Index
L8240 Abfall, MüllNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Vorschreibung der jährlichen Abgabe nach dem Wr AbfallwirtschaftsG für das Jahr 2012; keine Bedenken gegen den Wiener Müllabfuhrabgabetarif hinsichtlich der Valorisierung des Grundbetrags für Sammelbehälter im Umleersystem; keine Überschreitung der finanzausgleichsrechtlichen ErmächtigungSpruch
I. Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
II. Die Beschwerden werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 9. Jänner 2012 wurde dem Erstbeschwerdeführer die jährliche Abgabe nach dem Wiener Abfallwirtschaftsgesetz, LGBl 13/1994 idF LGBl 48/2010, (in der Folge: Wr. AWG) für den Zeitraum ab 1. Jänner 2012 vorgeschrieben. Die dagegen erhobene Berufung wurde durch die Abgabenberufungskommission der Stadt Wien mit Bescheid vom 1. März 2013 als unbegründet abgewiesen.
2. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 9. Jänner 2012 wurde der Zweitbeschwerdeführerin die jährliche Abgabe nach dem Wr. AWG für den Zeitraum ab 1. Jänner 2012 vorgeschrieben. Die dagegen erhobene Berufung wurde durch die Abgabenberufungskommission der Stadt Wien mit Bescheid vom 1. März 2013 als unbegründet abgewiesen.
3. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten – im Wesentlichen gleichlautenden – Beschwerden, in denen die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, sowie in Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Verordnung behauptet und jeweils die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
4. Begründend wird in den Beschwerden im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
4.1. Gemäß §15 Abs3 Z4 FAG 2008, BGBl I 103/2007 idF BGBl I 73/2010 (in der Folge: FAG 2008), sei das doppelte Jahreserfordernis der Finanzierung der Müllabfuhr eine absolute Obergrenze für die Festsetzung der Müllabfuhrgebühren. Auch das einfache Jahreserfordernis dürfe nicht beliebig überschritten werden; werde es überschritten, so müsse diese Überschreitung einen inneren Zusammenhang zur gebührenfinanzierten Müllabfuhr aufweisen.
4.2. Die Rechtmäßigkeit des Wiener Müllabfuhrabgabetarifs erfordere von der erlassenden Behörde eine sorgfältige und detaillierte Ermittlung, die die Überprüfung des Tarifs auf seine Gesetzmäßigkeit gewährleiste. Diese liege aber nicht vor: Der Rechnungshof habe auf Grund einer Prüfung des Müllgebührenhaushaltes der Stadt Wien der Jahre 2005 bis 2007 bemängelt (Prüfbericht vom April 2010, Reihe Wien 2010/2, GZ001.509/204-83-1/10), dass den festgesetzten Müllgebühren keine schlüssigen Kalkulationen zugrunde lägen. Dies treffe auch auf die Festsetzung der Müllgebühren für das Jahr 2012 zu. Denn die Festsetzung des Tarifes für das Jahr 2012 ergebe sich bloß aus zwei Valorisierungen der Festsetzung des – durch den Rechnungshof beanstandeten – Müllabfuhrabgabetarifs des Jahres 2006, dem letzten "willentlichen" Beschluss des Gemeinderates; diese Valorisierungen zur Anpassung an den Verbraucherpreisindex seien bloß rechnerische Ableitungen der Festsetzung des Jahres 2006.
4.3. Die Kalkulationsgrundlagen seien vor allem deshalb nicht hinreichend, da über bestimmte im Rahmen der Gebührenkalkulation auszuscheidende Ausgaben keine genauen Aufzeichnungen verfügbar gewesen seien und daher die mit diesen Leistungen verbundenen Einnahmen abgezogen worden seien; ferner, weil Pensionslasten nicht unter Berücksichtigung des tatsächlichen Aufwandes verrechnet worden seien; und schließlich die Inanspruchnahme zentraler Verwaltungsdienstleistungen nicht auf Grundlage einer eigenen Kostenrechnung, sondern mit einem pauschalen Zuschlagssatz erfasst würden. Daher gebe es für rund ein Viertel der Kosten der Einrichtung keine schlüssige Kalkulation.
4.4. Ferner habe der Rechnungshof für den Prüfungszeitraum 2005 bis 2007 ausgeführt, trotz der mangelnden Kalkulationsgrundlagen liege es nahe, dass aus den Müllgebühreneinnahmen erhebliche Überdeckungen der einfachen Jahreserfordernisse erzielt wurden; diese seien in den Jahren 2005 bis 2007 nicht zweckgebunden für künftige Investitionen in die Abfallwirtschaft zurückgelegt, sondern für den allgemeinen Haushalt verwendet worden. Obwohl bereits im Jahr 2005 das einfache Jahreserfordernis der Müllabfuhr durch die Gebühreneinnahmen überdeckt gewesen sei, sei der Müllabfuhrabgabetarif danach weiter erhöht worden. Im Ergebnis sei davon auszugehen, dass das Gebührenaufkommen des Jahres 2012 zwar nicht das doppelte, wohl aber das einfache Jahreserfordernis der Finanzierung der Müllabfuhr überschreite. Diese Überdeckung mache die Höhe des Müllabfuhrabgabetarifes nicht per se rechtswidrig; wohl aber bedürfe die nicht bloß geringfügige und strukturelle Überdeckung einer Rechtfertigung durch einen "inneren Zusammenhang" im Sinne von VfSlg 16.319/2001. Ob solch ein innerer Zusammenhang gegeben sei, könne aus den den Beschwerdeführern zugänglichen Unterlagen aber nicht erschlossen werden. Auch müsse bereits bei Beschlussfassung über einen Gebührentarif, der zu einer systematischen Überdeckung des Jahresbedarfes führt, ein Konzept einer Rechtfertigung im Sinne eines inneren Zusammenhanges vorliegen, das sich zumindest im Verordnungsakt niederschlagen müsse.
