TE Vwgh Erkenntnis 2014/3/19 2013/09/0040

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.03.2014
beobachten
merken

Index

L26005 Lehrer/innen Salzburg;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
64/03 Landeslehrer;
70/06 Schulunterricht;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §7 Abs1 impl;
AVG §7 Abs1 Z3 impl;
LDG 1984 §29 Abs1;
LDG 1984 §91;
LDHG Slbg 1995 §1b Abs1 Z2 lita idF 2007/093;
MRK Art6 Abs1;
MRK Art6 Abs3 litd;
SchUG 1986 §51 Abs3;
StVO 1960 §65 Abs1;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde der Mag. SH in H, vertreten durch Dr. Andreas Schöppl und Mag. Klaus Waha, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 112, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Landeslehrer an allgemein bildenden Pflichtschulen und an öffentlichen Berufsschulen beim Amt der Salzburger Landesregierung vom 22. Jänner 2013, Zl. 21402-M/78/34-2013, betreffend Disziplinarstrafe der Geldbuße nach dem Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 (weitere Partei: Salzburger Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Landeslehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Salzburg und versieht als Lehrerin der Hauptschule H.B. in H. (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof) ihren Dienst.

Mit Verhandlungsbeschluss der Disziplinarkommission für Landeslehrer beim Amt der Salzburger Landesregierung vom 6. Februar 2012 wurde der Beschwerdeführerin unter anderem vorgeworfen, dass sie

"2.) ohne Genehmigung der Schulbehörde am Lehrgang 'Weiterbildung für Besuchsschullehrerinnen' in der Zeit vom 7. 3. 2011 bis 9. 3. 2011 in St. W teilgenommen hat und dadurch unentschuldigt ihren Unterrichtsverpflichtungen nicht nachgekommen ist, ...

5.) die Kinder der 1b-Klasse im Zuge des Unterrichts 'Bewegung und Sport'am 30. 5. 2011 auf dem Weg von der Hauptschule H-B zum Schwimmbad NE sowie auf dem Weg zurück zur Schule nicht beaufsichtigt hat".

Mit Bescheid der Disziplinarkommission für Landeslehrer beim Amt der Salzburger Landesregierung vom 6. September 2012 wurde die Beschwerdeführerin wie folgt für schuldig erkannt (Schreibweise im Original):

"Hinsichtlich der Punkt 2.) und 5.) gemäß § 95 leg. cit. i. V.m. § 29 Abs. 1 leg. cit. für schuldig erkannt." Wegen dieser Dienstpflichtverletzungen verhängte die Disziplinarkommission erster Instanz über die Beschwerdeführerin die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von 40 Prozent eines Monatsbezuges unter Ausschluss der Haushaltszulage. Hinsichtlich anderer gegen die Beschwerdeführerin erhobener Vorwürfe wurde sie gemäß § 95 iVm § 87 Abs. 1 Z 1 bis 3 LDG 1984 freigesprochen.

Hinsichtlich des Punktes 2.) (bezeichnet als Punkt 5.) begründete die Behörde erster Instanz, es sei unstrittig, dass die Beschwerdeführerin keinen "Dienstauftrag der Abteilung 2", weder schriftlich noch mündlich, zum Besuch dieses Lehrgangs gehabt habe. Auf Grund der Zeugenaussagen sei nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin gewusst habe, dass sie keine Berechtigung zum Besuch dieses Lehrganges gehabt habe. Es sei ihr dies mehrmals mündlich mitgeteilt worden. Das Verfahren habe jedoch gezeigt, dass im "System 'Schule'" deutliche Schwächen bestünden. Darüber, ob ein Dienstauftrag erteilt worden sei oder nicht, werde die Direktion einer Schule nicht in Kenntnis gesetzt. Warum eine Lehrkraft an einem Lehrgang teilnehmen könne, obwohl kein Dienstauftrag vorliege und ihr über die erfolgte Teilnahme sogar noch ein Zeugnis ausgestellt werde, sei nicht nachvollziehbar. Im "System 'Schule'" bestünden große Kommunikationsschwächen.

Hinsichtlich des Spruchpunktes 5.) (bezeichnet als Punkt 2.) führte die Behörde erster Instanz aus, dass für die Kommission der angezeigte Tatbestand auf Grund der Zeugenaussage der Schuldirektorin HD N., wonach ihr die Kinder bei der Befragung gesagt hätten, dass sie alleine zum Schwimmbad gefahren seien und auf Grund einer schriftlich erfolgten Stellungnahme von Frau K. als erwiesen anzunehmen sei.

