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82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
B-VG Art139 Abs1 Z3Leitsatz
Zurückweisung des Individualantrags eines Gewerbetreibenden auf Aufhebung einer Bestimmung der Neue-Psychoaktive-Substanzen-Verordnung betreffend die Qualifikation von „Salvinorin A“ als Neue Psychoaktive Substanz mangels Betroffenheit des Antragstellers; natürlich vorkommende Substanzen von der Verordnung nicht erfasstSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Mit dem auf Art139 B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller die Wortfolgen "Salvinorin A" und "(2S,4aR,6aR,7R,9S,10aS,10bR)- methyl -9-acetosy-2-(furan-3-yl)-6a,10b-dimethyl-4,10-dioxo-dodecahydro-1H-benzo[f]- isochromen-7-carboxylat" in der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit über Neue Psychoaktive Substanzen (Neue-Psychoaktive-Substanzen-Verordnung – NPSV), BGBl II Nr 468/2011, als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Zur Zulässigkeit seines Antrages bringt der Antragsteller Folgendes vor:
"Der Antragsteller […] vertreibt Produkte aus der Ethnobotanik. Er handelt mit verschiedenen Kräutern und organischen Kräuterextrakten. […] Der Beschwerdeführer kann aufgrund dieser Verordnung das Produkt Salvinorin A nicht in seinem Geschäft anbieten. Dadurch entsteht dem Beschwerdeführer ein erheblicher Vermögensschaden. Die Verordnung legt dem Beschwerdeführer eine individuelle Unterlassungspflicht auf, die in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreift, ohne dass es hiefür einer behördlichen Entscheidung bedarf. Aufgrund einer Strafdrohung von bis zu zehn Jahren Haft ist dem Beschwerdeführer eine andere Vorgangsweise, als die Individualbeschwerde nicht zumutbar. Es steht dem Beschwerdeführer kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, um sich gegen die rechtswidrige Verordnung zur Wehr zu setzen. Die Antragslegitimation ist daher gegeben."
3. In der Sache bringt der Antragsteller Folgendes vor:
"§1 Z3 NPSG stellt klar, dass unter 'Substanz' nur eine synthetisch hergestellte chemische Verbindung zu verstehen ist. Dementsprechend kann auch eine neue psychoaktive Substanz nur eine synthetisch hergestellte chemische Verbindung darstellen.
Folgerichtig reicht auch die Verordnungsermächtigung des §3 NPSG. nur soweit, als der Verordnungsgeber ermächtigt wird, eine Liste verbotener synthetisch hergestellter Stoffe herauszugeben. Hingegen widerspricht es dem Legalitätsgrundsatz des Art18 B-VG, wenn sich in dieser Liste auch natürliche Substanzen befinden. Salvinorin A ist eine natürliche Substanz, die nicht synthetisch hergestellt werden kann. Vielmehr […] kommt es im Azteken-Salbei (Salvia divinorum, zu Deutsch 'Göttersalbei' oder 'Wahrsagesalbei') vor. Da sich das NPSG nur auf synthetisch hergestellte Substanzen bezieht, findet die angefochtene Verordnung im Gesetz keine Deckung."
4. Der Bundesminister für Gesundheit erstattete eine Äußerung, in der den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:
"1. Zur Antragslegitimation des Antragstellers:
[…]
Es ist dem Antragsteller zuzugestehen, dass natürlich vorkommende Substanzen nicht Gegenstand des NPSG sind und daher nicht der NPSV unterliegen. Jedoch kann entgegen der Auffassung des Antragstellers die in Rede stehende Substanz sehr wohl synthetisch hergestellt werden und in diesem Fall Gegenstand einer Verordnung gemäß §3 Abs1 NPSG sein.
Wenn der Antragsteller natürliche, keiner synthetischen Veränderung unterzogene Produkte vertreibt, fällt sein Vertrieb der in Rede stehenden Substanz von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des NPSG, weshalb er nicht in subjektiven Rechten verletzt sein kann und seine Antragslegitimation daher bestritten wird. Insoweit er aus der bloßen in der NPSV genannten Formel vermeint, auch mit dem Vertrieb einer unveränderten natürlichen Substanz erfasst zu sein, ist auf das Gebot der gesetzeskonformen Interpretation einer Verordnung hinzuweisen.