4.5. Mangels hinreichender Kalkulationsgrundlagen zum Jahreserfordernis könne nicht gesagt werden, inwieweit die den Grundbetrag im Umleersystem für Sammelbehälter für 2012 festlegende Verordnung des Wiener Gemeinderates, mit der ein Müllabfuhrabgabetarif 2002 erlassen wird, Amtsblatt der Stadt Wien Nr 47/2001 in der hier anzuwendenden Fassung Nr 49/2011, den genannten finanzausgleichsrechtlichen Vorgaben entspreche. Dies mache die Verordnung gesetzwidrig; es werde angeregt, diese Verordnung gemäß Art139 B-VG in Prüfung zu ziehen.
4.6. Die belangte Behörde habe es ferner unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, inwieweit die Festsetzung der Höhe des Müllabfuhrabgabetarifes für die Zeit ab 1. Jänner 2012 mit diesen finanzausgleichsrechtlichen Vorgaben in Einklang stehe; damit habe die belangte Behörde bei der Erlassung der Bescheide Willkür geübt und die Beschwerdeführer in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.
5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete im Wesentlichen gleich lautende Gegenschriften, in welchen den Beschwerdebehauptungen wie folgt entgegengetreten wird:
5.1. Soweit die Beschwerdeführer darauf verweisen, bereits im Verwaltungsverfahren die verfassungsrechtliche Bedenklichkeit der Höhe des Müllabfuhrabgabetarifes geltend gemacht zu haben, so sei ihnen zu entgegnen, dass die belangte Behörde bei Erlassung der angefochtenen Bescheide an die betreffenden, gehörig kundgemachten Rechtsvorschriften gebunden gewesen sei. Die Anwendung der Verordnung über die Festsetzung des Müllabfuhrabgabetarifes bei der Erlassung der angefochtenen Bescheide sei also nicht geeignet, willkürliches Handeln der belangten Behörde zu begründen.
5.2. Die der Festsetzung des Müllabfuhrabgabetarifes zugrunde liegende Kostenkalkulation entspreche betriebswirtschaftlichen Grundsätzen; dies werde durch ein eingeholtes Expertengutachten vom Dezember 2009 bestätigt. Es liege also eine schlüssige und nachvollziehbare Gebührenkalkulation vor. Das kritisierte Verfahren zur Umlage des Pensionsaufwandes sei begründet, da auf Grund der Mitarbeiterstruktur (zunehmender Ersatz von Beamten durch Vertragsbedienstete) und der Flexibilität des Mitarbeitereinsatzes eine altersbezogene Zurechnung nicht möglich sei. Der Verwaltungskostenzuschlag von 20 % entspreche der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Richtlinien für die Ermittlung und Darstellung der finanziellen Auswirkungen neuer rechtsetzender Maßnahmen gemäß §14 Abs5 des Bundeshaushaltsgesetzes (BHG), BGBl II 50/1999, und werde überdies einer Nachkalkulation unterzogen.
5.3. Zudem stelle die Bildung zweckgebundener Rücklagen nur eine der durch den Verfassungsgerichtshof anerkannten Vorgangsweisen zur Herstellung des "inneren Zusammenhanges" der Verwendung von Überdeckungen zur gebührenfinanzierten Einrichtung dar. Die Stadt Wien habe einerseits das sogenannte "doppelte Äquivalenzprinzip" nie auch nur annähernd ausgereizt und andererseits stets die vom Verfassungsgerichtshof explizit angeführten Lenkungsziele objektiv verfolgt. Auch sei die Gemeinde selbst bei der Bildung solcher Rücklagen nicht verpflichtet, die erwirtschafteten Mittel der (direkt korrespondierenden) Gemeindeeinrichtung unmittelbar zuzuführen; solche Überschüsse dürften während eines acht- bis zehnjährigen Beobachtungszeitraums als Vorfinanzierung im allgemeinen Haushalt verwendet werden.
5.4. Überschüsse seien im Müllgebührenhaushalt keineswegs "systemimmanent". Während der letzten Jahrzehnte sei der Gebührenhaushalt wiederholt von massiven Unterdeckungen geprägt gewesen, die nie kalkulatorisch in Kauf genommen worden seien. Auf Grund der geführten Aufzeichnungen seien auch die jährlichen Überschüsse und Verluste bekannt und sei daher sichergestellt, dass die Einnahmen aus dem Gebührenhaushalt in einem inneren Zusammenhang mit dieser Gebühreneinrichtung über einen längeren Zeitraum stehen. Die Festsetzung des Müllabfuhrabgabetarifes verfolge auch das Ziel der sparsamen, umweltschonenden und abfallvermeidenden Benützung der Müllentsorgung; die Verfolgung dieses Zieles schließe es aus, eine Überdeckung eines Jahres bereits im Folgejahr durch eine Unterdeckung im Wege der Festsetzung eines geringeren Tarifes wieder auszugleichen, weil sonst das Lenkungsziel konterkariert würde.