Bei der Höhe der Festlegung der Geldbuße sei zu berücksichtigen, dass die Fahrt der Kinder ohne Aufsicht zum Schwimmunterricht ein sehr schweres schulisches Vergehen darstelle. Als strafmildernd sei es zu werten gewesen, dass es in der Schule offensichtlich üblich gewesen sei, dass Kinder nach einem Schwimmunterricht direkt entlassen würden. Hinsichtlich der Lehrgangsteilnahme sei mildernd zu werten, dass das "System 'Schule'" die angeführten Schwächen aufweise.

Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. Jänner 2013 gemäß § 74 Z. 1 LDG 1984 als unbegründet abgewiesen.

Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass eine in der Berufung geltend gemachte Befangenheit des Mitglieds der Disziplinarkommission erster Instanz HOL S.G. nicht schon deswegen vorliege, weil dieser an einer Entscheidung in einem Leistungsfeststellungsverfahren betreffend die Beschwerdeführerin mitgewirkt habe, es liege auch keine Nichtigkeit des Verfahrens infolge der Abwesenheit des Disziplinaranwaltes an einem Termin der Disziplinarverhandlung vor der Behörde erster Instanz vor, weil die Rolle des Disziplinaranwaltes auf eine bloße Parteistellung beschränkt sei und keinesfalls ein Rücktritt von der Verfolgung vorliege.

Es sei auch unrichtig, dass die Aussage der Direktorin N. keinen Hinweis auf deren Befragung der Kinder, ob sie alleine zum Schwimmbad gefahren seien, enthalte. Zutreffend habe die Behörde erster Instanz in der Verhandlung ein Schreiben der als Zeugin geladenen K. vom 26. August 2012 an den Vorsitzenden der Behörde erster Instanz als Urkunde verlesen, in welchem K. die Beschwerdeführerin hinsichtlich des Vorwurfes 5.) schriftlich belastet und zugleich mitgeteilt habe, dass sie als stillende Mutter an der Verhandlung vor der Behörde erster Instanz nicht teilnehmen könne; der Grundsatz der Unmittelbarkeit sei diesbezüglich nicht verletzt.

Hinsichtlich der Ausführungen der Erstbehörde über das "System 'Schule'" werde ausgeführt, dass selbst dann, wenn die Beschwerdeführerin sich erstmalig zu einem Lehrgang angemeldet habe und sich das Anmeldeprozedere als komplex und vielschichtig erweise, es dennoch unbestritten sei, dass die Beschwerdeführerin ohne erforderlichen Dienstauftrag der zuständigen Dienstbehörde am Lehrgang teilgenommen habe, womit sie unentschuldigt ihrer Unterrichtsverpflichtung nicht nachgekommen sei. Die ins Treffen geführte Unkenntnis des Erfordernisses des Dienstauftrages bzw. die Unkenntnis des dazu korrespondierenden Erlasses könne von der Beschwerdeführerin nicht als Entschuldigung geltend gemacht werden. Die Unkenntnis der Rechtswidrigkeit ihres eigenen Verhaltens schütze die Beschwerdeführerin nicht vor der disziplinären Verantwortung.