Dazu darf näher ausgeführt werden wie folgt:
2. Natürliche pflanzliche Substanzvorkommen unterliegen nicht dem NPSG/der NPSV
Neue Psychoaktive Substanz im Sinne des §1 NPSG ist
• eine synthetisch hergestellte chemische Verbindung die die Fähigkeit besitzt, bei ihrer Anwendung im menschlichen Körper eine psychoaktive Wirkung – Halluzinationen oder Störungen der motorischen Funktionen, des Denkens, des Verhaltens, der Wahrnehmung oder der Stimmung einher gehende Anregung oder Dämpfung des Zentralnervensystems – herbeizuführen und nicht der Einzigen Suchtgiftkonvention 1961, BGBI. Nr 531/1978, oder dem Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe, BGBI. 111 Nr 148/1997, unterliegt, oder
• ein Gemisch oder eine Lösung, das oder die eine Neue Psychoaktive Substanz oder mehrere solcher Substanzen enthält (Zubereitung).
Gemäß §3 Abs1 leg.cit. kann der Bundesminister oder die Bundesministerin für Gesundheit Neue Psychoaktive Substanzen mit Verordnung bezeichnen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen
1. anzunehmen ist, dass sie wegen ihrer Wirkung gemäß §1 Z2 in bestimmten Verkehrskreisen Verbreitung zur missbräuchlichen Anwendung finden, und
2. bei ihrer Anwendung nach dem Stand der Wissenschaft und der Erfahrung eine Gefahr für die Gesundheit von Konsumentinnen und Konsumenten besteht oder nicht ausgeschlossen werden kann.
Aus §1 Ieg.cit. geht somit klar hervor, dass natürliche pflanzliche Substanzvorkommen nicht als Neue Psychoaktive Substanzen gelten. Unbestritten können daher natürliche pflanzliche Vorkommen auch nicht Gegenstand einer Verordnung des Bundesministers für Gesundheit gemäß §3 Abs1 Ieg.cit. sein.
Die den Gegenstand des Antrages bildende Substanz 'Salvinorin A' kommt u.a. als Wirkstoff in der Pflanze Salvia divinorum (Azteken-Salbei) natürlich vor. In ihrer natürlich vorkommenden Form (also als synthetisch unbearbeitetes, reines Pflanzenprodukt) unterliegt somit das Salvatorin A nicht dem NPSG, und kann sie daher auch nicht Gegenstand einer Verordnung nach §3 Abs Ieg.cit. sein.
3. Synthetische Herstellung
Jedoch können in der Natur [vorkommende] Substanzen auch vollsynthetisch nachgebaut werden, oder natürliche Substanzvorkommen mittels verschiedener Verfahren zur Erlangung höherer psychoaktiver Wirkstoffkonzentrationen bearbeitet werden. Im Gegensatz zu ihrem natürlichen Vorkommen können vollsynthetisch nachgebildete oder (teil)synthetisch aufbereitete Substanzen sehr wohl Gegenstand des NPSG bzw. der NPSV sein.
Das Bundesministerium für Gesundheit tritt daher dem Vorbringen des Antragstellers entschieden entgegen, wonach [Salvinorin] A 'nicht synthetisch hergestellt werden kann'.
Die den Gegenstand des Antrages bildende chemische Verbindung – (2S,4aR,6a R,7R,9S,10aS,10bR)-methyl-9-acetoxy-2-(furan-3-yl)-6a,10b-dimethyl-4,10-dioxo-dodecahydro-1H-benzo[f]-isochromen-7-carboxylat – kann, wie die Mehrzahl aller natürlich vorkommenden Stoffe, sowohl mittels Totalsynthese (vgl. z.B. Benzin nach Leuna-Verfahren), Teilsynthese (vgl. z.B. viele Corticoide u. Sexualhormone) oder Isolation aus der entsprechenden natürlichen Quelle (vgl. z.B. Morphin u. Cocain, Benzin durch Erdölraffination) hergestellt werden, wobei letzteres in Anbetracht der eingesetzten physikalisch-chemischen Methoden einer Synthese gleichzusetzen ist.
Ausschlaggebend für das gewählte Herstellungsverfahren sind zumeist die jeweiligen Kosten.
