Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §19 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der CD in K, vertreten durch die Winkler - Heinzle - Nagel Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 27. April 2012, Zl. DRKL198DC2011-0, betreffend Ladung in einer Angelegenheit nach dem Suchtmittelgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die mit der vorliegenden Beschwerde angefochtene Erledigung vom 27. April 2012 lautet wie folgt:
"Betreff: Vorladung zur amtsärztlichen Untersuchung
gemäß § 12 Suchtmittelgesetz wegen Verdachts auf Suchtgiftkonsum
Sehr geehrte Herr/Frau (Beschwerdeführerin)
Der Gesundheitsbehörde liegt eine Meldung über Suchtgiftmissbrauch vor.
Sie sind gemäß Suchtmittelgesetz verpflichtet, sich einer
amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen.
Termin:
10.5.2012 14:15 Uhr
Ort:
Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt
Gesundheitsamt, Erdgeschoß, Zimmer Nr. 12
Völkermarkter Ring 19, 9020 Klagenfurt
Wir weisen Sie darauf hin, dass in der Folge Ihre Vorführung durch die Polizei veranlasst werden kann, wenn Sie der Untersuchung unentschuldigt fernbleiben.
Eine Terminverschiebung ist nur aus wichtigen Gründen möglich.
Allgemeine Informationen zur Rechtslage und anderen Fragen zum Thema Sucht erhalten sie auch unter www.gesundheit-kaernten.at.
Mit freundlichen Grüßen
Für den Bezirkshauptmann:
..."
Die dagegen eingebrachte Beschwerde geht im Hinblick auf die Androhung des Zwangsmittels der Vorführung vom Vorliegen eines Ladungsbescheides aus. Dieser sei nach Ansicht der Beschwerdeführerin rechtswidrig, weil er sich auf § 12 Abs. 1 Suchtmittelgesetz (SMG) stütze, der die Annahme eines Suchtgiftmissbrauchs voraussetze. Nach der Rechtsprechung sei ein Ladungsbescheid gemäß § 12 Abs. 1 SMG jedoch nur bei Verdacht eines aktuellen oder nur kurze Zeit zurückliegenden Suchtgiftmissbrauchs zulässig, wovon gegenständlich nicht gesprochen werden könne, weil die Beschwerdeführerin zuletzt im Herbst 2010, somit bereits länger als eineinhalb Jahre zurückliegend, gelegentlich Cannabis konsumiert habe.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Stellungnahme (Gegenschrift) abgegeben, zu der die Beschwerdeführerin eine Äußerung erstattet hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Das Suchtmittelgesetz, BGBl. I Nr. 112/1997 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 21/2011, lautet auszugsweise:
"Gesundheitsbezogene Maßnahmen bei Suchtgiftmißbrauch
§ 11. (1) Personen, die wegen Suchtgiftmißbrauchs oder der Gewöhnung an Suchtgift gesundheitsbezogener Maßnahmen gemäß Abs. 2 bedürfen, haben sich den notwendigen und zweckmäßigen, ihnen nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahmen zu unterziehen. Bei Minderjährigen haben die Eltern oder anderen Erziehungsberechtigten im Rahmen ihrer Pflicht zur Pflege und Erziehung dafür zu sorgen, daß sie sich solchen Maßnahmen unterziehen.
(2) Gesundheitsbezogene Maßnahmen sind
1.
die ärztliche Überwachung des Gesundheitszustands,
2.
die ärztliche Behandlung einschließlich der Entzugs- und Substitutionsbehandlung,
3.
die klinisch-psychologische Beratung und Betreuung,
4.
die Psychotherapie sowie
5.
die psychosoziale Beratung und Betreuung durch qualifizierte und mit Fragen des Suchtgiftmißbrauchs hinreichend vertraute Personen.
...
§ 12. (1) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, daß eine Person Suchtgift mißbraucht, so hat sie die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde der Begutachtung durch einen mit Fragen des Suchtgiftmißbrauchs hinreichend vertrauten Arzt, der erforderlichenfalls mit zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Angehörigen des klinischpsychologischen oder psychotherapeutischen Berufes zusammenzuarbeiten hat, zuzuführen. Die Person hat sich den hiefür notwendigen Untersuchungen zu unterziehen.
(2) Ergibt die Begutachtung, daß eine gesundheitsbezogene Maßnahme gemäß § 11 Abs. 2 notwendig ist, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde darauf hinzuwirken, daß sich die Person einer solchen zweckmäßigen, ihr nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen Maßnahme unterzieht. Bei der Wahl der gesundheitsbezogenen Maßnahme ist das Wohl der Person, insbesondere der therapeutische Nutzen der Maßnahme, zu beachten. Dabei sind die Kosten im Verhältnis zum Erfolg bei Wahrung der Qualität der Therapie möglichst gering zu halten. Bei mehreren gleichwertig geeigneten Alternativen ist die ökonomisch günstigste zu wählen.
...
