TE Vwgh Erkenntnis 2000/10/11 2000/01/0141

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Veröffentlicht am 11.10.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §57;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des KN in W, geboren am 3. Mai 1969, vertreten durch Dr. Johann Grandl, Rechtsanwalt in 2130 Mistelbach, Hauptplatz 18, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. Dezember 1999, Zl. 205.297/3-XII/36/99, betreffend Asylgewährung und Feststellung gemäß § 8 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Marokko, der am 2. August 1998 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 3. August 1998 die Gewährung von Asyl. Er wurde am selben Tag niederschriftlich einvernommen.

Hiebei gab er an, er habe in seiner Heimat infolge seiner Homosexualität gesellschaftliche und psychische Probleme. Homosexualität sei in Marokko eine Schande und er werde von seinen Mitbürgern gemieden. Auch seine Familie habe eine "Abneigung dazu" gehabt und ihn gemieden. Es sei in seinem Bezirk allgemein bekannt gewesen, dass er homosexuell sei. Eines Tages im Sommer 1996 sei er in einer Parkanlage von zwei Polizisten in Zivil festgenommen worden. Er habe sich eine Woche lang in Untersuchungshaft befunden und sei dann wegen Homosexualität angeklagt und zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Nur dadurch, dass er von seinen Verwandten an die Polizei verraten worden sei und er sich zu seiner Homosexualität in der Gerichtsverhandlung öffentlich bekannt habe, sei er verurteilt worden. Er habe keinen Pflichtverteidiger und auch keinen Anwalt gehabt, da es eine Schande sei, homosexuell zu sein. Die Möglichkeit der Berufung habe nicht bestanden, da die Strafe gleich vollzogen worden sei. Er habe keine Unterlagen zu seiner Haftsache und keinen Kontakt zu seiner Familie, weshalb er sich nichts nachschicken lassen könne. Er lebe seine Neigung seit dem 15. Lebensjahr aus, dies jedoch nicht öffentlich, sondern nur im geheimen. Er fürchte, im Fall einer Rückkehr wieder ins Gefängnis gesteckt zu werden.

Die Behörde erster Instanz wies mit Spruchpunkt 1) den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997, ab und stellte mit Spruchpunkt 2) gemäß § 8 AsylG iVm. § 57 Fremdengesetz, fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der beschwerdeführenden Partei in ihre Heimat zulässig sei.

Die Behörde erster Instanz versagte dem Vorbringen des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit mit folgender Begründung:

"Ihr Vorbringen können Sie aufgrund von undetaillierten und unkonkreten Schilderungen nicht glaubhaft darstellen, zumal Sie sich in Ihren Aussagen widersprechen und diese Widersprüche dazuführen, dass Ihr gesamtes Vorbringen sich als unglaubwürdig darstellt. Einmal gaben Sie an, in Marokko wäre die Todesstrafe für Homosexualität vorgesehen, gleichzeitig widersprachen Sie sich indem Sie anführten, in Marokko gebe es keine Todesstrafe. Auf weitere Befragung behaupteten Sie, als Haftstrafe wären drei bis fünf Jahre Freiheitsentzug möglich und gleichzeitig gaben Sie an, Sie wären zu zwei Jahren Haftstrafe verurteilt worden. Einerseits behaupteten Sie, die Homosexualität öffentlich ausgelebt zu haben, andererseits widersprachen sie sich indem Sie angaben, Sie hätten alles im Geheimen getan.

Aufgrund der sich widersprechenden Angaben ist es Ihnen nicht möglich Ihr Vorbringen glaubhaft zu machen. Vielmehr kommt die erkennende Behörde, auch aufgrund Ihrer Beweisunfähigkeit der angeblichen Verurteilung und angeblich verbüßten Haftstrafe, zu dem Schluss, dass Ihr Vorbringen eine Konstruktion darstellt. Es wäre Ihnen auf jeden Fall möglich und zumutbar gewesen, nach der angeblichen Haftentlassung im Mai 1988, bis zu Ihrer angeblich im August 1988 stattgefundenen Flucht, Beweise zur Untermauerung Ihres Vorbringens zu besorgen. Ihr Vorgehen jedoch entbehrt jeglicher Logik und es ist auch nicht mit der allgemeinen Lebenserfahrung vereinbar und nicht schlüssig nachzuvollziehen, warum Sie nicht den Versuch unternahmen, legal aus Marokko auszureisen, zumal Sie nach der angeblich erfolgten Haftentlassung keinerlei staatlichen Repressalien, welche Sie zu einer überstürzten Flucht veranlasst hätten, ausgesetzt waren."

Deshalb sei es nicht glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Verfolgung drohe, sowie dass stichhaltigen Gründe für die Annahme einer der Gefahren im Sinne des § 57 FrG vorlägen.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, dass in Marokko Homosexualität illegal sei und gemäß Art. 489 des StGB mit sechs Monaten bis drei Jahren Haft und einer Geldbuße von 120 bis 1200 Dirhams bestraft werde, weshalb seine verbüßte zweijährige Strafe dieser "diskriminierenden Realität" entspreche. Er werde sich bemühen, etwaige Unterlagen über seine Haft oder eine Urteilsbestätigung nachzureichen, wobei er dies mangels Kontaktmöglichkeiten als "schwieriges Unterfangen" darstellte. Die übrigen Berufungsausführungen befassen sich mit der rechtlichen Würdigung.

Die belangte Behörde führte ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durch und hielt eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung ab. In dieser wurde dem Beschwerdeführer neuerlich Gelegenheit gegeben, seine Fluchtgründe darzulegen. Der Beschwerdeführer legte keine ergänzenden Dokumente vor und erstattete darin kein über seine bisherigen Angaben hinausgehendes Sachverhaltsvorbringen.

Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer in der Verhandlung folgende Beweisergebnisse vor:

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Auskunft des UNHCR betreffend Homosexualität in Marokko vom 18. Mai 1999

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Bericht des auswärtigen Amtes Bonn über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko vom 19. Oktober1998, betreffend die darin enthaltenen Ausführungen, dass es keine geschlechtsspezifischen Menschenrechtsverletzungen gäbe und

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Auskunft des auswärtigen Amtes Bonn vom 30. April 1998 betreffend die liberale Praxis zur Homosexualität in Marokko ("sichtbares geduldetes Phänomen der Homosexualität").

Der Beschwerdeführer gab hiezu an, das stimme alles, aber "im Allgemeinen" werde Homosexualität bestraft.

Hierauf erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid.

Die belangte Behörde wies mit Spruchpunkt 1) die Berufung gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 idF. BGBl. I Nr. 4/1999 - AsylG, ab und stellte mit Spruchpunkt 2) gemäß § 8 AsylG iVm. § 57 Fremdengesetz, BGBl. I Nr. 75/1997 - FrG, fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der beschwerdeführenden Partei in ihre Heimat zulässig sei.

Auch die belangte Behörde sprach den Angaben des Beschwerdeführers mit folgender Begründung die Glaubwürdigkeit ab:

"Die (Negativ-) Feststellungen zur Identität des Berufungswerbers gründen sich darauf, dass dieser kein Identitätsdokument vorlegen und nur allgemeine und unbestimmte Angaben zu seiner Herkunft, seinem Beruf etc. machen konnte. Die (Negativ-) Feststellungen zur vom Berufungswerber behaupteten Verfolgung wegen Homosexualität gründen sich darauf, dass der Berufungswerber trotz eingehender Befragung keine nähere Angaben zu der von ihm behaupteten gerichtlichen Verurteilung machen konnte. Abgesehen davon, dass der Berufungswerber kein Identitätsdokument und keine wie immer gearteten Nachweise über die Verurteilung und die Haft vorlegen konnte, konnte er auch die dahingehenden Fragen nur in allgemeiner und oberflächlicher Weise beantworten. So konnte er zB. auf die Frage, was ihm konkret vorgeworfen worden sei, lediglich angeben, dass 'der Vorwurf die Homosexualität gewesen sei'. Auf die Frage, ob er vom Gericht ein Urteil erhalten habe, gab er lediglich an, dass er kein schriftliches Urteil erhalten habe und sich seine Eltern von ihm distanziert hätten. Die erkennende Behörde hat im Hinblick auf diese allgemeinen und oberflächlichen Antworten des Asylwerbers den Eindruck gewonnen, dass es sich bei den von ihm angegebenen Asylgründen um Erfindungen handelt, die der Asylerlangung dienen sollen. Auch die vom Asylwerber aufgestellte Behauptung, wonach er im Falle einer Auslieferung 'in den Kerker kommen' würde, ist in keiner Weise begründet, da der Berufungswerber angibt, die (angebliche) Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren bereits verbüßt zu haben. Dazu kommt noch, dass die aus den Feststellungen ersichtliche liberale Praxis der Strafverfolgungsbehörden eine Verfolgung wegen Homosexualität unwahrscheinlich erscheinen lässt, dies auch im Hinblick darauf, dass der Berufungswerber angibt, seine Homosexualität nur im geheimen ausgelebt zu haben."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