Die Verletzung von Aufsichtspflichten stelle ein schweres schulisches Vergehen dar, die Disziplinarstrafe der Geldbuße sei aus Sicht der belangten Behörde als angemessen zu beurteilen, auch im Hinblick auf die mildernd zu wertenden komplexen Prozesse im Zusammenhang mit den Zulässigkeitserfordernissen einer Lehrgangsteilnahme. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch die belangte Behörde sei nicht erforderlich gewesen, weil in der Berufung kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage und nach Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Das gegenständliche Beschwerdeverfahren war am 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängig; die Beschwerdefrist ist vor diesem Zeitpunkt abgelaufen. Gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG waren auf dieses Verfahren daher die am 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen anzuwenden. Dies gilt - gemäß § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Verordnung BGBl. II Nr. 8/2014 - auch für die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Die folgenden Zitate des VwGG in dieser Entscheidung beziehen sich auf dessen am 31. Dezember 2013 in Kraft gestandene Fassung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt darauf verwiesen, dass der Spruch eines Disziplinarerkenntnisses gegenüber den diesem vorangehenden Verfahrensschritten des Einleitungsbeschlusses und des Verhandlungsbeschlusses eine weitere und die letzte im Disziplinarverfahren erfolgende Konkretisierung der gegen einen Beschuldigten erhobenen Vorwürfe darstellt und nur über eine im Verhandlungsbeschluss bezeichnete Dienstpflichtverletzung abgesprochen werden darf (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. November 2004, Zl. 2001/09/0035, vom 6. März 2008, Zl. 2006/09/0010, und vom 18. Oktober 2007, Zl. 2005/09/0126). Dabei ist der Bestimmung des § 74 LDG 1984 zufolge § 59 Abs. 1 AVG anzuwenden, wonach der Spruch eines Bescheides die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteianträge, ferner die allfällige Kostenfrage, in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen hat. Den Disziplinarbehörden obliegt es im Rahmen ihrer gesetzlichen Entscheidungszuständigkeit, unter Zugrundelegung der im Anschuldigungspunkt enthaltenen, die Tat bestimmenden Sachverhaltselemente bei einem Schuldspruch - im Ergebnis nicht anders, als dies § 44a Z. 1 VStG für den Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens anordnet - die vom beschuldigten Lehrer begangene Tat bestimmt zu umschreiben, wobei - mangels eines Typenstrafrechtes - im Einzelnen die Anführung des konkreten Verhaltens und der dadurch bewirkten Folgen sowie weiters des die Pflichtverletzung darstellenden Disziplinar(straf)tatbestandes erforderlich ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. November 2004, Zl. 2001/09/0035, 8. August 2008, Zl. 2006/09/0145, und vom 5. September 2013, Zl. 2011/09/0040, mit weiteren Nachweisen).

Zwar darf eine Behörde bei Erlassung eines Bescheides auf einen Text verweisen und diesen zu ihrem eigenen machen, wenn er der Partei zugegangen ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 29. August 1996, Zl. 94/09/0230, vom 28. April 2000, Zl. 96/21/0227, und vom 28. Oktober 2004, Zl. 2001/09/0015, mwN, vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2014, Zl. 2013/09/0196, mwN). Unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebotes des § 44a Z. 1 VStG reicht die bloße Verweisung auf einen anderen, wenn auch dem Beschuldigten bekannten Text zur Umschreibung des vorgeworfenen Verhaltens in einem Strafverfahren jedoch nicht aus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2000, Zl. 96/21/0737), das Verhalten muss vielmehr im Spruch selbst umschrieben sein.

Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Das Verwaltungsgericht Salzburg wird im fortzusetzenden Verfahren im Falle der Aufrechterhaltung der Schuldsprüche diese daher zu präzisieren und im Spruch selbst genau zu umschreiben haben.

Im Übrigen ist auf Folgendes hinzuweisen:

Soweit die Beschwerdeführerin den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig hält, weil HOL S G als Mitglied der erstinstanzlichen Disziplinarkommission an der Entscheidung teilgenommen habe, der zugleich bereits, in einem anderen die Beschwerdeführerin betreffenden Verfahren, nämlich als Mitglied der Berufungsbehörde über ein Rechtsmittel der Beschwerdeführerin in einem Leistungsfeststellungsverfahren mitgewirkt und entschieden habe, und deswegen befangen gewesen sei und sich der Ausübung seines Amtes als Mitglied der Behörde erster Instanz zu enthalten gehabt hätte, zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Ein Befangenheitsgrund gemäß § 7 Abs. 1 AVG ist daraus nicht zu ersehen. Auch ein solcher gemäß § 7 Abs. 1 Z. 3 (sonstige wichtige Gründe, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen) ist daraus nicht zu ersehen, weil es auch nach Art. 6 Abs. 1 EMRK für sich allein nicht bedenklich ist, wenn ein Richter Elemente eines Sachverhaltes bereits aus einem anderen Verfahren kennt, soweit es sich nicht um analoge Fragen handelt und die Entscheidung auf eigenständig aufgenommenen Beweisen beruht, die Gegenstand der Verhandlung gewesen sind (vgl. etwa das Urteil des EGMR vom 6. Juni 2000 im Fall Morel, Nr. 34130/96, RandNr. 45 ff).

Soweit die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin erblickt, dass der Disziplinaranwalt in der Disziplinarverhandlung vor der Behörde erster Instanz abwesend gewesen sei, was der Rücknahme von Anschuldigungspunkten gleichkomme, so zeigt sie schon deswegen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil das Disziplinarverfahren nach dem LDG 1984 kein Anklageprozess und die Disziplinarkommission nicht an die Anträge des Disziplinaranwaltes gebunden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/09/0042).

