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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des MAN in W, vertreten durch Hopmeier, Sauerzopf & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Rathausstraße 15, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 17. Mai 1999, Zl. MA 61/IV - A 73/99, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 17. Mai 1999 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 31. Juli 1997 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG) in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer habe seit September 1991 seinen Hauptwohnsitz in Österreich und arbeite seit 1994 als kaufmännischer Angestellter in der Almassi Bau- und Liegenschaftsverwertungsges.m.b.H. Seine Deutschkenntnisse seien "überaus mangelhaft". Polizeiliche Ermittlungen hätten ergeben, dass er in den Jahren 1994 bis 1998 wiederholt wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung bestraft und ihm aus diesem Anlass "der Führerschein" für zwei Wochen entzogen worden sei. In den Jahren 1994 und 1996 habe es Anzeigen wegen versuchter Entwendung und wegen Sachbeschädigung gegen den Beschwerdeführer gegeben. Beide Verfahren seien eingestellt worden.
In der Person des Antragstellers könnten keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe für die Einbürgerung gefunden werden. Insbesondere sei schon auf Grund der mangelhaften Deutschkenntnisse eine vorzeitige Einbürgerung wegen nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration nicht denkbar. Zudem sei auch das "strafrechtlich relevante Persönlichkeitsbild" nicht so, dass von einer Anpassung des Beschwerdeführers an die österreichischen Rechtsvorschriften, insbesondere jener, die der Sicherheit im Straßenverkehr dienten, gesprochen werden könne. Die Einbürgerung des Beschwerdeführers komme daher wegen Fehlens der gesetzlich geforderten Mindestaufenthaltsdauer nicht in Betracht.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 haben folgenden Wortlaut:
"§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn
1. er seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat;
...
6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet;
...
(4) Von der Voraussetzung des Abs. 1 Z. 1 kann abgesehen werden
1. aus besonders berücksichtigungswürdigem Grund, sofern es sich um einen Minderjährigen, der seit mindestens vier Jahren, oder um einen Fremden handelt, der seit mindestens sechs Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat, es sei denn, es wäre in Abs. 5 hinsichtlich dieser Wohnsitzdauer anderes vorgesehen;
...
(5) Als besonders berücksichtigungswürdiger Grund (Abs. 4 Z. 1) gilt insbesondere
...
3. der Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration
...
§ 10a. Voraussetzungen jeglicher Verleihung sind unter Bedachtnahme auf die Lebensumstände des Fremden jedenfalls entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache.
§ 11. Die Behörde hat sich unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen."
Da der Beschwerdeführer unstrittig seinen Hauptwohnsitz erst seit September 1991 ununterbrochen im Bundesgebiet hat, erfüllt er die Verleihungsvoraussetzung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG nicht. Davon könnte sachverhaltsbezogen nur dann abgesehen werden, wenn ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund gemäß § 10 Abs. 4 Z. 1 i.V.m. § 10 Abs. 5 StbG vorläge. Dies hat die belangte Behörde verneint und daher den Antrag wegen Fehlens der Mindestaufenthaltsdauer von zehn Jahren abgewiesen. Da die belangte Behörde somit den Antrag nicht auf Grund des Verleihungshindernisses gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG abgewiesen hat, braucht auf das Beschwerdevorbringen, soweit es sich gegen die Anwendung dieser Bestimmung wendet, nicht eingegangen zu werden.
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliegt, handelt es sich um eine zwingende Verleihungsvoraussetzung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 2000, Zl. 2000/01/0081). Eine nach § 11 StbG vorzunehmende Ermessensentscheidung kommt daher erst dann in Betracht, wenn - zusätzlich zu den weiters erforderlichen Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 StbG - jene nach § 10 Abs. 4 StbG gegeben ist. Das eine unrichtige Ermessensentscheidung und eine mangelhafte Ermessensbegründung geltend machende Beschwerdevorbringen geht daher ins Leere, weil dem angefochtenen Bescheid keine Ermessensübung zu Grunde liegt. Daran kann auch der vorgebrachte Umstand, dass dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde vor Erlassung des angefochtenen Bescheides mitgeteilt worden sei, die Staatsbürgerschaft könne in Ausübung des freien Ermessen nicht verliehen werden, nichts ändern.