5.5. Im Zeitpunkt der Festlegung und Prüfung der Gebühren könne die Höhe der Erträge und der Kosten vorausschauend nur geschätzt werden. Es sei daher auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes eine gewisse Toleranz in Bezug auf die Entsprechung von Kosten und Gebühren einzuräumen. Ferner halte der Verfassungsgerichtshof einen längeren Beobachtungszeitraum für zulässig, innerhalb dessen es zu einem Ausgleich von Über- und Unterdeckungen kommen müsse; lediglich eine gravierende Abweichung zwischen Gebührenfestlegung bzw. Gebühreneinnahmen und Kostendeckungsgrad im jeweiligen Jahr erfordere nach der Rechtsprechung eine sofortige Neuausrichtung der Gebührenkalkulation. Diese anerkannte Toleranzgrenze bei der Schätzung der Prognosewerte habe auch im Finanzausgleichsgesetz 1993 mit der Lockerung des Äquivalenzprinzips Eingang gefunden. Gewisse Unschärfen der Kostenkalkulation seien gerade im Hinblick auf Ballungsräume auch bei Anwendung betriebswirtschaftlicher Grundsätze nicht zu vermeiden. Eine isolierte Betrachtung der durch den Rechnungshof geprüften Jahre 2005 bis 2007 werde diesen rechtlichen Vorgaben nicht gerecht. Hinzu komme, dass mit der Einführung der Valorisierungsbestimmungen durch die Koppelung an den Verbraucherpreisindex zusätzlich eine höhere Prognosequalität erreicht werden konnte.
5.6. Schließlich lägen für die in einzelnen Jahren erzielten Kostenüberdeckungen Rechtfertigungsgründe im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 16.319/2001 vor: Für die geordnete Abfallwirtschaft bestünden unionsrechtliche, bundesverfassungsrechtliche sowie bundes- und landesgesetzliche Vorgaben. Mit der Abgabe nach dem Wr. AWG verfolge der Gesetzgeber auch Lenkungsziele ökologischer Natur, um den Müllanfall in den Griff zu bekommen und Maßnahmen zur Müllvermeidung zu setzen. Auch in den Erläuterungen zum Valorisierungsgesetz 2007 würden mehrfach die ökologischen Zielsetzungen erwähnt. Dem Landesgesetzgeber und dem Wiener Gemeinderat seien stets ausreichende und nachvollziehbare Entscheidungsgrundlagen vorgelegen. Eine Verpflichtung, die jeweiligen Ziele in der Rechtsvorschrift oder den Erläuterungen offen zu legen, bestehe nicht. Es komme ausschließlich auf das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen an.
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
1. §15 des Finanzausgleichsgesetzes 2008 (in der Folge: FAG 2008), BGBl I 103/2007 idF BGBl I 73/2010, lautet auszugsweise:
"D. Gemeindeabgaben auf Grund freien Beschlussrechtes
§15
[…]
(3) Die Gemeinden werden ferner ermächtigt, durch Beschluss der Gemeindevertretung folgende Abgaben vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung auszuschreiben:
[…]
4. Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten, bis zu einem Ausmaß, bei dem der mutmaßliche Jahresertrag der Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigt.
[…]"
2. Die maßgebenden Regelungen der Wiener Stadtverfassung, LGBl 28/1968 idF LGBl 37/2009 (in der Folge: WStV), die in diesen Bereichen einfachgesetzlich sind, lauten auszugsweise:
"§88 (3a) Der Gemeinderat kann durch Beschluss eine Wertsicherung von Abgaben und sonstigen öffentlich-rechtlichen Geldleistungen sowie von tarifmäßigen Entgelten für Leistungen der Gemeinde vorsehen. Darin legt der Gemeinderat einen Schwellenwert fest, der sich an der Erhöhung oder Verringerung des im Amtsblatt der Stadt Wien kundgemachten Verbraucherpreisindexes 2005 (VPI 2005) der Bundesanstalt Statistik Österreich oder eines an dessen Stelle tretenden Indexes orientiert. Dieser Schwellenwert gilt für alle zukünftigen Wertanpassungen durch den Magistrat (§105 Abs3a) bis zu einem neuerlichen Beschluss des Gemeinderates nach dieser Bestimmung. Die Abgaben und sonstigen Geldleistungen sowie die tarifmäßigen Entgelte, deren Wertsicherung anhand des Schwellenwertes erfolgen kann, sind vom Gemeinderat im Beschluss im Einzelnen anzuführen.
[…]
§105 (3a) Fasst der Gemeinderat einen Beschluss gemäß §88 Abs3a, hat der Magistrat für die im Beschluss angeführten Abgaben und sonstigen öffentlich-rechtlichen Geldleistungen sowie tarifmäßigen Entgelte für Leistungen der Gemeinde jeweils wiederkehrend zu prüfen, inwieweit die Änderung des Indexes (§88 Abs3a zweiter Satz) zum Stichtag 30. Juni den vom Gemeinderat festgelegten Schwellenwert übersteigt. Die Änderung ist durch einen Vergleich des Indexes zum Stichtag mit dem Index zum Zeitpunkt der erstmaligen Festsetzung oder, sofern bereits Änderungen erfolgt sind, zum Zeitpunkt der letzten Änderung der Höhe der Abgabe und sonstigen Geldleistung sowie des Entgeltes festzustellen. Führt die Prüfung zu einer Überschreitung des Schwellenwertes, hat der Magistrat die jeweilige Abgabe, die jeweilige sonstige Geldleistung und das jeweilige Entgelt im Ausmaß der Erhöhung oder Verringerung des Indexes anzupassen. Der Magistrat hat die Valorisierung im Amtsblatt der Stadt Wien kundzumachen. Sie tritt mit 1. Jänner des darauf folgenden Jahres in Kraft."
