TE Vwgh Erkenntnis 2000/10/11 99/01/0408

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Veröffentlicht am 11.10.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §4 Abs2;
AsylG 1997 §4 Abs3a Z3;
AsylG 1997 §4 Abs3a;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/01/0409 Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2000/01/0002 E 15. November 2000 99/01/0440 E 15. November 2000 2000/01/0224 E 15. November 2000 99/01/0351 E 15. November 2000 99/01/0422 E 11. Oktober 2000 99/01/0434 E 11. Oktober 2000 99/01/0443 E 15. November 2000 99/01/0461 E 15. November 2000 2000/01/0001 E 15. November 2000 99/01/0468 E 11. Oktober 2000 2000/01/0036 E 15. November 2000 2000/01/0090 E 15. November 2000

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, in den Beschwerdesachen 1) des DT in G, geboren am 9. Juli 1974, und 2) des VT in G, geboren am 4. Jänner 1969, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates je vom 14. Oktober 1999,

1) Zl. 210.382/0-III/09/99, 2) Zl. 210.383/0-III/09/99, jeweils betreffend Zurückweisung eines Asylantrages gemäß § 4 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1) Die Beschwerdeführer, Staatsangehörige der Bundesrepublik Jugoslawien, die am 15. Mai 1999 in das Bundesgebiet eingereist sind, beantragten am selben Tag die Gewährung von Asyl. Diese Anträge wurden mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 28. Mai 1999 "ohne in die Sache einzutreten gem. § 4 Abs. 1 AsylG 1997, BGBl I 1997/76 (AsylG), als unzulässig zurückgewiesen".

Die Beschwerdeführer seien über Ungarn nach Österreich eingereist. Es bestehe für sie die Möglichkeit, in Ungarn Schutz vor Verfolgung zu finden.

Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer Berufung.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen gemäß § 4 Abs. 1 AsylG ab.

Es stehe fest, dass die Beschwerdeführer von Ungarn kommend nach Österreich eingereist seien.

Die belangte Behörde stützte sich zur Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes betreffend die "Rechtslage und Praxis des ungarischen Asylverfahrens" auf folgende, den Beschwerdeführern vorgehaltene Beweismittel:

"1.

Beglaubigte deutsche Übersetzung des ungarischen Asylgesetzes (CXXXIX/1997)

2.

Das ungarische Fremdengesetz (LXXXVI/1993)

2a.

Beglaubigte deutsche Übersetzung des ungarischen Gesetzes LXXV/1999, wodurch u.a. das unter Punkt 2 angeführte ungarische Fremdengesetz (LXXXVI/1993) teilweise novelliert wird

3.

Beglaubigte deutsche Übersetzung des § 72 Abs. 3 des ungarischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (IV/1957)

4.

Gutachten Dr. Judith TOTH (Hintergrundmaterial über Verordnungen und Auslegung des ungarischen Asylgesetzes; 1998)

5.

Gutachten RA Dr. Laszlo BLUTMAN (Fragebogenbeantwortung zur Rechtslage und Praxis im ungarischen Asylverfahren; 23.12. 1998)

6.

Resümeeprotokoll über das Arbeitsgespräch zwischen Funktionären des Innenministeriums der Republik Ungarn und des Bundesministeriums für Inneres der Republik Österreich in Budapest am 23.7.1998

6a.

Anfragebeantwortung durch die Vertrauensanwältin bei der Österreichischen Botschaft in Budapest (Fr. Dr. Julia Parczer) vom 6.10.1998 (Anfrage vom 30.9.1998)

7.

UNHCR-Bericht (Hintergrundinformation zur Situation in der Republik Ungarn im Zusammenhang mit der Rückstellung von Asylsuchenden, 30.11.1998)

7a.

Migrationsstatistik 1997-1998 des ungarischen Innenministeriums (am 3.3.1999 von der Österreichischen Botschaft in Budapest übermittelt)

8.

Aktenvermerk vom 18.8.1998, wonach UNHCR keine konkreten, ausreichend dokumentierten Fälle vorlägen, in denen die Vollzugspraxis der ungarischen Behörden vom Gesetz abwiche.

9.

Telefax der Österreichischen Botschaft Budapest vom 16.2.1999

10.

UNHCR-Anfragebeantwortung vom 30.10.1998 (Anfrage vom 5.10.1998)

11.

UNHCR-Anfragebeantwortung vom 29.1.1998 (Anfrage vom 9.10.1998)

12.

UNHCR-Anfragebeantwortung vom 30.10.1998 (Anfrage vom 12.10.1998)

13.

Stellungnahme des Bundesasylamtes vom 22.2.1999 zur Rechtslage und Praxis im ungarischen Asylverfahren verbunden mit einem Schreiben des Bundesministeriums für Inneres der Republik Österreich vom 31.7.1998 an den Generalsekretär Mag. Heinz Patzelt, amnesty international Österreich, im Zusammenhang mit behaupteten Unregelmäßigkeiten im österreichischen und ungarischen Asylverfahren des Ibrahim I.

14.

UNHCR-Bericht (Zustand der ungarischen Gemeinschaftsunterkünfte für Asylwerber, Bestandsaufnahme;

31.5.1999)

15.

UNHCR-Anfragebeantwortung (insbesondere zu den ungarischen Gemeinschaftsunterkünften und zur Praxis im Asylverfahren;

26.5.1999)"

Auch die belangte Behörde gelangte letztlich zum Ergebnis, die Beschwerdeführer könnten in Ungarn Schutz vor Verfolgung finden.

2) Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

3) Mit Beschluss vom 7. Juni 2000 gab der Verwaltungsgerichtshof den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gemäß § 41 Abs. 1 letzter Satz VwGG Gelegenheit, zu folgenden Gründen für eine mögliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides Stellung zu nehmen:

"Nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Gesetzgeber mit der Umschreibung der Gründe in § 4 Abs. 3a Asylgesetz, BGBl. I Nr. 76/1997 idgF - AsylG, aus welchen der Bundesminister für Inneres mit Verordnung Staaten bezeichnen kann, die Asylwerbern regelmäßig effektiven Schutz vor Verfolgung gewähren, zugleich verdeutlicht, welche qualitativen Voraussetzungen er bei einem 'Asylverfahren, das die Grundsätze dieser Konvention umsetzt' im Sinne des § 4 Abs. 3 AsylG vor Augen hatte. Dieselben Qualitätskriterien gelten auch für das in § 4 Abs. 2 AsylG genannte 'Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention', das dem Asylwerber nach dieser Gesetzesstelle im Drittstaat offen stehen muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2000, Zl. 99/20/0246).

Die angefochtenen Bescheide stützen sich zur Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes auf das ungarische Asylgesetz CXXXIX/1997, dessen Inhalt die belangte Behörde amtswegig zu ermitteln hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0284, uva.). §§ 43ff. des ungarischen Asylgesetzes regeln - gemäß der dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Textierung - das 'verkürzte Verfahren'. Ein solches ist gemäß § 43 leg. cit. durchzuführen, wenn das Ansuchen des Antragstellers auf Anerkennung als Flüchtling 'offensichtlich unbegründet' ist, wobei § 44 leg. cit. die näheren Tatbestandselemente enthält, wann ein solches Ansuchen als offensichtlich unbegründet zu werten ist. Gemäß § 46 des ungarischen Asylgesetzes kann innerhalb von drei Tagen nach Bekanntgabe des Beschlusses der Asylbehörde das Gericht um Überprüfung des im verkürzten Verfahren gefassten Beschlusses ersucht werden, worüber gemäß § 39 Abs. 2 leg. cit. das Gericht binnen 15 Tagen nach 'Einreichen des Ansuchens' zu entscheiden hat.

Diese Verfahrensrechtslage in Ungarn wurde von der belangten Behörde zwar im angefochtenen Bescheid nicht ausdrücklich festgestellt, bildet aber auf Grund des von der belangten Behörde als Sachverhaltsgrundlage genannten gesamten ungarischen Asylgesetzes jedenfalls jenen Sachverhalt, auf Grund dessen der angefochtene Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof zu überprüfen ist.

Im zitierten Erkenntnis vom 24. Februar 2000 geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass eine Rechtsmittelfrist lediglich in der Dauer von drei Tagen im verkürzten Verfahren jedenfalls dann den Kriterien des § 4 AsylG nicht entspricht, wenn 'nicht auszuschließen ist, dass der Asylantrag' des Beschwerdeführers von den Behörden des zu prüfenden Drittstaates als 'offensichtlich unbegründet angesehen und in dem für diesen Fall vorgesehenen beschleunigten Verfahren behandelt würde'.

Da diese Kriterien für die Prüfung gemäß § 4 AsylG auch auf die ungarische Rechtslage anzuwenden sind, wird die ungarische Rechtslage nach der vorläufigen Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes den im zitierten Erkenntnis vom 24. Februar 2000 enthaltenen qualitativen Anforderungen möglicherweise insofern nicht gerecht, als im beschleunigten Verfahren nach § 46 des ungarischen Asylgesetzes die Rechtsmittelfrist nur drei Tage beträgt (vgl. zu den Anforderungen an eine Rechtsmittelfrist die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 1998, G 31/98 u.a., vom 11. Dezember 1998, G 210/98 u.a., und vom 15. Juni 1999, G 56/99) und dieses beschleunigte Verfahren generell als Konsequenz für Asylanträge, die von den Behörden Ungarns als offensichtlich unbegründet angesehen werden, vorgesehen ist. Die in § 43 des ungarischen Asylgesetzes vorgesehene Fortsetzung des Verfahrens 'nach den allgemeinen Bestimmungen' im Falle, dass der Antragsteller im Zuge des verkürzten Verfahrens glaubhaft machen kann, sein Ansuchen sei 'offensichtlich nicht unbegründet', scheint daran nichts zu ändern.

Deshalb ist fraglich, ob hinsichtlich Ungarn im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG ein Schutz im sicheren Drittstaat vorliegt."

4) Die Beschwerdeführer nahmen zu dieser vorläufigen Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshof folgendermaßen Stellung:

"Zu Recht weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass § 46 des ungarischen AsylG, mit welchem die Rechtsmittelfrist für drei Tage festgelegt wird, nicht den qualitativen Anforderungen für ein Asylverfahren im Sinne des § 4 AsylG entspricht.

