TE Vwgh Erkenntnis 2000/10/11 98/01/0629

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Veröffentlicht am 11.10.2000
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

ABGB §91;
AVG §58 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7;
StbG 1985 §10 Abs1;
StbG 1985 §10;
StbG 1985 §11;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführer DDDr. Jahn, über die Beschwerde der M B in W, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 27. Oktober 1998, Zl. MA 61/IV-B 507/96, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 27. Oktober 1998 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 3. November 1994 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10 und 11 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) abgewiesen.

Die am 13. Mai 1956 geborene Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, lebe seit 1970 ununterbrochen in Österreich. Sie sei am 10. Jänner 1995 vom Bezirksgericht Hainburg an der Donau wegen § 146 StGB (Vergehen des Betruges) zu einer Geldstrafe von S 2.500,-- rechtskräftig verurteilt worden. Laut Bescheinigung der Gebietskrankenkasse könne die Beschwerdeführerin seit ihrer Wohnsitznahme in Österreich lediglich etwa 60 Monate an versicherungspflichtiger Tätigkeit nachweisen. Sie habe bei einer Reihe von Dienstgebern relativ kurze Beschäftigungsverhältnisse aufzuweisen, dazwischen lägen Zeiten der Arbeitslosigkeit; seit Oktober 1983 sei die Beschwerdeführerin nicht mehr berufstätig. Ihren Lebensunterhalt bestreite sie im Wesentlichen aus Geldzuwendungen ihrer Mutter sowie ihres Lebensgefährten. Derartige finanzielle Zuwendungen könnten nicht als hinreichende Sicherung des Lebensunterhaltes gewertet werden, da einerseits keine gesetzliche Unterhaltspflicht bestehe und die Beschwerdeführerin außerdem im arbeitsfähigen Alter stehe und laut Aktenlage keine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gegeben sei. Trotz ihres mehr als zwanzigjährigen Inlandswohnsitzes dürfte es der Beschwerdeführerin nicht gelungen sein, sich in das hiesige Berufsleben zu integrieren, sodass sie nach wie vor nicht in der Lage sei, ihren Lebensunterhalt aus eigener, ständiger Berufstätigkeit zu bestreiten. Bedenke man, dass die Beschwerdeführerin bereits seit ihrem 14. Lebensjahr in Österreich lebe, dementsprechend auch die deutsche Sprache gut beherrsche, lasse das sich der belangten Behörde bietende Gesamtbild der Beschwerdeführerin eine Einbürgerung nicht zu, da die Einbürgerung von durchaus arbeitsfähigen Personen, welche aus fremden Unterstützungen ihren Lebensunterhalt bestritten, keineswegs dem allgemeinen Wohl diene noch im öffentlichen Interesse gelegen sein könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 124/1998 lauten - auszugsweise - wie folgt:

"Verleihung

§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn

1. er seit mindestens 10 Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat;

...

7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder er sich ohne sein Verschulden in einer finanziellen Notlage befindet und

...

§ 11. Die Behörde hat sich bei der Ausübung des ihr im § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Gesamtverhalten der Partei leiten zu lassen.

..."

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, ist bei gesetzeskonformer Vollziehung dieser Bestimmungen zuerst zu prüfen, ob die in § 10 Abs. 1 Z. 1 bis 8 StbG aufgestellten Einbürgerungserfordernisse erfüllt sind. Steht dies fest, liegt es sodann in dem durch § 11 StbG determinierten Ermessen der Behörde, dem Verleihungsansuchen zu entsprechen oder nicht. Liegt hingegen auch nur ein Einbürgerungserfordernis nicht vor, kommt eine Ermessensübung nach § 11 StbG gar nicht in Betracht (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 97/01/1069).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde einerseits die Auffassung vertreten, der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin sei nicht hinreichend gesichert, andererseits hat sie erkennbar von dem ihr in § 10 StbG eingeräumten freien Ermessen Gebrauch gemacht. Da die belangte Behörde § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG weder im Spruch noch in der Begründung des bekämpften Bescheides erwähnt hat, geht der Verwaltungsgerichtshof mit den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens davon aus, dass die belangte Behörde die Abweisung des gegenständlichen Antrages ausschließlich auf die Übung des freien Ermessens im Sinne des § 11 StbG gestützt hat.