Vorläufiger Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft
§ 35. (1) Die Staatsanwaltschaft hat unter den in den Abs. 3 bis 7 genannten Voraussetzungen und Bedingungen von der Verfolgung einer Straftat nach den §§ 27 Abs. 1 und 2 oder 30, die ausschließlich für den eigenen persönlichen Gebrauch oder den persönlichen Gebrauch eines anderen begangen worden ist, ohne dass der Beschuldigte daraus einen Vorteil gezogen hat, unter Bestimmung einer Probezeit von einem Jahr bis zu zwei Jahren vorläufig zurückzutreten.
...
(3) Ein vorläufiger Rücktritt von der Verfolgung setzt voraus, dass
1. eine Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend im Sinne des § 26 und
2. eine Stellungnahme einer geeigneten ärztlichen Einrichtung der Justiz oder, sofern diese nicht zur Verfügung steht, der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde darüber eingeholt worden sind, ob der Beschuldigte einer gesundheitsbezogenen Maßnahme gemäß § 11 Abs. 2 bedarf, um welche Maßnahme es sich gegebenenfalls handeln soll, ob eine solche Maßnahme zweckmäßig, ihm nach den Umständen möglich und zumutbar und nicht offenbar aussichtslos ist.
...
(5) Die in Abs. 3 Z 2 genannten Stellen haben vor Abgabe ihrer Stellungnahme die Begutachtung des Beschuldigten durch einen mit Fragen des Suchtmittelmissbrauchs hinreichend vertrauten Arzt, der erforderlichenfalls mit zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Angehörigen des klinischpsychologischen oder psychotherapeutischen Berufes zusammenzuarbeiten hat, zu veranlassen.
(6) Bedarf der Beschuldigte einer gesundheitsbezogenen Maßnahme gemäß § 11 Abs. 2, so hat die Staatsanwaltschaft den vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung davon abhängig zu machen, dass sich der Beschuldigte - hat er einen gesetzlichen Vertreter, mit dessen Zustimmung - bereit erklärt, sich einer solchen Maßnahme, gegebenenfalls einschließlich einer bis zu sechs Monate dauernden stationären Aufnahme, zu unterziehen. Ist eine solche Maßnahme trotz der Bereitschaft des Beschuldigten, sich dieser zu unterziehen, nicht zweckmäßig, nach den Umständen nicht möglich oder nicht zumutbar oder offenbar aussichtslos, so hat die Staatsanwaltschaft, soweit dies möglich und zweckmäßig ist, den vorläufigen Rücktritt davon abhängig zu machen, dass sich der Beschuldigte - hat er einen gesetzlichen Vertreter, mit dessen Zustimmung - bereit erklärt, während der Probezeit bestimmte Pflichten zu erfüllen, die als Weisungen (§ 51 StGB) erteilt werden könnten.
(7) Der vorläufige Rücktritt von der Verfolgung kann, wenn dies zweckmäßig ist, auch davon abhängig gemacht werden, dass sich der Beschuldigte - hat er einen gesetzlichen Vertreter, mit dessen Zustimmung - bereit erklärt, sich durch einen Bewährungshelfer betreuen zu lassen.
..."
1.2. § 19 AVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 5/2008 lautet:
"Ladungen
§ 19. (1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. Im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten sind auch Ladungen von Personen, die ihren Aufenthalt (Sitz) außerhalb des Amtsbereiches des unabhängigen Verwaltungssenates haben, zulässig.
(2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekanntzugeben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.
(3) Wer nicht durch Krankheit, Behinderung oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.
(4) Gegen die Ladung oder die Vorführung ist kein Rechtsmittel zulässig."
2. Auch wenn in der angefochtenen Erledigung eine ausdrückliche Bezeichnung als "Bescheid" fehlt, ist diese (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. März 2011, Zl. 2009/11/0270) im Hinblick auf die darin enthaltene Androhung einer Zwangsmaßnahme für den Fall des Nichterscheinens vor der Behörde als Ladungsbescheid iSd § 19 AVG zu qualifizieren (nach der Aktenlage wurde dieser Bescheid der Beschwerdeführerin gemäß § 19 Abs. 3 zweiter Satz AVG auch eigenhändig zugestellt). Da gemäß § 19 Abs. 4 AVG gegen den Ladungsbescheid kein Rechtsmittel zulässig ist, liegen die Voraussetzungen für die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof vor.
3. Der Beschwerde ist zunächst einzuräumen, dass sich der gegenständliche Ladungsbescheid fallbezogen nicht auf § 12 Abs. 1 SMG stützen lässt.
Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Ladungsbescheides zur Verfolgung der im § 12 Abs. 1 SMG umschriebenen gesundheitspolizeilichen Zwecke ist, dass bestimmte Tatsachen zur Annahme zwingen, dass "eine Person Suchtgift missbraucht". Das Vorhandensein derartiger "bestimmter Tatsachen" für die genannte Annahme muss im Zeitpunkt der Ladung (hier: Erlassung des Ladungsbescheides) gegeben sein, wobei der Verdacht eines - aktuellen - Suchtmittelmissbrauchs in einer bestimmten Dichte vorliegen muss (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2009/11/0270, und die dort angeführte Vorjudikatur). Im zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof einen beinahe sieben Monate vor Erlassung des Ladungsbescheides gelegenen Suchtgiftmissbrauch als nicht mehr aktuell iSd § 12 Abs. 1 SMG angesehen.