4. Synthetische Herstellung hochkonzentrierter Drogen aus Substanzen natürlichen Ursprungs
Salvia divinorum ist eines der stärksten natürlichen Halluzinogene, vergleichbar dem LSD, der natürliche Salvinorin A-Gehalt beträgt typisch 0,89-3,7 mg/g getrockneter Droge, und die wirksame Dosis ca. 200 - 500 mg Salvinorin A.
Im Zusammenhang mit der Analyse von als sogenannte 'Legal Highs' vertriebenen Produkten wurden 2011 von der Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (Official Medicines Control Laboratory, OMCL) besonders starke und äußerst inhomogene Präparate ('Salvia divinorum20X–Tripyherbs') untersucht: Der durchschnittliche Salvinorin A-Gehalt betrug 29,4 mg/g, der Höchstwert gar 103 mg/g!
Der Vorgang wäre demnach der Gewinnung von beispielsweise Opiaten aus Mohnkapseln vergleichbar, die zwar auch natürlichen Ursprungs sind, wobei aber erst mittels chemisch-physikalischer und synthetischer Verfahren aus der natürlichen Quelle das 'Heroin' bzw. 'Morphin' hergestellt wird.
Es ist jedenfalls auszuschließen, dass derart hoch konzentrierte Substanzen wie das von der AGES (OMCL) untersuchte [Salvinorin] A natürlich vorkommen können.
In Anbetracht der Molekülstruktur ist bei Salvinorin A davon auszugehen, dass es in den meisten Fällen mittels physikalisch-chemischer Methoden aus der natürlichen Quelle isoliert, gereinigt und zu einem hochkonzentrierten Produkt verarbeitet wird.
Bei einem so entstandenen Produkt ist zweifellos von einer synthetisch hergestellten chemischen Verbindung im Sinne des §1 NPSG auszugehen.
5. Zusammenfassung
Zusammenfassend ist eine natürliche Pflanzenprobe somit dadurch gekennzeichnet, dass sie einen in der NPSV genannten Wirkstoff in einem bestimmten, natürlichen Konzentrationsbereich (mit gewisser Schwankungsbreite) enthält, welcher für das spezifische psychoaktive Wirkungsspektrum dieses pflanzlichen Präparats charakteristisch ist.
Wenn versucht wird, diese psychoaktive Wirkung des natürlichen Stoffes durch Erhöhen der Konzentration zu verstärken, sei es durch die Herstellung von Extrakten (aus einem natürlichen Pflanzenpräparat) oder durch die Zugabe eines vollsynthetisch hergestellten Wirkstoffs, so handelt es sich in beiden Fällen um eine synthetisch hergestellte Substanz.
Entscheidend dafür, dass es sich um eine synthetisch hergestellte Verbindung handelt, ist somit, dass sie entweder vollsynthetisch erzeugt oder ein pflanzliches Präparat teilsynthetisch zur Erreichung einer signifikant höheren als der natürlichen Wirkstoffkonzentration mittels Syntheseverfahren verändert wurde. Solche Veränderungen sind durch chemisch analytische Verfahren nachweisbar.
Im Falle, dass daher die chemische Substanz
1) [Salvinorin] A vollsynthetisch erzeugt, oder
2) natürliches [Salvinorin] A zur Erreichung einer höheren als der natürlichen Wirkstoffkonzentration synthetisch verändert wird, indem es
a) mit synthetischem [Salvinorin] A versetzt (Zubereitung im Sinne des §1 Z4 NPSG), oder
b) physikalisch-chemischen Methoden zur Isolation aus der natürlichen Quelle, Reinigung und Konzentration unterzogen wurde,
unterliegt es der gemäß §3 Abs1 in Verbindung mit §1 NPSG erlassenen NPSV. Bei Erfüllung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen ist §4 anzuwenden.
Die synthetische Herstellung einer auf diese Weise hochkonzentrierten Substanz wäre gegebenenfalls durch labortechnische Verfahren nachweislich."