§ 10 Abs. 5 StbG enthält eine demonstrative Aufzählung, was unter einem besonders berücksichtigungswürdigen Grund zu verstehen ist. Ein solcher liegt nach der - vorliegend sachverhaltsbezogen nur in Betracht kommenden - Z. 3 dieser Bestimmung bei "Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration" vor. Damit ist jedenfalls klargestellt, dass der Fremde seine Integration zu behaupten und zu beweisen hat und die Behörde insoweit nicht von sich aus Ermittlungen zu führen hat (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2000/01/0081).
Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend die Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 (1283 Blg. NR 20 GP, 8) wird der Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration dann als erbracht gelten, wenn der Fremde sowohl beschäftigungsrechtlich (z.B. Arbeitserlaubnis, Befreiungsschein) als auch fremdenrechtlich (z.B. unbefristete weitere Niederlassungsbewilligung) eine bis auf weiteres gesicherte Position in Österreich hat und hier persönlich nachhaltig verankert ist (z.B. Familie lebt mit dem Fremden in Österreich, Kinder besuchen die Schule usw.). Dass es bei der Frage des Ausmaßes der persönlichen Integration eines Fremden auch auf in diesem Beispiel nicht genannte Umstände ankommen soll, ergibt sich ebenfalls aus den zitierten Erläuterungen (a.a.O., 5). Danach verfolgt nämlich die Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 das Ziel, die Integration des Fremden als das für die Verleihung der Staatsbürgerschaft maßgebliche Kriterium zu verankern. Hiebei solle dem Integrationsmerkmal "Deutschkenntnisse" besonderes Gewicht zukommen.
Daraus ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber jedenfalls (u.a.) die Deutschkenntnisse als weiteren Parameter für das Ausmaß der Integration des Fremden ansieht. Das Ausmaß der "nachhaltigen persönlichen und beruflichen Integration" gemäß § 10 Abs. 5 Z. 3 StbG muss bei einer Gesamtbetrachtung der dafür maßgeblichen Umstände jedenfalls so hoch sein, dass es einen besonders berücksichtigungswürdigen Grund für die Verleihung darstellt, der es rechtfertigt, vom grundsätzlichen Einbürgerungserfordernis der mindestens zehnjährigen Wohnsitzdauer abzusehen. Es muss daher auch nach der geltenden Rechtslage ein solches Integrationsausmaß vorliegen, dass sich der Fall des Einbürgerungswerbers von der üblichen Situation, in der sich ein Fremder nach einem gleich langen inländischen Aufenthalt bei üblicherweise zu erwartenden Integrationsbemühungen befindet, deutlich abhebt. Die "nachhaltige persönliche und berufliche Integration" muss also deutlich über dem Ausmaß liegen, das von einem Fremden nach einem gleich langen inländischen Aufenthalt üblicherweise erwartet werden kann (vgl. zum Ganzen das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2000/01/0081). Eine "nachhaltige Integration" setzt daher auch regelmäßig Kenntnisse der deutschen Sprache voraus, die über das von § 10a StbG geforderte Mindestmaß (den Lebensumständen entsprechende Kenntnisse) hinausgehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/01/0277).
Vorliegend steht fest, dass der Beschwerdeführer seit September 1991 ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat und mit seinem Sohn im gemeinsamen Haushalt lebt. Weiters ist er seit dem Jahr 1994 als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Diese Umstände stellen in ihrer Gesamtheit nach der zitierten hg. Judikatur - selbst wenn die Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers wie er behauptet "gerade noch ausreichend" sein sollten - keine nachhaltige persönliche und berufliche Integration gemäß § 10 Abs. 5 Z. 3 StbG und keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 4 leg. cit. dar. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe ihn nicht ausdrücklich darüber belehrt, dass er den Nachweis für das Vorliegen nachhaltiger Integration zu erbringen habe, kann - ungeachtet der Frage, ob dieser behauptete Verfahrensmangel vorliegt - schon deshalb nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, weil auch in der Beschwerde keine weiteren Umstände für das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes für die Verleihung der Staatsbürgerschaft aufgezeigt werden und somit die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dargetan wird.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 11. Oktober 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999010333.X00Im RIS seit
23.01.2001