Gegenständlich ergibt die Aktenlage (siehe insbesondere die Beschuldigtenvernehmung vom 28. Februar 2011) Anhaltspunkte für einen Suchtgiftmissbrauch durch die Beschwerdeführerin zuletzt im November 2010. Davon ausgehend durfte die belangte Behörde im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Ladungsbescheides (2. Mai 2012) nicht mehr vom Verdacht eines "aktuellen" Suchtmittelmissbrauchs iSd § 12 Abs. 1 SMG ausgehen.
4. Dessen ungeachtet erweist sich der angefochtene Bescheid aus folgenden Gründen als rechtmäßig:
Wie der Inhalt der von der belangten Behörde vorgelegten Akten zeigt, ging dem angefochtenen Ladungsbescheid vom 27. April 2012 eine Anfrage der Staatsanwaltschaft Leoben vom 16. April 2012 an die belangte Behörde (Bezirksverwaltungsbehörde) gemäß § 35 Abs. 3 Z. 2 SMG voran. Diesem Schreiben der Staatsanwaltschaft Leoben zufolge stehe die Beschwerdeführerin im Verdacht, eine Straftat nach § 27 Abs. 1 SMG begangen zu haben, weshalb seitens der Staatsanwaltschaft gemäß § 35 SMG ersucht werde, auf Grund der Ergebnisse einer ärztlichen Begutachtung durch einen mit Fragen des Suchtmittelmissbrauchs hinreichend vertrauten Arztes Stellung zu nehmen, ob die Beschuldigte (Beschwerdeführerin) einer gesundheitsbezogenen Maßnahme nach § 11 Abs. 2 SMG bedürfe, gegebenenfalls um welche Maßnahme es sich dabei handeln solle.
(Erst) in ihrer Gegenschrift führt die belangte Behörde aus, dass die genannte Anfrage der Staatsanwaltschaft Leoben gemäß § 35 Abs. 3 Z. 2 SMG Anlass für die gegenständliche Ladung gewesen sei. Dies wird in der Äußerung der Beschwerdeführerin zur Gegenschrift vom 9. Juli 2012 nicht in Abrede gestellt.
Zwar wird im Betreff des Ladungsbescheides als für die Ladung maßgebende Rechtsvorschrift nur § 12 SMG (der hier, wie gesagt, nicht tragend ist) und nicht § 35 Abs. 3 Z. 2 SMG genannt (nach der letztgenannten Bestimmung besteht für die Bezirksverwaltungsbehörde unabhängig von einer zeitlichen Nähe zum Suchtmittelkonsum die Verpflichtung, eine Begutachtung durch einen entsprechenden Arzt zu veranlassen; vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis, Zl. 2009/11/0270, auf welches in diesem Zusammenhang gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird), doch wurde die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall durch die unrichtige Nennung der maßgebenden Rechtsvorschrift im angefochtenen Bescheid nicht in Rechten verletzt:
Gemäß § 19 Abs. 2 AVG ist im Ladungsbescheid der Gegenstand der geplanten Amtshandlung offen zu legen, um dem Betreffenden die Gelegenheit zu geben, sich genügend auf diesen Gegenstand der Ladung vorzubereiten. Demnach ist eine -aussagekräftige - Bezeichnung des Gegenstandes der beabsichtigten Amtshandlung geboten, in einem Fall wie dem vorliegenden daher die Zuführung zu einer ärztlichen Untersuchung infolge Annahme des Suchtgiftmissbrauchs (vgl. etwa das, ebenfalls zum SMG ergangene, hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 2001, Zl. 2000/11/0342).
Im vorliegenden Fall ist dem Betreff des angefochtenen Ladungsbescheides (ungeachtet der unzutreffenden Bezugnahme auf § 12 SMG) jedenfalls zu entnehmen, dass es um die "Vorladung zur
amtsärztlichen Untersuchung ... wegen Verdachts auf
Suchtgiftkonsum" geht, wodurch es der Beschwerdeführerin ermöglicht wurde, sich auf den Gegenstand der Ladung vorzubereiten (vgl. auch den dem zitierten Erkenntnis, Zl. 2009/11/0270, zugrunde liegenden Fall, in welchem im Ladungsbescheid überschießend, aber im Ergebnis unbedenklich, sowohl auf § 12 als auch auf § 35 SMG Bezug genommen wurde).
Da der angefochtene Ladungsbescheid daher einerseits mit Blick auf § 19 Abs. 2 AVG nicht zu beanstanden ist und die belangte Behörde andererseits nach dem Gesagten gemäß § 35 Abs. 3 Z. 2 SMG zur Vorladung der Beschwerdeführerin verpflichtet war, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Ein Zuspruch von Kosten an die belangte Behörde entfällt mangels eines diesbezüglichen Antrags.
Wien, am 6. März 2014
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2012110099.X00Im RIS seit
07.04.2014Zuletzt aktualisiert am
05.05.2014