Geht die Behörde vom Vorliegen aller Verleihungsvoraussetzungen (stillschweigend) aus, hat sie ihre sodann zu treffende Ermessensentscheidung so zu begründen, dass eine Überprüfung, ob sie von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, möglich ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 13. Mai 1998, Zl. 96/01/0515).

Die belangte Behörde hat bei der Ausübung des freien Ermessens zu Lasten der Beschwerdeführerin berücksichtigt, dass ihr Lebensunterhalt nicht hinreichend gesichert sei. Die Beschwerdeführerin hat dem im Verwaltungsverfahren Erklärungen ihres Lebensgefährten sowie ihrer Mutter entgegengehalten, in denen sich diese verpflichtet haben, für die Beschwerdeführerin so lange aufzukommen, bis sie dazu aus eigenem Einkommen in der Lage sein werde. Die Beschwerde bringt ergänzend vor, eine gesetzliche Regelung, die eine staatliche Unterstützung von Personen vorsehe, welche auch durch Familienbande aufgefangen werden könnten, stelle eine abzulehnende Bevormundung des Menschen dar.

Die Beschwerdeführerin verkennt damit die behördliche Argumentation, wonach bereits der Umstand, dass sie trotz ihres 28-jährigen Aufenthaltes in Österreich nicht in der Lage gewesen sei, sich in das hiesige Berufsleben zu integrieren und daher von den abgegebenen Verpflichtungserklärungen abhängig sei, gegen eine positive Ermessensübung spreche. Wenn die belangte Behörde der Beschwerdeführerin weiters vorhält, sie gehe seit Oktober 1983 keiner beruflichen Tätigkeit mehr nach, wirft sie ihr damit fehlende Integrationswilligkeit im Bereich des Arbeitsmarktes vor.

Mangelnde Arbeitsmoral kann - wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in dem Erkenntnis vom 13. Mai 1998, Zl. 96/01/0515, ausgeführt hat - im Rahmen des Ermessenskriteriums des "Gesamtverhaltens" berücksichtigt werden. Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde allerdings folgenden aktenkundigen Umstand - der im Übrigen auch der Annahme eines Verleihungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG entgegen steht - erkennbar nicht in ihre diesbezüglichen Erwägungen einbezogen:

Die Beschwerdeführerin hat von 1977 bis 1996 in aufrechter Ehe gelebt und bei ihrer Antragstellung am 3. November 1994 unter Vorlage einer Gehaltsbestätigung ihres (damaligen) Ehegatten angegeben, Hausfrau zu sein. Gemäß § 91 ABGB steht es den Ehegatten frei, ihre Lebensverhältnisse und ihr gemeinschaftliches Leben (z.B. Rollenverteilung im Haushalt und im Erwerb) autonom zu gestalten. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin während ihrer aufrechten Ehe im Haushalt tätig war, kann ihr daher im Rahmen der Ermessensübung jedenfalls dann nicht zum Nachteil gereichen, wenn der Ehegatte hinreichende Einkünfte erzielt hat. Die belangte Behörde hätte der Beschwerdeführerin daher allenfalls - nach entsprechender Anhörung - anlasten dürfen, sich seit der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft nicht um eine Beschäftigung bemüht zu haben.

Die Beschwerdeführerin rügt weiters sinngemäß, die belangte Behörde habe ihre strafgerichtliche Verurteilung aus näher dargestellten Gründen völlig überbewertet. Welche Bedeutung die belangte Behörde der strafgerichtlichen Verurteilung im Rahmen der von ihr getroffenen gesamtbildhaften Betrachtung der Persönlichkeit der Beschwerdeführerin beigemessen hat, ist dem angefochtenen Bescheid indes gar nicht zu entnehmen. Der Bescheid beschränkt sich vielmehr darauf, die Tatsache ihrer Verurteilung anzuführen. Eine Auseinandersetzung mit den näheren Tatumständen und den daraus für das Gesamtverhalten der Beschwerdeführerin zu ziehenden Schlüssen war im vorliegenden Fall umso mehr geboten, als es sich hiebei offenkundig um die einzige Verfehlung der Beschwerdeführerin während ihres 28 Jahre dauernden Aufenthaltes in Österreich gehandelt hat.

Da die belangte Behörde somit ihre negative Ermessensübung mit den dargestellten Begründungsmängeln belastet hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 11. Oktober 2000

Schlagworte

Begründung von Ermessensentscheidungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998010629.X00

Im RIS seit

23.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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