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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Zurückweisung der Beschwerde gegen die Feststellung der Volljährigkeit eines afghanischen Beschwerdeführers durch das Bundesasylamt basierend auf einem ärztlichen Gesamtgutachten; Unbedenklichkeit der Qualifizierung der Altersfeststellung als - nicht gesondert bekämpfbare - VerfahrensanordnungSpruch
I. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.
II. 1. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
2. Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 10. April 2012 nach Österreich ein, wo er am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Im Laufe des Verfahrens legte der Beschwerdeführer eine Kopie seines afghanischen Personalausweises vor, in welchem sein Geburtsdatum "als 13-jährig bestimmt" eingetragen ist.
2. Am 1. Juni 2012 wurde mittels näher beschriebener Untersuchungsmethoden das wahrscheinliche Lebensalter des Beschwerdeführers mit 20-24 Jahren bestimmt. Unter Berücksichtigung einer Schwankungsbreite von bis zu zwei Jahren ergebe sich ein Mindestalter zum Untersuchungszeitpunkt von 18 Jahren. Das vom Beschwerdeführer angegebene Geburtsdatum, 19. Februar 1995, könne auf Grund der erhobenen Befunde aus gerichtsmedizinischer Sicht nicht belegt werden.
3. Am 3. Juli 2012 wurde dem Beschwerdeführer in Anwesenheit seines gesetzlichen Vertreters das Ergebnis des ärztlichen Gesamtgutachtens mitgeteilt. Auf Grund des im Gesamtgutachten unter Berücksichtigung aller Untersuchungsergebnisse ermittelten Mindestalters von 18 Jahren zum Untersuchungszeitpunkt erklärte das Bundesasylamt im Rahmen dieser Einvernahme den Beschwerdeführer für volljährig und entließ den anwesenden gesetzlichen Vertreter aus der gesetzlichen Vertretung. Dem Beschwerdeführer wurde mitgeteilt, dass er auf Grund der Altersdiagnose seitens des Bundesasylamtes im weiteren Asylverfahren als Volljähriger angesehen werde und somit keinen Anspruch auf Beigabe eines Rechtsberaters als gesetzlichen Vertreter mehr habe.
4. Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2012 erhob der nunmehr gewillkürt vertretene Einschreiter eine Beschwerde gegen die als (mündlich verkündeter) verfahrensrechtlicher Feststellungsbescheid gedeutete Volljährigkeitserklärung durch das Bundesasylamt. Diese Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit der angefochtenen Entscheidung gemäß §63 Abs2 AVG als unzulässig zurück. Begründend führte der Asylgerichtshof im Wesentlichen aus, dass die Volljährigkeitserklärung eine bloße Bekanntgabe einer Sachverhaltsannahme darstelle, zu der die Behörde auf Grund eines Gutachtens gelangt sei. Es werde weder die materielle Rechtslage gestaltet noch über die sich aus den verfahrensrechtlichen Bestimmungen ergebenden formalrechtlichen Rechtsverhältnisse gestaltend oder feststellend abgesprochen. Angesichts der negativen Rechtsfolgen einer Volljährigkeitserklärung des Beschwerdeführers durch das Bundesasylamt sei es maßgeblich, ob diese Folgen die verfahrensrechtliche Rechtsstellung der Partei bestimmen und ob es der Partei zumutbar sei, diese Rechtsfolgen – auch unter Berücksichtigung der Prozessökonomie – erst gemeinsam mit dem in der Sache ergehenden Bescheid zu bekämpfen. Zunächst sei festzuhalten, dass die Volljährigkeitserklärung nicht die verfahrensrechtliche Rechtsstellung der Partei bestimme, weil der Beschwerdeführer weiterhin Asylwerber bleibe. Es könne auch der bisherige gesetzliche Vertreter den Beschwerdeführer gemäß §65 Abs1 AsylG 2005 als Rechtsberater, nach Maßgabe der faktischen Möglichkeiten, kostenlos im zugelassenen Verfahren unterstützen und beraten bzw. könne sich der Beschwerdeführer auch gewillkürt vertreten lassen. Die Frage der Volljährigkeit beende insbesondere auch nicht die Parteistellung eines Asylwerbers. Auch die weiteren Folgen der Volljährigkeitserklärung würden sich nicht als derart gravierend darstellen, dass diese einer unmittelbaren eigenständigen Anfechtbarkeit bedürften. Zudem würde die eigenständige Bekämpfbarkeit von Volljährigkeitserklärungen die Verfahren insgesamt deutlich verzögern.
5. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144a B-VG (in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung) gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG), behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt wird.
6. Der Asylgerichtshof legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift und beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 – AsylG 2005, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 144/2013, lauteten bzw. lauten auszugsweise:
"Mitwirkungspflichten von Asylwerbern im Verfahren
§15. (1) Ein Asylwerber hat am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken; insbesondere hat er
[…]
6. eine behauptete und auf Grund der bisher vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zweifelhafte Minderjährigkeit, auf die er sich in einem Verfahren nach diesem Bundesgesetz beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen. Gelingt dies dem Fremden nicht, kann das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof im Rahmen einer multifaktoriellen Untersuchungsmethodik zur Altersdiagnose auch die Vornahme radiologischer Untersuchungen, insbesondere Röntgenuntersuchungen, anordnen. Jede Untersuchungsmethode hat mit dem geringst möglichen Eingriff zu erfolgen. Die Mitwirkung des Fremden an einer radiologischen Untersuchung ist nicht mit Zwangsmittel durchsetzbar (Abs1 Z2 letzter Satz). Bestehen nach der Altersdiagnose weiterhin begründete Zweifel, so ist zu Gunsten des Fremden von seiner Minderjährigkeit auszugehen;
[…]"
"Handlungsfähigkeit
§16. (1) Für den Eintritt der Handlungsfähigkeit nach diesem Bundesgesetz ist ungeachtet der Staatsangehörigkeit des Fremden österreichisches Recht maßgeblich.
(2) In Verfahren nach diesem Bundesgesetz ist jeder Elternteil für sich zur Vertretung des Kindes befugt. Widerstreiten die Erklärungen beider Elternteile bei ehelichen Kindern, ist die zeitlich frühere Erklärung relevant; ein Beschwerdeverzicht kann nicht gegen den erklärten Willen eines Elternteils abgegeben werden. Die Vertretung für das uneheliche Kind kommt bei widerstreitenden Erklärungen der Elternteile der Mutter zu, soweit nicht der Vater alleine mit der Obsorge betraut ist. Ein Minderjähriger, dessen Interessen von seinem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können, ist berechtigt Anträge auf internationalen Schutz zu stellen.
(3) Ein mündiger Minderjähriger, dessen Interessen von seinem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können, ist berechtigt, Anträge zu stellen und einzubringen. Gesetzlicher Vertreter für Verfahren nach diesem Bundesgesetz ist mit Einbringung des Antrags auf internationalen Schutz (§17 Abs2) der Rechtsberater (§64) in der Erstaufnahmestelle, nach Zulassung des Verfahrens und nach Zuweisung an eine Betreuungsstelle der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger jenes Bundeslandes, in dem der Minderjährige einer Betreuungsstelle zugewiesen wurde. Widerspricht der Rechtsberater (§64) vor der ersten Einvernahme im Zulassungsverfahren einer erfolgten Befragung (§19 Abs1) eines mündigen Minderjährigen, ist diese in seinem Beisein zu wiederholen.
(4) Entzieht sich der mündige Minderjährige dem Verfahren (§24 Abs1) oder lässt sich aus anderen Gründen nach Abs3 kein gesetzlicher Vertreter bestimmen, ist der Jugendwohlfahrtsträger, dem die gesetzliche Vertretung zuletzt zukam, gesetzlicher Vertreter bis nach Abs3 wieder ein gesetzlicher Vertreter bestimmt wurde. Hatte im bisherigen Verfahren nur der Rechtsberater (§64) die gesetzliche Vertretung inne, bleibt dieser gesetzlicher Vertreter, bis die gesetzliche Vertretung nach Abs3 erstmals einem Jugendwohlfahrtsträger zufällt.
(5) Bei einem unmündigen Minderjährigen, dessen Interessen von seinen gesetzlichen Vertretern nicht wahrgenommen werden können, ist der Rechtsberater (§64) ab Ankunft in der Erstaufnahmestelle gesetzlicher Vertreter. Solche Fremde dürfen nur im Beisein des Rechtsberaters (§64) befragt (§19 Abs1) werden. Im Übrigen gelten die Abs3 und 4."
"Befragungen und Einvernahmen
§19. […]
(5) Ein Asylwerber darf in Begleitung einer Vertrauensperson sowie eines Vertreters zu Einvernahmen vor dem Bundesasylamt oder dem Asylgerichtshof erscheinen; auch wenn ein Rechtsberater (§64) anwesend ist, kann der Asylwerber durch eine Vertrauensperson oder einen Vertreter begleitet werden. Minderjährige Asylwerber dürfen nur in Gegenwart eines gesetzlichen Vertreters einvernommen werden.
