des Kraftfahrzeuges entsprechend zu verhalten. Während des Fahrens ist dem Lenker das Telefonieren ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung verboten. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat unter Bedachtnahme auf die Verkehrssicherheit und den Stand der Technik durch Verordnung die näheren Vorschriften bezüglich der Anforderungen für Freisprecheinrichtungen festzulegen. Freisprecheinrichtungen müssen den Anforderungen der Produktsicherheitsbestimmungen für Freisprecheinrichtungen entsprechen."
Im Bericht des Verkehrsausschusses (1334 BlgNR 20. GP) wird die Einfügung der Sätze 5 bis 7 dieser Bestimmung durch BGBl. I Nr. 146/1998 (welche nachfolgend inhaltlich unverändert blieb) wie folgt begründet:
"Es ist durch einige Studien belegt, daß durch ablenkende Tätigkeiten während des Autofahrens ein erhöhtes Unfallrisiko bewirkt wird.
Gerade das Halten eines Handy während der Fahrt lenkt vom Verkehrsgeschehen ab. Deshalb erscheint es zielführend, dieses Problem im KFG bei den Lenkerpflichten ausdrücklich zu regeln."
Unstrittig ist vorliegend, dass der Beschwerdeführer zu der im angefochtenen Bescheid angegebenen Zeit und am angegebenen Ort in einem im Kreuzungsbereich auf der Fahrbahn stehenden Fahrzeug ohne Freisprecheinrichtung telefoniert hat.
Dem Wortlaut des oben wiedergegebenen § 102 Abs. 3
5. Satz KFG folgend bezieht sich das Verbot des Telefonierens ohne Freisprecheinrichtung auf den Zeitraum der Fahrtätigkeit ("während des Fahrens"). Ausgehend vom ebenfalls zu berücksichtigenden Schutzweck der Norm soll verhindert werden, dass der Lenker durch das Telefonieren mit dem Handy in der Hand während seiner Teilnahme am Verkehr abgelenkt wird.
Im Beschwerdefall ist somit zu klären, ob die kurzfristige Anhaltung des Fahrzeuges durch den Lenker im Zuge des Linksabbiegens an einer ungeregelten Kreuzung unter den Begriff des "Fahrens" iSd § 102 Abs. 3 5. Satz fällt.
Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Beschwerde, soweit sie in diesem Zusammenhang vorbringt, es gehe im Beschwerdefall um die Frage, ob der Begriff "Fahren" iSd § 102 Abs. 3 5. Satz KFG den Stillstand eines KfZ vor einer Lichtsignalanlage mitumfasst, vom vorliegenden Sachverhalt entfernt. Nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides hat der Beschwerdeführer sein Telefonat zu einem Zeitpunkt geführt, in dem er sich mitten in einem Fahrmanöver an einer Kreuzung ohne Ampelanlage befand.
In einer solchen Verkehrssituation, in der ein Lenker auf der Fahrbahn an der Ausführung seines Fahrmanövers - wie gegenständlich am Linkseinbiegen - nur kurzfristig verkehrsbedingt (Abwarten des Gegenverkehrs) gehindert wird, die gebotene Fortsetzung seines Fahrmanövers aber seine volle Aufmerksamkeit verlangt, kann jedenfalls nicht davon die Rede sein, dass das dabei erfolgende Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung nicht mehr vom Tatbestand des § 102 Abs. 3 5. Satz KFG umfasst wäre. Das Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung fällt daher unter das Verbot des § 102 Abs. 3 5. Satz KFG.
Die Rechtsansicht der belangten Behörde erweist sich im Ergebnis als zutreffend.
Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtsverletzung nicht anhaftet, war die gegenständliche Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008, und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 28. März 2014
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2012020070.X00Im RIS seit
24.04.2014Zuletzt aktualisiert am
02.10.2017