Der vom Bundesasylamt mittlerweile in mehreren Verfahren erhobene Einwand, dass dennoch ein effektiver Rechtsschutz vorliegen würde (einen solchen Einwand wird die belangte Behörde möglicherweise im gegenständlichen Fall im Zuge der Gegenschrift vorbringen), da es bei der Erlassung des Bescheides zu einer wortwörtlichen (mündlichen) Übersetzung des Bescheides kommen würde und auf der anderen Seite eine entsprechende Entscheidungspraxis vorliegen würde, sodass § 3 ungarisches AsylG kaum zur Anwendung kommen würde, ist in jedem Fall nicht zielführend.

Wie der Verwaltungsgerichtshof jüngst ausgesprochen hat, kann durch eine behördliche Praxis eine im Lichte des § 4 AsylG unzureichende Rechtslage jedenfalls dann nicht saniert werden, wenn aus den Feststellungen eine gesicherte Prognose nicht abzuleiten ist.

Unter Anwendung dieses Rechtssatzes, welcher die Rechtslage in Tschechien betraf, muss man zum Schluss gelangen, dass auch die Anwendung von § 3 ungarisches AsylG nicht ausgeschlossen werden kann und bereits aus diesem Grunde dem Vorbringen der Beschwerdeführer Berechtigung zukommen muss.

Dem möglichen Einwand, dass durch einen erhöhten Informationsfluss (wörtliche Übersetzung des Bescheides) die Effektivität des Rechtsschutzes wieder hergestellt würde, ist entgegenzuhalten, dass die Voraussetzungen bei einer für den Rechtsschutz maßgeblichen Regelung wie der über die Dauer einer Rechtsmittelfrist nur dann gegeben sind, wenn sie dem negativ beschiedenen, potenziellen Rechtsschutz Suchenden gewährleistet, sein Rechtsmittel in einer Weise auszuführen, die sowohl dem Inhalt der anzufechtenden Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht adäquat ist, als auch dem zu dieser Entscheidung führenden, allenfalls mit Mängeln belasteten Verfahren.

Neben der Überbrückung der 'Fremdsprachlichkeit' muss jedoch nach der oben zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes dem Rechtsschutzsuchenden (Asylwerber) darüber hinaus grundsätzlich auch das rechtliche Verständnis des Bescheides - einschließlich der rechtlichen Wertung des zur Bescheiderlassung führenden Verfahrens - möglich gemacht werden; demnach muss ihm die Möglichkeit geboten werden, sich der Hilfe einer fachkundigen (wenngleich nicht notwendigerweise rechtskundigen) Person als Beistand zu bedienen, was die Beiziehung einer weiteren der Sprache des Asylwerbers mächtigen Person erfordert. Der Verfassungsgerichtshof kommt in diesem Erkenntnis zwar zum Schluss, dass diesbezüglich zwar eine kürzere als die im AVG eingeräumte 14-tägige Berufungsfrist eingeräumt werden kann, sofern diese Frist es dem Berufungswerber (auch unter Berücksichtigung besonderer Kalenderkonstellationen wie z.B. dem Aufeinanderfolgen von Feiertagen) ermöglicht, fachliche Hilfe beizuziehen und eine ausreichend begründete Berufung einzubringen.

Diese Mindestfrist wird mit einer Woche relativ konkret vom Verfassungsgerichtshof festgelegt.

Daraus folgt, dass auch eine qualifizierte Übersetzung des Bescheides nicht die vom Verfassungsgerichtshof geforderte fachliche Hilfe ersetzen kann, sodass die dreitägige Berufungsfrist in keinem Fall effektiven Rechtsschutz gewährleisten kann. Wie der Verfassungsgerichtshof weiters darauf hingewiesen hat, ist auch die Berufungsfrist unabhängig von der Art des geführten Asylverfahrens (§ 4, 6 und 5 AsylG 1997) zu betrachten, da der zeitliche Aufwand für den Rechtsschutzsuchenden bei gebotener Durchschnittsbetrachtung in den einzelnen Verfahrensarten nicht geringer zu veranschlagen ist und jener grundsätzlich den gleichen Schwierigkeiten gegenübersteht, wie in anderen Verfahrensarten.

Insbesondere letztere Entscheidung zeigt auch, dass bei so genannten Schnellverfahren eine dreitägige Berufungsfrist nicht verfassungskonform ist und ein effektiver Rechtsschutz nicht vorliegt.

Das gegenständliche Schnellverfahren wird in Ungarn nach einer Auskunft des UNHCR auch angewendet, wenn auch nur im ersten Halbjahr 2000 lediglich 28 Entscheidungen im Schnellverfahren ergangen sind.

Ein Staat kann jedenfalls dann als sicher gelten, wenn er den österreichischen Rechtsschutzstandard gewährleistet.

Aus diesem Rechtssatz des Verwaltungsgerichtshofes kann auch der Umkehrschluss gezogen werden, dass eine Sicherheit dann nicht gegeben ist, wenn die österreichischen Rechtsschutzstandards nicht gewährleistet sind.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im oben angeführten Erkenntnis ausgeführt hat, ist der Vermutung nach § 4 (3) AsylG 1997 auch dann der Boden entzogen, wenn die Prüfung der ausländischen Rechtslage in den maßgeblichen Punkten kein klares Ergebnis bringt, weil etwa mehrere Auslegungsvarianten in Betracht kommen; in einem solchen Fall stünde nicht fest, dass der betreffende Staat gesetzlich ein Asylverfahren entsprechend den Grundsätzen der Flüchtlingskonvention eingerichtet hat.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Schnellverfahren in Ungarn tatsächlich zur Anwendung kommt, die dreitägige Berufungsfrist im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes als nicht effektiver Rechtsschutz angesehen werden kann, welcher auch nicht dadurch wieder hergestellt wird, dass eine Übersetzung des Bescheides (welche nicht einmal in der Muttersprache des Asylwerbers erfolgt) vorgenommen wird, dass die Beiziehung einer fachlichen Hilfe im Rahmen der Berufungsfrist somit nicht gewährleistet werden kann und aus all diesen Gründen eine Drittstaatensicherheit nicht gegeben ist."