Mit dem Anschuldigungspunkt 2.) (lt. Verhandlungsbeschluss) wird der Beschwerdeführerin vorgeworfen, sie habe eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 29 Abs. 1 LDG 1984 dadurch begangen, dass sie ohne Genehmigung der Dienstbehörde an einem Lehrgang in der Zeit vom 7. März 2011 bis zum 9. März 2011 teilgenommen habe und dadurch unentschuldigt ihren Unterrichtsverpflichtungen nicht nachgekommen sei. Die Unkenntnis der Beschwerdeführerin vom Erfordernis eines Dienstauftrages bzw. ihre Unkenntnis von einem dazu korrespondierendem Erlass könne von der Beschwerdeführerin nicht als Entschuldigung geltend gemacht werden. Die Unkenntnis der Rechtswidrigkeit ihres eigenen Verhaltens schütze die Beschwerdeführerin nicht vor der disziplinären Verfolgung. Die Beschwerdeführerin habe gewusst, dass sie keine Berechtigung zum Besuch dieses Lehrganges gehabt habe. Dies sei ihr mehrmals mündlich mitgeteilt worden.

Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid insoferne für rechtswidrig, weil sie sich zum ersten Mal für einen Lehrgang angemeldet habe. Sie sei die Anmeldung mit ihrer Direktorin durchgegangen und die Anmeldung sei auch von der Bezirksschulinspektorin bewilligt worden. Daher habe sie davon ausgehen können, dass ihr Antrag bewilligt worden sei. Sie habe auch alle Anmeldungen durchgeführt und es sei ihr ein Fixplatz sowohl nach Befassung der Schule als auch der Dienstbehörde zugeteilt worden, sodass sie auch auf Grund dieses Vorgangs davon ausgehen habe können, dass nach wie vor eine Bewilligung zur Teilnahme an dem Lehrgang vorliege. Dass die Bezirksschulinspektorin ihre Meinung geändert habe, sei der Beschwerdeführerin nicht mitgeteilt worden.

Die belangte Behörde hat nicht begründet, auf Grund welcher konkreter Mitteilungen die Beschwerdeführerin gewusst habe oder wissen hätte müssen, zur Teilnahme am Lehrgang in S am W-See nicht berechtigt gewesen zu sein. Immerhin war sie unbestritten im Besitz einer Fixplatzzusage der Kursleitung. Nach dem in den Akten des Verwaltungsverfahrens einliegenden Erlass 2.10 vom 27. September 2010 des Referatsleiters Ing. Mag. Dr. K.Pr. über Dienstaufträge, Reisegebühren vom Amt der Salzburger Landesregierung Abteilung II: Bildung, Punkt. 2.1. obliegt dem Leiter der Schule gegenüber dem Lehrer der jeweiligen Schule die Erteilung von Dienstaufträgen zu Dienstreisen und Dienstverrichtungen für Fortbildungsveranstaltungen im Inland.

Das "System Schule" im Land Salzburg ist in rechtlicher Hinsicht derart gestaltet, dass gemäß § 1b Abs. 1 Z. 2 lit. a sublit. aa des Salzburger Landeslehrer-Diensthoheitsgesetzes 1995, LGBl. Nr. 138, idF LGBl. Nr. 93/2007, die Zuständigkeit zur Erteilung von Dienstaufträgen zu Dienstreisen für Fortbildungsveranstaltungen für in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land stehenden Lehrer und Lehrerinnen im Inland beim Schulleiter liegt.

Die Behörde erster Instanz ist davon ausgegangen, dass für die Teilnahme am Kurs ein "Dienstauftrag der Abteilung 2" erforderlich sei. Die Direktorin der Beschwerdeführerin hat in der Verhandlung vor der Behörde erster Instanz ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin über dieses Erfordernis mehrfach an Konferenzen informiert worden sei und auch von der Direktorin selbst mehrfach darauf hingewiesen worden sei, dass ein derartiger Dienstauftrag nicht vorliege. Die Teilnahme der Beschwerdeführerin an der gegenständlichen Fortbildungsveranstaltung sei daher nicht zulässig.