II. Rechtslage
1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Schutz vor Gesundheitsgefahren im Zusammenhang mit Neuen Psychoaktiven Substanzen (Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz – NPSG), BGBl I Nr 146/2011, lauten wie folgt:
"Begriffsbestimmungen
§1. Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
1. 'Neue Psychoaktive Substanz' eine Substanz oder Zubereitung, die die Fähigkeit besitzt, bei ihrer Anwendung im menschlichen Körper eine psychoaktive Wirkung herbeizuführen und nicht der Einzigen Suchtgiftkonvention 1961, BGBl Nr 531/1978, oder dem Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe, BGBl III Nr 148/1997, unterliegt;
2. 'psychoaktive Wirkung' die mit Halluzinationen oder Störungen der motorischen Funktionen, des Denkens, des Verhaltens, der Wahrnehmung oder der Stimmung einher gehende Anregung oder Dämpfung des Zentralnervensystems;
3. 'Substanz' eine synthetisch hergestellte chemische Verbindung;
4. 'Zubereitung' ein Gemisch oder eine Lösung, das oder die eine Neue Psychoaktive Substanz oder mehrere solcher Substanzen enthält.
Anwendungsbereich
§2. Dieses Bundesgesetz ist auf Neue Psychoaktive Substanzen anzuwenden, soweit sie nicht nach Maßgabe der arzneimittel-, apotheken- oder arzneiwareneinfuhrrechtlichen Vorschriften in Verkehr gebracht werden dürfen.
(2) Dieses Bundesgesetz ist jedoch nicht auf Stoffe und Zubereitungen anzuwenden, die dem Suchtmittelgesetz, BGBl I Nr 112/1997, unterliegen.
Verordnung
§3. (1) Der Bundesminister oder die Bundesministerin für Gesundheit kann Neue Psychoaktive Substanzen mit Verordnung bezeichnen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen
1. anzunehmen ist, dass sie wegen ihrer Wirkung gemäß §1 Z2 in bestimmten Verkehrskreisen Verbreitung zur missbräuchlichen Anwendung finden, und
2. bei ihrer Anwendung nach dem Stand der Wissenschaft und der Erfahrung eine Gefahr für die Gesundheit von Konsumentinnen und Konsumenten besteht oder nicht ausgeschlossen werden kann.
(2) Der Bundesminister oder die Bundesministerin für Gesundheit kann ferner chemische Substanzklassen definieren, wenn diese Maßnahme besser als die Bezeichnung einzelner Neuer Psychoaktiver Substanzen geeignet erscheint, der Verbreitung solcher Substanzen und der damit für die Gesundheit von Konsumentinnen und Konsumenten verbundenen oder nicht auszuschließenden Gefahren vorzubeugen.
(3) Der Anwendung des Abs2 steht nicht entgegen, dass von den chemischen Substanzklassen auch Substanzen mit erfasst sind, die
1. die Fähigkeit zur Herbeiführung einer Wirkung gemäß §1 Z2 nicht oder nur in geringem Maß besitzen, oder
2. als Suchtmittel den suchtmittelrechtlichen Bestimmungen unterliegen.
Gerichtliche Strafbestimmungen
§4. (1) Wer mit dem Vorsatz, daraus einen Vorteil zu ziehen, eine mit Verordnung gemäß §3 bezeichnete oder von einer gemäß §3 definierten chemischen Substanzklasse umfasste Neue Psychoaktive Substanz mit dem Vorsatz erzeugt, einführt, ausführt oder einem anderen überlässt oder verschafft, dass sie von dem anderen oder einem Dritten zur Erreichung einer psychoaktiven Wirkung im menschlichen Körper angewendet wird, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
(2) Hat die Straftat den Tod eines Menschen oder schwere Körperverletzungen (§84 Abs1 StGB) einer größeren Zahl von Menschen zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen."
2. Die im vorliegenden Fall in Betracht zu ziehenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit über Neue Psychoaktive Substanzen (Neue-Psychoaktive-Substanzen-Verordnung – NPSV), BGBl II Nr 468/2011, lauten wie folgt (die bekämpften Bestimmungen sind hervorgehoben):
"§1. (1) Als Neue Psychoaktive Substanzen im Sinne des §3 NPSG gelten
1. die in Anlage I dieser Verordnung angeführten Substanzen,
2. alle Substanzen, die von den chemischen Definitionen in Anlage II umfasst sind.
(2) – (3) […]
§2. Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 2012 in Kraft.