3. Das Gesetz über die Vermeidung und Behandlung von Abfällen und die Einhebung einer hiefür erforderlichen Abgabe im Gebiete des Landes Wien (Wiener Abfallwirtschaftsgesetz – Wr. AWG), LGBl 13/1994 idF LGBl 48/2010, lautet auszugsweise:
"Begriffsbestimmungen
§4.
[…]
(4) Systemsammlung ist das Sammeln von Abfällen unter Verwendung von Sammelbehältern, die auch an technische Vorsammelsysteme (zB pneumatische Sammelvorrichtungen) angeschlossen sein können und
1. deren Entleervorrichtungen technisch auf ein Fahrzeug mit entsprechender Einfüllvorrichtung (System-Schütteinrichtung) abgestimmt sind (Umleersystem), oder
2. die zur Entleerung abzuholen sind (zB Mulden, Presscontainer) (Abholsystem).
[…]
Festsetzung der Art und Anzahl der Sammelbehälter sowie der Anzahl der
Einsammlungen und Abholungen
§22. (1) Der Magistrat hat durch Bescheid für die jeweilige Liegenschaft die Art (Fassungsvermögen) und Anzahl der Sammelbehälter im Umleersystem (§4 Abs4 Z1) sowie die Anzahl der jährlichen Einsammlungen festzusetzen, wobei auf die öffentlichen Interessen (§1 Abs3), insbesondere auf sanitäre Notwendigkeiten, auf die Brandverhütung sowie auf betriebliche Gegebenheiten der öffentlichen Müllabfuhr Bedacht zu nehmen ist. Der Inhalt der Sammelbehälter ist jährlich mindestens 52mal (mindestens einmal wöchentlich) einzusammeln.
(2) Der Magistrat hat durch Bescheid für die jeweilige Liegenschaft die Art (Fassungsvermögen, Mulden, Presscontainer etc.) und Anzahl der Sammelbehälter im Abholsystem (§4 Abs4 Z2) sowie die Anzahl der jährlichen Abholungen der Sammelbehälter festzusetzen, wobei auf die öffentlichen Interessen (§1 Abs3), insbesondere auf sanitäre Notwendigkeiten, auf die Brandverhütung sowie auf betriebliche Gegebenheiten der öffentlichen Müllabfuhr Bedacht zu nehmen ist. Die Sammelbehälter sind jährlich mindestens 24mal (mindestens zweimal pro Monat) abzuholen.
[…]
7. Abschnitt
[…]
Abgabepflicht
§35. (1) Die Abgabepflicht besteht für die in die öffentliche Müllabfuhr einbezogenen Liegenschaften, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die öffentliche Müllabfuhr tatsächlich benützt wird oder nicht.
(2) Die Abgabepflicht beginnt bei Liegenschaften, die in die öffentliche Müllabfuhr einbezogen sind oder in diese einbezogen werden, mit dem ersten Tag des Monates, der auf die Bereitstellung der Einrichtungen der öffentlichen Müllabfuhr folgt.
(3) Die Abgabepflicht endet mit Ablauf des Monates, in dem die Einbeziehung in die öffentliche Müllabfuhr wegfällt.
Berechnung der Jahresabgabe
§36. (1) Die für Sammelbehälter im Umleersystem (§4 Abs4 Z1) einzuhebende Jahresabgabe errechnet sich durch Multiplikation der folgenden Werte:
1. Anzahl der für die Liegenschaft gemäß §22 Abs1 festgesetzten Sammelbehälter,
2. Anzahl der für die Liegenschaft gemäß §22 Abs1 festgesetzten jährlichen Entleerungen und
3. Grundbetrag.
Der Grundbetrag für Sammelbehälter im Umleersystem über 110 Liter Fassungsvermögen erhöht sich um den Hundertsatz, in dem das Fassungsvermögen der Sammelbehälter über 110 Liter steigt. Sammelbehälter mit 120 Liter Fassungsvermögen sind jenen mit 110 Liter, Sammelbehälter mit 240 Liter Fassungsvermögen sind jenen mit 220 Liter gleichzuhalten.
(2) […]
(3) Der Grundbetrag (Abs1) für einen Sammelbehälter mit 110 Liter Fassungsvermögen und die Gewichtseinheits-, Abholeinheits- und Grundeinheitsgebühr (Abs2) sind durch Verordnung des Gemeinderats festzusetzen. […]
[…]
Festsetzung der Abgabe
§39. (1) Die Jahresabgabe im Umleersystem (§36 Abs1) und im Abholsystem (§36 Abs2) ist durch Bescheid (Abgabenbescheid) festzusetzen und gilt so lange bis ein neuer Bescheid erlassen wird.
[…]"
4. Die Verordnung des Gemeinderates, mit der ein Müllabfuhrabgabetarif 2002 erlassen wird, kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien Nr 47/2001 idF Nr 49/2011 lautet auszugsweise:
"Aufgrund des §15 Abs3 Z4 Finanzausgleichsgesetz 2008, BGBl I Nr 103/2007, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 56/2011, und aufgrund der §§34 und 36 Abs3 Wiener Abfallwirtschaftsgesetz, LGBl für Wien Nr 13/1994, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl für Wien Nr 48/2010, wird verordnet:
§1. Für die Bereitstellung und Benützung von öffentlichen Einrichtungen zur Entsorgung von Abfällen wird vom Magistrat eine Abgabe eingehoben.
§2. (1) Der Grundbetrag im Umleersystem wird festgesetzt wie folgt:
1. Sammelbehälter mit 110 Liter und 120 Liter Inhalt 4,24 Euro
2. für Sammelbehälter über 110 Liter Inhalt, ausgenommen die in Z1 und 3 angeführten, um jenen Hundertsatz höher als mit dem in Z1 genannten Betrag, in dem der Literinhalt der Sammelbehälter über 110 Liter steigt;
3. für Sammelbehälter mit 240 Liter Inhalt mit jenem Betrag, der sich aus Z2 für Sammelbehälter mit 220 Liter Inhalt ergibt.