[…]"
"Rechtsberatung im Zulassungsverfahren vor dem Bundesasylamt
§64. […]
(3) Bei unbegleiteten minderjährigen Asylwerbern hat der Rechtsberater als gesetzlicher Vertreter im Zulassungsverfahren bei jeder Befragung in der Erstaufnahmestelle und bei jeder Einvernahme im Zulassungsverfahren teilzunehmen.
[…]"
III. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist nicht begründet.
1.1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002). Dies galt ebenso für den Asylgerichtshof.
1.2. Gemäß ArtI Abs2 C Z30 EGVG waren auf Verfahren vor dem Bundesasylamt – soweit nicht besondere Verfahrensbestimmungen bestanden – die Bestimmungen des AVG anzuwenden. Bei der Feststellung des Alters eines Asylwerbers handelte es sich um eine behördliche Enunziation im Rahmen einen konkreten Verfahrens vor dem Bundesasylamt.
1.3. Das AVG unterscheidet zwischen verfahrensrechtlichen Bescheiden und Verfahrensanordnungen (vgl. Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5, 2009, 209 f.). Gegen Verfahrensanordnungen ist gemäß §63 Abs2 AVG eine abgesonderte Berufung nicht zulässig. Sie können erst in der Berufung gegen den die Angelegenheit enderledigenden Bescheid angefochten werden. Verfahrensrechtliche Bescheide sind hingegen entsprechend den Formvorschriften des §58 AVG zu erlassen und können sogleich mit Rechtsmitteln bekämpft werden. Es stellt sich daher die Frage, ob die Feststellung des Alters eines Asylwerbers die Erlassung eines verfahrensrechtlichen Bescheides erfordert oder auch in Form einer Verfahrensanordnung ergehen kann. Lediglich im ersten Fall wäre dem Asylgerichtshof eine Kompetenz zur Überprüfung zugekommen. Daran konnte auch §22 Abs3 AsylG 2005, der lediglich gegen "abweisende und zurückweisende Bescheide des Bundesasylamtes" eine Beschwerde an den Asylgerichtshof vorsah, nichts ändern: Gemäß Art129c Z1 B-VG erkannte der Asylgerichtshof ohne nähere Differenzierung über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen, sodass zB auch verfahrensrechtliche Bescheide bekämpfbar waren, die weder ab- noch zurückweisenden Inhalt hatten.
1.4. Ob eine im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ergehende, das Verfahren betreffende Erledigung als Verfahrensanordnung oder als verfahrensrechtlicher Bescheid zu ergehen hat, ist – sofern der Gesetzgeber nicht selbst den Begriff verwendet, wie in §39 Abs2 und §67e Abs2 AVG – durch Interpretation zu ermitteln. Ausschlaggebend ist letzten Endes das Rechtsschutzbedürfnis des Betroffenen, "dh ob es ihm zumutbar ist, im Interesse der Verfahrensökonomie mit seiner Berufung gegen die verfahrensrechtliche Erledigung bis zur Erlassung des in der Sache ergehenden Bescheides zuzuwarten und die Erledigung gemeinsam mit dem verfahrensbeendenden Bescheid anzufechten, oder ob wegen der mit der Verfahrensanordnung für ihn verbundenen Nachteile (Rechtsschutzdefizite) die sofortige Anfechtung möglich sein muss und deshalb ein verfahrensrechtlicher Bescheid geboten ist" (Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Teilband, 2007, §63 Rz 51 mwN).
1.5. Das Vorliegen der Volljährigkeit und damit der Prozessfähigkeit ist gemäß §9 AVG von der Behörde, "wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen". Die Prozessfähigkeit ist von Amts wegen zu prüfen und in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVGI, 2004, §9 Rz 2).