Ob die belangte Behörde vor dem Hintergrund ihrer Interpretation des "Systems 'Schule'" der Beschwerdeführerin letztlich die Teilnahme am Lehrgang wegen Fehlens des vom Gesetz her erforderlichen Dienstauftrages der Schulleiterin vorwarf oder aber der "Abteilung 2", geht aus dem angefochtenen Bescheid nicht klar hervor. Dies wird im fortzusetzenden Verfahren zu präzisieren sein.

Hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 5.) (lt. Verhandlungsbeschluss) enthält der gegen die Beschwerdeführerin ergangene Schuldspruch, eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 29 Abs. 1 LDG 1984 dadurch begangen zu haben, dass die Kinder der 1b-Klasse am 30. Mai 2011 auf dem Weg von der Hauptschule H.-B. zum Schwimmbad N. sowie auf dem Weg zurück zur Schule nicht beaufsichtigt habe, keinen näheren Hinweis darauf, welches Verhaltensgebot die Beschwerdeführerin dadurch verletzt habe. Die zugrunde liegende Disziplinaranzeige enthält einen Hinweis auf § 51 Abs. 3 des Schulunterrichtsgesetzes (SchUG), BGBl. Nr. 472/1986 idF BGBl. I Nr. 52/2010, der wie folgt lautet:

"Lehrer

§ 51. ...

...

(3) Der Lehrer hat nach der jeweiligen Diensteinteilung die Schüler in der Schule auch 15 Minuten vor Beginn des Unterrichtes, in den Unterrichtspausen - ausgenommen die zwischen dem Vormittags- und dem Nachmittagsunterricht liegende Zeit - und unmittelbar nach Beendigung des Unterrichtes beim Verlassen der Schule sowie bei allen Schulveranstaltungen und schulbezogenen Veranstaltungen innerhalb und außerhalb des Schulhauses zu beaufsichtigen, soweit dies nach dem Alter und der geistigen Reife der Schüler erforderlich ist. Hiebei hat er insbesondere auf die körperliche Sicherheit und auf die Gesundheit der Schüler zu achten und Gefahren nach Kräften abzuwehren. Dies gilt sinngemäß für den Betreuungsteil an ganztägigen Schulformen, wobei an die Stelle des Unterrichtes der Betreuungsteil tritt."

Aus der diesen Vorwurf betreffenden Disziplinaranzeige vom 14. September 2011 geht auch hervor, dass es sich um den Unterricht "Bewegung und Sport" der Knaben der 1b-Klasse am 30. Mai 2011 in der vierten und fünften Unterrichtsstunde gehandelt habe, weiters ist in der Disziplinaranzeige auch davon die Rede, dass es sich bei der 1b-Klasse um eine Integrationsklasse handle, "in der sich auch die stark

beeinträchtigten Zwillinge A ... befänden".

Der angefochtene Bescheid enthält allerdings keine näheren Feststellungen betreffend die Zeit der hier vorgeworfenen Unterlassung der Aufsichtspflicht, keine Feststellungen betreffend die zwischen der Schule und dem Schwimmbad liegende Entfernung und die Gefährlichkeit jenes Weges, welchen die Schüler dem Vorwurf zufolge unbeaufsichtigt mit dem Fahrrad zurückgelegt haben sollen. Ebenso wenig enthält der angefochtene Bescheid Feststellungen betreffend das Alter und die geistige Reife der Schüler.

Die Beschwerdeführerin führt hinsichtlich dieses Schuldspruches aus, dass es sich hier um einen vier-stündigen geblockten, dislozierten Nachmittagsunterricht gehandelt habe, und die Schüler die entsprechende altersmäßige Reife erreicht hätten und eine konkrete, individuelle, unterfertigte Einverständniserklärung der jeweiligen Erziehungsberechtigten für jeden einzelnen Schüler vorgelegen habe. Die Beschwerdeführerin habe die Kinder begleitet und hernach nach dem Ende des Unterrichtes mit Zustimmung aller Eltern entlassen. Was die Entlassung im Zusammenhang mit einer Jahrzehnte gepflogenen Praxis bezüglich des Schwimmunterrichtes betreffe, so sei sie einem Erlaubnisirrtum, in eventu einem Rechtsirrtum unterlegen; ihr Verhalten sei demnach nicht disziplinar gewesen und der Schuldspruch zu Unrecht erfolgt.