Als weitere Verfahrenspartei hielt der Bundesminister für Inneres der vorläufigen Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes in seiner Stellungnahme vom 21. August 2000 entgegen:

"Nach Auffassung des Bundesministers für Inneres stellt der gegenständliche Beschluss die eigene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insofern verkürzt dar, als der Eindruck entsteht, als ob das zitierte Erkenntnis vom 24. Februar 2000, Zl. 99/20/0246-17, als Grundlage dafür dienen könne, das 'Mindestmaß an faktischer Effizienz', wie es an die Ausgestaltung der Rechtsmittelverfahren potenzieller sicherer Drittstaaten als Anforderung zu stellen ist, ausschließlich und isoliert auf die Länge der zur Verfügung stehenden Berufungsfrist zu reduzieren. Das erwähnte Erkenntnis hat nun aber ja den grundsätzlichen Denkansatz des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 1998, G 31/98, rezipiert und gewissermaßen 'internationalisiert'. In diesem Erkenntnis geht der Verfassungsgerichtshof jedoch immer von der Prämisse aus, dass der Asylwerber der Landessprache nicht mächtig sei und daher zum rein sprachlichen Verständnis des ihm zugestellten Bescheides fremder Hilfe bedürfe. Der vom Verfassungsgerichtshof in diesem Zusammenhang entwickelte Richtwert einer Woche als Minimum einer rechtsstaatlichen Berufungsfrist ist nur in diesem Kontext verstehbar.

Im zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes wird wörtlich ausgeführt:

'Dass sich dieser auch im vorliegenden Fall anzulegende Maßstab auf Grund rechtlicher oder tatsächlicher Besonderheiten des slowakischen Asylverfahrens auch bei Bedachtnahme auf die Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes in anderer Weise als für das abgekürzte Berufungsverfahren nach dem österreichischen Asylgesetz konkretisieren lasse und die bloß dreitägige Berufungsfrist dem erwähnten Maßstab daher im vorliegenden Fall entsprechen könnte, ist im Verfahren nicht hervorgekommen und im Besonderen auch vom beschwerdeführenden Bundesminister nicht dargelegt worden.'

Dieses nach der Judikatur erforderliche weitere Tatbestandselement des Fehlens komplementärer Schutzmechanismen zur Aufrechterhaltung eines Mindestmaßes an faktischer Effizienz des Rechtsschutzes wird im gegenständlichen Beschluss nicht einmal thematisch gemacht.

Nach Auffassung des Bundesministers für Inneres sind aber derartige komplementäre Schutzmechanismen immer mitzubedenken. Dies würde im Falle Ungarns ergeben, dass der Modus der Bescheidzustellung in der Praxis jedenfalls so ausgestaltet ist, dass die Sprachbarriere, auf die der Verfassungsgerichtshof so großen Wert gelegt hat, faktisch für jeden Asylwerber überwunden und in dieser Beziehung die ungarische Praxis der österreichischen sogar überlegen ist:

Es entspricht nämlich den tatsächlichen Gepflogenheiten im ungarischen Asylverfahren, die Entscheidungen der ersten Instanz durch ORMA-Mitarbeiter in Gegenwart von Dolmetschern auszuhändigen, den gesamten Bescheidinhalt (samt Begründung) durch diese Dolmetscher vor der Behörde übersetzen zu lassen und dem Asylwerber die Möglichkeit einzuräumen, Berufung gegen die Entscheidung der ersten Instanz unmittelbar beim Referenten zu Protokoll zu geben, wobei der Asylwerber die Möglichkeit hat, weitere Begründungen nachzureichen. Aus diesem Grunde werden Asylwerber in Ungarn zur Bescheidzustellung auch immer persönlich geladen.

Auf Grund der dargestellten ungarischen Praxis geht daher der Bundesminister für Inneres davon aus, dass in Ungarn die Kürze der Rechtsmittelfrist auch in Schnellverfahren durch komplementäre Mechanismen kompensiert wird und Ungarn trotz des dort gesetzlich vorgesehenen Schnellverfahrens ein sicherer Drittstaat im Sinne des § 4 Asylgesetz 1997 ist."

Die belangte Behörde verzichtete auf eine Stellungnahme.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1) Schon unter Zugrundelegung der Feststellung der belangte Behörde, dass die Beschwerdeführer tatsächlich aus Ungarn kommend nach Österreich eingereist sind, erweisen sich die angefochtenen Bescheide aus folgenden Gründen als rechtswidrig, weshalb auf die weitere Rüge der Beschwerdeführer, es sei rechtswidrig festgestellt worden, sie seien aus Ungarn gekommen, nicht mehr eingegangen wird.

2) Die angefochtenen Bescheide stützen sich zur Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes unter anderen Beweismitteln auch auf das ungarische Asylgesetz CXXXIX/1997, dessen Inhalt die belangte Behörde amtswegig zu ermitteln hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0284 uva.).