§16 Abs3 AsylG 2005 räumte einem mündigen Minderjährigen, dessen Interessen von seinem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können, das Recht ein, "Anträge zu stellen und einzubringen". Eine Befragung des mündigen Minderjährigen nach §19 Abs1 AsylG 2005 kann in Abwesenheit des Rechtsberaters erfolgen, wobei §16 Abs3 AsylG 2005 diesfalls vorsah, dass der Rechtsberater der erfolgten Befragung widersprechen kann und diese in seinem Beisein zu wiederholen ist (vgl. RV 952 BlgNR 22. GP, 43). Gemäß §19 Abs5 letzter Satz AsylG 2005 dürfen minderjährige Asylwerber nur in Gegenwart eines gesetzlichen Vertreters einvernommen werden. Diese Bestimmung entspricht §27 Abs3 dritter Satz AsylG 1997. Aus den Materialien ergibt sich, dass durch diese Norm der Z25 der Entschließung des Rates vom 20. Juni 1995 über Mindestgarantien für Asylverfahren, ABl. 1996 C 274, 13 (16), entsprochen werden sollte (RV 952 BlgNR 22. GP, 45).
Aus dem System dieser Regelungen ergibt sich nun, dass eine Einvernahme eines minderjährigen Asylwerbers ohne dessen gesetzlichen Vertreter unzulässig ist; eine dennoch ohne gesetzlichen Vertreter durchgeführte Einvernahme bewirkt im Ergebnis, dass das von der Behörde abgeführte Verfahren mit einem Mangel behaftet ist (VwGH 25.5.2004, 2003/01/0567; 21.12.2006, 2005/20/0267), der durch die Erhebung eines Rechtsmittels gegen die das Verfahren abschließende Entscheidung geltend gemacht werden kann.
1.6. Anders als im Erkenntnis VfSlg 19.188/2010 kann daher im vorliegenden Fall fehlendes Vorbringen bei einer falschen Annahme der Prozessfähigkeit im fortgesetzten Verfahren nachgeholt oder ergänzt werden, da die relevanten Bestimmungen des AsylG 2005 jene Verfahrenshandlungen, die ohne den gesetzlichen Vertreter nicht vorgenommen werden dürfen, ausdrücklich regeln.
1.7. Es ist daher aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich, wenn auf Grund der behaupteten Minderjährigkeit des Asylwerbers die Prüfung der Prozessfähigkeit in einer (nicht gesondert bekämpfbaren) Verfahrensanordnung mündet. Die zurückweisende Entscheidung des Asylgerichtshofes verletzt daher den Beschwerdeführer nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.
2. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten des Asylgerichtshofes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
2.1. Der Beschwerdeführer führt im Wesentlichen aus, dass der Asylgerichtshof durch die Qualifizierung der Altersfeststellung als Verfahrensanordnung die Rechtslage in einem wesentlichen Punkt verkannt und daher Willkür geübt habe. Wie sich aus den Ausführungen unter Punkt III.1. ergibt, ist dem Asylgerichtshof aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten, wenn er die Altersfeststellung als (nicht gesondert bekämpfbare) Verfahrensanordnung qualifiziert und die dagegen erhobene Beschwerde zurückgewiesen hat. Eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) liegt daher nicht vor.
3. Insoweit der Beschwerdeführer die Gesetzwidrigkeit des Erlasses der Bundesministerin für Inneres vom 18. Dezember 2009, BMI-BA1000/1067-BAA/2009, behauptet und auf Grund des vorgebrachten Verstoßes gegen näher bezeichnete verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte die Einleitung eines Verordnungsprüfungsverfahrens anregt, ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, dass dieser Erlass im vorliegenden Fall nicht präjudiziell ist: Dieser Erlass regelt das nähere Vorgehen der Behörden im Zusammenhang mit der Altersfeststellung bei Asylwerbern und richtet sich ausdrücklich lediglich an das Bundesasylamt samt seiner Außenstellen, an die Bundesasylamt-Erstaufnahmestellen, die Bundesasylamt-Grundsatz- und Dublinabteilung sowie die Bundesasylamt-Zentralkanzlei. Der in Rede stehende Erlass richtet sich daher nicht an den Asylgerichtshof, der diesen bei seiner Entscheidung – wie auch der Beschwerdeführer selbst einräumt – nicht angewendet hat und auch nicht anzuwenden gehabt hätte.
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
2. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
3. Da somit die von der beschwerdeführenden Partei beabsichtigte Rechtsverfolgung vor dem Verfassungsgerichtshof als offenbar aussichtslos erscheint, muss ihr unter einem mit der Beschwerde gestellter Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen werden (§63 Abs1 ZPO iVm §35 VfGG).
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Asylrecht, Verfahrensanordnung, Bescheid verfahrensrechtlicher, Auslegung, Rechtsschutz, Rechts- und Handlungsfähigkeit, VfGH / Präjudizialität, VfGH / VerfahrenshilfeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:U2416.2013Zuletzt aktualisiert am
30.07.2015