(2) […]
(2a) […]
(3) Der Magistrat hat den Grundbetrag im Umleersystem anzuheben bzw. zu verringern, wenn sich der von der Bundesanstalt Statistik Österreich verlautbarte und im Amtsblatt der Stadt Wien kundgemachte Verbraucherpreisindex 2005 (VPI 2005) oder ein an dessen Stelle tretender Index seit 1. Jänner 2007 und in weiterer Folge seit der letzten Änderung der Abgabe zum Stichtag 30. Juni eines Jahres um mindestens 3 % (Schwellenwert) erhöht oder vermindert hat. […]
(4) Die Valorisierung hat im Ausmaß der Erhöhung bzw. Verringerung des in Abs3 angeführten Indexes zum Stichtag 30. Juni eines Jahres durch den Magistrat zu erfolgen, wobei Teilbeträge von weniger als 0,5 Cent auf den vorigen vollen Centbetrag abzurunden und Teilbeträge ab 0,5 Cent auf den nächsten vollen Centbetrag aufzurunden sind. Die Valorisierung tritt mit Beginn des der Indexanpassung nachfolgenden 1. Jänner in Kraft. Die Valorisierung der jeweiligen Beträge ist vom Magistrat im Amtsblatt der Stadt Wien kundzumachen.
§3. In den Beträgen gemäß §2 ist die Umsatzsteuer in Höhe von 10 v H enthalten."
III. Erwägungen
1. Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen – zulässigen – Beschwerden erwogen:
2. Die Beschwerden sind nicht begründet.
3. Bedenken gegen die den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegenden Rechtsvorschriften sind – aus der Sicht der Beschwerdefälle – nicht entstanden:
3.1. Was zunächst das Bedenken der Beschwerdeführer betrifft, dass die Festsetzung für das Jahr 2012 sich bloß aus zwei Valorisierungen und damit bloß aus rechnerischen Ableitungen ergebe, denen kein "willentlicher" Beschluss des Gemeinderates zugrunde liege, so ist dem Folgendes entgegenzuhalten:
3.1.1. §15 Abs3 Z4 FAG 2008 ermächtigt die Stadt Wien als Gemeinde für die Bereitstellung und Benützung von öffentlichen Einrichtungen zur Sammlung und Behandlung von Abfällen sowie für die Erfüllung der mit der kommunalen Abfallwirtschaft zusammenhängenden sonstigen Aufgaben auf Grund eines Gemeinderatsbeschlusses eine Abgabe einzuheben. Gemäß §36 Abs1 Wr. AWG ist die Jahresabgabe für Sammelbehälter im Umleersystem zu errechnen, indem die Anzahl der Sammelbehälter einer Liegenschaft mit der Anzahl ihrer Entleerungen pro Jahr – beide Werte sind gemäß §22 Abs1 Wr. AWG durch Bescheid festzulegen – und dem sogenannten "Grundbetrag" multipliziert wird. Dieser Grundbetrag für Sammelbehälter mit 110 Liter Fassungsvermögen ist gemäß §36 Abs3 Wr. AWG durch Verordnung des Gemeindesrates festzusetzen.
Die einfachgesetzliche Bestimmung des §88 Abs3a WStV ermächtigt den Gemeinderat, durch Beschluss den Magistrat zur Wertsicherung von Abgaben, sonstigen öffentlich-rechtlichen Geldleistungen sowie von tarifmäßigen Entgelten für Leistungen der Gemeinde zu verpflichten. In einem solchen Beschluss hat der Gemeinderat einen Schwellenwert festzulegen, der sich an der Erhöhung oder Verringerung des im Amtsblatt der Stadt Wien kundgemachten Verbraucherpreisindexes 2005 (VPI 2005) der Bundesanstalt Statistik Österreich oder eines an dessen Stelle tretenden Indexes orientiert. Dieser Schwellenwert gilt für alle zukünftigen Wertanpassungen durch den Magistrat bis zu einem neuerlichen Beschluss des Gemeinderates. Ein Beschluss des Gemeinderates zur Wertsicherung im Sinne des §88 Abs3a WStV verpflichtet den Magistrat gemäß dem einfachgesetzlichen §105 Abs3a leg.cit., die betreffenden Abgaben und sonstigen öffentlich-rechtlichen Geldleistungen sowie tarifmäßigen Entgelte für Leistungen der Gemeinde jeweils wiederkehrend zu prüfen, inwieweit die Änderung des Indexes zum Stichtag 30. Juni den vom Gemeinderat festgelegten Schwellenwert übersteigt. Ergibt die Prüfung eine Überschreitung des Schwellenwertes, hat der Magistrat die wertgesicherten Zahlungsverpflichtungen im Ausmaß der Erhöhung oder Verringerung des Indexes anzupassen. Der Magistrat hat die Valorisierung im Amtsblatt der Stadt Wien kundzumachen. Sie tritt mit 1. Jänner des darauf folgenden Jahres in Kraft.