Anlage I
Bezeichnung (Trivialnamen)
IUPAC (Chemische Namen)
Butyro-1,4-lacton
oxolan-2-on
1,4 Butandiol
butan-1,4-diol
Desmethyltramadol
3-[2-[(dimethylamino)methyl]-1-hydroxycyclohexyl]phenol
Dimethocain
[3-(diethylamino)-2,2-dimethylpropyl]4-aminobenzoat
Fluortropacocain
3-(p-Fluorbenzoyloxy)tropan (pFBT)
Geranamin
4-methylhexan-2-amin
Salvinorin A
(2S,4aR,6aR,7R,9S,10aS,10bR)-methyl-9-acetoxy-2-(furan-3-yl)-6a,10b-dimethyl-4,10-dioxo-dodecahydro-1H-benzo[f]-isochromen-7-carboxylat
[…]"
III. Erwägungen
1. Der Antrag ist nicht zulässig.
Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).
2. Der Antragsteller hat nicht hinreichend dargetan, dass und inwieweit er durch die Verordnung in seinen rechtlich geschützten Interessen nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt ist:
2.1. Er bringt dazu ausdrücklich vor, dass er "Produkte aus der Ethnobotanik" vertreibe, und zwar handle er "mit verschiedenen Kräutern und organischen Kräuterextrakten" und er habe die Gesetze und Verordnungen, "welche die Verbreitung botanischer Produkte regeln […] genauestens eingehalten". Zum Eingriff in seine Rechtssphäre beschränkt sich das Vorbringen auf die Behauptung, er könne auf Grund der angegriffenen Verordnung "Salvinorin A nicht in seinem Geschäft anbieten".
2.2. Da der Beschwerdeführer weder behauptet, Salvinorin A im Sinne der angegriffenen Verordnung jemals in seinem Geschäft angeboten zu haben, noch vorbringt, dass er auch synthetisch hergestellte Substanzen in seinem Geschäft anbietet oder – gedeckt durch seine Gewerbeberechtigung – anbieten möchte, ist er durch die angegriffene Verordnung in seiner Rechtssphäre nicht unmittelbar und aktuell betroffen:
2.2.1. Das Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz (NPSG), BGBl I Nr 146/2011, stellt die Erzeugung, Ein- und Ausfuhr, Überlassung oder Verschaffung von Substanzen im Sinne dieses Gesetzes unter Strafe (§4 leg.cit.). Gemäß §1 Z3 NPSG ist unter einer psychoaktiven Substanz eine "synthetisch hergestellte chemische Verbindung" zu verstehen. Gemäß §2 Abs1 ist dieses Bundesgesetz auf "Neue Psychoaktive Substanzen" anzuwenden, soweit sie nicht nach Maßgabe der arzneimittel-, apotheken- oder arzneiwaren-einfuhrrechtlichen Vorschriften in Verkehr gebracht werden dürfen, gemäß §2 Abs2 leg.cit. jedoch nicht auf Stoffe und Zubereitungen, die dem Suchtmittelgesetz, BGBl I Nr 112/1997, unterliegen. Der Bundesminister für Gesundheit kann unter den Voraussetzungen des §3 Abs1 NPSG neue psychoaktive Substanzen mit Verordnung bezeichnen.
2.2.2. Wie sich aus dem klaren Wortlaut der maßgeblichen Bestimmungen des NPSG ergibt, unterliegen daher nur synthetisch hergestellte Substanzen, nicht aber auch natürlich vorkommende Substanzen der Anwendung der NPSV. Dies hat auch der Bundesminister für Gesundheit – in Übereinstimmung mit dem klaren Gesetzeswortlaut – in seiner Äußerung im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof dargetan. Natürlich vorkommende Substanzen werden von der Verordnung daher – angesichts des Fehlens einer ausdrücklichen diesbezüglichen Anordnung – nicht erfasst; das Gebot der gesetzeskonformen Interpretation von Verordnungen (vgl. dazu zB VfSlg 17.960/2006) schließt ein solches Ergebnis aber auch im Interpretationsweg aus.
3. Der Antrag war daher mangels Betroffenheit des Antragstellers gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Suchtgift, GesundheitswesenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:V16.2012Zuletzt aktualisiert am
15.04.2014