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72/01 HochschulorganisationNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Nichtzulassung eines Wahlvorschlags für die Wahl der Personengruppe der Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren in den Senat der Universität Linz mangels Aufnahme weiblicher Kandidaten in den Wahlvorschlag; keine Bedenken gegen die Quotenregelung bei der Erstellung des Wahlvorschlags im UniversitätsG 2002 angesichts der Unterrepräsentanz von Frauen in der Gruppe der höchstqualifizierten Universitätsangehörigen sowie im Hinblick auf die sogenannte "Öffnungsklausel"Rechtssatz
Mit der Universitätsgesetz-Novelle BGBl I 81/2009 wurde an öffentlichen Universitäten für die Zusammensetzung des Universitätsrates, des Rektorats und für vom Senat eingesetzte Kollegialorgane wie beispielsweise Berufungs- oder Habilitationskommissionen sowie für die Wahlvorschläge zum Senat (§25 Abs4a UG 2002) unter sinngemäßer Anwendung des §11 Abs2 Z3 Bundes-GleichbehandlungsG jeweils ein Frauenanteil von 40 vH vorgesehen. Diese Regelungen stehen im Zusammenhang mit §2 Z9 UG 2002, demzufolge die Gleichstellung von Frauen und Männern ein leitender Grundsatz der Universitäten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben ist. Die Erläuterungen zu dieser Bestimmung berufen sich sowohl auf das in der österreichischen Bundesverfassung (Art7 Abs2 B-VG) normierte Prinzip der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern wie auch auf die unionsrechtlich verankerte Zielsetzung, Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern zu beseitigen.
Die Durchsetzung der "Quotenregelung" des §25 Abs4a UG 2002 ist dem Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen (bzw der Schiedskommission) überantwortet.
Der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen hat, wenn numerisch der gesetzlich vorgeschriebene Frauenanteil im Wahlvorschlag nicht erfüllt ist, zu beurteilen, ob im maßgeblichen Bereich entweder zu wenige Frauen, die für die entsprechende Tätigkeit in Frage kommen, vorhanden sind, oder ob, obwohl an sich ausreichend Frauen an der Universität vertreten sind, sich im konkreten Fall Frauen nicht bereit erklärt haben, entsprechend mitzuwirken (sogenannte "Opting-Out-Möglichkeit"). Ist dies bei einer solchen inhaltlichen, nicht nur numerischen Beurteilung nicht der Fall, hat der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen die Einrede der Mangelhaftigkeit des Wahlvorschlages an die Schiedskommission zu erheben.
Die Schiedskommission hat sodann das Vorliegen der für den Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen bei seiner Entscheidung maßgeblichen Kriterien insgesamt zu überprüfen.
Entscheidet die Schiedskommission, dass die Einrede des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen zu Recht erhoben wurde, hat die Wahlkommission den Wahlvorschlag an die wahlwerbende Gruppe zur Verbesserung zurückzuweisen. Für den Fall der nicht fristgerechten Verbesserung sieht §7 Abs7 WO-KO die Rechtsfolge der Nichtzulassung des Wahlvorschlages vor. Die Entscheidung darüber ergeht durch die Wahlkommission in Form eines Bescheides.
Im Hinblick auf Art7 Abs1 Satz 2 B-VG müssen besondere Gründe vorliegen, um eine am Geschlecht anknüpfende gesetzliche Differenzierung nicht als Diskriminierung zu erweisen. Eine solche besondere sachliche Rechtfertigung kann sich insbesondere daraus ergeben, dass die gesetzliche Regelung iSd Art7 Abs2 B-VG Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern insbesondere durch Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten enthält. Gesetzliche Maßnahmen, die eine nachgewiesene strukturelle Ungleichheit von Männern und Frauen tatsächlich ausgleichen sollen, können daher als rechtliche Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein, auch wenn sie mit dem Geschlecht an persönlichen Merkmalen anknüpfen, von denen Art7 Abs1 Satz 2 B-VG es ansonsten ausschließt, dass sie Vorrechte begründen.