2.1) Die hier maßgeblichen Bestimmungen des ungarischen AsylG - gemäß der in den Verwaltungsakten erliegenden beglaubigten Übersetzung - lauten:

"§ 1. Zweck dieses Gesetzes ist, die an das auf dem Gebiet der Republik Ungarn gewährte Asyl sich knüpfenden Rechte und Pflichten festzusetzen, durch Feststellung der gesetzlichen Garantien für das amtliche Asylverfahren den Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten zu sichern, dem Diskriminierungsverbot wegen Rasse, Religion, nationaler Zugehörigkeit oder politischer Überzeugung Geltung zu verschaffen.

§ 2. Bei Anwendung dieses Gesetzes gilt als

a) Flüchtling jeder ausländische Staatsbürger oder Staatenlose (in der Folge: Ausländer), der wegen Verfolgung aus rassistischen oder religiösen Gründen, wegen nationaler Zugehörigkeit, wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen politischer Überzeugung, aus begründeter Angst vor Verfolgung sich, außerhalb seines Heimatlandes - bei Staatenlosen des ordentlichen Aufenthaltsortes - auf dem Gebiet der Republik Ungarn aufhält und den Schutz jenes Landes nicht in Anspruch nehmen kann, oder aus Angst vor Verfolgung nicht in Anspruch nehmen will, des Weiteren die direkten Angehörigen dieser Person; vorausgesetzt, dass der Betroffene von der Asylbehörde gemäß seines Antrages als Flüchtling anerkannt worden ist;

b) 'Schutznießer' ist jener Ausländer, der von der Asylbehörde als 'Schutznießer' anerkannt worden ist, nachdem er aus einem Gebiet gekommen war, von wo sich wegen in der Heimat tobenden fremden Besetzung, Krieg, Bürgerkrieg oder ethnischen Zusammenstößen, beziehungsweise wegen massenweiser und grober Verletzung der Menschenrechte Gruppen auf der Massenflucht befinden, und die Republik Ungarn auf Grund eines Regierungsbeschlusses Angehörigen dieser Gruppe provisorischen Schutz angedeihen ließ;

...

d) sicheres Herkunftsland: die maßgebende Vermutung bezüglich des Heimatlandes des 'Schutznießers' laut Staatsbürgerschaft - bei Staatenlosen laut gewöhnlichem Aufenthaltsort -, wonach dieses Land den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, die Genfer Konvention, das internationale Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung, des Weiteren die 1950-11-04 in Rom datierende Konvention über den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten anwendet, beziehungsweise wegen der Charakteristika der Rechtsordnung und die Garantien der Rechtmäßigkeit in diesem Land die Gefahr von Verfolgung, Folterung, unmenschlicher, beziehungsweise erniedrigender Behandlung wegen nationaler Zugehörigkeit, wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen politischer Überzeugung, aus rassistischen oder religiösen Gründen nicht gegeben sein kann, und welches Land es unabhängigen nationalen und internationalen Organisation ermöglicht, die Durchsetzung der Menschenrechte zu kontrollieren und zu überprüfen;

...

§ 3. (1) Auf Antrag - mit Ausnahme des in § 4 Angeführten - wird von der Asylbehörde als Flüchtling anerkannt jener Ausländer, der nachweisen oder glaubhaft machen kann, dass auf ihn die Art. 1 Punkt A sowie Punkt B Abs. 1 lit. b der Genfer Konvention, des Weiteren aus Gründen des in Art. 1 Punkt 2 und 3 des Protokolls Festgehaltenen die Bestimmungen der Genfer Konvention anzuwenden sind.

...

§ 31. (1) Das Verfahren setzt mit dem bei der Asylbehörde eingereichten Antrag ein, den der seine Anerkennung als Flüchtling oder 'Schutznießer' Beantragende (in der Folge einheitlich: Antragsteller) mündlich oder schriftlich einbringen kann.

...

§ 33. (1) Der Antragsteller nimmt am Verfahren persönlich teil.

(2) Der Antragsteller kann im Verfahren, mündlich und schriftlich, seine Muttersprache oder eine Sprache, die er versteht, verwenden.

(3) Dem Antragsteller ist die Möglichkeit zu sichern, auf eigene Kosten und nach eigener Wahl Rechtsbeistand in Anspruch zu nehmen, beziehungsweise nach Bedarf den kostenlosen Rechtsbeistand irgendeiner, sich regelmäßig mit Rechtsschutz befassenden, eingetragenen gesellschaftlichen Organisation zu akzeptieren.

(4) Die Fremdenpolizei- und Flüchtlingsbehörden informieren den Schutzbeantragenden über seine Rechte und darüber, dass er während des Verfahrens Rechtsbeistand in Anspruch nehmen kann.

...

§ 39. (1) Eine Berufung gegen die Entscheidung ist nicht statthaft.

(2) Um eine gerichtliche Überprüfung der Entscheidung kann angesucht werden. Innerhalb von 15 Tagen nach Einreichen des Ansuchens entscheidet das Gericht in einem außergerichtlichen Verfahren über den nach allgemeinen Verfahrensregeln gefassten Beschluss. Das Gericht kann den Beschluss ändern.

(3) Das Ansuchen kann beim Gericht - außer bei Vorliegen von § 46 - innerhalb von 5 Tagen nach Bekanntgabe des Beschlusses eingereicht werden.

...

§ 43. Im verkürzten Verfahren ist das Ansuchen des Antragstellers auf Anerkennung als Flüchtling zu beurteilen, wenn das Ansuchen offensichtlich unbegründet ist. Wenn der Antragsteller im Zuge des verkürzten Verfahrens glaubhaft machen kann, dass das Ansuchen offensichtlich nicht unbegründet ist, so ist das Verfahren nach den allgemeinen Bestimmungen durchzuführen.

§ 44. Das Ansuchen ist offensichtlich als unbegründet zu werten, wenn der Antragsteller

a) in seinem Ansuchen auf keine bestehende Verfolgung in seiner Heimat oder auf die Furcht davor verweist;

b) im Laufe des Verfahrens eine Erklärung bezüglich seiner Identität oder Staatsbürgerschaft, des Grundes für sein Asylansuchen verweigert;

c) in Bezug auf seine Identität und Staatsbürgerschaft absichtlich falsche oder irreführende Daten liefert, des Weiteren mit Absicht falsche oder gefälschte Dokumente verwendet und an deren unwahren Inhalt festhält.

§ 45. Im verkürzten Verfahren ist innerhalb von 7 Tagen nach Einreichen des Ansuchens ein Beschluss zu fassen.

§ 46. Innerhalb von 3 Tagen nach Bekanntgabe des Beschlusses kann das Gericht um Überprüfung des im verkürzten Verfahren gefassten Beschlusses ersucht werden."

2.2) Der Verfassungsgerichtshof hat in den Erkenntnissen vom 24. Juni 1998, G 31/98 u.a., und vom 11. Dezember 1998, G 210/98 u. a., sowie im Erkenntnis vom 15. Juni 1999, G 56/99, ausgesprochen, dass die zweitägige Berufungsfrist des § 32 Abs. 1 des (österreichischen) AsylG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 4/1999) verfassungswidrig sei. Im zitierten Erkenntnis vom 24. Juni 1998 sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass "eine Frist von einer Woche ... als Mindestmaß anzusehen" sein dürfte. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass Rechtsschutzeinrichtungen ihrer Zweckbestimmung nach ein bestimmtes Mindestmaß an faktischer Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen müssen und dieses Minimum bei einer für den Rechtsschutz maßgeblichen Regelung wie der über die Dauer einer Rechtsmittelfrist nur dann gegeben ist, wenn sie dem negativ beschiedenen potenziellen Rechtsschutzsuchenden gewährleistet, sein Rechtsmittel in einer Weise auszuführen, die sowohl dem Inhalt der anzufechtenden Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht als auch dem zu dieser Entscheidung führenden, allenfalls mit Mängeln behafteten Verfahren, adäquat ist.

Der Verfassungsgerichtshof setzte im zitierten Erkenntnis G 31/98 ua. fort:

"Es ist davon auszugehen, dass der Asylwerber im Regelfall der deutschen Sprache nicht mächtig ist und daher schon zum rein sprachlichen Verständnis des ihm zugestellten Bescheides fremder Hilfe bedarf, zumal - wie auch in den Schriftsätzen dargetan ist - im hier in Betracht kommenden Fall einer negativen Erledigung auf dem Boden des § 4 AsylG dem Asylwerber zwar der Spruch, die Rechtsmittelbelehrung, der Hinweis nach § 61a AVG sowie eine Übersetzung des § 4 AsylG als der maßgeblichen Gesetzesbestimmung, nicht jedoch die Begründung in einer ihm verständlichen Sprache zukommen muss (§ 29 AsylG). Hinzu tritt der Umstand, dass das rein sprachliche Verständnis des Bescheides (insbesondere der Begründung) - soweit ein solches unter Bedachtnahme auf die Fähigkeit des Bescheidadressaten zur vollständigen Erfassung einer u. U. knapp gehaltenen und notwendigerweise mit gewissen Fachausdrücken versehenen behördlichen Enuntiation überhaupt erzielt werden kann - zur sachgerechten Aktualisierung eines notwendigen Rechtsschutzes nicht ausreicht. Dem Rechtsschutzsuchenden muss vielmehr grundsätzlich auch das rechtliche Verständnis des Bescheides - einschließlich der rechtlichen Wertung des zur Bescheiderlassung führenden Verfahrens - möglich gemacht werden; demnach muss ihm die Möglichkeit geboten werden, sich der Hilfe einer fachkundigen (wenngleich nicht notwendigerweise rechtskundigen) Person als Beistand zu bedienen, was wohl häufig die Beiziehung einer weiteren, der Sprache des Asylwerbers mächtigen Person erfordert. Schließlich ist das Erfordernis gegeben, anzunehmende Mängel des Bescheides in materieller und formeller Hinsicht in die Form eines den Standpunkt des Asylwerbers deutlich zum Ausdruck bringenden Schriftsatzes zu kleiden und die damit verbundenen manipulativen Umstände zu bewältigen."

Der Verfassungsgerichtshof hat diese Erwägungen auch hinsichtlich jener Verfahren als zutreffend erachtet, in denen Asylanträge gemäß § 6 AsylG als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurden und führt hiezu aus:

"Ein Vergleich des Gegenstandes des Verfahrens nach § 4 AsylG, welches die so genannte Drittstaatsicherheit betrifft, mit dem Gegenstand des Verfahrens nach § 6 AsylG zeigt nun, dass der zeitliche Aufwand für den Rechtsschutzsuchenden bei gebotener Durchschnittsbetrachtung nicht geringer zu veranschlagen ist und er grundsätzlich den gleichen Schwierigkeiten gegenübersteht wie ein im Prüfungsverfahren G 31/98 ua. betrachteter Berufungswerber. Hier wie dort ist davon auszugehen, dass der Asylwerber im Regelfall der deutschen Sprache nicht mächtig ist und daher schon zum rein sprachlichen Verständnis des ihm zugestellten Bescheides fremder Hilfe bedarf, zumal ihm zwar der Spruch, die Rechtsmittelbelehrung sowie eine Übersetzung der für das Meritum der Entscheidung maßgeblichen Gesetzesbestimmung, nicht jedoch die Begründung in einer ihm verständlichen Sprache zukommen muss (§ 29 AsylG). Ebenso tritt der Umstand hinzu, dass das rein sprachliche Verständnis des Bescheides zur sachgerechten Aktualisierung eines notwendigen Rechtsschutzes nicht ausreicht, sondern dass dem Rechtsschutzsuchenden vielmehr auch das rechtliche Verständnis des Bescheides möglich gemacht, ihm demnach die Möglichkeit geboten werden muss, sich der Hilfe einer fachkundigen Person als Beistand zu bedienen. Auch im Fall des Verfahrens nach § 6 AsylG ist das Erfordernis gegeben, anzunehmende Mängel des Bescheides in materieller und formeller Hinsicht in die Form eines den Standpunkt des Asylwerbers deutlich zum Ausdruck bringenden Schriftsatzes zu kleiden und die damit verbundenen manipulativen Umständen zu bewältigen."

2.3) Damit wird ein für die Auslegung österreichischer Gesetze verbindlicher Maßstab konkretisiert, unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen ein Verwaltungsverfahren, in dem es um die hier in Rede stehenden Schutzgüter geht, geeignet erscheint, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten; daher ist auch für die im Rahmen des § 4 AsylG vorzunehmende Bewertung der Rechtsmittelfristen des Asylverfahrens - die Notwendigkeit des Bestehens einer Überprüfungsinstanz ergibt sich aus § 4 Abs. 2 iVm § 4 Abs. 3a Z. 3 AsylG - im Drittstaat von den Anforderungen auszugehen, die der Verfassungsgerichtshof in den genannten Erkenntnissen ganz allgemein an die Ausgestaltung eines Rechtsmittels gestellt hat, um von einem effektiven Rechtsschutz sprechen zu können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2000, Zl. 99/20/0246).

3) Vorweg ist festzuhalten, dass es nach der dargestellten Rechtslage in Ungarn nicht auszuschließen ist, dass die Asylanträge der Beschwerdeführer als offensichtlich unbegründet angesehen würden und in dem für diesen Fall vorgesehenen verkürzten Verfahren behandelt würden.

Es ist demnach zu untersuchen, ob auf Grund rechtlicher oder tatsächlicher Besonderheiten des ungarischen Asylverfahrens auch bei Bedachtnahme auf die Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes eine kürzere als eine siebentägige Frist (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 1998, G 31/98 ua.), hier im konkreten die dreitägige Frist im verkürzten ungarischen Asylverfahren, in anderer Weise als im abgekürzten Berufungsverfahren nach dem österreichischen Asylgesetz in dessen Stammfassung ein "Mindestmaß an faktischer Effizienz" aufweist.

3.1) Zum Punkt "sprachliches Verständnis":

Der Bundesminister für Inneres weist hier auf die "tatsächlichen Gepflogenheiten im ungarischen Asylverfahren" hin, die Entscheidungen der ersten Instanz durch ORMA-Mitarbeiter in Gegenwart von Dolmetschern auszuhändigen, den gesamten Bescheidinhalt (samt Begründung) durch diese Dolmetscher vor der Behörde übersetzen zu lassen und dem Asylwerber die Möglichkeit einzuräumen, Berufung (Anm.: gemeint wohl ein "Ansuchen um gerichtliche Überprüfung" im Sinne der §§ 39 und 40 des ung. Asylgesetzes) gegen die Entscheidung der ersten Instanz unmittelbar beim Referenten zu Protokoll zu geben, wobei der Asylwerber die Möglichkeit habe, weitere Begründungen nachzureichen.

Der Verwaltungsgerichtshof weist darauf hin, dass - die Richtigkeit des Vorbringens der weiteren Partei für die weiteren Überlegungen einmal vorausgesetzt - eine solche Vorgangsweise in der Tat nicht ohne Auswirkung für die Bewertung des ungarischen Asylverfahrens ist und solche Schutzmechanismen die kurze Rechtsmittelfrist zu relativieren im Stande sind. Insbesondere ist nicht zu übersehen, dass die Übersetzung (auch) der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides (diese Vorgangsweise ist in Österreich weder gesetzlich gefordert noch Übung) dem Asylwerber das sprachliche Verständnis dieses Bescheides in lückenloser Weise ermöglicht.

Doch macht es einen Unterschied, ob eine solche Vorgangsweise gesetzlich vorgeschrieben ist oder bloß einer tatsächlichen und damit dem Risiko einer jederzeitigen Änderung unterworfenen Übung entspricht (in Richtung "Übung" deutet die Stellungnahme des Bundesminister für Inneres). Bei bloßer Übung ist es zudem bedeutsam, ob diese faktisch lückenlos über einen längeren Zeitraum praktiziert wird, wobei aus den behördlichen Feststellungen eine gesicherte Prognose abzuleiten sein muss (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 2000, Zl. 99/01/0299).