Auf Grund des §15 Abs3 Z4 FAG 2008 erließ der Gemeinderat die Verordnung, mit der ein Müllabfuhrabgabetarif 2002 erlassen wird, Amtsblatt der Stadt Wien Nr 47/2001 in der hier maßgeblichen Fassung Nr 49/2011. Diese Verordnung sieht in ihrem §1 die Verpflichtung zur Entrichtung einer Abgabe für "die Bereitstellung und Benützung von öffentlichen Einrichtungen zur Entsorgung von Abfällen" vor. §2 Abs1 Z1 der Verordnung legt den Grundbetrag für Sammelbehälter mit 110 Liter und 120 Liter Inhalt fest. Zudem nahm der Gemeinderat die Ermächtigung gemäß §88 Abs3a iVm §105 Abs3a WStV (im Zuge der Novelle 2007 der Verordnung, kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien Nr 47/2007) in Anspruch und verpflichtete den Magistrat zur Wertsicherung der Abgabe: Gemäß §2 Abs3 der Verordnung hat der Magistrat, "den Grundbetrag im Umleersystem anzuheben bzw. zu verringern, wenn sich der von der Bundesanstalt Statistik Österreich verlautbarte und im Amtsblatt der Stadt Wien kundgemachte Verbraucherpreisindex 2005 (VPI 2005) oder ein an dessen Stelle tretender Index seit 1. Jänner 2007 und in weiterer Folge seit der letzten Änderung der Abgabe zum Stichtag 30. Juni eines Jahres um mindestens 3 % (Schwellenwert) erhöht oder vermindert hat." Gemäß §2 Abs4 der Verordnung hat eine solche Valorisierung im Ausmaß der Erhöhung bzw. Verringerung des heranzuziehenden Verbraucherpreisindexes zum Stichtag 30. Juni eines Jahres durch den Magistrat zu erfolgen. Eine Valorisierung durch den Magistrat tritt gemäß §2 Abs4 der Verordnung mit Beginn des der Indexanpassung nachfolgenden 1. Jänner in Kraft; die Valorisierung der jeweiligen Beträge ist vom Magistrat im Amtsblatt der Stadt Wien kundzumachen.
3.1.2. Aus den dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass der Magistrat Wien die Valorisierung des seit Jänner 2009 geltenden Grundbetrages unter Zugrundelegung des gemäß §2 Abs3 der Verordnung maßgebenden Verbraucherpreisindex 2005 für die Zeit seit 1. Jänner 2009 mit 6,3 % ermittelt hat, woraus eine Erhöhung des Grundbetrages 2009 iHv € 3,99 auf € 4,24 resultiert. Der Tarif 2009 ergab sich wiederum aus einer durch den Magistrat vorgenommenen Valorisierung des Tarifs 2006, wobei letzterer durch Beschluss des Gemeinderates vom 28. Februar 2006 (kundgemacht am 28. Februar 2006 im Amtsblatt der Stadt Wien Nr 9A/2006) festgesetzt worden ist. Der für das Jahr 2012 errechnete valorisierte Grundbetrag iHv € 4,24 wurde vom Magistrat gemäß §2 Abs4 der zitierten Verordnung iVm §105 Abs3a WStV am 13. Oktober 2011 im Amtsblatt der Stadt Wien Nr 41/2011 kundgemacht.
Ferner ist aus den vorgelegten Verwaltungsakten zu ersehen, dass zwecks Erstellung des Gebührenspiegels für das Jahr 2012 die dem Gebührenhaushalt zuzurechnenden Dienststellen mit Erlass vom 23. August 2011 aufgefordert worden sind, die relevanten Kosten zu erheben. Für die Ermittlung der erwarteten Einnahmen wurde dem Gebührenspiegel 2012 ein Grundbetrag im Umleersystem iHv € 4,24 je Sammelbehälter mit 110 Liter und 120 Liter zugrunde gelegt.
In den dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten findet sich weiters für die Gebührenkalkulation des Jahres 2012 ein Beschlussbogen zur "Überprüfung von Gebühren und tarifmäßigen Entgelten durch den Gemeinderat" für die Haushaltsstelle 852.007 betreffend den Gebührenhaushalt Müllabfuhrabgabe. In diesem Gebührenspiegel sind die für die Müllbeseitigung 2012 veranschlagten Kosten und die erwarteten Einnahmen angeführt, wobei sich aus dem Voranschlag für 2012 ein Kostendeckungsgrad iHv 102,74 % ergibt.
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich schließlich, dass der Gebührenspiegel für das Jahr 2012 vom Stadtsenat dem Gemeinderat der Stadt Wien zur Beschlussfassung vorgelegt wurde und mit Beschluss vom 22. November 2011 vom Gemeinderat angenommen worden ist. Im Beschlussbogen, dem der Gebührenspiegel für das Jahr 2012 zugrunde liegt, ist angeführt, dass die Berechnung des Kostendeckungsgrades bei der Müllabfuhrabgabe unter Zugrundelegung einer 6,3-prozentigen Valorisierung des Grundbetrages erfolgt ist.
3.1.3. Angesichts dieser Sachlage, die sich zweifelsfrei aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, kann der Verfassungsgerichtshof nicht finden, dass der Grundbetrag für das Jahr 2012 lediglich Ergebnis einer unvollständigen rechnerischen Ableitung des Tarifs 2006 sei und die letzte Gebührenfestsetzung durch "willentlichen" Beschluss des Gemeinderates 2006 erfolgt wäre. Es lag dem Gemeinderat nämlich für das Jahr 2012 ein Voranschlag vor, der eine der Beschlussfassung vorgelagerte Einschätzung ermöglicht hat, inwieweit die durch Valorisierung eintretende Tarifanpassung – auf die der Gemeinderat im Beschlussantrag ausdrücklich hingewiesen worden ist – tatsächlich zur Deckung der Kosten erforderlich sein würde. Die auf Grundlage der Bestimmungen der §2 Abs3 und 4 der Verordnung, die auf der gemäß §88 Abs3a und §105 Abs3a WStV eingeräumten Ermächtigung beruhen, vom Magistrat der Stadt Wien vorzunehmenden Valorisierungen schließen nicht aus, dass der Gemeinderat eine vom valorisierten Betrag abweichende Gebühr festsetzen kann, wenn in Anbetracht der konkreten Verhältnisse des Gebührenhaushaltes mit einer bloßen Valorisierung nicht das Auslangen gefunden würde oder auch eine Gebührensenkung vorgenommen werden sollte. Diese Möglichkeiten standen im Rahmen der Beschlussfassung über den Voranschlag 2012 auch dem Wiener Gemeinderat offen, sodass die Festsetzung des Grundbetrages gemäß §2 Abs3 und 4 der Verordnung iVm §105 Abs3a WStV durch Kundmachung des Magistrats Wien keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.