Der Gesetzgeber hat die "Quotenregelung" des §25 Abs4a UG 2002 mit einer "Öffnungsklausel" ausgestaltet. Ein Wahlvorschlag scheitert daher gemäß §25 Abs4a UG 2002 nicht daran, dass im maßgeblichen Bereich der Universität eine entsprechende Anzahl passiv wahlberechtigter Frauen gar nicht zur Verfügung steht. Die "Quotenregelung" kann auch nicht zu einer Blockade des demokratischen Prozesses führen.
§25 Abs4a UG 2002 ist eine von mehreren Maßnahmen, die der Gesetzgeber trifft, um die nachgewiesene Unterrepräsentation von Frauen, insbesondere in der Gruppe der höchstqualifizierten Universitätsangehörigen, der Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren, und damit eine tatsächlich bestehende Ungleichheit zu beseitigen. Die Förderung der Repräsentanz von Frauen in Leitungsgremien wie dem Senat dient dabei nicht zuletzt wegen der Vorbild- und damit verbundenen Identifikationswirkung gerade dem Abbau jener Gründe, die die angesprochene Unterrepräsentanz von Frauen bewirken. Insofern ist die Unterrepräsentanz von Frauen in der Gruppe der Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren maßgeblich für die Quotenregelung für einschlägige Wahlvorschläge zum Senat.
Weil die Zusammensetzung des Senats innerhalb der im Senat vertretenen Gruppen Repräsentations- und nicht Qualifikationsaspekten folgt, ist es auch sachlich gerechtfertigt, dass §25 Abs4a UG 2002 den geforderten Frauenanteil qualifikationsunabhängig bestimmt.
Das Gesetz sieht auch ein geregeltes Verfahren vor, in dem über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung der "Öffnungsklausel" für die numerische Quotenregelung zu entscheiden ist. Es liegt im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, diese Entscheidung zunächst eigenen, auf die Wahrung von Gleichstellungsinteressen und die Hintanhaltung von Diskriminierungen spezialisierten Organen zu übertragen.
Die beschwerdeführende Partei kann im Zuge einer Beschwerde gegen den Bescheid der Wahlkommission vor dem Bundesverwaltungsgericht auch geltend machen, dass ihr Wahlvorschlag entgegen der Auffassung der darüber absprechenden Universitätsorgane einen ausreichenden Frauenanteil vorsieht und damit die Voraussetzung dafür, dass die Wahlkommission den Wahlvorschlag zur Verbesserung zurückweist, nicht vorliegt. Dem kann auch eine allfällige Rechtskraft der Entscheidung der Schiedskommission nicht entgegengehalten werden, denn diese Rechtskraft erstreckt sich nicht auf die beschwerdeführende Partei, der im Verfahren vor der Schiedskommission keine Parteistellung zukommt. Vor diesem Hintergrund bestehen auch gegen das Zusammenspiel der Entscheidung der Schiedskommission mit dem Verfahren vor der Wahlkommission gemäß §25 Abs4a letzter Satz UG 2002 keine rechtsstaatlichen Bedenken. Damit unterliegen über den Bescheid der Wahlkommission auch die Entscheidungen der Schiedskommission der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Im Hinblick auf die dargestellte "Öffnungsklausel" bestehen gegen §25 Abs4a UG 2002 auch von vorneherein keine Bedenken im Lichte von Art21 iVm Art23 GRC, sodass die Frage, ob im vorliegenden Fall der Anwendungsbereich des Art21 GRC als verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht eröffnet ist, dahinstehen kann.
Wenn die beschwerdeführende Partei schließlich eine Verfassungswidrigkeit des §25 Abs4a UG 2002 aus Art3 StGG ableiten will, ist ihr - die Anwendbarkeit des Art3 StGG vorausgesetzt - der auch für die Auslegung des Art3 StGG heranzuziehende Art7 Abs2 B-VG und damit letztlich die Einheit der Verfassung entgegenzuhalten.
Schlagworte
Hochschulen Organisation, Wahlen, Wahlvorschlag, Kollegialorgan, Gleichbehandlung, Gleichheit Frau - Mann, Parteistellung Hochschulen, Rechtskraft, Rechtsschutz, Rechtsstaatsprinzip, EU-Recht, Geltungsbereich Anwendbarkeit, ÄmterzugänglichkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:B803.2013Zuletzt aktualisiert am
29.07.2015