In der Beschwerde tritt der Beschwerdeführer der Wertung seiner Angaben als unglaubwürdig nicht ausdrücklich entgegen, sondern erstattet ein - teilweise mit Details, die er im bisherigen Verfahren nicht vorgebracht hat, angereichertes - Sachverhaltsvorbringen, auf dem aufbauend er unter Bezugnahme auf neu zitierte Beweismittel in rechtlicher Sicht den Schluss zieht, es liege in seinem Fall asylrelevante Verfolgung vor und es gäbe stichhaltige Gründe für die Annahme einer Gefahr gemäß § 57 FrG.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der nur insofern der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 549 ff abgedruckte hg. Judikatur). Die Beschwerdeausführungen lassen aber Zweifel an der Schlüssigkeit der von der belangten Behörde dargelegten Erwägungen zur Beweiswürdigung nicht aufkommen.

Denn der Beschwerdeführer hatte im Verwaltungsverfahren zumindest dreimal (erstinstanzliche Einvernahme, Berufung, Einvernahme in der öffentlichen mündlichen Verhandlung) Gelegenheit, die nunmehr in der Beschwerde erstmals genannten Details zur Gerichtsverhandlung, zur Behandlung während der Untersuchungshaft, zur Strafhaft und zum Unterbringungsort während der Verbüßung der Strafhaft vorzubringen. Da er dies nicht getan hat, sind die genannten Angaben auf Grund des im verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geltenden Neuerungsverbotes unbeachtlich. Zudem geht der Beschwerdeführer in der Beschwerde an einer Stelle trotz gegenteiliger unwidersprochener Berichte davon aus, dass in Marokko für Homosexualität "teilweise sogar die Todesstrafe verhängt wurde/wird". Hingegen spricht er in der Beschwerde an späterer Stelle von einer Strafdrohung zwischen sechs Monaten und drei Jahren Freiheitsstrafe. Vollkommen unverständlich ist der in der Beschwerde enthaltene Auszug aus einer gutachterlichen Stellungnahme an das Verfassungsgericht Leipzig vom 10. April1998, denn dieser Auszug befasst sich ausschließlich mit der Wertung der Homosexualität nach islamischem Recht, Zitaten aus dem Koran und enthält einen Hinweis auf die Bestrafung der Homosexualität "in der islamischen Geschichte". Dieser Auszug lässt jedoch keinen Schluss auf die in Marokko tatsächlich existierende Situation zu.

Durch diese Ausführungen werden die Angaben des Beschwerdeführers jedenfalls nicht glaubwürdiger, noch erscheinen die Erwägungen der belangten Behörde zur Beweiswürdigung unschlüssig.

Erachtete die belangte Behörde aber aufgrund schlüssiger Beweiswürdigung die Angaben der beschwerdeführenden Partei über tatsächlich erfolgte oder ihm künftig drohende Verfolgung bzw. über eine Gefahr im Sinne des § 57 FrG als unglaubwürdig, kann die darauf beruhende rechtliche Würdigung, dass die beschwerdeführende Partei nicht glaubhaft habe machen können, sie habe Verfolgung im Sinne des § 7 AsylG 1997 zu erleiden, weshalb ihr kein Asyl zu gewähren sei bzw. es sei eine ihr im Sinne des § 57 FrG drohende Gefahr nicht zu ersehen, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die weiteren Beschwerdeausführungen gehen offensichtlich entgegen den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde von der Glaubwürdigkeit der in der Beschwerde selbst vorgebrachten Sachverhaltsangaben des Beschwerdeführers aus und sind daher unbeachtlich.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 11. Oktober 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000010141.X00

Im RIS seit

15.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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