3.2. Ebensowenig vermag der Einwand der Beschwerdeführer, der Gemeinderat habe über keine hinreichenden Kalkulationsgrundlagen für die Beschlussfassung verfügt, den Beschwerden zum Erfolg zu verhelfen.
3.2.1. Die Verordnung regelt die Höhe einer für die Bereitstellung und Benützung von öffentlichen Einrichtungen zur Sammlung und Behandlung von Abfällen erhobenen Abgabe der Stadtgemeinde Wien. Nach §15 Abs3 Z4 FAG 2008 dürfen Gebühren bis zu einem Ausmaß erhoben werden, bei dem ihr mutmaßlicher Jahresertrag das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigt. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist diese Regelung so zu verstehen, dass damit eine über die Anlastung der vollen Kosten der Gemeindeeinrichtung im Sinne des Äquivalenzprinzips hinausgehende Ausschöpfung nur aus Gründen in Betracht kommt, die mit der betreffenden Einrichtung in einem inneren Zusammenhang stehen, sei es, dass Folgekosten der Einrichtung finanziert werden, sei es, dass mit einer solchen Gebühr Lenkungsziele (zB ökologischer Art) verfolgt oder Rücklagen für eine Ausweitung der Einrichtung oder Anlage gebildet werden sollen, sei es auch nur, um Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der Anrechenbarkeit bestimmter Kostenpositionen oder um Rechtsstreitigkeiten in Jahren mit unerwartet günstiger Einnahmenentwicklung zu vermeiden (VfSlg 16.319/2001). Die Kalkulationsgrundlage der gebühreneinhebenden Gemeinde hat somit den Zweck, die der Einrichtung zuzurechnenden Kosten zu ermitteln und zu gewährleisten, dass die sich aus dem Äquivalenzprinzip ergebenden Schranken im Zuge der Festlegung der Gebührenhöhe beachtet werden.
3.2.2. Bei den von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten Punkten (siehe oben I.4.3) handelt es sich im Wesentlichen um vereinfachende Annahmen, die bei der Erfassung der der Einrichtung zuzurechnenden Kosten angewendet werden. Dies gilt für die zentral erfassten Pensionslasten für Beamte, die den Magistratsabteilungen zwecks Berücksichtigung der Mitarbeiterstruktur und des flexiblen Mitarbeitereinsatzes nicht nach dem in den Abteilungen tatsächlich angefallenen Pensionsaufwand, sondern im Verhältnis der Aktivlöhne angelastet worden sind, ebenso wie für die zwecks Vermeidung einer aufwändigen Kostenerfassung vorgesehene Umlage der Leistungen zentraler Verwaltungseinheiten mittels pauschaler Zuschlagssätze. Auch die Abgrenzung nicht der Einrichtung zuzurechnender Kosten durch Abzug der für diese Leistungen kalkulierten Entgelte stellt unter der Annahme einer kostendeckenden Kalkulation eine solche Vereinfachung dar.
Auch wenn diese Vereinfachungen rund ein Viertel der im Gebührenspiegel erfassten Kosten betreffen sollten, beeinträchtigen derartige Vereinfachungen unter Berücksichtigung der von der belangten Behörde hiefür ins Treffen geführten Begründungen die Kalkulation nicht in einer Weise, die eine Überprüfung der Verordnung im Hinblick auf finanzausgleichsrechtliche Vorgaben ausschließen würde. Dem Umstand, dass derartige Annahmen zu einer über die tatsächlichen Kosten hinausgehenden Ausweitung der für die Gebührenkalkulation relevanten Kostenbasis führen können, ist entgegenzustellen, dass die über das einfache Äquivalenzprinzip hinausgehende Ermächtigung gerade auch dazu dient, Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der Anrechenbarkeit bestimmter Kostenpositionen zu vermeiden.
3.3. Ferner wenden die Beschwerdeführer ein, dass die Höhe der in der Verordnung festgesetzten Gebühr auch deshalb gesetzwidrig sei, weil die Gebührenhöhe seit 2005 laufend zu einer erheblichen Überdeckung des einfachen Jahreserfordernisses im Gebührenhaushalt führe. Da diese Überschüsse in keinem – nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes erforderlichen – inneren Zusammenhang mit der betreffenden Gemeindeeinrichtung stünden, liege eine systematische Überdeckung des einfachen Jahresbedarfes vor, womit der Gebührentarif rechtswidrig sei.
3.3.1. Den vorgelegten Verwaltungsakten ist zunächst zu entnehmen, dass gemäß dem Beschlussantrag für das Jahr 2002 die in der betreffenden Gemeindeeinrichtung in den Jahren 1993 bis 2001 regelmäßig eingetretenen Unterdeckungen zu einem kumulierten Fehlbetrag von € 106.463.449,– führten, der laufend aus allgemeinen Budgetmitteln abgedeckt worden ist. Ab dem Jahr 2003 wurden im Gebührenhaushalt Überschüsse erzielt, wobei die Einnahmen die Kosten in den einzelnen Jahren bis zu 17 % (im Jahr 2006, nominell € 30,49 Mio.) übersteigen. Fest steht daher – was auch von den Beschwerdeführern außer Streit gestellt wird – dass die Einnahmen in den Jahren der Überdeckung (und somit auch in dem für die Festsetzung des Tarifes für 2012 maßgebenden Jahr 2011) das doppelte Jahreserfordernis nicht überstiegen haben.
In den Beschwerdefällen ist ferner davon auszugehen, dass im Beschlussantrag für die Gebührenfestsetzung des der Valorisierung 2012 zugrunde liegenden Jahres 2006 die Gebührenerhöhung gegenüber 2002 damit begründet wird, dass neben einem Anstieg des VPI um 7,43 % Kostensteigerungen aus ökologischen Umweltmaßnahmen resultieren und auch für die Jahre ab 2006 mit weiteren betriebswirtschaftlich notwendigen Investitionen zu rechnen ist.
3.3.2. Das Erfordernis des inneren Zusammenhanges der für das Entstehen von Überschüssen maßgebenden Gründe mit der betreffenden Einrichtung soll nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sicherstellen, dass die Ausschöpfung der Ermächtigung verfassungsrechtlich nicht dazu führen darf, dass den Benützern einer bestimmten Gemeindeeinrichtung neben der Anlastung der vollen Kosten zusätzlich noch eine Steuer im finanzwissenschaftlichen Sinn (in maximal gleicher Höhe) auferlegt wird (VfSlg 16.319/2001). Kostenüberdeckungen nehmen dabei den Charakter einer Steuer nicht schon dann an, wenn diese im betreffenden Jahr der Entstehung zur Abdeckung der allgemeinen Haushaltserfordernisse verwendet werden, sondern erst dann, wenn die für das Entstehen der Überschüsse maßgebenden Gründe in keinem inneren Zusammenhang mit der Einrichtung stehen. Ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist im Einzelfall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Dazu hat der Verfassungsgerichtshof schon im zeitlichen Geltungsbereich des einfachen Äquivalenzprinzips ausgesprochen, dass zum Zweck einer längerfristigen Gebührenkalkulation ein Gesamtbetrachtungs- und Ausgleichszeitraum von bis zu zehn Jahren in Betracht gezogen werden kann (VfSlg 11.559/1987). Die Frage nach dem Bestehen eines inneren Zusammenhangs stellt sich somit erst dann, wenn Überschüsse der Einrichtung dauerhaft entzogen werden.
Eine solche Konstellation ist im Beschwerdefall aber nicht gegeben: In Anbetracht der bis 2001 angesammelten Fehlbeträge, der Beschlusslage des Jahres 2006 und der bis 2011 angefallenen Überschüsse liegt das Jahr 2012 jedenfalls innerhalb des zulässigen Betrachtungszeitraumes. Der für das Jahr 2012 festgelegte Grundbetrag überschreitet damit aber nicht den der Stadt Wien durch §15 Abs3 Z4 FAG 2008 eingeräumten Spielraum zur Ausschöpfung der finanzausgleichsrechtlichen Ermächtigung.
4. Schließlich behaupten die Beschwerdeführer die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz.
4.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnten die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).
4.2. Keiner dieser Mängel liegt hier jedoch vor:
Die Beschwerdeführer sehen eine in die Verfassungssphäre reichende Rechtswidrigkeit der Bescheide, mit denen die Jahresabgabe für 2012 festgesetzt worden ist, offenbar darin, dass in den Verfahren zu ihrer Erlassung keine nachvollziehbaren Feststellungen darüber getroffen worden seien, inwieweit die Festsetzung der Höhe des Müllabfuhrabgabetarifes für die Zeit seit 1. Jänner 2012 mit den finanzausgleichsrechtlichen Vorgaben in Einklang stehe.
Nach §36 Abs1 Wr. AWG errechnet sich die vorzuschreibende Jahresabgabe im Wesentlichen durch Multiplikation der mit Bescheid gemäß §22 Abs1 leg.cit. für die Liegenschaft festgesetzten Anzahl an Sammelbehältern mit der ebenso festgesetzten Zahl der jährlichen Entleerungen und dem Grundbetrag. Nur bei der Festsetzung des Grundbetrages im Verordnungsweg spielt die Übereinstimmung der Höhe der Müllabfuhrgebühren mit den finanzausgleichsrechtlichen Vorgaben eine Rolle; dass die Verordnung insoweit mängelfrei ist, wurde bereits dargetan (vgl. oben Pkt. III.3).
Der belangten Behörde ist somit aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten, wenn sie in den angefochtenen Bescheiden, mit denen die Jahresabgaben für 2012 festgesetzt worden sind, keine Feststellungen zur Übereinstimmung der Höhe des Grundbetrages mit dem Finanzausgleichsrecht trifft, zumal sie bei Erlassung dieser Abgabenbescheide an die Verordnung über die Festlegung dieses Grundbetrages gebunden war.
5. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wären.
IV. Ergebnis
1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurden.
2. Die Beschwerden sind daher abzuweisen.
Schlagworte
Abfallwirtschaft, Finanzausgleich, Abgabenwesen, Abgaben Gemeinde-, Gebühr, Äquivalenzprinzip, GemeinderechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:B462.2013Zuletzt aktualisiert am
29.07.2015