Die belangte Behörde hat sich mit dieser Frage überhaupt nicht auseinander gesetzt.

3.2) Zum Punkt "Rechtliches Verständnis":

Es kommt zunächst darauf an, ob - vor dem Hintergrund der ungarischen Rechtslage einschließlich deren Verständnis in gesicherter Rechtsprechung - der Bescheidinhalt auch ohne Hilfe einer fachkundigen Person rechtlich zu verstehen und es möglich ist, binnen kürzester Zeit ein effektiv begründetes Rechtsmittel zu erheben.

Wäre das Vorbringen der weiteren Partei, Rechtsmittel könnten in Anwesenheit des Dolmetschers unmittelbar dem Fachbeamten zu Protokoll gegeben werden, auch so zu verstehen, dass diese fachkundige Person auch zu Auskünften zur rechtlichen Erfassung des erstinstanzlichen Bescheides zur Verfügung stünde, so läge eine weitere Besonderheit als Gegengewicht zur dreitägigen Rechtsmittelfrist vor.

Sollte es außerdem zutreffen, dass die ungarische Verfahrensrechtslage die Nachreichung weiterer Begründungen zulässt - wobei in diesem Zusammenhang die tatsächliche Verfahrensdauer von Bedeutung wäre, zumal in Ungarn die Entscheidungsfrist anders als in Österreich vor der Novelle BGBl. I Nr. 4/1999 (viertägige Entscheidungsfrist) fünfzehn Tage beträgt -, so könnte die dreitägige Frist ausreichen.

Diese faktische Lage, aber auch das ausländische Verfahrensrecht ist in den angefochtenen Bescheiden nicht festgestellt worden, da sich das ungarische Gesetz IV/1957 über die allgemeinen Bestimmungen eines Verwaltungsverfahrens, dessen grundsätzliche Anwendbarkeit auch im Asylverfahren in § 47 Abs. 1 des ung. Asylgesetzes normiert ist, mit Ausnahme dessen § 72 Abs. 3 (betreffend Regelungen zur aufschiebenden Wirkung) nicht unter jenen in den Bescheiden genannten Beweismitteln befindet, auf denen die angefochtenen Bescheide aufbauen (wobei insgesamt noch zu bedenken wäre, ob für das ungarische gerichtliche Überprüfungsverfahren nicht andere Verfahrensnormen, wie etwa eine ungarische Zivilprozessordnung, anzuwenden wären). Ebenso wenig finden sich Feststellungen zur Praxis bei Entgegennahme, Weiterleitung des Rechtsmittels, Raschheit der gerichtlichen Entscheidung etc.

Es bleibt sohin im Dunkeln, ob an die Erhebung eines Rechtsmittels im verkürzten Verfahren etwaige besondere Formerfordernisse geknüpft sind (vgl. in Österreich das Erfordernis des begründeten Berufungsantrages nach § 63 Abs. 3 AVG), welche (rechtliche und faktische) Bedeutung Ergänzungen des Rechtsmittels zukommen und letztlich auch, ob angesichts der kurzen Entscheidungsfrist Ergänzungen überhaupt zielführend sind.

3.3) Zum Punkt "Bewältigung der manipulativen Umstände":

Diesbezüglich ist lediglich ergänzend zu den damit verzahnten sprachlichen und rechtlichen Problemen, die bereits abgehandelt wurden, darauf hinzuweisen, dass der vom Bundesminister für Inneres vorgebrachte Umstand, es würden in Anwesenheit eines Dolmetschers Rechtsmittel sogleich zu Protokoll genommen, wodurch den vom Verfassungsgerichtshof erwähnten manipulativen Problemen kaum noch Bedeutung zukäme, ebenfalls geeignet sein könnte, die Kürze der Rechtsmittelfrist im Sinne eines effektiven Rechtsschutzes auszugleichen.

Aber auch hiezu finden sich in den angefochtenen Bescheiden keine Ausführungen.

3.4) Letztlich ist noch darauf hinzuweisen, dass es eine wesentliche Rolle spielt, wie die Fristenberechnung nach der ungarischen Rechtslage gestaltet ist. So ist die Bedeutung der Einrechnung arbeitsfreier Tage umso bedeutender, je kürzer eine Frist bemessen ist.

Auch hiezu findet sich in den angefochtenen Bescheiden nichts.

4) Allein aus den den angefochtenen Bescheiden zu Grunde liegenden Beweismitteln und den daraus getroffenen Feststellungen sind aber keine Umstände zu ersehen, welche die bloß dreitägige Rechtsmittelfrist im abgekürzten Verfahren nach dem ung. Asylgesetz als ausreichend erschienen ließen, um ein Mindestmaß an effektivem Rechtsschutz zu ermöglichen. Die angeführten Mängel der angefochtenen Bescheide beruhen offenbar auf der unrichtigen Rechtsansicht, sich mit der Rechtsmittelfrist im verkürzten ungarischen Asylverfahren bei einem auf § 4 AsylG gestützten Bescheid nicht auseinander setzen zu müssen (sekundäre Verfahrensmängel). Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 11. Oktober 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999010408.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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