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob die Beschwerdeführerin die Schüler auf dem Weg von der Schule in das Schwimmbad tatsächlich nicht beaufsichtigte und ob dies gegebenenfalls und die Entlassung nach dem Schwimmunterricht schon im Schwimmbad nach dem Alter und der geistigen Reife der Schüler vor dem Hintergrund des § 51 Abs. 3 SchUG zulässig war.

Bei der in § 51 Abs. 3 SchUG normierten Aufsichtspflicht des Lehrers handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche und dienstrechtliche Pflicht. Ihr Ausmaß und ihre Intensität richten sich nach dem Alter und der geistigen Reife der Schüler. Zustimmungserklärungen von Obsorgeberechtigten wie etwa, dass die Kinder unbeaufsichtigt mit dem Fahrrad von der Schule in das Schwimmbad gelangen dürfen, sowie dazu, dass sie nach dem Schwimmunterricht von diesem nach Hause entlassen werden dürfen, entbinden die Lehrerin/den Lehrer nicht von ihrer Aufsichtspflicht und der Pflicht zur selbständigen Beurteilung vom notwendigen Umfang und der erforderlichen Intensität der Aufsichtsmaßnahmen und können nur als Indiz dafür sprechen, dass die betreffende Vorgangsweise nach Auffassung der Obsorgeberechtigten dem Alter und der Reife der Kinder entspricht. Zustimmungserklärungen von Obsorgeberechtigten können jedenfalls an der gesetzlichen Vorschrift des § 65 Abs. 1 StVO 1960 nichts ändern, wonach auf öffentlichen Verkehrsflächen die Lenker eines Fahrrades (Radfahrer) mindestens zwölf Jahre alt sein müssen und Kinder unter zwölf Jahren ein Fahrrad nur unter Aufsicht einer Person, die das 16. Lebensjahr vollendet hat, oder mit behördlicher Bewilligung lenken dürfen.

Ohne die oben eingeforderten Feststellungen kann die unter diesem Punkt vorgeworfene Dienstpflichtverletzung nicht beurteilt werden.

Mit dem Argument, die belangte Behörde hätte das an den Vorsitzenden der Behörde erster Instanz gerichtete Schreiben der Zeugin K nicht verlesen, sondern eine persönliche Aussage der Zeugin herbeiführen müssen, macht die Beschwerdeführerin ihr Recht auf Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und darauf geltend, Fragen an die Zeugin K zu stellen.

Dieses Recht, welches als Bestandteil des Rechts auf ein faires Verfahren anzusehen ist (vgl. Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 lit. d EMRK), wurde der Beschwerdeführerin vorenthalten, weil der Umstand, dass es sich bei der Zeugin zum Zeitpunkt der Abhaltung der mündlichen Verhandlung vor der Behörde erster Instanz um eine stillende Mutter gehandelt hat, für sich allein nicht geeignet ist, dieses Recht auf Befragung der Zeugin für die gesamte Dauer des Verfahrens vorzuenthalten.

Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage 1998, Seite 1044 wiedergegebene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Bescheid nach dem Gesagten hinsichtlich beider Anschuldigungspunkte letztlich nicht gerecht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. November 2013, Zl. 2013/09/0117).

Der Aufhebungsgrund des § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG prävaliert jenem der Z. 3 leg. cit.. Daher war der angefochtene Bescheid nach der erstgenannten Vorschrift wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Im Hinblick auf dieses Ergebnis konnte auch die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 und 6 VwGG unterbleiben. Der Verwaltungsgerichtshof hat den angefochtenen Bescheid auf Grundlage des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu überprüfen (§ 41 Abs. 1 VwGG). Es ist nicht ersichtlich, welchen Beitrag zur Feststellung des Sachverhaltes die von der Beschwerdeführerin begehrte öffentliche mündliche Verhandlung hätte leisten können. Der Beschwerde wurde stattgegeben, womit im fortzusetzenden Verfahren weitere Ermittlungen anzustellen sind und die Beschwerdeführerin die Möglichkeit hat, ihren Standpunkt im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens darzulegen. Angesichts der in der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend gemachten Rechte sowie nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise war somit im vorliegenden Fall die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht geboten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 2011, Zl. 2010/09/0223, mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG.

Wien, am 19. März 2014

Schlagworte

Mängel im SpruchSpruch und BegründungBesondere RechtsgebieteParteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an BeweisaufnahmenVerweisung auf die Entscheidungsgründe der ersten Instanz"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)Ablehnung wegen BefangenheitVerfahrensbestimmungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2013090040.X00

Im RIS seit

10.04.2014

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten